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5.3 Speichel

5.3.3 Funktion des Speichels

Physiologen teilten in der ersten Hälfte des 20. Jh. die vielfältigen Aufgaben des Speichels in primär verdauungsphysiologische und sekundäre Funktionen auf; eine Aufteilung, die noch heute anerkannt wird.

Zu den ersten zählte GOSS (1943) den Schutz der Maulschleimhaut sowie der Zähne vor Austrocknung und Säureeinwirkung sowie Erleichterung des Schluckens durch Anfeuchten der Nahrung. Als wichtigste verdauungsphysiologische Aufgabe des Speichels nannte der Autor die Beteiligung an der Regulation des pH-Wertes in den Vormägen. Das Natriumbikar-bonat puffert saure Valenzen ab und stabilisiert somit das Pansenmilieu.

Die oben genannten Störungen des Allgemeinbefindens bei Versuchstieren mit Parotisfisteln wurden nach ALBRECHT (1931) durch den Wegfall des Natriumbikarbonates des Paro-tisspeichels verursacht. Somit blieb die puffernde Wirkung des Speichels aus, so dass die Tie-re an einer Pansenazidose erkrankten (ALBRECHT 1931). Bei längeTie-ren Versuchen mit Paro-tisfisteln sollte deshalb nach Angaben des Autors täglich der Alkaliverlust durch externe Sub-stitution ausgeglichen werden.

Bei Tieren mit Mandibularfisteln konnten von WARNECKE (1933) diese Probleme nicht beobachtet werden, vermutlich da die Ohrspeicheldrüse die größte Menge an Puffer bereit-stellte.

GOSS (1943) nannte z.B. die Temperaturregulation bei hechelnden Tieren und bakterizide Wirkungen als sekundäre Funktionen des Speichels.

76 5.4 Pansen und Haube

5.4.1 Methoden zur Untersuchung der Wiederkäuervormagenfunktion

Die im folgenden Kapitel beschriebenen Methoden hatten folgende Untersuchungsziele:

- Weg der aufgenommenen Nahrung - Motorik der Vormägen

- Motorik des Wiederkauens

- Zusammensetzung der Pansengase

- pH-Wert und Temperatur in den Vormägen

- Mikrooganismen und Verdauung im Vormagensystem 5.4.1.1 Pansenfistel

Um das Vormagensystem der Wiederkäuer möglichst minimal-invasiv und ohne Beeinflus-sung der physiologischen Funktionen studieren zu können, wurde bereits 1832 von FLOU-RENS die Pansenfistelmethode entwickelt (LOHSE 2000, S. 19) und mehrfach später ge-nutzt: STIGLER (1931), TRAUTMANN und SCHMITT (1933a), BRÜGGEMANN (1935), KRZYWANEK und QUAST (1936), NICHOLS (1947), QUIN und VAN DER WATH (1939), u.a.

Da QUIN et al. in Südafrika in den Jahren 1930-1950 eine der detailliertesten Beschreibungen zur Pansenfistulierung lieferten, die sich bis heute durchgesetzt hat, soll auf deren Methode besonders eingegangen werden. Als Pansenfistelrohre bevorzugten die Autoren Rohre aus Ebonit, da sie nicht wie Metallrohre der Korrosion unterliegen.

Vier bis sechs Wochen vor dem Eingriff wurden die Tiere einzeln gehalten und mit einer Ta-gesration von 300 g Heu und 360 g Mais gefüttert. 24-48 Stunden vor der Operation ließen die Autoren die Tiere hungern.

Eine Schmerzausschaltung der Tiere wurde durch eine intravenöse Verabreichung von Chlo-ralhydrat erzielt. Nach chirurgischer Vorbereitung des OP-Feldes erfolgte 5 cm caudal der letzten Rippe und parallel zum Rippenbogen ein ca. 20 cm langer Schnitt durch die Bauch-wand.

