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Die Untersuchung gliedert sich in drei Hauptteile. In einem ersten Teil («Das Volk») gilt es, das «Volk» rechtlich zu fassen und seine staatsrechtliche Bedeu-tung als Subjekt des direktdemokratischen Verfahrens und als Staatsorgan zu be-sprechen. Nicht nur die Vielfalt des Begriffs ist zu thematisieren, sondern auch, dass im föderalistischen Staat eine Vielzahl von «Völkern» besteht, was aus de-mokratietheoretischer Sicht bedeutsam ist. Die Kriterien der Zusammensetzung des Volkes weisen eine kollektive und eine individuelle Komponente auf und va-riieren zwischen den Gemeinwesen.

Ebenfalls im ersten Teil («Das Volk») zu behandeln sind die politischen Rechte, die gleichsam als Scharniere zwischen dem Volk und den Stimmberechtigten als Mitglieder dieses Staatsorgans wirken. Es sind die politischen Rechte, die das Volk zum Staatsorgan machen. Rechtsdogmatisch gilt es, die verschiedenen For-men politischer Rechte zu unterscheiden sowie die Zulässigkeit von Differenzie-rungen in Bezug auf die politischen Rechte der Stimmberechtigten zu diskutieren.

Hinsichtlich der Rechtsträgerschaft geht es darum, die unterschiedlichen Akteure, wie die einzelnen Stimmberechtigten, die Initiativkomitees und das Stimmvolk als Ganzes, in ihrer staatsrechtlichen Funktion zu erfassen. Auch die verschiedenen Arten von Antragstellern und deren Rückzugsrechte werden hierbei untersucht.

Während dieser erste Teil («Das Volk») die Grundlagen für die Besprechung di-rektdemokratischer Verfahren behandelt, ist es die Aufgabe des zweiten Teils («Der Antrag»), die direktdemokratischen Instrumente, nämlich die Anträge, zu beschreiben und rechtsdogmatisch einzuordnen. Er bildet gewissermassen den Allgemeinen Teil zum folgenden Teil («Das Verfahren»).

31 Vgl. MAHLMANN,Der Staat im Spektrum der Wissenschaften, N 22–24.

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Dieser zweite Teil führt in die grundlegenden Eigenschaften eines Antrags ein und mithin in seine Bestandteile, Gültigkeitserfordernisse und Auslegungskriterien.

Zudem bietet er einen umfassenden Überblick über die nach verschiedenen Ge-sichtspunkten unterscheidbaren Antragsarten. In dieser Hinsicht erweisen sich die in der Praxis der Versammlungsdemokratie entwickelten Unterscheidungen als besonders ergiebig. Im Vergleich zu den wenigen, dafür stark regulierten Antrags-arten des Urnensystems sind sie häufig nur rudimentär herausgebildet und weniger scharf voneinander unterschieden. Sie bilden das ganze Spektrum möglicher An-tragsarten ab. Die AnAn-tragsarten des Urnensystems sind entsprechend als spezifi-sche Ausprägungen von bereits im Versammlungssystem vorkommenden An-tragsarten qualifizierbar. Zu behandeln ist in diesem zweiten Teil («Der Antrag») auch, welche Unterscheidungen wofür von Bedeutung sind. Insbesondere in Be-zug auf die Formulierungsformen bestehen diesbezüglich unterschiedliche An-sichten.

Die wichtigste Unterscheidung zwischen den Antragsarten ist jene zwischen Ord-nungs- und Sachanträgen. Auch wenn Ordnungsanträge in wesentlich grösserem Ausmass im Versammlungssystem zugelassen sind, bestehen solche entgegen landläufiger Meinung auch im Urnensystem. So werden im Urnensystem das fa-kultative Referendum und die Volksinitiative auf Totalrevision der Verfassung als Ordnungsanträge qualifiziert. Die rechtsdogmatische Erfassung hat Implikationen für die Behandlung solcher Anträge.

Während der vorhergehende zweite Teil («Der Antrag») als Allgemeiner Teil an-gesehen werden kann, bildet der dritte Teil («Das Verfahren») gleichsam den Be-sonderen Teil zum direktdemokratischen Verfahren. Dieses Kapitel folgt dem chronologischen Ablauf der einzelnen Verfahrensschritte des direktdemokrati-schen Verfahrens. Das bietet sich bei einem Verfahren an und hat den Vorteil, dass die Akteure und die notwendigen Handlungen in einem Verfahrensabschnitt in-strumentenübergreifend untersucht werden können. Eine solche Herangehens-weise ermöglicht eine starke Ausdifferenzierung der einzelnen Verfahrensab-schnitte und damit auch eine detaillierte Systematisierung des Verfahrens. Das Ziel einer (instrumentenübergreifenden) Systematik ist in erster Linie ein theore-tisches; es rechtfertigt den gewählten Ansatz.

