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4 Der Film Vitus und seine Entstehung

4.1 Inhalt und Thematik des Films

Im Vorspann des Films verschafft sich der zwölfjährige Vitus unbefugten Zutritt zu einem Flugplatz, steigt in ein Kleinflugzeug und wird, erst nachdem er die Maschine bereits gestartet hat, von einem Mechaniker bemerkt. Dieser kann nicht mehr verhindern, dass das Kind das Flugzeug in Bewegung setzt; Vitus fliegt davon.

Nach dieser Vorspannszenerie wird das Geschehen auf den sechsjährigen Vitus gelenkt, der seinem Großvater in dessen Schreinerwerkstatt auf dem Land zusieht, wie er an einem Bumerang feilt. Die beiden erscheinen sehr vertraut miteinander und reden über den

78 Für einen genauen Sequenzablauf bzw. detailliertere inhaltliche Abfolge des Filminhalts siehe das Sequenzprotokoll in Anhang B.

früheren, nie erfüllten Traum des Großvaters, einmal Pilot zu werden, bevor sie den fertiggestellten Bumerang auf dem Grundstück testen.

In Vitus‘ städtischem Alltag zuhause bei seinen Eltern wird zwar auch ein liebevoller Umgang miteinander gepflegt, jedoch spielen Termine und begrenzte Zeit eine sehr viel größere Rolle: Vitus sieht sich eines Morgens – anstatt sich anzuziehen und für den Tag fertigzumachen – ein Video seines fünften Geburtstags an. Zu diesem Anlass bekam er ein Kinder-Keyboard geschenkt, auf dem er von Beginn an erstaunlich gut spielen konnte. Beim Sehen des Videos erinnert er sich daran, dass ihm ein richtiges Klavier versprochen wurde.

Dieser Gedanke beschäftigt ihn daraufhin besonders, seine Eltern haben jedoch keine Zeit und vertrösten ihn. Vitus‘ Vater Leo zeigt und erklärt ihm stattdessen seine Neuentwicklung eines Hörgeräts und spricht mit Mutter Helen über seinen anstehenden Arbeitstag, woraufhin das Wort „paradox“ fällt, dessen Bedeutung Vitus nicht kennt und dessen Erklärung ihm die Eltern schuldig bleiben. Im Kindergarten singen die anderen Kinder zusammen ein Lied; unterdessen sucht Vitus in einem Lexikon die Lösung einfach selbst und findet die Erläuterung des Wortes „Paradoxon“ darin. Während offensichtlich wird, dass Vitus im Kindergarten unterfordert ist und vielfältige Begabungen an den Tag legt, arbeitet Leo an seinem nächsten Karriereschritt als Akustiker bei der Firma Phonaxis; auch Helen möchte in dem Verlag, in dem sie als Übersetzerin angestellt ist, mehr arbeiten und engagiert für Vitus ein Kindermädchen.

Bald darauf steht das versprochene Klavier doch in der Wohnung der Familie; daran übt Vitus regelmäßig und macht schnelle Fortschritte. Mittlerweile geht er nicht mehr in den Kindergarten und lernt stattdessen die zwölfjährige Isabel, sein Kindermädchen, kennen, als seine Eltern eines Abends ausgehen. Zuerst ist er ihr gegenüber noch distanziert, freundet sich aber recht schnell mit ihr an. Neben der zunehmenden Anzahl an Veränderungen in der Familie wird auch bald die Wohnung renoviert und neu möbliert. Daraufhin geben die Eltern dort einen Empfang für Leos Arbeitskollegen, bei dem die verschiedenen Gespräche schnell Vitus‘ Klaviertalent beinhalten. Insbesondere der Sohn des Chefs, der Leo dessen Erfolg in der Firma nicht gönnt, bezweifelt, dass Vitus bereits nach einem halben Jahr Unterricht die bereitliegende Klavierliteratur spielen kann. Auf Wunsch der Eltern soll dieser seine Begabung vorführen und wird gegen seinen Willen von Leo ans Klavier gezerrt.

