11 Fütterungspraxis
11.2 Fütterung der Milchkühe
Eine überlegte Rationsgestaltung für Milchkühe wurde erst mit forstschreitenden Kenntnissen über den Bedarf an Energie und Nährstoffen sowie über die Funktion des Verdauungskanals möglich.
174
Schon im 19. Jh. war die Notwendigkeit einer ausreichenden Eiweiß- und Mineralstoffergän-zung bei vielen Grundfuttermitteln bekannt (KLEMME 2003, S. 146). HAUBNER (1837) hatte erstmals erkannt, dass Rauhfutter für die Funktion der Vormägen und die Gesundheit der Tiere unerlässlich ist.
Zur Bestimmung des Energie- und Eiweißbedarfs empfahl BROUWER (1935) ein einfaches Nomogramm, für die Kombination von Grund- und Ergänzungsfutter nannte MASU-ROVSKY (1922) die Kreuzregel. DUBINSKI (1933) und GRAVES et al. (1940) gaben An-weisungen für die Rationsgestaltung bei Milchkühen, u.a. CLARK (1946) für die Mast.
Generell wurde erkannt, dass die Fütterungsintensität die Milchmengenleistung nachhaltig steigert, wie es aus Versuchen von FREDERIKSEN (1931), WOODWARD et al (1933), GRAVES et al. (1940), CANNON et al. (1940), AUTREY (1941), JENSEN et al. (1942) so-wie aus der Auswertung von YATES et al. (1942) hervorging. Umgekehrt geht bei einer Un-terernährung die Milchleistung zurück (Tab. 11.8). Dies gilt auch für die Milchqualität, aller-dings fällt der Fettgehalt erst nach längerer Karenz ab. Eine Übersicht zu diesen Fragen liefert BLAXTER (1950).
Bereits Ende des 19. Jh. untersuchte DAVENPORT (1897), wie Wiederkäuer auf fehlendes Rauhfutter reagieren (eine Frage, die schon BLOCK (1823) negativ beantwortet und HAUB-NER (1848) experimentell überprüft hatte). MÜLLER (1909), LEROY (1925) sowie MU-RAY (1926) erforschten die minimal notwendige Menge an Rauhfutter bzw. dessen Entbehr-lichkeit bei Milchkühen (Tab. 11.8).
Nachdem die Unentbehrlichkeit von Rauhfutter bei Wiederkäuern erkannt wurde, führten mehrere Forscher Untersuchungen bezüglich der optimalen Ballastmenge (Rauhfutter, Rohfa-ser) durch, u.a. BRÜGGEMANN (1938) sowie ROUX et al. (1935). Dabei musste eine Mit-telweg gefunden werden, da zu hohe Rohfasergehalte die Verdaulichkeit und auch Leistungen senkten (LINDSEY und ARCHIBALD 1932, LOOSLI et al. 1945), während zu geringe die Funktion des Verdauungskanals beeinträchtigten. Weitere Arbeiten zum Rohfaserproblem bzw. zur Höhe der Kraftfuttergaben (Tab. 11.8) erschienen u.a. von STODDARD et al.
(1949), NORDFELDT et al. (1950), McCLYMONT (1950) sowie STEENSBERG und ESKEDAHL (1949), Tabelle 11.8. Daneben ging es auch um eine ausreichende Energie- und Eiweißversorgung und um ein optimales Nährstoffverhältnis.
