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Konzept einer integrierten, handlungsorientierten Gesundheits- und Sozialberichterstattung im regionalen Ansatz - Theorien, Methoden, Anwendungsfelder -

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Academic year: 2021

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Konzept einer integrierten, handlungsorientierten

Gesundheits- und Sozialberichterstattung

im regionalen Ansatz

- Theorien, Methoden, Anwendungsfelder -

von

Dipl. oec. Sabine Hermann

von der Fakultät VIII - Wirtschaft und Management - Institut für Gesundheitswissenschaften -

der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades

„Doktorin der Gesundheitswissenschaften/Public Health“ - Dr. P.H. -

genehmigte Dissertation

Promotionsausschuss:

Vorsitzender: Prof. Dr. Reinhard Busse

Gutachterin: Prof. Dr. Ulrike Maschewsky-Schneider Gutachter: Prof. Dr. Gerhard Meinlschmidt

Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 10. April 2006

Berlin 2006 D 83

(2)
(3)

Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere, die Arbeit mit dem Titel „Konzept einer integrierten, handlungsorientierten Gesundheits- und Sozialberichterstattung im regionalen Ansatz“ selbstständig verfasst und ausschließlich die angegebenen Quellen verwendet zu haben. Ich habe für diese Arbeit weder früher noch gleichzeitig bei einer anderen Hochschule oder einem anderen Fachbereich eine Promotionsabsicht beantragt.

(4)

Abstract

Ziel der Arbeit ist die Entwicklung eines integrierten, handlungsorientierten Konzepts der Gesundheits- und Sozialberichterstattung zur Dauerbeobachtung von Lebenslagen und Lebensverhältnissen im regionalen Ansatz. Es wird der Frage nachgegangen, wie sich in der Berichterstattung gesundheitliche und soziale Aspekte integrieren und in einem Monitoringsystem darstellen lassen, welches einerseits wissenschaftlichen Kriterien genügt und andererseits empirisch umsetzbar ist. Weiterhin wird untersucht, wie im Rahmen der integrierten Berichterstattung eine Handlungsrelevanz erreicht werden kann. Das Konzept orientiert sich am aktuellen Wissenschaftsdiskurs, wonach die gesundheitliche und soziale Lage nicht als ein Nebeneinander von Lebensdimensionen sondern als Kombination dieser dargestellt wird. Dieser theoretisch als sinnvoll begründete neue Typ der integrierten Berichterstattung wird für deutsche Städte mit 200.000 und mehr Einwohnern sowie der Städte und Landkreise der Region Berlin-Brandenburg empirisch umgesetzt.

Aim of the work is to develop an integrated, practice oriented concept of health and social reporting. This is necessary to continuously observe situations and circumstances in life in a regional base. The question being pursued is, how healths and social aspects are integrated and how they can be represented in a monitoring system. The monitoring system on the one hand must fulfill scientific criteria and on the other hand be empirically marketable. Furthermore, it is being examined how can be reached relevance in the terms of action in the framework of integrated reporting. The concept is orientated on a current scientific discourse, where the health and social situation can not be presented as being separate of sphere of life, but as a combination. This new type of integrated reporting has been proved to be theoretically accurate and is being empirically implemeted in German cities with 200.000 and more inhabitants, as well as in the cities and rural districts of the region Berlin-Brandenburg.

(5)

Vorwort

Public Health - als Wissenschaft von der Öffentlichen Gesundheit - ist eine, die kurative Medizin um die bevölkerungsbezogene Perspektive auf Gesundheit und Krankheit ergänzende multidisziplinäre Wissenschaft. Sie befasst sich mit den Auswirkungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf den gesundheitlichen Zustand des Menschen auf dem Kontinuum zwischen Gesundheit und Krankheit.

Berichterstattung nimmt in diesem Zusammenhang eine wichtige Schlüsselrolle ein, die mit der Aufstellung von gesundheits- und sozialpolitischen Zielen sowie der Evaluation von Maßnahmen und Programmen verstärkt werden muss. Im Land Berlin, aber auch in anderen Bundesländern ist die Berichterstattung sehr ressortbezogen, es gibt Überschneidungen und die Verknüpfung zwischen den verschiedenen Berichterstattungssystemen ist stark eingeschränkt. Aus inhaltlicher, aber auch aus ressourcensparender Sicht gibt es deshalb aus Fach- und Politikkreisen bereits seit Anfang der 90er Jahre Forderungen nach Integration und Vereinheitlichung der unterschiedlichen Berichterstattungen. Eingeschlossen sind darin Forderungen nach Kostengünstigkeit bei der Datenerhebung, -verarbeitung, Pflege der Berichterstattungssysteme sowie Veröffentlichung der Ergebnisse sowie nach Aktualität und Vollständigkeit bei gleichzeitiger Transparenz. Bislang fehlen jedoch tragfähige Konzepte und die entsprechenden Strukturen zur Umsetzung.

Basierend auf vielen Jahren eigener Erfahrungen auf dem Gebiet der Gesundheitsberichterstattung - sowohl im praktischen Tagesgeschäft bei der inhaltlichen und organisatorischen Erarbeitung der verschiedenen Produkte der Berichterstattung des Landes Berlin, als auch bei der konzeptionellen Weiterentwicklung des Indikatorensatzes der Länder, bei der Auswahl und Begründung der Indikatoren, der Abstimmung mit den Datenhaltern und der Metadatenbeschreibung mit Angaben zur Qualität sowie der Vergleichbarkeit mit internationalen Indikatorensystemen – wird ein Konzept zur integrierten, handlungsorientierten Gesundheits- und Sozialberichterstattung entwickelt. Ausgehend von den historischen Wurzeln der verschiedenen Berichterstattungssysteme – insbesondere der integrierten Ansätze internationaler Programme -, ihren Datenquellen, Themenfeldern und Berichtsformen wird folgenden Fragen nachgegangen: Wie können die auf die Gesundheit wirkenden sozialen Aspekte, wie geringes Einkommen, Arbeitslosigkeit, niedrige Bildung und Armut sowie natürlich umgekehrt die ausgleichende Wirkung einer guten physischen und psychischen Gesundheit auf soziale Ungleichheiten durch eine integrierte Berichterstattung abgebildet werden? Wie kann eine integrierte Berichterstattung der in vielen einzelnen Ressorts – Familie, Bildung, Gesundheit, Soziales – angesiedelten Fachberichterstattung im Sinne eines Basismoduls aussehen, ohne dass ein neuer Megabereich geschaffen wird und ohne dass die Kompetenzen der Fachberichterstattungssysteme angegriffen werden? In welchem Verhältnis stehen Gesundheitsberichterstattung als Fachberichterstattung und

(6)

Sozialberichterstattung als globale Berichterstattung, wie viel Selbständigkeit muss der Fachberichterstattung zukommen?

Neben den erwähnten inhaltlichen Fragestellungen ist die räumliche Vergleichbarkeit, die Identifizierung von Stärken und Schwächen bestimmter Regionen und die daraus mögliche Ableitung von Problemknoten und Handlungsempfehlungen zentrale Analyseebene der vorliegenden Arbeit. In Anlehnung an den methodischen Ansatz des seit 1990 regelmäßig vorgelegten „Sozialstrukturatlas Berlin“, der gesundheitliche und soziale Aspekte, wie Bildung, Erwerbsstatus und Einkommen im räumlichen Ansatz für die Berliner Bezirke – und seit 1997 auch kleinräumiger, bis zur Ebene der Verkehrszellen – darstellt, wird das theoretisch entwickelte indikatorengestützte integrierte Berichterstattungssystem validiert. Der empirische Machbarkeitstest wurde angeregt durch zwei in jüngster Zeit häufige Fragestellungen: Wie stellt sich die gesundheitliche und soziale Situation Berlins im Vergleich zu anderen Großstädten, insbesondere den Stadtstaaten Hamburg und Bremen dar? und Wie ist das Verhältnis Berlins zu den Städten und Landkreisen Brandenburgs im Ausblick auf eine anstehende Fusion der beiden Länder?

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mir diese Arbeit ermöglicht haben: Meinen wissenschaftlichen Betreuern Frau Prof. Dr. Ulrike Maschewsky-Schneider und Herrn Prof. Dr. Gerhard Meinlschmidt danke ich für ihre wertvollen inhaltlichen und methodischen Anregungen, sie waren mir eine große Hilfe und brachten die Arbeit voran. Besonders hervorheben möchte ich die Unterstützung durch Herrn Prof. Dr. Gerhard Meinlschmidt, der mir in seiner Eigenschaft als Vorgesetzter diese Arbeit organisatorisch ermöglichte und durch seine kritische Ungeduld aber auch Fürsprache in schwierigen Phasen half. Ein herzlicher Dank gilt auch meiner Familie, die meine Anstrengungen beim Anfertigen der Arbeit mit großer Unterstützung und Geduld begleitete.