Vitus soll den „Wilden Reiter“ von Robert Schumann vortragen. Er beginnt in einer Trotzreaktion allerdings zuerst – wie von einem Anfänger erwartet – mit einer einfachen Version von „Hänschen klein“ und geht, nachdem er von den Gästen belächelt wurde, direkt zum gewünschten Stück über. Dass danach sämtliche Gespräche, die er aus sicherer

Entfernung mithört, um ihn und die Pflicht einer Förderung dieses außergewöhnlichen Talents kreisen, verängstigt und belastet ihn.

Erneut gibt es Veränderungen in Vitus‘ jungem Leben: er soll nun Klavierunterricht beim Leiter des Konservatoriums erhalten und nicht mehr bei seiner bisherigen Lehrerin, die er sehr mochte. Und bald darauf wird er auch Isabel, die mittlerweile eine gute Freundin für ihn geworden ist, nicht mehr sehen; eines Abends inszenieren die beiden allein im Wohnzimmer eine Rockshow, Isabel verkleidet sich und sie trinken Sekt, woraufhin Helen sie nicht mehr als Kindermädchen dulden kann. Sie entscheidet, nicht mehr zu arbeiten und sich nun ganz um Vitus und seine Förderung zu kümmern. Leo hingegen arbeitet viel und widmet sich weiterhin seiner Karriere. Diese Entwicklungen und die ihn betreffenden Entscheidungen seiner Eltern bedrücken Vitus. Nur bei seinem Großvater kann er weiterhin er selbst sein. Hier lernt er zu sägen sowie eine Flügelkonstruktion zu bauen, mit der er wie befreit im Garten herumtollen kann – und hier wird er ernst genommen, wenn der Großvater bemerkt, dass Vitus nachdenklich ist, und auf seine Probleme eingeht.

Zuhause drückt er dagegen seine Wut darüber aus, nicht selbst über sich bestimmen zu können; ihn stört sehr, dass Helen über seinen Kopf hinweg entschieden hat, Isabel nicht mehr zu ihm zu lassen. In einer passenden Situation sperrt er Helen aus der Wohnung aus und beginnt Klavier zu üben. Auch wenn das Klavierspiel der Aspekt seiner Hochbegabung ist, über den er von Seiten der Eltern Druck spürt, musiziert er dennoch gerne an seinem Instrument. Auch abends, als Leo von der Arbeit kommt und Helen immer noch vor der Tür steht, übt er unbeirrt weiter an der „Ungarischen Rhapsodie“ Nr. 6 von Franz Liszt. Die Szenerie wird an dieser Stelle mit einem Schnitt abgebrochen und übergangslos mit dem gleichen Klavierstück fortgeführt, wenn in der nächsten Einstellung Vitus als Zwölfjähriger am Klavier sitzt.

Musikalisch hat er sich fortentwickelt und spielt technisch äußerst anspruchsvolle Klavierstücke; auch wohnt die Familie nun in einer anderen, sehr modernen Wohnung in einem Neubaugebiet. In der Schule, wo er inzwischen mit erheblich älteren Jugendlichen in einer Klasse sitzt, gestaltet sich der Alltag schwierig: auch seinen Mitschülern ist Vitus mit seinen Fähigkeiten weit überlegen, sie verspotten ihn unentwegt. Er findet keinen Zugang zu seinen Klassenkameraden und bleibt in seinem schulischen Umfeld ein Einzelgänger. Die ihm gestellten Aufgaben bereiten ihm keinerlei Mühe und dementsprechend arrogant verhält er sich auch gegenüber seinen Lehrern. Da seine Eltern ihn unter keinen Umständen auf eine Sonderschule für Hochbegabte schicken möchten, schlägt die Schulleiterin vor, er solle bereits in Kürze seine Abschlussprüfung ablegen. Leo nimmt sich vor, zusammen mit

Vitus dessen Karriere zu planen, obwohl Vitus sich mit dem Gedanken eines derart frühen Schulabschlusses schwertut. Wieder hat Leo allerdings keine Zeit für ihn – er ist mit seiner eigenen Karriere beschäftigt genug – und so vertraut Vitus sich einmal mehr dem Großvater an. Er hat keine Idee, welchen Beruf er ergreifen möchte, weiß aber sehr genau, dass er viel lieber normal wäre als sich mit seiner Hochbegabung auseinandersetzen zu müssen und als Zwölfjähriger weitreichende Entscheidungen zu treffen. Der Großvater ermutigt ihn dazu, diesen Wunsch doch einfach umzusetzen und normal zu werden und stellt Vitus damit vor eine Herausforderung. Wenn er sich nicht entscheiden kann, solle er doch etwas ihm bisher Wichtiges „über den Bach werfen“ – dabei wirft der Großvater seinen eigenen Hut, den er immer bei sich hat, über einen Bachlauf.