Nachteilig ist, dass die Behandlung einzelner Instrumente über die Verfahrensab-schnitte verteilt wird. Um diesen Nachteil zu mildern, werden in einem ersten Ka-pitel des dritten Teils («Das Verfahren») die verfahrensabschnittsübergreifenden Aspekte herausgearbeitet. Darin werden die wesentlichen beiden Verfahrensarten, das Urnen- und das Versammlungssystem, einzeln und in ihren Kombinationen

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vorgestellt. Ebenso wird eine Übersicht über die Grundzüge der verschiedenen di-rektdemokratischen Verfahren und ihrer Strukturierung durch Fristenregelungen vermittelt.

Das direktdemokratische Verfahren gliedert sich grob in drei Abschnitte: das Ein-leitungsverfahren, das Antragsverfahren und die Beschlussfassung. Das Einlei-tungsverfahren umfasst das rechtlich kaum regulierte Vorverfahren und das Be-gehrensverfahren. Ein Begehrensverfahren besteht nur bei Pluralanträgen; das sind solche, die nicht von einem einzelnen Antragsteller gestellt werden können, sondern von einer bestimmten Mindestanzahl Antragsberechtigter unterstützt wer-den müssen, damit sie eingereicht werwer-den können. Bei solchen Begehrensverfah-ren steht das AntragsbegehBegehrensverfah-ren im Zentrum des VerfahBegehrensverfah-rens. Das AntragsbegehBegehrensverfah-ren durchläuft, auf einem Unterschriftenbogen abgedruckt, typischerweise eine for-melle Vorprüfung, eine Unterschriftensammlung, die Stimmrechtsbescheinigung und die Einreichung. Der erfolgreiche Abschluss des Begehrensverfahrens bedeu-tet, dass der Antrag zustande gekommen ist.

Mit der Einreichung eines Antrags ausserhalb des Versammlungssystems beginnt das Antragsverfahren. Die zuständigen Behörden prüfen Zuständigkeit und Gül-tigkeit des Antrags. Das Parlament kann einem gültigen Antrag einen Gegenantrag gegenüberstellen und eine Abstimmungsempfehlung abgeben, woraufhin die Ini-tianten (Antragsteller) ihre Volksinitiative zurückziehen können. Anschliessend wird die Urnenabstimmung oder die Versammlung angekündigt und die Stimm-berechtigten werden über die zur Beschlussfassung anstehenden Geschäfte infor-miert. Die Phase bis dahin kann als zivilgesellschaftliche Behandlungsphase («Ab-stimmungskampf») bezeichnet werden. Sie zeichnet sich durch eine geringe rechtliche Normierungsdichte aus. In der Versammlung weist das Verfahren ähn-liche Züge auf; im Versammlungssystem sind die einzelnen Verfahrensschritte wesentlich gedrängter und stellen hohe Ansprüche an die Versammlungsleitung.

In der Beratung ist zudem eine Vielzahl von Anträgen zu einem traktandierten Geschäft möglich. Im Gegensatz zum Urnensystem ist darin über noch abänder-bare Entwürfe zu beschliessen und es steht nicht bloss die Annahme einer Vorlage zur Diskussion.

Der letzte Abschnitt des Verfahrens betrifft die Beschlussfassung, der eine weit-gehende Selbständigkeit zukommt, was es rechtfertigt, sie als vierten Teil separat zu behandeln. Die Beschlussfassung umfasst zwei Aspekte: die Abstimmung und die Beschlussfeststellung. Unter «Abstimmung» werden die verschiedenen For-men der Volksabstimmungen und Stimmabgaben dargelegt. Die Abstimmung als 31

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solche wird rechtlich als Erwirkungshandlung qualifiziert, die für das Zustande-kommen eines Beschlusses einer Beschlussfeststellung bedarf. Die Beschlussfest-stellung beinhaltet die Auszählung der abgegebenen Stimmen, die Ermittlung des Inhalts des Beschlusses anhand der anzuwendenden Mehrheits- und Gültigkeits-erfordernisse sowie die Eröffnung des Beschlusses.

Am Schluss des Verfahrens steht der Beschluss, dem eigens der fünfte Teil («Der Volksentscheid») gewidmet ist. Rechtlich ist der Volksentscheid als Organakt zu qualifizieren. Zu diskutieren ist insbesondere, inwiefern der Volksentscheid als Ausdruck des «Volkswillens» verstanden werden kann und was der Inhalt eines negativen oder eines positiven Volksentscheids ist.

Ausgehend von den Stärken und Schwächen der bestehenden Verfahren wird im abschliessenden Kapitel («Ausblick») das Thema der Digitalisierung nochmals aufgegriffen und im Sinne einer Öffnung der Diskussion die Entwicklungsper-spektive digitalisierter direktdemokratischer Verfahren angedacht. Dabei zeigt sich, dass eine digitale direkte Demokratie das Potenzial hat, sich zum einen ver-fahrensmässig wieder stärker am Versammlungssystem auszurichten und zum an-deren die heutige strikte Trennung zwischen Versammlungs- und Urnensystem zu überwinden.

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