(7)

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 11

1.1 Problemstellung und Abgrenzung der Fragestellung 11

1.2 Ziel der Arbeit 13

2 Analyse der Darstellung von gesundheitlichen und sozialen Prozessen in der Berichterstattung

15

2.1 Zusammenhang zwischen Gesundheit und Sozialem 15

2.1.1 Gesundheitliche und soziale Ungleichheit 18

2.1.1.1 Grundsätzliche Messung der sozialen und gesundheitlichen Struktur

24 2.1.1.2 Maßzahlen zur Messung gesundheitlich-sozialer

Ungleichheit

27

2.1.2 Konsequenzen für die Berichterstattung 28

2.2 Nationale und internationale Berichterstattungssysteme 29 2.2.1 Definition und Funktionen der Berichterstattung 31

2.2.1.1 Gender-Problematik 33

2.2.1.2 Nachhaltigkeit 37

2.2.2 Surveillance, Monitoring, Berichterstattung – Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Begriffe

38 2.2.2.1 Monitoring als Kern der Berichterstattung 40

2.2.2.2 Monitoring in der Praxis 41

2.2.3 Sozialberichterstattung 45

2.2.3.1 Historische Entwicklung 46

2.2.3.2 Ziele und Funktionen 50

2.2.3.3 Lagekonzepte 52

2.2.3.4 Datenquellen 57

2.2.3.5 Themenfelder und Berichtsformen 59

2.2.3.6 Abgrenzung zwischen Armuts- und Sozialberichterstattung 63

2.2.3.7 Kritik und Perspektiven 66

2.2.4 Gesundheitsberichterstattung 69

2.2.4.1 Definition von Gesundheit und Krankheit aus unterschiedlichen Perspektiven

70

2.2.4.2 Historische Entwicklung 73

2.2.4.3 Ziele und Funktionen 80

2.2.4.4 Datenquellen 81

2.2.4.5 Themenfelder und Berichtsformen 85

2.2.4.6 Kritik und Perspektiven 86

2.2.5 Integrierte Berichterstattung 91

2.2.5.1 Ziele und Funktionen 93

2.2.5.2 Datenquellen 94

2.2.5.3 Themenfelder und Berichtsformen 95

(8)

3 Instrumente und Methoden zur Darstellung und Analyse gesundheitlicher und sozialer Prozesse

109

3.1 Indikatorensysteme 109

3.1.1 Aufstellung von Indikatoren 111

3.1.2 Systematik und Typisierung von Indikatoren 113

3.1.3 Aufstellung von Indikatorensystemen 117

3.2 Mathematisch-statistische Analyseverfahren 119 3.2.1 Deskriptive Statistik 120 3.2.2 Multivariate Analysemethoden 121

4 Konzept einer integrierten Gesundheits- und Sozialbericht-erstattung im regionalen Ansatz und seine empirische Anwendung

125

4.1 Forschungsfragen 125

4.2 Anforderungen an einen integrierten Ansatz zur Berichterstattung über gesundheitliche und soziale Phänomene

126

4.3 Methoden und Daten 128

4.3.1 Indikatorenbasiertes Monitoringsystem 129

4.3.2 Datenquellen und –strukturen 139

4.4 Empirische Anwendung 142

4.4.1 Ergebnisse für ausgewählte deutsche Städte 142

4.4.1.1 Einzeldaten 142 4.4.1.1.1 Bereich Demographie 145 4.4.1.1.2 Bereich Bildung 155 4.4.1.1.3 Bereich Einkommen 161 4.4.1.1.4 Bereich Erwerbsleben 174 4.4.1.1.5 Bereich Wohnen 183 4.4.1.1.6 Bereich Partizipation 184 4.4.1.1.7 Bereich Gesundheitszustand 186 4.4.1.1.8 Bereich Gesundheitsversorgung 189 4.4.1.2 Indizes 191

4.4.1.3 Regionale Ausprägung der gesundheitlichen und sozialen Lage

197

4.4.1.3.1 Lebensqualitätsindex 197

4.4.1.3.2 Wirtschaftsindex 199

4.4.1.3.3 Sozialindex 200

4.4.1.3.4 Verhältnis von Lebensqualitäts-, Wirtschafts- und Sozialindex

205 4.4.1.3.5 Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg 208 4.4.2 Ergebnisse für die Region Berlin-Brandenburg 209

4.4.2.1 Einzeldaten 209

4.4.2.1.1 Bereich Demographie 211

(9)

4.4.2.1.3 Bereich Einkommen 226 4.4.2.1.4 Bereich Erwerbsleben 238 4.4.2.1.5 Bereich Wohnen 247 4.4.2.1.6 Bereich Partizipation 248 4.4.2.1.7 Bereich Gesundheitszustand 249 4.4.2.1.8 Bereich Gesundheitsversorgung 252 4.4.2.2 Indizes 255

4.4.2.3 Regionale Ausprägung der gesundheitlichen und sozialen Lage

260

4.4.2.3.1 Erwerbsindex 261

4.4.2.3.2 Lebensqualitätindex 264

4.4.2.3.3 Sozialindex 266

4.4.2.3.4 Verhältnis von Erwerbs-, Lebensqualität- und Sozialindex

268

4.5 Bewertung der Ergebnisse 271

5 Diskussion und Bewertung der Ergebnisse 275

5.1 Empirische Ergebnisse des Konzepts im Vergleich zu anderen Studien 275

5.2 Gegenüberstellung der Ergebnisse und Forschungsfragen 289

5.3 Weitere zu betrachtende Themen und offene Forschungsfragen 293

5.4 Anwendungsfelder für die Umsetzung des Konzepts 296

5.4.1 Allgemeine Anwendungsfelder 297

5.4.2 Weiterentwicklung der Berliner Sozialberichterstattung 298 6 Zusammenfassung 303 7 Anhang 309

7.1 Tabellen- und Abbildungsanhang 309

7.2 Abbildungsverzeichnis 358

7.3 Tabellenverzeichnis 365

7.4 Quellenverzeichnis 371

7.5 Literaturverzeichnis 372

(10)
(11)

1

Einleitung

Gesundheits- und Sozialberichterstattung haben unterschiedliche Traditionen auf nationaler und internationaler Ebene. Im Gegensatz zur Gesundheitsberichterstattung, wo ein Indikatorensatz für alle Bundesländer Deutschlands als verbindliche Grundlage (zuletzt 2003) beschlossen wurde, gibt es im Bereich der Sozialberichterstattung bisher keine praktikable Legaldefinition und keine thematische Abgrenzung für wichtige Indikatoren. Auch auf europäischer Ebene gibt es Berichte, die entweder die gesundheitliche oder die soziale Situation der Bevölkerung widerspiegeln - eine integrierte Darstellung ist auch hier die Ausnahme.

Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit leistet einen Beitrag zur Analyse regionaler gesundheitlicher und sozialer Ungleichheiten. Der von der gesundheits- und sozialwissenschaftlichen Forschung in den letzten Jahren immer wieder gezeigte Zusammenhang zwischen der genetischen, biologischen und psychologischen Konstitutionen der Menschen und den gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Lebens- und Arbeitsbedingungen erfordert eine adäquate Abbildung in der Sozialberichterstattung. Dafür wird ausgehend von den theoretischen Konzepten der Berichterstattung und den bereits existierenden konkreten Umsetzungen in Berlin, anderen Städten und Ländern Deutschlands sowie im internationalen Raum ein entsprechendes Instrument entwickelt. Es soll die Dauerbeobachtung der sozioökonomischen, sozialen, gesundheitlichen und soziokulturellen Lebenslagen und Lebensverhältnisse in der räumlichen Ausprägung und im zeitlichen Verlauf ermöglichen.

Berichterstattung ist ein wichtiger Teil des politischen Planungsprozesses. Sie erhält in Zeiten knapper werdender Mittel zunehmende Bedeutung, um soziale, gesundheitliche, gesellschaftliche und soziökonomische Entwicklungen zu dokumentieren. Die in der Vergangenheit vielfach nachgewiesenen Zusammenhänge zwischen gesundheitlicher und sozialer Lage erfordern die Widerspiegelung in einem Berichterstattungssystem, das sowohl gesundheitliche als auch soziale Problemlagen, Ursachenzusammenhänge, Ort der Probleme sowie Entwicklungstrends frühzeitig erkennt und prognostiziert und damit Entscheidungsgrundlagen für politisches Handeln liefert.

Ein Wort zur sprachlichen Gestaltung der Arbeit: Soweit lesbar wird im Text, in Tabellen und Abbildungen die geschlechterdifferenzierte Schreibform bevorzugt. Nur dort, wo die Lesbarkeit beeinträchtigt werden würde, wird die männliche Form gewählt.

1.1

Problemstellung und Abgrenzung der Fragestellung

Die Sozialberichterstattung besteht derzeit in Deutschland und auch Berlin aus vielen verschiedenen Fachberichten der Politikbereiche Gesundheit, Bildung, Familie, Soziales,

(12)

Umwelt u.a.. Sie beschreiben bestimmte Bevölkerungsgruppen - wie z.B. Frauen, Männer, Migrantinnen und Migranten, Kinder, ältere Menschen - und verschiedene Problembereiche, wie z.B. Armut, Sozialhilfebezug, Gewalt. Keine Berichterstattung allein kann die Lebenswelt der Menschen mit all ihren Facetten abbilden, umso wichtiger ist eine Verbindung zwischen diesen. Gesucht wird ein Monitoringsystem als Basis der Berichterstattung, das durch Schlüsselindikatoren eine Vernetzung zwischen den verschiedenen Fachberichterstattungssystemen erlaubt.