Nach Eröffnung der Bauchhöhle konnte der dorsale Pansensack mit einer Pansenfasszange von den Autoren gegriffen und durch die Wunde nach außen gezogen werden. Mit Catgut (Stärke 1) legten QUIN et al. (1938) eine Tabaksbeutelnaht an, wobei Pansenwand und Peri-toneum vereinigt wurden. Mitten im abgenähten Feld wurde ein zwei cm langer Schnitt ge-setzt, durch den das Pansenfistelrohr durchgeschoben werden konnte. Durch das Zuknoten der Tabaksbeutelnaht wurde das Pansenfistelrohr am Pansen fixiert.

Das nach außen reichende freie, flexible Ende des Rohres konnten die Autoren durch das Omentum majus stoßen und durch ein zweites Loch, im Winkel zwischen der letzten Rippe und den Querfortsätzen der Lendenwirbel, nach außen führen und dort festnähen. Somit wur-de wur-der Pansen mit wur-dem großen Netz an wur-der Bauchwand fixiert. Pansenfistulierte Tiere konnten nach Angaben des Autors über Monate hinweg bei gutem Allgemeinbefinden diese Fisteln behalten (Abb. 5.5).

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Abbildung 5.5: Schafe mit geschlossenen Pansenfisteln (QUIN et al. 1938) 5.4.1.2 Röntgenkontrastmittel

Die Entdeckung von Röntgenstrahlen durch W. RÖNTGEN im Jahre 1895 (BERGMANN et al. 1987) und die fortgesetzte Entwicklung von Röntgenbildern und -kontrastmittel ermöglichte erstmals CZEPA und STIGLER (1925) Einblicke in die Passage der Ingesta im Magen-Darm-Trakt von Wiederkäuern.

Nach oraler Eingabe von dem Röntgenkontrastmittel Bariumsulfat konnten die Autoren durch eine Serie von angefertigten Röntgenbildern die Passage des Kontrastmittels und somit auch die Passage des Futters durch den Magen-Darm-Trakt verfolgen.

Nachteile dieser Methode:

- Die Vormägen können mit Kontrastbrei nicht ausreichend gefüllt werden, da sonst die physiologischen Magenfunktionen beeinträchtigt werden.

- Die zur Anfertigung der Röntgenbilder notwendige Seitenlage der Tiere ist unphy-siologisch und beeinträchtigt den Transport großer Nahrungsmengen

- Um die genaue Passagerate und Funktion der Vormägen darzustellen, müssten die Röntgenaufnahmen in so hoher Frequenz erfolgen, dass es für den Versuch unrea-lisierbar ist (WESTER 1930d)

- Nach TRAUTMANN (1932b) wirkt Bariumsulfat mazerierend auf Schleimhäute und submuköses Gewebe. Eine kurz nach den Versuchen vorgenommene Tötung einiger Versuchstiere ergab, dass sich die Schleimhaut der Vormägen nach An-wendung von Bariumsulfat ohne Substanzverlust löste. Durch Gaben von Citoba-rium konnten diese Schleimhautveränderungen vermieden werden.

5.4.1.3 Methode zur Bestimmung der Futterpassagedauer

Zur Bestimmung der Futterpassagedauer durch die Vormägen oder den gesamten Verdau-ungskanal sowie für die partielle (Vormägen) oder Gesamtverdaulichkeit wurden nicht-resorbierbare „Marker“ benutzt, die vollständig mit dem Kot ausgeschieden wurden.

Für die Erfassung der Futterpassage durch die Vormägen benutzten MOORE et al. (1932), AKSSENOWA (1932) und PHILLIPSON (1939) Pansen und Labmagenfisteln um die Vor-gänge zu beobachten.

Die Verweildauer von Kasein im Pansen bestimmte KICK (1936) anhand von Untersuchun-gen des Panseninhaltes (Fisteln) und des Kotes der Tiere.

HOELZEL (1930) verfütterte Glasperlen an Rinder, EWING und SMITH nutzten 1917 kleine Gummibälle, die Rindern oral verabreicht und im Kot nach Abschluss der Futterpassage wie-der gesammelt wurden, um die Passagedauer zu bestimmen. MOORE und WINTER

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(1934) bestimmten ebenfalls die Passagegeschwindigkeit bei Rindern mit Gummibällen und Eisenoxid.