175 Tabelle 11.8 Rationsgestaltung von Milchkühen
Jahr Land Autor/en Ration / Technik Ziele
1909 D MÜLLER Notwendigkeit von Rauhfaser Gesundheit der Tiere, MiL 1923 USA RAGSDALE,
TURNER
Unterernährung MiL 1925 USA LEROY Notwendigkeit von Rauhfaser Gesundheit der
Tiere, MiL 1926 F MURAY Notwendigkeit von Rauhfaser Gesundheit der
Tiere, MiL 1930 USA PRATT, WHITE Optimale Menge an Silage in der
Ra-tion
Ökonomische Milchproduktion 1931 DK FREDERIKSEN Verschd. Fütterungsintensitäten MiL
1931 USA SAVAGE Rationen mit 16, 20, 24 % Eiweiß MiL 1931 S HANSSON,
OLOFSSON
Sommer- vs. Winterfutterstoffe Butterkonsistenz 1932 USA LINDSEY,
AR-CHIBALD
Rationen mit hohem oder niedrigem Rauhfasergehalt
MiL
1932 D ESSKUCHEN Verschiedene Rationen Rohproteinbedarf des Fötus
Verschd. Fütterungsintensitäten MiL 1933 P DUBINSKI Rationsberechnung, Rationen mit
unterschiedlichen Stärkewerten und Eiweißgehalten
MiL
1934 RUS HRAMOV Verschd. Rationen, unterschiedliche Altersklassen
MiL, MF, Laktati-onsdauer
1934 EST MÄGI Verschd. Rationen (Rüben, Kartof-feln, Leinsamen, Bohnenmehl)
Qualität des But-terfettes
1934 USA DICKSON, KOPLAND
Raufutterreiche Rationen MiL 1935 ZA ROUX et al. Verschd. Rationen (Rauhfutterreich,
Kraftfutter, feucht) mit gleichem Ei-weiß- und Nährstoffgehalt
MiL, MF, MQ
1936 USA HORWOOD, WELLS
Einfache vs. komplexe, zusammenge-stellte Rationen
MiL, MF, Wachs-tum
1937 FIN KAJANOJA Unterernährung MiL
1938 USA HILL, PALMER Verschd. Futtermittel (Luzerne- und Timotheeheu, Hafer, Mais, Rüben-schnitzel)
Milchfettzusam-mensetzung, But-terqualität 1938 D
BRÜGGE-MANN Optimale Rauhfuttermenge MiL 1938 UK McCANDLISH Eiweißreiche und
-arme Rationen
MiL 1939 PH VILLEGAS,
ELEFAVO
Napiergrassilage, Maissilage Futteraufnahme
176
Jahr Land Autor/en Ration / Technik Ziele
1940 USA GRAVES et al. Verschd. Rationen (gemischtes Ge-treide, Luzerneheu, Maissilage, Gers-te), Rationsberechnung
MiL, MF
1940 USA CANNON et al. Verschd. Fütterungsintensitäten MiL 1940 S JARL Energiereiche und –arme Fütterung in
der Trockenstehphase
Reproduktionsleis-tung, MiL der fol-genden Laktation 1941 USA AUTREY Verschd. Fütterungsintensitäten MiL
1941 NS RIDDET et al. Unterernährung MiL, MQ 1942 USA JENSEN et al. Verschd. Fütterungsintensitäten MiL 1942
a,b NE DIJKSTRA Unterernährung MiL
1942 UK YATES et al. Verschd. Fütterungsintensitäten MiL 1943 AR INCHAUSTI Rationen mit unterschiedlichen
Eiweißmengen
MiL, MQ, MF 1944 DK ØSTERGAARD Energiereiche und
-arme Kraftfutterzusätze
MiL, Reprodukti-onsleistung 1944 UK BLAXTER Energiereiche und
-arme Rationen MiL, MF
1944 N BREIREM Unterernährung MiL
1945 S AXELSSON Energiereiche Rationen MiL 1945 USA LOOSLI et al. Rauhfutterarme Rationen MF
1947 CH LUTZ Unterernährung MiL, MQ
1947 D NESENI, KÖRPRICH
Eiweißreiche und –arme Rationen N-gehalt der Milch, MF 1948 USA BRODY et al. Rationen mit erhöhtem Energiegehalt
während der Laktation Wärmeproduktion der Tiere vor und während Laktation 1948 USA MUSGRAVE,
