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Erster Zwischenbericht über Fortschritte der Tschechischen Republik

Im Dokument der Tschechischen Republik (Seite 102-106)

Politischer Kontext:

2 EU-Osterweiterung mit der Tschechischen Republik

2.4 Erster Zwischenbericht über Fortschritte der Tschechischen Republik

In einem ersten Zwischenbericht der Kommission vom 4.11.1998 werden die seit Juli 1997 erzielten ”Fortschritte der Tschechischen Republik auf dem Weg zum Beitritt” zusammenge-stellt und bewertet. Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen begann das screening des acquis am 3.4.1998. Demnach war ”die Durchführung des Europa-Abkommens durch die Tschechi-sche Republik nicht ganz reibungslos”, aber alle Probleme konnten durch die gemeinsamen Organe gelöst werden.

Der Assoziationsrat trat im Oktober 1997 zusammen. Zwei Sitzungen des Assoziationsausschusses fanden im Juli 1997 und Juli 1998 statt. Auf der Sitzung im Juli 1998 wurde erstmals über die Um-setzung der im Rahmen der Beitrittspartnerschaften vereinbarten Prioritäten verhandelt. Das Sys-tem der Unterausschüsse wird weiterhin für die Erörterung technischer Fragen genutzt. Seit der Veröffentlichung der Stellungnahme trat der Gemischte Parlamentarische Ausschuß, der sich aus Vertretern des Tschechischen Parlaments und des Europäischen Parlaments zusammensetzt, zwei-mal zusammen, und zwar im Oktober 1997 und im März 1998.22

Der bilaterale Handel wuchs zwischen 1996 und 1997 weiter und entsprach bereits 61% des tschechischen Außenhandels. Zahlreiche Anpassungsprotokolle zur Handels-, Landwirt-schaftspolitik, zum Pflanzenschutz und zu Veterinärfragen wurden unterzeichnet und aus Pha-re-Mitteln gefördert:

Das nationale Phare-Programm 1998 sieht für die Tschechische Republik eine Dotierung von 27 Mio. ECU vor, die nach Maßgabe der Prioritäten der Beitrittspartnerschaft für die Unterstützung vor allem der Regionalpolitik, der Bereiche Justiz und Inneres und der Landwirtschaft sowie die Beteiligung an Gemeinschaftsprogrammen und Tempus bestimmt sind. Weitere 19 Mio. ECU wurden für das Programm für die grenzübergreifende Zusammenarbeit bereitgestellt. Die Tsche-chische Republik ist auch Teilnehmer und Empfänger im Rahmen der aus Phare finanzierten län-derübergreifenden und horizontalen Programme wie Zoll, Umwelt, kleine und mittlere Unterneh-men, Statistik, Reform der Staatsverwaltung und TAIEX.23

Die Bewertung zu den politischen Beitrittskriterien fiel beim Parlament positiv aus, während bei der Reform der öffentlichen Verwaltung seit Juli 1997 ”nahezu keine Fortschritte ge-macht” wurden:

Einzige konkrete Maßnahme war die Verabschiedung der Entschließung Nr. 202/98 der Regierung am 23. Mai 1998, in der ein vorläufiger Zeitplan für die Reform des öffentlichen Dienstes aufge-stellt wurde. Gegenüber den darin vorgesehenen Fristen sind aber Verzögerungen eingetreten. So liegt immer noch kein Entwurf des Gesetzes über den öffentlichen Dienst vor, das im Januar 2000 in Kraft treten sollte. Das Fehlen dieses Gesetzes ist ein großes Hindernis für die notwendige Ver-besserung des Funktionierens der öffentlichen Verwaltung. Die Gehälter sind nach wie vor gering, so daß es schwierig ist, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Die Regierung hat die Reform der

22 Europäische Kommission: Regelmäßiger Bericht der Kommission über die Fortschritte der Tschechischen Re-publik. Auf dem Weg zum Beitritt (Brüssel, 4.11.1998): 7. Die deutsche Fassung konnte bis Herbst 1999 vom Server der EU heruntergeladen werden. Im Januar 2000 war jedoch nur noch die englische Fassung verfügbar.

Vgl. Dokument A-2.