1930 fütterten LENKEIT und HABECK Schafe mit Hafer, welcher mit Farbstoffen (Fuchsin-Diamant) stabil sowie physiologisch indifferent gefärbt war. Nach zweiwöchiger Anfütte-rungsperiode wurden täglich in jeweils 5 g des Tagesmischkotes die ausgeschiedenen gefärb-ten Futterreste erfasst und die Passagedauer festgestellt. Einen ähnlichen Versuchsaufbau nutzten u.a. USUELLI (1933) und BALCH (1950a,b), um die Passagedauer bei Schafen und Rindern zu bestimmen. Als Farbstoffe wurden jedoch Magenta, Rhodamin B, Brilliant-Grün und Kristall-Violett verwendet.

Die Nutzung von Chromoxid, um die Passagerate und Verdaulichkeit des Futters zu bestim-men, wurde 1918 von EDIN vorgeschlagen; einige Jahre später, 1950, verabreichten KANE et al. diese Substanz erstmals an Rinder.

5.4.1.4 Pansenfenster

Obwohl Pansenfisteln bereits seit dem 19. Jh. zur Beobachtung der Pansenmotorik verwendet wurden, konnte von TRAUTMANN (1932b) eine bessere Betrachtung durch Anlegen von Pansenfenstern ermöglicht werden.

Hierbei wurde bei Ziegen ein Stück von 10x 20 cm aus der seitlichen Bauchwand entfernt, so dass die kaudalen Anteile des dorsalen und ventralen Pansensackes sowie die Endblindsäcke in ihren kranialen Abschnitten von außen zu erkennen waren. Die zwischen den Pansenabtei-lungen bestehenden Furchen ließen bei Beobachtung des Pansens durch das Fenster eine ein-wandfreie Orientierung zu.

Eine Betrachtung für längere Zeit war jedoch nicht möglich, da nach Angaben des Autors bereits einige Tage nach Einsetzen des Fensters von der Pansenoberfläche Fibrin ausgeschie-den wurde, wodurch die Beobachtung zunehmend erschwert wurde.

5.4.1.5 Druckmessung zur Beurteilung der Vormagenmotorik

BRÜGGEMANN beschrieb 1935 die Doppelballonmethode zur Aufzeichnung einer Druck-verlaufskurve zur Darstellung der Pansenbewegungen (Abb. 5.6).

Hierzu führte der Autor einen kleinen, an einem Glasrohr befestigten, aufblasbarer Gummi-ballon durch eine Fistel in den Pansen ein. Am anderen Ende des Rohres befand sich ein gleichartiger Ballon, der in ein Gefäß, gefüllt mit Wasser, eingetaucht war. Der Luftraum über dem Wasser stand in den Versuchen mit einer Marey´schen Kapsel in Verbindung, die eine Druckkurve der Magenbewegungen aufzeichnen konnte.

Abbildung 5.6: Aufbau der Doppelballonmethode (BRÜGGEMANN 1935)

a. Großer Gummifingerling, der in den Pansen eingeführt wird

b. Durchbohrter Gummistopfen (Der Fingerling wird luftdicht hier am Stopfen befestigt) c. Zweiter Gummistopfen

d. Dreiweghahn

e. Kleiner Gummifingerling

f. Kleine Saugflasche, mit Wasser gefüllt g. Schlauch, der zur Marey´schen Kapsel führt

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Eine Alternative, um die Vormagenmotorik ohne Röntgen oder Pansenfisteln zu beurteilen, wurde 1949 von DOUGHERTY und CRUMB beschrieben. Diese Autoren benutzten einen Druckmesser an der Flanke, der die Druckveränderungen an einen Schreiber weiterleitete.

Die Aufzeichnungen glichen denen der Doppelballonmethode, allerdings wurde diese Metho-de nicht-invasiv durchgeführt und barg somit weniger Komplikationen als ein operativer Ein-griff.

5.4.2 Ergebnisse der Untersuchungen 5.4.2.1 Weg der Nahrung und Flüssigkeit

Der Transport des wiedergekauten Futters vom Pansen durch die Haube in den Blättermagen und schließlich in den Labmagen war bis 1930 weitestgehend geklärt (LOHSE 2000).