GAINES
Nährstoffreiche und –arme Fütterung MiL, Gewichtzu-nahmen
1949 USA STODDARD et
al. Rauhfutterarme Rationen MF
1949 DK STEENSBERG,
ESKEDAL Kraftfutterreiche, Rauhfutterarme
Rationen MiL
1949 N BREIREM,
UL-VESLI Verschd. Rationen Eiweißbedarf
1949 USA KAY Unterernährung MiL
1950 NS FLUX Unterernährung MiL, MQ
1950 USA NORDFELDT et al.
Rauhfaserreiche Rationen MiL, MF 1950 DK HANSEN,
STEENSBERG
Nährstoffreiche und –arme Fütterung MiL, Reprodukti-onsleistung 1950 AUS McCLYMONT Rationen mit wenig bzw. viel
Rauhfa-ser
MF
177 11.2.2 Fütterungstechnik
Mit steigenden Leistungen und vermehrter Stallfütterung wuchs ebenfalls die Bedeutung der Fütterungstechnik (Tab. 11.9).
STAFFE (1928b) untersuchte den Effekt einer Nachtfütterung von Milchkühen auf den Fett-gehalt der Morgenmilch und fand eine deutliche Erhöhung gegenüber der Abendmilch. Da der Gehalt an Fett in der Abendmilch jedoch erniedrigt war, konnte diese Art der Fütterung keine Vorteile bringen.
Anderes hingegen verlief der Versuch von DAWSON und KOPLAND 1949 in den USA. Die Autoren verglichen bei zwei Gruppen von je fünf Milchkühen den Effekt einer einmaligen Fütterung mit einer zweimaligen täglichen Fütterung. Bei letztgenannten Tieren konnten die Autoren eine Erhöhung der Heuaufnahme (10 %) und eine Steigerung der Milchleistung (47,7 Pfund im Vergleich mit 45,1 Pfund / Tag) feststellen. Ähnliche Versuche wurden von GROH (1937) und POIJÄRVI (1949) durchgeführt.
Nach SKRODELS (1938) hatte eine intensiven Fütterung von Milchkühen während der Tro-ckenstehzeit einen positiven Einfluss auf die Milchleistung und den Milchfettgehalt der fol-genden Laktation.
Tabelle 11.9: Fütterungstechnik für Milchkühe
Jahr Land Autor/en Ration / Technik Ziele
1928
b D STAFFE Tag- vs. Nachtfütterung Milchfettgehalt der Morgen- und Abendmilch
1935 IND MACGUCKIN Management MiL
1937 CZ GROH Dreimalige vs. viermalige Fütterung / Tag
MiL 1938 D SKRODELS Intensive Fütterung in der
Trocken-stehzeit
MiL, Milchfettge-halt der folgenden Laktation
1949 USA DAWSON, KOPLAND
Einmalige vs. zweimalige Fütterung / Tag
MiL 1949 FIN POIJÄRVI Einmalige vs. zweimalige Fütterung /
Tag
MiL
11.2.3 Fettreiche/-arme Rationen
Bereits in den Jahren 1900-1903 prüften MORGEN et al. (1905) den Effekt von Nahrungsfet-ten auf die Milchleistung. Sie verweisen dabei zunächst auf ältere ArbeiNahrungsfet-ten des 19. Jh. (begin-nend mit STOHMANN 1860), die aber nur mit wenigen Tieren ausgeführt wurden. MOR-GEN et al. benutzten Schafe und Ziegen als Modell. Diese Arbeiten wurden 1907 von BE-GER mit emulgierten Fetten fortgesetzt und in einem Übersichtsreferat von MORGEN reka-pituliert. BEGER hat dann 1914 schon den Einfluss flüchtiger Fettsäuren auf die Milchdrüse von Ziegen überprüft, ohne allerdings eindeutige Ergebnisse erzielen zu können.
Später haben dann v.a. amerikanische Autoren verschiedene Lebertransorten (die bereits im 19. Jh. häufig zur Prophylaxe von Skeletterkrankungen bei Schweinen eingesetzt wurden, KÖNIG 2004, S. 177) bei Milchkühen in ihrem Einfluss auf Milchleistung und Milchfettge-halt überprüft.