Vitus nimmt den Ratschlag des Großvaters nachdenklich an und beginnt damit, sein Klaviertalent zu vernachlässigen. Gerade als Helen es geschafft hat, ihm eine Unterrichtsstunde bei der berühmten Klavierlegende Madame Fois zu ermöglichen, widersetzt er sich dieser außerordentlichen Gelegenheit, weigert sich vorzuspielen und zieht somit den Zorn seiner Mutter auf sich. In dieser Situation sehnt er sich nach dem Verständnis und der Gegenwart seines Großvaters, welche Helen ihrem Sohn jedoch für den Moment verwehrt. Vitus entflieht der Gegenwart in eine Traumwelt, wo er ganz er selbst sein kann. Daraufhin beschließt er, den Rat des Großvaters endgültig umzusetzen. Er nimmt die Flügelkonstruktion, die die beiden früher zusammen gebaut hatten, aus seinem Zimmer und geht damit auf den Balkon. Die Eltern finden ihn kurz darauf mehrere Stockwerke tiefer bewusstlos auf dem Boden liegend vor.

Im Krankenhaus wird festgestellt, dass Vitus abgesehen von einer Gehirnerschütterung gesund ist, worüber die Eltern einerseits froh sind. Andererseits halten sie, bereits bevor Vitus wieder nach Hause zurückgekehrt ist, daran fest, dass er sich weiterhin auf die Abschlussprüfung vorbereiten soll. Tatsächlich erscheint er aber von dem schwierigen Lernstoff und sogar von einer Schachpartie mit dem Großvater überfordert. Infolgedessen werden ihm nach zahlreichen Tests in allen geistigen Anforderungen normale Werte bescheinigt. Helen kann nicht akzeptieren, dass Vitus nun ein durchschnittliches Kind sein soll. Währenddessen beginnt Vitus, ein Leben zu führen, wie es einem Zwölfjährigen entspricht: er kommt in eine neue Schule, freundet sich mit seinem Sitznachbarn Jens an, verbringt mit ihm seine Freizeit und ist nach wie vor sehr vertraut mit seinem Großvater.

Am Klavier versucht er sich angestrengt an einfachen Etüden, was Helen besonders ärgert.

Sie möchte ihr vormals hochbegabtes, am Klavier überaus talentiertes Kind zurück.

Allerdings liebt Vitus seine Klaviermusik unvermindert und hört diese weiterhin gerne, auch wenn der gleichaltrige Jens sich für einen ganz anderen Musikstil interessiert. In einem Musikgeschäft besorgt er sich eine Aufnahme der „Goldberg-Variationen“ von Johann Sebastian Bach. Im Haus des Großvaters schlägt dieser nach einer für Vitus erneut erfolglosen Schachpartie vor, in die Schreinerwerkstatt zu gehen. Vitus möchte zuerst lieber noch die mitgebrachte CD anhören und verspricht nachzukommen. Während der Großvater lange Zeit alleine in der Werkstatt arbeitet, hört Vitus andächtig der Musik zu, schaltet später den CD-Player jedoch aus und spielt das Stück selbst auswendig am Klavier des Großvaters weiter. Der Großvater hat seine Schreinerarbeiten mittlerweile beendet und erkennt, dass Vitus gerade Klaviermusik auf hohem Niveau darbietet. Ihm wird klar, dass Vitus weiterhin hochbegabt ist und sein gesamtes Umfeld hereingelegt hat. Dennoch verspricht er seinem Enkel, dieses Geheimnis für sich zu behalten.

Vitus spielt seinen Mitmenschen weiter das normale Leben eines Heranwachsenden vor.