Um den zeitlichen Ablauf jedoch besser studieren zu können, führten CZEPA und STIGLER (1925, 1930) Röntgenstudien mit lebenden Ziegen durch. Die Autoren konnten anhand der Ausbreitung des Kontrastmittels auf den Aufnahmen die einzelnen Darmabschnitte bestim-men und die Passagerate ermitteln. Sie beobachteten, dass das Kontrastmittel schnell vom Pansen in den Labmagen gelangte und sich 3 Stunden nach Füllung des Labmagens komplett im Duodenum befand. 24 Stunden nach Kontrastmitteleingabe enthielt das Kolon fast den gesamten kontrastmittelhaltigen Speisebrei.

Mittels gefärbtem Versuchsfutter (z.B. mit Magenta, Rhodamin B, Brilliant grün und Kristall-Violett) konnten von LENKEIT und HABECK (1930), USUELLI (1933), COLUMBUS (1934) und BALCH (1950) bei Rindern, Schafen und Ziegen ähnliche Passagezeiten be-stimmt werden.

KICK et al. (1937a,b) brachten die Retentionszeit des Ingestabreis im Pansen erstmals mit dem Gesundheitszustand des Tieres in Zusammenhang. Fühlt sich das Tier wohl und ist ge-sund, dann verbleibt das Futter länger im Pansen aufgrund einer besseren Schichtung des Pan-seninhaltes.

5.4.2.2 Vormagenmotorik

Bereits im 17. Jh. war bekannt, dass sich die Vormägen der Rinder bewegen können (LOHSE 2000, S. 29). In den darauffolgenden Jahren wurden mehrere Theorien zum Ablauf dieser Kontraktionen entwickelt, die von LOHSE (2000) detailliert beschrieben wurden. Im Unter-suchungszeitraum waren die Ansichten über die Bewegungsformen geteilt.

Während WESTER (1930a) von peristaltischen und antiperistaltischen Bewegungen bei Wie-derkäuern sprach, zeigten CZEPA und STIGLER (1930), dass abwechselnde Totalkontraktio-nen der beiden Pansensäcke dominieren.

Diese Meinung vertrat ebenfalls TRAUTMANN (1932b, 1939). Nach Röntgenkontrastunter-suchungen und Pansenfenstern (siehe 4.4.1.4) stellte der Autor 1932 fest, dass die Hauptkon-traktion des Pansens (Abb. 5.7) vom kaudalen Blindsack ausgeht, wodurch der Futterbrei in die kranialen Anteile des Pansens und somit zurück in die Haube „geworfen“ wird. Die Kon-traktionen des dorsalen und ventralen Pansensackes alternieren. Zusätzlich zeigten sich in den Versuchen schwache, peristaltische Bewegungen von kranial nach kaudal, welche den Ma-geninhalt von der Haube zurück in den Pansen bewegten.

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Abbildung 5.7: Aufgezeichnete Pansenkontraktionen (QUIN et al. 1938)

QUIN et al. (1938) konnten 5-7 Kontraktionen in fünf Minuten feststellen (Abb. 5.7). Die Art des Futtermittels hatte wenig bzw. keinen Einfluss auf den Rhythmus. Längeres Hungern (ü-ber mehr als 3-4 Tage) bewirkte jedoch nach Angaben der Autoren ein Anhalten der Pansen-bewegungen. Nach Ende der Hungerphase begannen die Pansenkontraktionen erst wieder langsam.

Eine biphasische Kontraktion der Haube wurde u.a. von BUNS (1931) und TRAUTMANN (1932b) beschrieben. Während der ersten Kontraktion zog sie sich in den Versuchen von TRAUTMANN auf etwa die Hälfte ihres Volumens zusammen, wodurch große, wenig ver-daute Partikel, die aufgrund ihrer relativ geringen Dichte auf dem Panseninhalt flotieren, in den Pansen bewegt wurden. Dann entfaltete sich die Haube fast bis zur anfänglichen Größe und saugte somit Panseninhalt an (TRAUTMANN 1932b). Bei der zweiten Haubenkontrakti-on, bei der sich das Organ bis etwa auf ein Viertel ihrer Größe verkleinerte, wurden die klei-nen, weitestgehend verdauten Partikel mit hoher Dichte, die nach der ersten Kontraktion noch in der Haube verblieben sind, in den Blättermagen befördert (MAGEE 1932).