178
Der Einflusses der Fütterung fettreicher und fettarmer Rationen auf Milchleistung und insbe-sondere Fettgehalt der Milch bei Milchkühen wurde in insgesamt 33 Untersuchungen über-prüft (Tab. 11.10).
Tabelle 11.10: Einfluss der Fütterung verschiedener fettreicher und fettarmer Substan-zen auf die Milchleistung von Kühen
Jahr Land Autor/en Futtermittel 1905 D MORGEN et al. 3), 4) Fettarme Rationen
1907 D BEGER 4) Emulgierte u. nicht-emulgierte Fette
1906 F DENÖEL Sesam-Ölkuchen
1906 D FINGERLING Fettreiche und -arme Rationen 1907
b
D KELLNER Fettreiche und -arme Rationen
1914 D BEGER 4) Flüchtige Fettsäuren (Kinnbackenöl vom Meerschweinchen)
1926 USA NEVENS et al. Fettreiche und –arme Rationen 2) 1926 D CHANNON et al. Erdnussöl, Kokosfett, Lebertran 1) 1928 USA GOLDING Dorschlebertran 2)
1928 USA MATTICK Dorschlebertran 1)
1930 D BUSCHMANN Fettreiche und –arme Rationen 1931
a DK SHEEHY Verschiedene Fettarten (u.a. Dorschlebertran, Leinsamenöl) 2)
1932 USA McCAY, MAYNARD Fettreiche und –arme Rationen 2) 1932 USA SUTTON et al. Maisöl 1)
1932
a D HONCAMP et al. Fettarmer und fettreicher Kokos- u. Palmkern-kuchen
1932 S PETERSEN Dorschlebertran
1932 USA MAYNARD, McCAY Fettreiche und –arme Rationen
1934 USA ALLEN Rationen mit hohem bzw. niedrigem Fettgehalt 1934 USA MAYNARD et al. Fettreiche und –arme Rationen
1935 USA McCAY, MAYNARD Dorsch-, Hai- und Lachslebertran 2), 3) 1935 UK McCANDLISH,
STRUTH-ERS
Butterfett 1)
1936 CS ŠMALCELJI Entfettete Sojabohnen 2)
1937 D HORN, MÜHL Nicht-entfettete u. entfettete Sojabohnen 2) 1937 IND DUTTA et al. Sesamöl 2)
1938 USA GARNER, SANDERS Verschiedene Öle
1938 D KIEFERLE Verschiedene fettreiche Futtermittel 1), 2) 1938 USA McCAY, MAYNARD Dorsch- und Lachslebertran 2)
1939 USA GARDNER Kokosöl
1939 USA GIBSON, HUFFMAN Fettreiche und –arme Rationen 1940 D WENNERSTRÖM Fettreiche und –arme Rationen 1941 USA ALLEN, FITCH Fettreiche Futtermittel
1941 USA MAYNARD et al. Fettreiche und -arme Rationen 1941
b
USA RUPEL et al. Hai-Lebertran 1942 USA JENSEN et al. Hai-Lebertran 2)
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Jahr Land Autor/en Futtermittel 1943 UK HILDITCH, JASPERSON Fettreiche und -arme Rationen 1943 USA LUCAS et al. Fettreiche und -arme Rationen 2) 1943 USA MONROE, KRAUSS Fettreiche und -arme Rationen 2) 1944 USA LOOSLI et al. Fettreiche und -arme Rationen 1944 USA MONROE, KRAUSS Fettreiche und -arme Rationen 2) 1944 USA FOUNTAINE, BOLIN Hai-Lebertran
1945 UK MOORE et al. Dorschlebertran 2)
1947 F LEROY, BONNET Fettreiche und -arme Rationen 2)
1949 USA BYERS et al. Rationen mit hohem bzw. niedrigem Fettge-halt2)
1) ebenfalls Untersuchung des Einflusses auf die organoleptischen Eigenschaften der Milch sowie auf die Butterqualität
2) ebenfalls Untersuchung des Einflusses auf den Milchfettgehalt 3) Schafe
4) Ziegen