Im Kapitel 2 der Arbeit wird der gegenwärtige methodische und theoretische Forschungsstand der Berichterstattung aufgearbeitet und durch exemplarische Forschungsergebnisse unterstrichen. Die Literaturanalyse folgt der Frage, wie gesundheitliche und soziale Prozesse in der Berichterstattung abgebildet und analysiert werden. Instrumente und Methoden zur Darstellung und Analyse dieser Prozesse – Indikatorensysteme und mathematisch-statistische Analyseverfahren - werden im Kapitel 3 dargestellt. Im Mittelpunkt des empirischen vierten Kapitels steht die Entwicklung eines Instruments zur Widerspieglung des engen Zusammenhanges zwischen gesundheitlichen und sozialen Aspekten. Auf der Basis des Forschungsstandes wird zunächst ein Indikatorensystem aufgestellt und begründet, welches nachfolgend für deutsche Großstädte mit 200.000 und mehr Einwohnern sowie die Region Berlin-Brandenburg getestet wird.

Indikatorensysteme von Städten und Regionen werden bislang oft isoliert voneinander entwickelt, d.h. sie sind nicht mit übergeordneten Politik- und Planungsebenen abgestimmt. So war ein sozialstruktureller Vergleich Berlins mit anderen Städten bislang wegen nicht vorhandener bzw. methodisch nicht vergleichbarer Berechnungen nicht möglich.

Integration – auf inhaltlicher, räumlicher, zeitlicher und akteursmäßiger Ebene - soll das wesentliche Kriterium der bereits in unterschiedlichen Formen und bei den verschiedenen Akteuren vorhandenen Informationen sein. Grundlegende Anforderungen an die Berichterstattung wie Geschlechter- und Migrantensensibilität sowie Nachhaltigkeit sollen Berücksichtigung finden.

Von Wissenschaftlern und Praktikern wird immer wieder die mangelnde Verfügbarkeit qualitativer Daten, d.h. subjektiver Angaben zur Gesundheit und dem Wohlbefinden, Einschätzungen zur Zufriedenheit u.ä. thematisiert. Auch die vorliegende wissenschaftliche Arbeit muss mit diesem Defizit leben. Es erfolgt keine eigene Datenerhebung, sondern es werden vorhandene quantitative Informationen der amtlichen Statistik mit all ihren Schwächen - wie z.B. einem gewissen time-lag zwischen Ereignis und Verfügbarkeit der Daten oder Qualitätseinschränkungen, weil z.B. die Datenerhebung nicht ursprünglich dem Zwecke der Gesundheits- und Sozialberichterstattung diente - genutzt. Auch die Tatsache, dass es in Deutschland keine Erhebung gibt die aus einer Quelle gesundheitliche und soziale Informationen auf kleinräumiger Ebene verknüpfen kann, ist Rahmenbedingung dieser Arbeit.

(13)

Das zu entwickelnde indikatorengestützte Monitoringsystem muss deshalb zum Zwecke der Erprobung der Umsetzbarkeit vom theoretisch Notwendigen auf das praktisch Machbare reduziert werden.

1.2

Ziel der Arbeit

Ziel der Arbeit ist die Entwicklung eines integrierten, handlungsorientierten Konzepts der Gesundheits- und Sozialberichterstattung zur Dauerbeobachtung der sozioökonomischen, sozialen, gesundheitlichen und soziokulturellen Lebenslagen und Lebensverhältnisse (vgl. Kapitel 4). Kernstück ist unter dem Aspekt der Handlungsrelevanz der Berichterstattung ein Beobachtungssystem, welches Teilthemen oder Zusammenhänge abbildet, die von allgemeinem Interesse und zugleich so bedeutsam sind, dass regelmäßig über sie berichtet werden sollte. Das Beobachtungssystem soll den Vergleich gesundheitlicher und sozialer Differenzen sowohl zwischen Regionen (horizontal und vertikal) als auch im zeitlichen Verlauf ermöglichen. Es wird der Frage nachgegangen, ob ein zielgruppenspezifisches Indikatorensystem für die verschiedenen Nutzergruppen – Wissenschaftler, Entscheidungsträger, Öffentlichkeit – mit einem unterschiedlichen Aggregationsgrad der Informationen notwendig ist.

Das zu entwickelnde Berichterstattungssystem soll auf leicht verfügbaren Indikatoren aufbauen, wie sie bei den Statistischen Landesämtern, dem Statistischen Bundesamt und dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung oder auf europäischer Ebene bei den Mitgliedsstaaten der Union, bei internationalen Organisationen, insbesondere der WHO und der OECD vorliegen. Die Vielzahl der Einzelindikatoren soll so verdichtet werden, dass die Beurteilung der verschiedenen Regionen hinsichtlich des Ausmaßes der gesundheitlichen und sozialen Belastung möglich wird.

Methodisch wird wie folgt vorgegangen:

 Theoretische Festlegung eines Datensettings auf Basis der auf den unterschiedlichen regionalen Ebenen verfügbaren Daten: Die Datenverfügbarkeit ist für die spätere empirische Umsetzbarkeit eines Berichtssystems von entscheidender Bedeutung, dennoch wird in der Konzeptphase auch danach gefragt, welche Indikatoren zur Abbildung der gesundheitlichen und sozialen Lage theoretisch wünschenswert wären. Dies erfordert die Identifikation von Schlüsselindikatoren die einen Vergleich der gesundheitlichen und sozialen Lage im zeitlichen und räumlichen Bezug ermöglichen. Neben dem Informationsbedarf der Nutzer spielen Qualitätskriterien, wie ein günstiges Aufwand-Nutzen-Verhältnis für die Ermittlung der Daten, die Relevanz für die Charakterisierung eines Themenfeldes, die Sensitivität der Indikatoren gegenüber Änderungen im Zeitverlauf sowie die Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen den Problemfeldern eine besondere Rolle.

(14)

 Abstimmung der verwendeten Definitionen und Datensammelmethoden: Voraussetzung für den Vergleich unterschiedlicher regionaler Ebenen sind vergleichbare Datensysteme. Geprüft werden Möglichkeiten der Einbeziehung unterschiedlicher Datenbestände aus der amtlichen Statistik und weiteren Quellen mit dem Ziel, Informationen aus verschiedenen Datenbeständen und Quellen zu einer komplexen Darstellung zusammenzuführen.

 Entwicklung eines Systems, das auf höchst mögliche Flexibilität ausgelegt ist, damit Anpassungen - wie Neuaufnahme oder Wegfall von Indikatoren oder Datenquellen - vorgenommen werden können, während gleichzeitig die Vergleichbarkeit in Raum und Zeit gewährleistet ist.

 Anhand eines Datensatzes für die bevölkerungsreichsten deutsche Städte und die Region Berlin-Brandenburg wird das entwickelte Konzept getestet und die Ergebnisse adäquat dargestellt. Die Vielzahl der gesundheitlichen und sozialen Indikatoren wird mit Verfahren der multivariaten Analyse inhaltlich und räumlich analysiert.

Im Ergebnis der Arbeit wird ein indikatorgestütztes Basissystem als Grundlage für eine integrierte, handlungsorientierte Gesundheits- und Sozialberichterstattung vorgestellt. Die Machbarkeit des Konzepts wird anhand des Vergleichs der gesundheitlichen und sozialen Lage deutscher Städte mit 200.000 und mehr Einwohnern sowie der Region Berlin-Brandenburg überprüft. Es werden Defizite und Stärken der Regionen herausgearbeitet und damit die Handlungsrelevanz bewiesen (vgl. Kapitel 4).

Die empirischen Ergebnisse des Konzepts werden im Kapitel 5 anderen Studien gegenübergestellt und so der Erkenntniszuwachs des neu entwickelten integrierten, handlungsorientierten Konzepts der Gesundheits- und Sozialberichterstattung aufgezeigt.

(15)

2

Analyse der Darstellung von gesundheitlichen und

sozialen Prozessen in der Berichterstattung

2.1

Zusammenhang zwischen Gesundheit und Sozialem

Die gesundheitswissenschaftliche Forschung der letzten Jahre zeigt eindrucksvoll den Zusammenhang zwischen genetischen, biologischen und psychologischen Konstitutionen der Menschen und den gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Lebens- und Arbeitsbedingungen.1 Die Potentiale der Menschen, individuelle und gesellschaftliche Risikofaktoren sowie die Art und Weise ihrer Interaktion entscheiden über Gesundheit oder Krankheit des Einzelnen bzw. ganzer Bevölkerungsgruppen.