Die zwei Haubenkontraktionen sind nach BUNS (1931) nicht auskultierbar, da sich zwischen Haube und linker Bauchwand der Rand des Zwerchfells und die Milz befinden. Dagegen tre-ten mit der unmittelbar auf die zweite Haubenkontraktion folgenden Erschlaffung des Netz-magens, wobei durch Saugwirkung und infolge der sofort einsetzenden Pansenkontraktion der Futterbrei in die Haube einströmt, meist gluckernde oder plätschernde Geräusche auf, die auskultatorisch wahrnehmbar sind. Diese Haubengeräusche traten in Versuchen von BUNS (1931) normalerweise in Abständen von 40-60 sek. auf, ganz gleich ob das Tier ruhte, Futter aufnahm oder wiederkaute (Abb. 5.8).

Abbildung 5.8: Aufzeichnung des zeitlichen Ablaufs der Hauben- und Pansenkontrakti-onen (BUNS 1931)

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Im unmittelbaren Anschluss an die Haubenkontraktionen beobachtete TRAUTMANN (1932b) die Zusammenziehung des Pansens in oben beschriebener Weise. Danach standen in den Versuchen des Autors Haube und Pansen für kurze Zeit nahezu still, lediglich im krania-len Bereich des Pansens waren kleine peristaltische Bewegungen zu erkennen (TRAUT-MANN 1932b).

Der Einfluss von Kleesaft auf die Vormagenmotorik (hemmend; Entstehung von Pansentym-panien) wurde 1948 von FERGUSON bei Rindern untersucht.

Die Frage der Innervation der Vormägen blieb im Untersuchungszeitraum zunächst offen.

POPOW et al. (1933) führten Versuche durch, in denen sie den zervikalen Teil des N. vagus ein- oder beidseitig freipräparierten und mit Haut umnähten. Durch eine den N. vagus zirkulär umgebende Kühlanlage konnten sie die Leitfähigkeit des Nerven einseitig unterdrücken und waren so imstande, entweder den zentralen oder den peripheren Teil des Vagus zu reizen.

Die Haube des Tieres wurde vor dem Röntgenschirm (ohne Kontrastmittel) beobachtet. Die Bewegungen des Labmagens wurden mittels eines in eine Labmagenfistel eingeführten Bal-lons auf einem Kymographion registriert.

Periphere Vagusreizungen führten jedes Mal zu deutlichen Haubenkontraktionen. Eine Aus-schaltung beider nervi vagi durch die Kühlanlage hemmte diese Kontraktionen. Nach Mor-phiuminjektion erfolgten keine selbständigen Haubenkontraktionen mehr, jedoch schon nach lokaler Vagusreizung. Nach Verabreichung von Pilocarpin wurden die Haubenbewegungen gelähmt, die Vagusreizung blieb erfolglos. Die Autoren leiteten hieraus die zentrale Wirkung des Morphins ab, während sie vom Pilocarpin eine Wirkung an der Haube selber oder am Nervus vagus annahmen.

Erst gegen Ende des 20. Jhs. wurde die parasympathomimetische Wirkung von Pilocarpin bestätigt.

5.4.2.3 Kauen und Wiederkauen

Im Untersuchungszeitraum wurden lediglich zwei Forschungsarbeiten zur Motorik des Kau-vorganges durchgeführt. BALCH et al. (1950) nutzten einen speziellen Halfter bei Rindern, der innen mit kleinen Ballons ausgekleidet war und somit Druckschwankungen in diesen Bal-lons während des Kauvorganges an einen Druckschreiber weiterleiten konnte.

Eine Herzfrequenzsteigerung während des Kauvorganges wurde bereits 1943 von BLAXTER bei Rindern beschrieben.

Der beim Kauen erreichte Zerkleinerungsgrad des Futters wurde vor 1950 allein von SILVER (1935) bei Kühen überprüft.

Die Fähigkeit bestimmter Tiere, ihr Futter wiederzukauen, wurde bereits 1685 von PEYER (zit. nach LOHSE 2000, S. 32) beschrieben. Die ersten Kenntnisse über diesen Vorgang ba-sierten lediglich auf klinische Beobachtungen. Nach Einführung der Operationstechnik zur Herstellung von Pansenfisteln (FLOURENS 1832) erleichterte eine manuelle Palpation der Vormägen die exakte Bestimmung der Bewegungsabläufe während dieses Vorganges.