Währenddessen sorgt sich der Großvater um sein beschädigtes Hausdach, das repariert werden muss, und zudem darum, dass ihm langsam seine Ersparnisse ausgehen. Vitus geht davon aus, dass sein Vater bestimmt weiterhelfen könne, und wird vom Großvater aufgeklärt, Leo lebe selbst auf Kredit. Zudem eröffnet Leo seiner Familie, dass die Firma Phonaxis, bei der er mittlerweile große Verantwortung trägt, in einer tiefen Krise stecke und diese Erkenntnis bald an die Öffentlichkeit komme. Vitus macht sich über die Lage tags darauf selbst ein Bild und studiert den Börsenkurs der Firma. Er sieht Handlungsbedarf und beschäftigt sich von nun an mit Wirtschaftsthemen. Seinem Großvater möchte er helfen, indem er diesen überredet, seine übrigen Ersparnisse zur Spekulation an der Börse einzusetzen, um somit durch Vitus‘ Insiderwissen über die Firma Phonaxis in kurzer Zeit ein großes Vermögen zu erzielen. Vitus‘ Plan ist, unter dem Decknamen „Dr. Wolf“ im Namen seines Großvaters online zu spekulieren. Der Großvater ist sich des Risikos bewusst, vertraut jedoch seinem Enkel und unterschreibt die vorbereiteten Unterlagen. Vitus‘

Rechnung geht auf: der Kurs der Phonaxis fällt rapide und damit macht er seinen Großvater zum Millionär. Leo hingegen ist verzweifelt, da er keine Lösung findet, Schlimmeres für seine Firma zu verhindern. Zudem wird kurz darauf nicht wie erhofft er selbst der neue Geschäftsleiter der Firma, sondern der Sohn des bisherigen Chefs, welcher Leo seinen Erfolg nie gönnen konnte. Nachdem es zwischen den beiden zu Differenzen bezüglich der Zukunft der Firma kommt, wird Leo fristlos entlassen. Gleichzeitig kann sich der Großvater durch den unverhofften Reichtum seinen lange gehegten Traum des Fliegens erfüllen und stellt sich einen eigenen Flugsimulator in die Scheune auf seinem Hofgrundstück.

Unterdessen vermehrt sich das Vermögen durch Vitus‘ Finanzkünste weiter und bald

präsentiert ihm der Großvater eine weitere Anschaffung, die dessen Kindheitstraum betrifft: eine Propellermaschine. Damit darf er allerdings ohne Flugschein nicht selbst fliegen. Auch Vitus macht heimliche Anschaffungen: er mietet ein Appartement in einem Neubau an und stellt sich dort einen Flügel hinein. Hier kann er – von seinen Eltern unbemerkt – seiner Leidenschaft des Klavierspielens nachgehen und übt an komplizierter Literatur. Von dort aus erledigt er künftig auch die Geschäfte der Dr. Wolf-Holding.

Neben diesen Entwicklungen innerhalb seiner Familie erkennt Vitus bei seiner Suche nach neuen CDs im Musikgeschäft zufällig Isabel wieder, die er nicht mehr gesehen hat, seit Helen sie vor Jahren als Kindermädchen nicht mehr gutheißen wollte, und die nun in diesem Geschäft arbeitet. Als auch er sich ihr gegenüber zu einem späteren Zeitpunkt zu erkennen gibt, ist sie erfreut, ihn nach langer Zeit wiederzusehen. Er führt sie eines Abends zum Essen aus, schenkt ihr einen Ring und beteuert ihr, sie sei die Liebe seines Lebens.

Angesichts dessen, dass Vitus für sie wie ein kleiner Bruder, er noch ein Kind und sie erwachsen ist, weist sie ihn zurück und verlässt das Restaurant. Darüber ist er schwer enttäuscht.