Gesundheit lässt sich aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten – aus Sicht der betroffenen Person, der Medizin und der Gesellschaft (vgl. Abschnitt 2.2.4.1 Definition von Gesundheit und Krankheit aus unterschiedlichen Perspektiven). Aus medizinischer Sicht wird sie häufig nur auf die biologische Seite des Menschen und auf den Code gesund-krank reduziert. Negativ ist aus dieser Sicht Gesundheit, positiv ist Krankheit, da sie Aktivitäten der Ärzte und großer Teile des Gesundheitswesens auslöst. Die individuelle und gesellschaftliche Sicht ist dagegen umfassender und berücksichtigt die soziale Komponente von Gesundheit/Krankheit. Einflussfaktoren auf den gesundheitlichen Zustand des Menschen auf dem Kontinuum zwischen Gesundheit und Krankheit werden codiert als lebensförderlich oder lebenshinderlich. Diese Gesundheitsperspektive sollte unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit (vgl. Abschnitt 2.2.1.2 Nachhaltigkeit) zum Leitcode für alle anderen Bereiche der Gesellschaft, wie Bildung, Arbeit, Wohnen, Stadtentwicklung werden.2

Im sozialen Netzwerk steht der Mensch mit einer möglichst optimalen biologischen und sozialen Gesundheit - also mit seinem gesundheitlichen und sozialen Wohlbefinden - im Mittelpunkt, alle anderen Interessen sollten sich dem langfristig unterordnen. Im Sachstandsbericht des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen wurde bereits 1994 diese erweiterte Gesundheitssicht in Verbindung mit Gesundheitszielen als Orientierungs- und Evaluationsmaßstab für Änderungen in Politikfeldern außerhalb des Gesundheitssektors gefordert.3

Die Berücksichtigung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Lebensumstände in Wechselwirkung zur Gesundheit der Menschen qualifiziert das Gesundheitssystem von seiner ehemals direkten Körperfixierung zu einem gesellschaftlichen Funktionssystem. Gesundheit ist mehr als der Ablauf geregelter körperlicher Funktionsabläufe, die zunehmend als beherrschbar und regelbar gelten (z.B. Entschlüsselung der DNS und das sogenannte Klonen der Menschen durch Eingriffe in die Genstruktur und damit möglicher

1

Laaser/Gebhardt/Kemper (2001); Mielck (1994 und 2000); Helmert et al. (2000); Hurrelmann/Kolip (2002); Wilkinson (2001)

2 Bauch (1996:153-156)

(16)

Eingriffe in die Wachstums- und Reifeprozesse), Gesundheit hat eine Gesellschaftsorientierung, da das Verhältnis von Gesundheit und Krankheit durch soziale Prozesse mit verursacht wird.4

Nach Wilkinson wird die Erforschung der Gesundheitsdeterminanten mit dem Wissen, dass sozial und wirtschaftlich strukturierte Lebensprozesse größten Einfluss auf Gesundheit ausüben, zu einer Sozialwissenschaft. Seine These „Da Gesundheit und Gesellschaft so eng miteinander verknüpft sind, erfahren wir mehr über Gesundheit, wenn wir die Gesellschaft studieren, und mehr über die Gesellschaft, wenn wir die Gesundheit untersuchen.“ wird u.a. unterstützt durch die Analyse der Gesundheitstrends in Osteuropa. Die Sterberaten waren in den 1970er Jahren in Ostdeutschland, Bulgarien und Rumänien niedriger als in vielen westeuropäischen Ländern. 1990 kehrt sich diese Aussage um, alle osteuropäischen Länder schneiden schlechter ab als viele Länder Westeuropas. Er spitzt seine These zu mit der Frage, ob die grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen in den osteuropäischen Ländern Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre – mit ihren sozialen und wirtschaftlichen Ursachen – schon etwas früher anhand einer stagnierenden bzw. sinkenden Gesundheit hätten bemerkt werden müssen?5

Bezogen auf die Lebenserwartung geht Wilkinson generell davon aus, dass zwei Drittel bis drei Viertel der gewonnenen Lebensspanne nicht der medizinischen Versorgung, sondern anderer Gesundheitsdeterminanten zuzuschreiben sind. Die gesundheitliche Versorgung zielt vor allem auf die Reparatur körperlicher Schädigungen.6

Von den Facetten Arbeitslosigkeit, gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen (z.B. Lärm, Stress, unregelmäßige Arbeitszeiten) niedriges Bildungsniveau, niedriges Einkommen über längere Zeiträume (u.a. aus Transferleistungen wie Sozialhilfe, Arbeitslosen- und Wohngeld) sowie unzureichende Wohnbedingungen hinsichtlich der Wohnungsgröße und des Wohnumfeldes gehen große soziale Benachteiligung aus. Welche Auswirkungen dies auf den Gesundheitszustand hat, lässt sich jedoch nicht eindeutig für einen Menschen oder eine Bevölkerungsgruppe bestimmen. Wesentlich scheint das Auftreten von Mehrfachbenachteiligungen in Verbindung mit der Dauer der Benachteiligung zu sein, jedoch können bestimmte Phänomene, wie sozialer Zusammenhalt der Familie und anderer sozialer Netze kompensierend wirken.

Nach Antonovsky hängt die Entwicklung in Richtung Gesundheit oder Krankheit von der Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Lebensumwelt ab, hier spielen vorhandene oder im Prozess der Auseinandersetzung erworbene Potentiale, die die innere und äußere Welt verstehbar und kontrollierbar machen (Kohärenzsinn), eine besondere Rolle (vgl. auch Abschnitt 2.2.4.1 Definition von Gesundheit und Krankheit aus unterschiedlichen Perspektiven).7 4 Bauch (1996:58-62) 5 Wilkinson (2001:16-18) 6 Wilkinson (2001:X)

(17)

Nachfolgend werden einige aktuelle Beispiele für den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Sozialem dargestellt:

 Die mit sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit einhergehenden Probleme erfordern zusätzliche medizinische und soziale Leistungen, sie führen damit zu zusätzlichen Kosten für die Gesellschaft. Dieser Zusammenhang lässt sich anhand der ökonomischen Auswirkungen für chronisch-degenerative Krankheiten durch wachsende Gesundheitsausgaben verdeutlichen. Geschätzte 20 % des Gesamtbudgets der Krankenkassen von 157 Milliarden Euro wurden 2002 für die ca. 5,1 Mio. Diabetes-Patienten in Deutschland ausgegeben. Die rund 30 Milliarden Euro setzen sich je zur Hälfte aus direkten Behandlungskosten (z.B. Insulin) und den indirekten Kosten aus Infarkten, Dialysen, Erblindungen, Nervenschäden und Amputationen zusammen. Bei fehlenden Gegenmaßnahmen – vor allem Präventionsprogrammen, die heute kostenaufwendig, in Zukunft jedoch kostensparend wirken – rechnen Experten mit einem Anstieg der Diabetiker auf 10 Mio. im Jahr 2010. Dies währe für das Gesundheitssystem – in dem heute schon 80 % des Budgets für chronisch kranke Patienten aufgewendet werden – eine große Herausforderung. Die Ursachen für diesen starken Anstieg liegen für 94 % aller Diabetiker (Typ 2: sogenannter Altersdiabetes, der zunehmend bereits im Alter von 30-40 Jahren beginnt) in der Lebensweise – Überernährung und Fettsucht bedingen einen gestörten Fettstoffwechsel. Die Anlagen werden bereits im Kindes- und Jugendalter gelegt: Acht Prozent der Kinder und 30 Prozent der Jugendlichen in Deutschland sind adipös, d.h. fettsüchtig.8 Zahlreiche Studien weisen wiederum auf den Zusammenhang zwischen gesundheitsschädigendem Verhalten – wie mangelnde Bewegung und Übergewicht – und der sozialen Schicht hin. Bereits bei Kindern im Alter von 5-6 Jahren, die zum Zwecke der Einschulung untersucht werden, lässt sich dies nachweisen.9

 Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin sind Kinder aus armen Familien wesentlich häufiger krank und haben erheblich häufiger sprachliche und motorische Entwicklungsdefizite als Kinder aus der Mittel- und Oberschicht.10

 Auswirkungen zeigt auch die mit Jahresbeginn 2004 im Rahmen der Gesundheitsreform eingeführte Praxisgebühr von 10 Euro im Quartal: Jeder fünfte Haushalt mit einem Nettoeinkommen unter 1.000 Euro im Monat gab entsprechend einer repräsentativen Befragung der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) an, auf einen Arztbesuch verzichtet oder ihn ins nächste Quartal verschoben zu haben (19,2 % zum Durchschnitt der Befragten von 11,7 %). Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin lag die Zahl der Arztbesuche im II. Quartal 2004 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 6,9 % niedriger. Besonders auffällig ist der Rückgang der Arztbesuche in Bezirken mit hohen Anteilen einkommensschwacher Einwohner, Neukölln liegt mit 8,3 % an der Spitze, es folgen Mitte und Tempelhof-Schöneberg. Auf Grund erhöhter Zuzahlungen für Medikamente registrieren Apotheker, die

8

Schüddekopf (2003)

9 Delekat (2004:116-119)

(18)

Einlösung von weniger Rezepten. Die Patienten nehmen Medikamente nicht mehr oder reduzierter ein. Die Nationale Armutskonferenz (Zusammenschluss der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, bundesweit tätiger Fachverbände und Selbsthilfeorganisationen und des Deutschen Gewerkschaftsbundes) stellt fest, dass vor allem Menschen mit Migrationshintergrund nicht wissen, dass Vorsorgeuntersuchungen weiterhin kostenlos sind. So ist die Zahl der Früherkennungsuntersuchungen um ca. 10 % zurückgegangen, die Teilnahme an Schutzimpfungen um ca. 30 %.11

Der enge Zusammenhang zwischen gesundheitlichen und sozialen Aspekten muss sich zunächst in der Abbildung der gesundheitlichen und sozialen Realitäten – mit dem Instrument der Berichterstattung – widerspiegeln. In den nachfolgenden Abschnitten des Kapitels 2 wird bei der Analyse der Berichterstattungssysteme – wobei der Schwerpunkt auf der nationalen Berichterstattung liegen wird – immer die Einbeziehung bzw. Verknüpfung beider Aspekte betrachtet.