Als wichtigste Vorbedingungen der Rumination nannte HOFMANN (1930) die Füllung der Vormägen und eine „behagliche Ungestörtheit“.

Im Untersuchungszeitraum (1930-1950) dominierten die Untersuchungen von STIGLER (1931) zur Erforschung des Mechanismus des Wiederkauens. Dabei wurden z.B. die Vorgän-ge während des Wiederkauens im Ösophagus von ZieVorgän-gen oder an Kühen mit Pansenfisteln beobachtet. Ferner wurden umfangreiche Röntgenuntersuchungen vom Autor durchgeführt.

Dadurch konnte folgendes von STIGLER (1931) festgestellt werden:

Die Rumination besteht aus der Vorbereitungsphase, der Rejektion, dem eigentlichen Kauen im Maul und dem Abschlucken.

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Die Vorbereitungsphase beginnt mit dem Abschlucken von Speichel. Unmittelbar darauf er-scheint eine rasche Kontraktion im oralen Abschnitt des Brustösophagus, um die Luft heraus-zupressen, die beim letzten Schluckakt in die Speiseröhre gelangt ist. Die Epiglottis schließt sich. Daraufhin folgt die Rejektion mit einer Ansaugungsphase. Es erfolgt eine ruckartige inspiratorische Zwerchfellsbewegung von geringem Ausmaß, da Luft aufgrund des Glot-tisschlusses nicht nachströmen kann. Oft werden gleichzeitig Kopf und Hals nach dorsal ge-bogen, um den Halsösophagus noch besser zu schließen und das Ansaugen von Luft aus der Maulhöhle in den Brustösophagus zu verhindern. Durch die inspiratorische Senkung des intrathorakalen Drucks wird der Brustösophagus erweitert und es entsteht ein Unterdruck, gleichzeitig öffnet sich die Kardia und es wird Pansen- und Haubeninhalt angesaugt. Diese Masse füllt den Brustösophagus bis zum Hals aus. Die Kardia schließt sich, das Zwerchfell erschlafft und es findet eine exspiratorische Bewegung statt. Die Bauchmuskulatur kontrahiert sich und drückt den Bauchinhalt gegen das erschlaffte Zwerchfell, so dass der Druck im Tho-rax ansteigt und der Inhalt vom Brustösophagus bis in die Maulhöhle befördert wird (sog.

„antiperistaltische Welle“). Dort wird das Futter mit einer erheblich höheren Intensität als beim ersten Kauen zerkleinert (DUKES 1931a) und schließlich wieder abgeschluckt (STIGLER 1931).

Über die Separieruung von Partikeln beim Wiederkauen berichteten KICK und GERLAUGH (1936), ebenso über den Einfluss von Heu auf die Kauaktivität von Bullen.

Umstritten blieb, ob die Haube für das Wiederkauen notwendig sei. TRAUTMANN und SCHMITT (1932) entnahmen einem ein-Monat alten Ziegenlamm die Haube und fütterten das Tier weiterhin mit der gewohnten Futterration. Das Lamm zeigte seitdem keine Anzei-chen der Rumination, ein negativer Effekt auf die Gesundheit war jedoch auszuschließen. Das Tier wurde nach 5 Monaten eingeschläfert und untersucht. Eine gewisse Regeneration der Haube wurde festgestellt, ebenfalls eine kompensatorische Hypertrophie des Pansens. Es wurden keine Auffälligkeiten hinsichtlich Verdauung oder Gesundheit festgestellt.

5.4.2.4 Pansengase

Nach der Entdeckung des krankhaften „Aufblähen des Rindes“ 1775 von RIEM wurden fütte-rungsbedingte Ursachen dafür verantwortlich gemacht. Die Zusammensetzung der im Pansen gebildeten Gase wurde jedoch erst 1826 von TIEDEMANN und GMELIN grob untersucht;

1883 führte TAPPEINER eine genaue Analyse der Gase durch (zit. nach LOHSE 2000, S.