Während Vitus‘ Treffens mit Isabel wurde der Großvater aufgrund eines Sturzes vom Dach, das er reparieren wollte, ins Krankenhaus eingeliefert. Auf dem Krankenbett liegend erzählt dieser seinem Enkel, dass er mit seinem Flugzeug heimlich geflogen sei und erklärt ihm detailreich, wie er dies angestellt habe. Der Großvater stirbt bald darauf und Vitus weiht seine Patentante in das Geheimnis um Dr. Wolf ein – noch immer verborgen vor seinen Eltern. Jetzt, wo der Großvater nicht mehr lebt, soll sie ihn als neue Geschäftsführerin seines Scheinunternehmens mithilfe des zurückgelassenen Vermögens unterstützen, Leo zurück in seine alte Firma zu bringen und diese gleichzeitig zu retten. Zusammen überbieten sie das Angebot weiterer interessierter Investoren und kaufen Phonaxis auf. Leo weiß davon nichts und bittet seinen Chef, ihn zu alten Konditionen wieder einzustellen; ihm geht es um die Existenz der Familie. Sein Chef verlässt verbittert das Büro und erst jetzt erfährt Leo die Hintergründe: Der Kauf der Firma Phonaxis macht nun ihn selbst zum Besitzer, da sich hinter der Dr. Wolf-Holding sein Vater verbarg und er dessen Alleinerbe ist.

Im Folgenden verschafft sich Vitus unbefugten Zutritt zum Flugplatz, auf dem das Kleinflugzeug seines Großvaters steht, startet die Maschine und fliegt davon – genau so, wie es der Großvater ihm im Krankenhaus ausführlich geschildert hatte. Gleichzeitig findet Helen den Abschiedsbrief, den der Großvater noch vor seinem Tod verfasste. Dadurch erfahren nun auch die Eltern, dass Vitus seit seinem Sturz vom Balkon allen etwas vorgespielt hat und die ganze Zeit über nach wie vor hochbegabt war. Vitus landet mit dem

Flugzeug unterdessen auf dem Anwesen der Klavierlegende Madame Fois und möchte nachholen, was er ihr noch vor einer Weile verweigert hatte. Er ist nun auch selbst bereit für eine Karriere als Pianist und bietet zum Abschluss des Films sein erstes großes Klavierkonzert mit Orchester dar.

Die Vielfalt der im Film auftauchenden Themen zeigt die Ausprägungen und Herausforderungen auf, die mit einer Hochbegabung auf mehreren Feldern, wie sie die fiktive Figur des Vitus prägt, einhergehen. Vitus befasst sich allerdings mit dieser durchaus ernsten Thematik in Form eines Filmmärchens und nimmt dabei an einigen Stellen sogar komödiantische Züge an. Auch wenn dem Filmstoff entsprechende Dramatik zugrunde liegt, zeichnet sich die Inszenierung durch ihre Leichtigkeit im Umgang mit dem Inhalt aus.

Insbesondere der zweite Teil der Geschichte entwickelt sich ganz deutlich auf einer überaus märchenhaften Ebene und hebt sich dadurch von den Szenen der ersten Filmhälfte ab, die die Problematik hochbegabter Kinder wirklichkeitsnah und vielschichtig abbilden.

Im Zentrum steht dabei der titelgebende Protagonist Vitus mit seinem Wunsch nach einer normalen Kindheit. Jegliche Handlungsstränge konzentrieren sich auf die Entwicklung seiner Persönlichkeit und – insbesondere musikalischen – Fähigkeiten. Alle weiteren Figuren, die um den Protagonisten herum in den Film eingeführt werden, dienen ausschließlich der Verdeutlichung seiner Beziehung zu ihnen oder seiner Abgrenzung innerhalb des sozialen Umfelds. Am deutlichsten wird neben Vitus sein Großvater dargestellt. Er ist die einzige Person, die Vitus nicht langweilt (vgl. dazu auch entfallene Szenen auf DVD). Der Großvater ist seinem Enkel ebenbürtig, d. h. einerseits kann er es als Einziger mit ihm wirklich aufnehmen, andererseits bewahrt er sich selbst eine kindliche Seite. Die Beziehung der beiden ist gegenseitig ausgeglichen, beide vertrauen einander vollkommen und können sich unbedingt aufeinander verlassen. So bringt der bodenständige Großvater in jeder Lage für Vitus das richtige Maß an Verständnis und persönlicher Wertschätzung auf und nimmt die Probleme des Kindes ernst. Bei ihm ist Vitus in seiner Besonderheit dennoch er selbst. Diese Beziehung zwischen Großvater und Enkel ist daher die einzige, die über den ganzen Film hinweg konstant bleibt: Vitus bespricht Sorgen und Wünsche ausschließlich mit seinem Großvater und sieht ihn – nicht seine Eltern – als erste Anlaufstelle für alle persönlichen Belange. Der Großvater ist daraufhin derjenige, der Vitus den Weg zur ersehnten Normalität weist und so ist er auch vorerst der Einzige, der Vitus‘ Geheimnis um seinen Sturz vom Balkon kennt und gleichermaßen bewahrt.