2.1.1

Gesundheitliche und soziale Ungleichheit

In der öffentlichen Diskussion spielt z.Z. die Frage „Wieviel Ungleichheit verträgt unsere Gesellschaft?“ im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform und der Reform der Arbeitsmarktförderung (Kurzbezeichnung: Hartz-IV-Reform) eine große Rolle. In den Artikeln 72 und 106 des Grundgesetzes12 ist das Ziel der „Herstellung einheitlicher und gleichwertiger Lebensverhältnisse“ im Bundesgebiet festgeschrieben. Was jedoch als gleichwertige Lebensverhältnisse definiert wird ist nicht verfassungsmäßig geregelt, es muss im täglichen Leben immer wieder zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften ausgehandelt werden. Gleichwertige Lebensverhältnisse können nicht nur am Einkommen festgemacht werden, sondern sie hängen von den Lebenshaltungskosten insgesamt, der Infrastruktur (z.B. Kinder- und Seniorenbetreuungseinrichtungen, Bildungs- und Weiterbildungsangebote) und der Wirtschaftskraft einer Region ab. Deshalb wurde der Länderfinanzausgleich (Artikel 107 Grundgesetz), das Programm „Aufbau Ost“ und Förderprogramme der EU in der Vergangenheit - mit dem Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse - zu Gunsten der Neuen Länder gestaltet. Diese Maßnahmen zielten und zielen auf die Umsetzung der verfassungsmäßig garantierten Grundrechte zur freien Entfaltung der Persönlichkeit und dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Dazu gehören die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, der Schutz und die Förderung der Familien sowie die Pflege und Erziehung von Kindern, das Recht auf Bildung als Voraussetzung für eine Einbindung in das Erwerbsleben und das Führen eines selbst bestimmten Lebens. Umverteilungen und soziale Ausgleiche stellen politische Rahmenbedingungen dar, sie dürfen nicht die Eigeninitiative der Menschen und die Chancen der Herausforderungen die in

11

taz (2004); Ärzte Zeitung (2004); Berliner Zeitung (2004); Deutscher Charitasverband (2004)

(19)

Ungleichheiten liegen sowie die flexible und aktive Lebensgestaltung der Menschen behindern. Benachteiligung und sozialer Exklusion ist nicht allein mit Transferzahlungen zu begegnen, vielmehr ist die Diskussion um gesellschaftliche Werte in der Gesellschaft – im Sinne einer Leitkultur, die die Rechte und Pflichten des Einzelnen in Beziehung zur Gesellschaft zum gegenseitigen Nutzen regelt – neu aufzunehmen.

Gesundheitliche Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft wird seit vielen Jahrhunderten registriert und meist aus dem Blickwinkel einzelner Wissenschaften analysiert (vgl. Abschnitt 2.2.3.1 und 2.2.4.2 Historische Entwicklung der Sozial- bzw. Gesundheitsberichterstattung). Die empirische Forschung zeigte in den letzten Jahren eine Vielzahl von Ergebnissen, die den Zusammenhang zwischen sozialer Lage und subjektivem/objektivem Gesundheitszustand sowie einer hohen Mortalität aufzeigen. Sie wurden z.B. von Mielck und Helmert et al. in Sammelbänden zusammengestellt.13 Dabei stehen die sozialen Dimensionen Erwerbstätigkeit, Bildung, Einkommen und Wohnen zur Gesundheit bzw. Krankheit in enger Wechselwirkung. Eng damit zusammen hängen komplexe Kommunikations- und Austauschprozesse in den sozialen Netzwerken der Lebens-, Arbeits- und Freizeitwelt sowie der Lebensstil der Individuen. Letzterer umfasst die sozial geformten und individuell ausgestalteten Muster der Lebensführung und -gestaltung, dazu gehören Bewegungs- und Ernährungsverhalten ebenso, wie die Gestaltung von Entspannung und Erholung sowie der Zeitfond für die einzelnen Aktivitäten.

Soziale Ungleichheiten – gemessen über vertikale und horizontale Merkmale (vgl. Abschnitt 2.1.1.1: Grundsätzliche Messung der sozialen und gesundheitlichen Struktur) - die sich in unterschiedlichem Wissen, Geld, Macht und Prestige ausdrücken, führen zu unterschiedlichen gesundheitlichen Beanspruchungen in der Arbeits- und privaten Lebenswelt und gleichzeitig zur unterschiedlichen Inanspruchnahme der gesundheitlichen Versorgung. Neben der objektiv messbaren sozialen Ungleichheit, der gesundheitlichen Beanspruchung und Versorgung existieren unterschiedliche gesundheitsrelevante Lebensstile (gemessen über Verhalten, Einstellungen und Wertmaßstäbe), die beeinflusst werden durch erstere aber auch durch spezifische Krankheits- und Gesundheitszustände. Gesundheitliche Ungleichheit wiederum hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Bildungs- und Arbeitsmarktchancen sowie das verfügbare Einkommen und damit auf den Grad der sozialen Integration (vgl. Abbildung 2.1.1).14

13 Mielck (1994, 2000, 2002); Helmert et al. (2000)

(20)

Abbildung 2.1.1: Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit

(21)

Rene Villermé, einer der französischen Pioniere des Public Health, bezeichnete den Tod bereits 1830 als eine soziale Krankheit.15 Public Health ist eine Multidisziplin aus Anteilen der Medizin, Soziologie, Psychologie, Politologie, Ökonomie, Pädagogik, Arbeits-, Ernährungs- und Sportwissenschaften. Diese Kombination eröffnet die Möglichkeit, die Determinanten von Gesundheit und deren Rückkopplung (Gesundheit als Ressource) in Empirie und Forschung zu beleuchten. Der gesellschaftliche und damit verbundene gesundheitliche Wandel – als epidemiologische Transition bezeichnet – brachte mit Beginn des 20. Jahrhunderts neue Herausforderungen: Es bestimmten zunehmend chronisch-degenerative Krankheiten und weniger Infektionskrankheiten das Krankheitsgeschehen, die Lebenserwartung stieg und damit die Zahl der mit chronischen gesundheitlichen Einschränkungen lebenden Menschen und die gesundheitliche Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft nahm zu. New Public Health stärkt den Blick auf die gesellschaftlichen Ursachen von Gesundheit-Krankheit, bezieht eine breite Öffentlichkeit in die Analyse und Diskussion dieser Phänomene ein und gleichzeitig werden Ansätze zur Senkung pathogener Faktoren sowie die Förderung salutogener Faktoren entwickelt und implementiert.

Wesentliche Impulse für die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Sozialem gingen von dem von einer Forschungsgruppe um Sir Douglas Black 1980 herausgegebenen sog. Black Report16 - ein Bericht über gesundheitliche Ungleichheiten in Großbritannien – aus. In vielen Ländern Europas wurden Untersuchungen angestoßen, um die Unterschiede in der Lebensqualität und der Länge des Lebens - differenziert nach der Sozialstruktur der Bevölkerung, dem Geschlecht und der Region – zu analysieren. 10 Jahre nach Herausgabe des Black Reports zogen die Forscher Bilanz hinsichtlich der Entwicklung sozioökonomischer Unterschiede in der Bevölkerung. Sie stellten fest, dass sich die in allen Ländern zu beobachtenden sozial bedingten Unterschiede in der Mortalität vertieft haben und die Verteilung des Einkommens innerhalb der Bevölkerung einen größeren Einfluss auf die Mortalitätsunterschiede hat, als zunächst angenommen. Gefordert werden deshalb deutliche Konsequenzen für die Gesundheits- und Sozialpolitik. Als Defizit und zugleich Forschungsauftrag werden adäquate Indikatoren zur Analyse der soziökonomischen Position der Frauen benannt.17

Die Europäische Union misst die soziale Eingliederung bzw. Ausgrenzung (Integration bzw. Exklusion) seit dem Jahr 2001 mit 18 Indikatoren der Dimensionen finanzielle Armut, Beschäftigung, Gesundheit und Bildung. Damit wird deutlich, dass Ausgrenzung nicht nur finanzielle Ressourcen betrifft, sondern verschiedene Lebensbereiche, die häufig mangels geeigneter Daten nicht abgebildet werden können. Auch Ilona Kickbusch fordert die Darstellung und Analyse der Interaktionen zwischen den zentralen Dimensionen der sozialen Ungleichheit. Materielle Benachteiligung, geringer Zugang zu Bildung und Gesundheit (Prävention, Gesundheitsförderung, Zugang zu medizinischen Einrichtungen), Verletzlichkeit und ein erhöhtes Lebensrisiko (schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen, risikoreiche Lebensweise) sowie mangelndes Mitspracherecht schränken die Fähigkeiten

15

Kickbusch (2004)

16 Department of Health and Social Security (1980)

(22)

und Wahlmöglichkeiten der Menschen ein. In der Konsequenz führt dies dazu, dass Menschen nicht das Leben leben können was sie anstreben oder wertschätzen.18

Ergänzend zu den objektiven Indikatoren des Gesundheitszustandes ist die eigene Gesundheitswahrnehmung ein Indikator zur Messung der sozialen Eingliederung. Eine Studie der Europäischen Union belegt, dass die am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen die meisten und größten Gesundheitsprobleme aufweisen: 16 % des unteren Einkommensquintils schätzen ihren Gesundheitszustand als schlecht ein, dagegen nur 7 % des oberen Quintils. Dieser Personenkreis hat nach eigenen Aussagen aber auch große Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung: lange Wartezeiten, hohe Zuzahlungen für Medikamente, Heil- und Hilfsmittel gemessen an ihrem Einkommen, komplizierte Antrags- und Genehmigungsverfahren und unzureichende Prävention (Früherkennung, Impfung).19

Wilkinson vertritt die These „Unter den modernen Industriegesellschaften sind nicht die reichsten Gesellschaften die gesündesten, sondern diejenigen mit den geringsten Einkommensunterschieden zwischen Arm und Reich. Soziale Ungleichheit und relative Armut sind außerordentlich wirksam: Sie steigern die Todesraten.“20 Er stützt sich dabei auf zahlreiche sozialwissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse.