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Die meisten im Untersuchungszeitraum durchgeführten Untersuchungen (BRATZLER und FORBES 1940, QUIN 1943b, NICHOLS 1947, CLARK (1948) (in-vitro), PILGRIM (1948), COLE und KLEIBER (1948), STONE 1949, u.a.) dienten der exakten Bestimmung der Ein-flusses der Fütterung auf die Entstehung der Pansengase (insbesondere Methan und Wasser-stoff, die 1949 von AXELSSON berechnet wurden), mit dem Ziel, ein krankhaftes Aufblähen der Tiere zu verstehen und zu vermeiden.

Um Pansengase aufzufangen und sie semiqualitativ und quantitativ zu bestimmen, wurde 1938 von QUIN et al. und 1943 von KLEIBER et al. ein Manometer, gefüllt mit Salzsäure (HCl) und Methylrot als Indikator, über einen Gummischlauch direkt mit einer Pansenfistel verbunden. Mittels dieser Methode wurden von letztgenannten Autoren im Durchschnitt 67 % Kohlendioxid, 26 % Methan, 0,11 % Schwefelsäure und weniger als 1 % Sauerstoff in den abgegebenen Gasen nachgewiesen.

Die Gase und die kurzkettigen organischen Fettsäuren stammten nach STONE (1949) aus der mikrobiellen Tätigkeit beim Abbau der Futterinhaltsstoffe im Pansen. Somit wurde vom Au-tor nach der Fütterung der Tiere eine maximale Gasproduktion erkannt; 24 Stunden nach der Fütterung war die Gasproduktion beendet.

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5.4.2.5 pH-Wert, Osmolarität und Temperatur im Pansen

Bereits im 19. Jh. war die alkalische Wirkung des Panseninhaltes ausgewachsener Wieder-käuer bekannt (LOHSE 2000, S. 40). Durch Bestimmungen der Protonenkonzentrationen wurden zwischen 1930-1950 die Variationsbreite des pH-Wertes im Pansen ermittelt.

POCHON (1936) konnte bei den heimischen Wiederkäuerarten Werte zwischen 6,8 und 8 bestimmen, wobei die höchsten Werte vor der Fütterung bei Stalltieren auftraten.

Als Folge unterschiedlicher Wasserstoffionenkonzentrationen im Pansen konnte der Autor bei den verschiedenen Wiederkäuerarten unterschiedliche Mikrobenarten nachweisen. Manche Bakterien, wie z.B. Plectridium cellulolyticum, fanden sich allerdings in Vormägen aller Wie-derkäuerarten wieder, wobei ihnen ihre Anreicherung jeweils nach mehreren Generationen gelang. PHILLIPSON (1942) registrierte ebenfalls die Fluktuation der pH-Werte.

DAVEY beobachtete 1936, dass der Panseninhalt von Schafen gegenüber dem Blut isoton ist.

Der P-Gehalt im Pansensaft wurde 1931 von BRUNNICH und WIMBS bestimmt.

Die Temperatur im Pansen von fünf-jährigen Schafen mit Pansenfisteln wurde 1931 von LAMPE mit zwei Thermoelementen gemessen. Zur Ablesung diente das Edelmann´sche Spiegel-Galvanometer. Die Temperatur im Pansen nahm Werte um 39 °C an und konnte durch die Fütterung generell nicht beeinflusst werden, mit Ausnahme von kalten Futtermit-teln, wie z.B. Futterrüben, Wasser oder Milch. Bei allen drei Futtermitteln wurde die Pansen-temperatur direkt oder indirekt herabgesetzt. Bei Heufütterung erhöhte sich die Temperatur durch die einsetzenden Gärungsvorgänge.

5.4.2.6 Pansenmikroorganismen - Allgemeines

1843 wurden von GRUBY und DELAFOND erstmals Infusorien als Pansenmikroorganis-men nachgewiesen und 1854 im Buch „Physiologie der Haustiere“ von COLIN veröffentlicht.

1843 wurden von GRUBY und DELAFOND erstmals Infusorien als Pansenmikroorganis-men nachgewiesen und 1854 im Buch „Physiologie der Haustiere“ von COLIN veröffentlicht.