Umgekehrt hat auch er Träume und Geheimnisse, die er nur mit Vitus teilt: mit dem heimlichen Kauf des Flugsimulators oder der Propellermaschine rückt er seinem

Lebenstraum ein Stück näher, ohne dass der Rest der Familie davon etwas mitbekommt.

Verdeutlicht wird diese Beziehung auch durch die Tatsache, dass im Film alle für Vitus wichtigen Figuren Namen tragen – mit Ausnahme des Großvaters.

Alle anderen Figuren, auch die der Eltern, begleiten Vitus vor allem zur Verdeutlichung seiner Abgrenzung und seiner Unterschiedlichkeit zu ihnen. Beziehungen baut er zu keiner der Personen so intensiv und dauerhaft auf wie zu seinem Großvater. Seine Eltern gehen mit ihm liebevoll um, wollen ihn möglichst im normalen schulischen Umfeld aufwachsen lassen. Dennoch setzen sie ihn mit ihrer Art der Förderung unter Druck und geben ihm nicht genügend Raum, sich so selbstständig und frei zu entfalten, wie es für die Entwicklung seiner Persönlichkeit notwendig wäre. Sie wünschen sich für ihn auf der einen Seite Normalität, gleichzeitig aber bestmögliche Förderung seines Talents und repräsentieren damit die Frage, mit der alle Eltern hochbegabter Kinder konfrontiert sind: Wie geht man mit der Besonderheit des Kindes um und ermöglicht ihm eine angemessene Förderung, bewahrt ihm aber dennoch seine Kindheit? In der Beziehung zwischen Vitus und seinen Eltern wird vor allem diese Schwierigkeit verdeutlicht. Die Mutter sieht sich bald in der Rolle der Förderin, die nur noch zur Unterstützung ihres Sohnes und dessen Talent da zu sein scheint. Während Vitus Klavier spielt, weil er Freude daran hat, möchte insbesondere seine Mutter mit ihrem Kind glänzen, gibt dafür ihre eigene Karriere auf und nutzt alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um aus ihrem Sohn einen Starpianisten zu machen.

Aber auf diese Weise vergisst sie bei aller Talentförderung die Entwicklung von Vitus‘

Persönlichkeit und entfernt sich auf persönlicher Ebene immer weiter von ihrem Kind, während der Vater hauptsächlich seine eigene Karriere verfolgt und wenig Zeit für Vitus hat, so aber auch den Lebensstandard der Familie auf hohem Niveau hält. Zu Isabel wiederum baut Vitus tatsächlich eine innige Beziehung auf, sie wird ihm aber genauso schnell wieder entrissen. Dass Vitus diese Zuneigung innerlich auch weiterhin aufrechterhält, wird erst dann deutlich, wenn er Isabel nach Jahren wiedertrifft und merkt, dass die kindliche Verehrung von früher sich weiterentwickelt hat. Aber auch dann ist seine Liebe zu ihr nicht von Dauer – diesmal aufgrund fehlender Erwiderung ihrerseits und der unabänderlichen Tatsache ihres Altersunterschieds. Die Beziehung zwischen den beiden Kindern bleibt im Film fragmentarisch und wird nicht durchgehend thematisiert. Sie verdeutlicht einerseits, dass Vitus trotz seiner Genialität und Überlegenheit auch Grenzen zu spüren bekommt und nicht alle Bereiche seiner Persönlichkeit bereits mit zwölf Jahren ausgereift sind; andererseits ist diese Beziehung aber auch ein Beispiel für Vitus‘

Abgrenzung zu seinen Mitmenschen, die sich in diesem Fall insbesondere auf musikalischer