Die These lässt sich auf der internationalen und innerstädtischen Ebene mit konkreten Ergebnissen stützen. Verwendet werden dazu der Indikator Lebenserwartung und Sozialindizes aus dem Human Development Report der Vereinten Nationen sowie den Sozialstrukturberechnungen des Jahres 2004 für Berlin.21 Ob der Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheitszustand auch für die empirischen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit gilt, wird im Kapitel 5.2 (Gegenüberstellung der Ergebnisse und Forschungsfragen) betrachtet.

Die Ergebnisse der Vereinten Nationen zeigen, dass die insgesamt 55 Länder in der Gruppe mit den weltweit höchsten Human Development Indizes (HDI – menschlicher Entwicklungsindex; er setzt sich zusammen aus Indizes der durchschnittlichen Lebenserwartung, dem Bildungsstand sowie der Kaufkraft unter Berücksichtigung der örtlichen Lebenshaltungskosten) sehr unterschiedliche gesellschaftliche Strukturen aufweisen: Die USA weist den höchsten Einkommensindex auf, befindet sich jedoch bei der Lebenserwartung für Frauen mit 79,7 Jahren und für Männer mit 74,0 Jahren nur auf Rang 26 bzw. 30. Japan und Schweden verfügen durchschnittlich über geringere Einkommen als die USA, weisen jedoch höhere Lebenserwartungen für Frauen (84,7 bzw. 82,4 Jahre/Rang 1 und 5) und Männer (77,7 bzw. 77,4 Jahre/Rang 1 und 3) auf. Hier wirken unterschiedliche Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsysteme, größere Unterschiede zwischen Arm und Reich – damit verbundene Segregation und Deprivation einzelner Bevölkerungsgruppen – mit der Wirkung einer unterschiedlichen sozialen Homogenität der Länder.

18

Dennis/Guio (2003); Kickbusch (2001:22-24)

19

Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2004:5)

20

Wilkinson (1996) zitiert nach Wilkinson (2001:VI)

(23)

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich der Quote aus dem gesamten Äquivalenzeinkommen des obersten Einkommensquintils und dem des untersten Einkommensquintils (je 20% der Bevölkerung mit dem höchsten bzw. geringsten Äquivalenzeinkommen). Die Quote lag 1999 im Durchschnitt der 15 EU-Länder bei 4,6, d.h. die Wohlhabenden verfügten über 4,6 mal so viel Einkommen wie die Einkommensschwachen. In Dänemark und Schweden war sie mit 3,2 am niedrigsten und in Portugal mit 6,4 am höchsten. Deutschland lag mit einer Quote von 3,6 auf Rang 4. Über die gesamte Verteilung der Einkommen innerhalb der Bevölkerung (Verhältnis der kumulativen Bevölkerungsanteile nach Einkommensniveau zum kumulativen Anteil des von ihnen erzielten Gesamteinkommens) gibt der Gini-Koeffizient Auskunft: Wenn jede Person in einer Bevölkerung das gleiche Einkommen hätte, wäre der Gini-Koeffizient 0 %, bezöge eine einzelne Person das gesamte Einkommen einer Bevölkerung, läge er bei 100 %. Die nationalen Koeffizienten lagen 1999 innerhalb der 15 EU-Länder zwischen 23 % in Dänemark und 36 in Portugal (Durchschnitt EU 29 %; Deutschland 25 %).22

Abbildung 2.1.2: Zusammenhang zwischen dem Human Development Index (HDI)* 2003 und der Lebenserwartung 2001

(Berechnet von den Vereinten Nationen für 175 Länder)

* Der HDI setzt sich zusammen aus Indizes der durchschnittlichen Lebenserwartung für Frauen und

Männer bei der Geburt, dem Bildungsstand (Alphabetisierungsrate von Erwachsenen und Gesameinschulungsquote) sowie der Kaufkraft (reales Bruttoinlandsprodukt/Kopf) unter Berücksichtigung der örtlichen Lebenshaltungskosten. Der jeweilige Index liegt im Bereich zwischen 1 und 0 (höchste und niedrigste Entwicklung). HDI=1/3 (QL + QB + QBIP)

(Quelle: UNDP (2003); eigene Darstellung)

Länder in der Gruppe mit den niedrigsten HDI (insgesamt 64 der insgesamt 175) weisen deutlich auf den Zusammenhang zwischen schlechter Wirtschaftsleistung, geringen 22 Dennis/Guio (2003) 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

hoch (z.B. EU-Länder, USA, Argentinien, Chile, Kuba)

durchschnittlich (z.B. Russland, Brasilien, Thailand, Türkei,

Südafrika)

niedrig (z.B. Nepal, Pakistan, Nigeria, Guinea, Mocambique)

HDI-Niveau der Länder

Ja h re 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 H D I

(24)

Einkommen, hoher Arbeitslosigkeit, geringer Bildung und dem Gesundheitszustand hin. Die dazu gehörenden afrikanischen Länder weisen eine durchschnittliche Lebenserwartung von 46,5 Jahren auf, mit einer nur ca. 1,5 Jahren höheren Lebenserwartung der Frauen gegenüber den Männern.

Beide regionalen Betrachtungsebenen zeigen den Zusammenhang zwischen sozialer Lage und dem Gesundheitszustand. Niedriges Bildungsniveau und geringe Einkommen auf der Makrokroebene (Länder der Welt), und der Mikroebene (Berliner Bezirke) hängen eng zusammen mit einer niedrigen Lebenserwartung. Die Stärke des Zusammenhanges (Korrelationskoeffizient) liegt zwischen 0,97 (Makroebene) und 0,90 (Mikroebene). Der aufgezeigte Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheitszustand kann im Rahmen der Berichterstattung für weitere gesundheitliche Indikatoren (z.B. ausgewählte Todesursachen, vermeidbare und vorzeitige Sterblichkeit) und verschiedene Strukturen der Bevölkerung (z.B. Geschlecht, Alter, Nationalität, Familienstand) differenziert werden (vgl. Abb. 2.1.2 und 2.1.3).

Abbildung 2.1.3: Zusammenhang zwischen dem Sozialindex* 2003 und der Lebenserwartung 1998-2000 in den Berliner Bezirken

* Der Sozialindex wird aus Indikatoren der Bereiche Bevölkerung, Bildung, Erwerbsleben,

Einkommen und Gesundheitszustand gebildet. Der Durchschnitt aller Berliner Bezirke ist Null. (Quelle: Meinlschmidt (2004); eigene Darstellung)

2.1.1.1

Grundsätzliche Messung der sozialen und gesundheitlichen Struktur

Die soziale Struktur der Gesellschaft lässt sich in verschiedene Elemente und Teilbereiche aufgliedern, zwischen denen Wechselbeziehungen und Wirkungszusammenhänge

66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 S te gl itz -Z eh le nd or f T re p to w -K öp en ic k C ha rlo tte n bu rg -W ilm er sd or f R ei ni ck e nd or f M a rz ah n-H e lle rs d or f L ic ht en be rg S p an d au T em p el ho f-S ch ö ne be rg P a nk o w N e uk öl ln M itt e F ri ed ric h sh a in -K re u zb e rg J ah re -2,5 -2,0 -1,5 -1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 S o zi al in d ex

(25)

bestehenden. Gemessen werden bei der Sozialstrukturanalyse mit wichtigen sozial relevanten Merkmalen die dauerhaften Beziehungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen.23 Die soziale Differenzierung der Gesellschaft lässt sich nach

vertikalen Merkmalen - üblicherweise Bildung, berufliche Stellung, Einkommen – und

horizontalen Merkmalen – Alter, Geschlecht, Nationalität, Familienstand, Religion, Zahl

der Kinder u.a. – vornehmen. Die vertikale Differenzierung erlaubt die Einordnung auf einer hierarchischen Skala, häufig wird eine soziale Schicht gebildet, die die Bevölkerung in Oben und Unten (obere und untere soziale Schicht) differenziert.

Abbildung 2.1.4: Messung der sozialen Struktur der Gesellschaft

(Quelle: nach Mielck (2000:42-46); eigene Darstellung)

Nach einer Empfehlung der Arbeitsgruppe Epidemiologische Methoden sollten zur Messung der vertikalen Ungleichheit bei zukünftigen Studien zur besseren Vergleichbarkeit nur noch die folgenden Merkmale und Variablen als Standard verwendet werden:24

- Bildung: Schulbildung, berufliche Ausbildung

- Beruflicher Status: aktuell oder früher ausgeübte berufliche Tätigkeit

- Einkommen: gewichtetes Haushalts-Nettoeinkommen (Äquivalenzeinkommen)

23

Geißler (2002:19-22)

24 Mielck (2000:19-20); Die Arbeitsgruppe Epidemiologische Methoden wurde als gemeinsame

Plattform der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Epidemiologie (DAE), der Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) und der Deutschen Region der Internationalen Biometrischen Gesellschaft gegründet. Sie ist das zentrale Forum für die Diskussion epidemiologischer Methoden in Deutschland.

* Monatliches Haushalts-Nettoeinkommen bzw. Abweichung des äquivalenzierten monatlichen Haushalts-Nettoeinkommens vom Durchschnitt Horizontale Merkmale V er ti ka le M er km al e Schulische Bildung •kein Schulabschluss •Volks-/Hauptschule •mittlere Reife/POS •Fachhochschulreife •Abitur

Alter, Geschlecht, Nationalität, Familienstand, Zahl der Kinder u.a. Berufliche Bildung •ohne Ausbildung •Berufs(fach)schule •Fachschule/Meister •Fachhochschule •Hochschule Berufliche Stellung •ungelernte Arbeiter •Beamte einfacher Dienst/

angelernte Arbeiter •Beamte mittlerer Dienst/

Angestellte einfache Tätigkeit/ Facharbeiter

•Beamte gehobener Dienst/ Angestellte qualif. Tätigkeit •Selbständige

•Beamte höherer Dienst/ Angestellte hochqualif. Tätigkeit

Einkommen* •unter 500 €/50 % … •3.000 u.m. €/150 % untere Schicht obere Schicht . . .

* Monatliches Haushalts-Nettoeinkommen bzw. Abweichung des äquivalenzierten monatlichen Haushalts-Nettoeinkommens vom Durchschnitt Horizontale Merkmale V er ti ka le M er km al e Schulische Bildung •kein Schulabschluss •Volks-/Hauptschule •mittlere Reife/POS •Fachhochschulreife •Abitur

Alter, Geschlecht, Nationalität, Familienstand, Zahl der Kinder u.a. Berufliche Bildung •ohne Ausbildung •Berufs(fach)schule •Fachschule/Meister •Fachhochschule •Hochschule Berufliche Stellung •ungelernte Arbeiter •Beamte einfacher Dienst/

angelernte Arbeiter •Beamte mittlerer Dienst/

Angestellte einfache Tätigkeit/ Facharbeiter

•Beamte gehobener Dienst/ Angestellte qualif. Tätigkeit •Selbständige

•Beamte höherer Dienst/ Angestellte hochqualif. Tätigkeit

Einkommen* •unter 500 €/50 % … •3.000 u.m. €/150 % untere Schicht obere Schicht . . .

(26)

Die genannten Merkmale werden häufig zu Indizes der sozialen Schicht zusammengefasst. Basierend auf den Daten der DHP-Studie wurden von Helmert und Winkler Punktwerte für die einzelnen Merkmale vergeben, um durch Summen eine Gruppenbildung zwischen unterer Schicht und oberer Schicht (3-5 Gruppen) zu erreichen (additiver Schichtindex). Sie dienen als Orientierung für weitere Studien.25

Schwierig ist häufig die getrennte Darstellung der sozialen Lage von Frauen und Männern. Unterschiede in der schulischen und beruflichen Ausbildung (wobei hier von einer Angleichung in den jüngeren Altersgruppen ausgegangen werden kann), unterschiedliche Einbindung in die Erwerbstätigkeit (Teilzeit-, Vollzeitarbeit, Wahrnehmung qualifizierter Tätigkeit) sowie häufig kein eigenes Einkommen (z.B. in der Phase der Kinderbetreuung) führen zu einer sozialen Schlechterstellung der Frauen gegenüber den Männern. Die geschlechtsspezifische Analyse dieser klassischen Merkmale der sozialen Schicht ist abhängig von der Verfügbarkeit individueller bzw. haushaltsbezogener Daten. Entsprechend gibt es für die geschlechsspezifische Analyse des Zusammenhangs zwischen den einzelnen sozialstrukturellen Merkmalen aber insbesondere zwischen sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit für Frauen und Männer keine allgemeingültigen Herangehensweisen.26

Mielck weist auf die zunehmende Abkehr der wissenschaftlichen Analysen von der sozialen Schicht (gemessen über die vertikale Sozialstruktur) hin, wie sie bis Anfang der 1990er Jahre noch üblich war und die stärkere Verwendung der horizontalen Ungleichheit zur Beschreibung sozialer Ungleichheit in der Gesellschaft sowie der Abgrenzung von Lebenslagen. Ergebnisse unter Verwendung vertikaler und horizontaler Merkmale werden häufig als „sozio-ökonomischer Status“ oder „soziale Lage“ bezeichnet (vgl. Abschnitt 2.2.3.3 Lagekonzepte).27 Die Analyse der Armut im „Sozialstrukturatlas Berlin 2003“ zeigt aktuell die Notwendigkeit, schulische und berufliche Bildung als Risikofaktoren für Armut ebenso zu betrachten, wie die Zahl der Kinder und die Nationalität.28

Die vertikale und horizontale Betrachtung lässt sich auch auf die Analyse der gesundheitlichen Ungleichheit übertragen: Die vertikale gesundheitliche Ungleichheit differenziert Morbidität und Mortalität (sowie abgeleitete Indikatoren wie Lebenserwartung) nach der schulischen und beruflichen Bildung, der beruflichen Stellung und dem Einkommen. Die horizontale gesundheitliche Ungleichheit charakterisiert den Gesundheitszustand in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht, Nationalität, Familienstand, Haushaltsstruktur und anderen Merkmalen.

Neben der sozialen Schicht und der sozialen Lage – die von objektiven Merkmalen ausgehen und subjektive Merkmale ergänzen – werden in der Sozialstrukturanalyse soziale Milieus verwendet. Anfang der 1980er Jahren begann das Sinus-Institut für die Markt- und Wahlforschung mit entsprechenden Befragungen der Bevölkerung. Ausgehend

25 Mielck (2000:41-48) 26 Babitsch (2000:136-140) 27 Mielck (2002:388) 28 Schmollinger/Baasen (2004:104-110)

(27)

von Einstellungen, Verhaltensweisen, Wertmaßstäben und Lebenszielen werden Bevölkerungsgruppen zu sozialen Milieus zusammengefasst.29

2.1.1.2

Maßzahlen zur Messung gesundheitlich-sozialer Ungleichheit

Neben Einzelindikatoren, die über gesundheitlich-soziale Ungleichheit Auskunft geben, werden international und zunehmend auch in Deutschland neben der Lebenserwartung folgende weitere Maßzahlen zur komplexen Abbildung des Gesundheitszustandes verwendet, die je nach Vorhandensein der Datengrundlage auch soziale Differenzierungen zulassen:

 Verlorene Lebensjahre (YPLL – Potential Life Lost) durch bestimmte, auch vermeidbare Todesursachen. Für Großbritannien wurde dieses Maß für verschiedene Berufsgruppen berechnet, da der zuletzt ausgeübte Beruf ein Erfassungsmerkmal auf dem Totenschein ist. Der Verlust an Lebensjahren war in der untersten Statusgruppe (ungelernte Arbeiter) bei Männern im Jahr 1981 2,8 und bei Frauen 2,2 mal größer als in der obersten Statusgruppe (Akademiker). Gegenüber zehn Jahren zuvor nahm die Diskrepanz zwischen der untersten und oberen beruflichen Statusgruppe deutlich zu.30  Die Lebenserwartung könnte in Berlin bei Zurückdrängen sogenannter „vermeidbarer

Todesursachen“ – in den meisten Fällen handelt es sich um Krankheiten, deren Auftreten durch präventive Intervention, insbesondere durch das Ausschalten von bestehenden Risikofaktoren wie Adipositas, hoher Alkoholkonsum, Rauchen, Bewegungsmangel und zu hohe Blutfettwerte - bei Männern im Durchschnitt zwei Jahre und bei Frauen über ein Jahr höher sein, als gegenwärtig gemessen (mittlere Lebenserwartung in Berlin Periode 2001-2003: Männer 75,6; Frauen 81,1 Jahre). Berliner Bezirke mit niedrigem Sozialstatus würden von der Eliminierung vermeidbarer Todesursachen bei einer insgesamt niedrigeren Lebenserwartung Neugeborener (z.B. Männer im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg 73,5 Jahre, d.h. 2,1 Jahre unter dem Berliner Durchschnitt) stärker profitieren.31

 Gesunde Lebenserwartung (healthy life expectancy) (ohne Pflegebedürftigkeit, Behinderungsfrei) wurde als Indikator in den überarbeiteten und seit 2003verfügbaren Indikatorensatz der Länder aufgenommen und in Berlin auf dieser Grundlage erstmals berechnet. Danach lebt ein neugeborenes Berliner Mädchen im Durchschnitt 3,1 Jahre seines Lebens in Pflegebedürftigkeit, ein Junge muss nur mit 1,8 Jahren rechnen. Eine Studie aus Finnland – wo über die Personen-Identifikations-Nummer die Daten der Mortalitätsstatistik mit den Daten der Volkszählung zu verbinden sind – zeigt auf, dass die Unterschiede der Lebenserwartung bei 25jährigen Männern zwischen geringer und hoher Schulbildung 6,3 Jahre betragen, Frauen mit hoher Schulbildung leben 3,1 Jahre

29

Geißler (2000:56-59)

30 Blane et al. (1990) zitiert nach Mielck (2000:150-151)

(28)

länger als mit niedriger. Die Unterschiede bei beschwerdefreier Lebenserwartung – gemessen über chronische Krankheiten oder gesundheitliche Beeinträchtigungen – sind noch deutlicher: Männer mit hoher Schulbildung leben 13,1 länger beschwerdefrei (Frauen 8,4 Jahre), als Männer und Frauen mit niedriger Schulbildung.32

 Das Populations-attributable Risiko (PAR) drückt aus, um wie viel Prozent der durchschnittliche Gesundheitszustand der Gesamtbevölkerung verbessert werden kann, wenn Personen mit einem niedrigen ökonomischen Status genauso gesund wären wie Personen mit einem hohen Status. Entsprechende Berechnungen in den Niederlanden zeigen, dass das Vorhandensein einer chronischen Krankheit im Bevölkerungsdurchschnitt um 22 % und die Mortalität um 24 % sinken würde, wenn Morbidität und Mortalität bei Personen mit niedriger Schulbildung genauso gering wären wie bei Personen mit hoher Schulbildung.33

Bei den genannten Maßzahlen wird jeweils ein theoretisches Potential berechnet, nicht der konkrete Gewinn eines einzelnen Menschen. Sie haben den Vorteil, dass sie sehr anschaulich gesundheitliche Differenzen aufzeigen und insbesondere den Gewinn für die Gesellschaft verdeutlichen.

2.1.2

Konsequenzen für die Berichterstattung

Die beschriebenen Zusammenhänge zwischen gesundheitlicher und sozialer Lage erfordern eine differenzierte und integrierte Abbildung durch Monitoring und eine entsprechende Analyse durch die Berichterstattung. Berichterstattung über die verschiedenen Teilbereiche der Gesellschaft muss die jeweils nicht betrachteten Bereiche durch Schlüsselindikatoren mit abbilden und Vernetzungen zu den anderen Fachberichterstattungssystemen erlauben. Gesundheitsberichterstattung muss danach soziale Aspekte integrieren und es muss eine integrierte Sozialberichterstattung aufgebaut werden, um gesundheits- und sozialpolitischen (einschließlich arbeitsmarktpolitischen und bildungspolitischen) Handlungsbedarf zu bestimmen. Für die differenzierte Analyse der sozialen und gesundheitlichen Ungleichheit reicht die Feststellung, dass die Lebenserwartung der Menschen in sozial belasteten Regionen im Durchschnitt geringer ist als in sozialstrukturell günstigeren nicht aus, es müssen weitere gesundheitliche Determinanten – wie vermeidbare Todesursachen durch Gesundheitsverhalten (z.B. Rauchbeginn, mangelnde Bewegung, ungünstige Energiebilanz) - für konkrete Altersgruppen, kulturelle Herkunft, Geschlecht, soziale Gruppen und Subregionen herangezogen werden.

32

SenGesSozV (2004:119); Valkonen et al. (1997) (Datenbasis sind alle Todesfälle in Finnland zwischen 1986 und 1990) zitiert nach Mielck (2000:152)

(29)

Um wirksame Formen der Prävention und Gesundheitsförderung zu entwickeln, muss man Gesundheit auch als soziales Produkt verstehen und untersuchen, wie soziale, ökonomische und ökologische Strukturen auf Menschen wirken (Nachhaltigkeitsansatz, vgl. Abschnitt 2.2.1.2).

Die empirische Darstellung sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit verlangt die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede. Beginnend bei der Berichterstattung sind zur Vermeidung von Gender-Bias Richtlinien für die Gesundheitsforschung zu berücksichtigen. Die häufigsten methodischen Verzerrungen basieren auf einer Übergeneralisierung (Ergebnisse, die für Männer erzielt wurden, werden kritiklos auf Frauen übertragen), einer Geschlechter-Insensibilität (Einsicht für die Notwendigkeit der Einbeziehung beider Geschlechter in die Untersuchung fehlt) sowie auf unterschiedlichen (doppelter) Bewertungsmaßstäben für Frauen und Männer.34 Weitere Aspekte der Gender-Problematik in der Berichterstattung werden im Abschnitt 2.2.1.1 sowie in den jeweils kritischen Betrachtungen der einzelnen Berichterstattungen (vgl. Abschnitte 2.2.3.7, 2.2.4.6 und 2.2.5.3) abgehandelt.

Die Messung gesundheitlicher und sozialer Ungleichheit ist abhängig von den Datengrundlagen und den definitorischen Abgrenzungen (z.B. des Begriffs Armut). Eine eindeutige Definition der Indikatoren ist notwendig, um beurteilen zu können, ob sich tatsächlich gesellschaftliche Phänomene ändern oder die festgestellte Veränderung auf einer im Vergleich zu einem anderen Zeitpunkt oder einer anderen Region unterschiedlichen Erfassung beruhen. Die verfügbaren Datengrundlagen für die Gesundheits- und Sozialberichterstattung und die Möglichkeiten und Grenzen der Vernetzung verschiedener gesellschaftlicher Bereiche werden in den nachfolgenden Abschnitten jeweils für die Gesundheits-, Sozial- und integrierte Berichterstattung dargestellt (vgl. Abschnitte 2.2.3, 2.2.4 und 2.2.5).

2.2

Nationale und internationale Berichterstattungssysteme

Berichterstattung dient der kontinuierlichen und systematischen Beobachtung qualitativer und quantitativer Veränderungen, ihrer Analyse und der Entwicklung von Handlungsempfehlungen zur Aufstellung von sozialpolitischen Zielen. Darüber hinaus soll Berichterstattung Maßnahmen, Programme und Projekte evaluieren.

Berichterstattung ist weit mehr als das reine Monitoring und die Herstellung von entsprechenden Berichten. Zunehmend wird Berichterstattung öffentlichkeitswirksam und politikfähig, in dem sie ein realistisches Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse – auch der Schattenseiten – gibt. Der Staat legt die Umsetzung der in Artikel 20 und 2835 des Grundgesetzes verankerten sozialstaatlichen Grundsätze mit Hilfe der Berichterstattung

34 Eichler/Fuchs/Maschewsky-Schneider (2000)

(30)

seinen Bürgerinnen und Bürgern offen. Damit sind die Voraussetzungen für evidenzbasierte demokratische Entscheidungen und die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung sozialer Verhältnisse und der Ausrichtung des eigenen Verhaltens geschaffen.

Berichterstattung bildet auch die Voraussetzung für Planungen und die, unter knapper werdenden Ressourcen immer wieder notwendigen Prioritätensetzungen. Ob bei Entscheidungen zum zielgerichteten Einsatz gesundheitlicher Prävention und von Gesundheitsförderung im Sinne des in Vorbereitung befindlichen Präventionsgesetzes, der Neustrukturierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, der Gestaltung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen ambulanter und stationärer Versorgung und Pflege oder der Entwicklung der Beschäftigungsstrukturen im Gesundheits- und Sozialwesen bildet Berichterstattung eine sachliche, wertneutrale Diskussions- und Entscheidungsgrundlage.

Bei der Betrachtung der Berichterstattung steht in den nachfolgenden Abschnitten bei der historischen Entwicklung, den Zielen und Funktionen, den Datenquellen sowie den Themenfeldern und Berichtsformen die deutsche Perspektive im Mittelpunkt. Gleichzeitig richtet sich der Blick aber auch auf die Entwicklung der Berichterstattung in der Europäischen Union, die gemeinsame Bearbeitung vieler Projekte im Gesundheits- und Sozialbereich durch Expertinnen und Experten der Mitgliedsländer bringt Synergieeffekte und erfordert ein abgestuftes Vorgehen hinsichtlich der verwendeten Indikatoren. Die Abstimmung auf der EU-Ebene ist auch für die Analyse der Daten, die Ableitung von Handlungsempfehlungen und die Umsetzung in Maßnahmen und Programme der Gesundheitsförderung sinnvoll.

Sozialberichterstattung wird in der Öffentlichkeit häufig besonders kritisch beurteilt. So vielfältig wie die Lebens- und Politikbereiche - Gesundheit, Bildung, Familie, Umwelt, Wohnen, Arbeit, soziale Sicherung, Rechtspflege, Kultur, Wirtschaft - und die zu betrachtenden Bevölkerungsgruppen – Kinder und Jugendliche, ältere Menschen, Frauen und Männer, Migrantinnen und Migranten, Obdachlose – sind, so vielfältig sind auch die Problembereiche (Armut, Sozialhilfebezug, Behinderung, Gewalt). Den Informationsbedarf zu den genannten Themen und deren Wechselwirkung adäquat zu decken und alle Facetten des gesellschaftlichen Lebens gleichermaßen im Blickwinkel zu haben, ist eine Herausforderung an die Wissenschaft, die Datenhalter und die Berichterstatter. Die amtliche Statistik führt in ihren Fachstatistiken selten sozioökonomische Merkmale und die Verknüpfung verschiedener Einzelstatistiken ist nur sehr eingeschränkt möglich. Integrierte Betrachtungen sind auf der individuellen Ebene mit Surveys als Lebenslagenansatz möglich, jedoch aufgrund geringer Stichprobengröße regional nicht ausreichend differenzierbar. Alternativ ist jedoch auf der räumlichen Ebene integrierte Betrachtung, auch kleinräumig, möglich (vgl. Abschnitt 2.2.3 Sozialberichterstattung).

Gesundheits- und Sozialberichterstattung haben unterschiedliche historische Entwicklungen durchlaufen, entsprechend unterschiedlich ist ihr gegenwärtiger Reifegrad, gemessen an der entwickelten Methodik und den Ergebnissen. Die

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