23 Ebenda: 7-8.

Kap. 2: EU-Osterweiterung mit der Tschechischen Republik 103

fentlichen Verwaltung jedoch zu einer Priorität erklärt und mit der Klärung der Zuständigkeiten und Anhebung der Gehälter bereits erste Schritte eingeleitet.24

Das Funktionieren der Justiz habe sich nicht verbessert und es gebe keine Anzeichen,

daß geeignete Maßnahmen ergriffen wurden, um die in der Stellungnahme dargestellten Heraus-forderungen anzunehmen. Die Gerichte sind immer noch überlastet. Wichtigste Gründe hierfür sind die große Zahl der unbesetzten Richterstellen (390 von insgesamt 2726), die im allgemeinen mangelhafte Ausstattung der Gerichte, die unzureichende interne Kommunikation sowohl inner-halb des Justizministeriums als auch zwischen dem Ministerium und den Gerichten und die man-gelnde Spezialisierung der Richter (die gleichzeitig Fälle unterschiedlicher Art behandeln und au-ßerdem zahlreiche Verwaltungsaufgaben übernehmen müssen).25

Auch bei der Korruptionsbekämpfung werde ein effektiver Ansatz ”durch unzureichendes Personal, mangelnde Ausrüstungen und fehlende Finanzmittel behindert”.26 Insgesamt werde zu den politischen Kriterien angemerkt, daß Tschechien ”die politischen Kriterien von Ko-penhagen erfüllt. Dennoch muß sich die Tschechische Republik weiterhin aufmerksam der Reform der Justiz, der wirksameren Bekämpfung der Korruption und der Verbesserung der Lage der Roma zuwenden”27.

Zur Umsetzung der wirtschaftlichen Kriterien stellte die Kommission fest, daß Tschechien als

”funktionsfähige Marktwirtschaft angesehen werden” könne und ”dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften in der Union mittelfristig gewachsen sei, vorausgesetzt, es kommt in der Unternehmensführung zu Fortschritten und die Umstrukturierung der Unternehmen wird be-schleunigt fortgesetzt”.28 Bei den Strukturreformmaßnahmen wurden ”gewisse Fortschritte”

verzeichnet. Mit Vorrang müsse

jetzt die weitere Reform des Finanzsektors betrieben werden, und zwar mit Blick auf eine Verbes-serung des Rahmens der Unternehmensführung und eine Beschleunigung der Umstrukturierung der Unternehmen. Die Privatisierung des Bankensektors muß abgeschlossen und die Änderung der Bankgesetze muß zügig vollzogen werden. Den Banken sollte nahegelegt werden, ihre Wertpa-pierbestände zu bereinigen und ihre Rücklagen zu erhöhen. Die Behörden sollten gemeinsam mit dem Börsenausschuß weitere Maßnahmen in Erwägung ziehen, um die Transparenz und Effizienz der Kapitalmärkte zu erhöhen.29

Zur Fähigkeit, die ”aus der Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen” zu erfüllen, nahm der Zwischenbericht eine detaillierte Bewertung der Entwicklungen in allen Politikfeldern vor, von denen weiter unten nur der Energie- und Umweltsektor detailliert wiedergegeben werden. Insgesamt fällt die Bewertung der Kommission zum 3. Beitrittskriterium skeptisch aus:

Die Tschechische Republik hat im Rechtsangleichungsprozeß nur begrenzt Fortschritte erzielt. Im Bereich Binnenmarkt sind in bezug auf Normen und Zertifizierung gute Fortschritte zu verzeich-nen. In bezug auf den Bankensektor und die Kapitalmarktaufsicht sind die Fortschritte geringer ausgefallen. Obgleich die Tschechische Republik bei einer soliden Ausgangsbasis ansetzen konnte, wurden in anderen Kernbereichen des Binnenmarkts wie zum Beispiel beim geistigen Eigentum,

24 Ebenda: 10.

25 Ebenda: 10.

26 Ebenda: 11.

27 Ebenda: 13.

28 Ebenda: 14.

29 Ebenda: 23.

H. G. Brauch: Osterweiterung der Europäischen Union - Energie- und Umweltpolitik der Tschechischen Republik 104

dem öffentlichen Auftragswesen, dem Datenschutz, im audiovisuellen Bereich, dem Versiche-rungswesen und der Kontrolle staatlicher Beihilfen keine Fortschritte erzielt. Die Verlangsamung des Rechtsangleichungs- und Verwaltungsaufbauprozesses ist ebenfalls im Bereich Justiz und In-neres spürbar geworden.

Die Tschechische Republik hat im Zusammenhang mit den kurzfristigen Prioritäten der Beitritts-partnerschaft erhebliche Anstrengungen in den Bereichen Makroökonomie, Bankwesen- und Fi-nanzsektor, Normen und Zertifizierung, Regionalentwicklung und veterinärmedizinische Kontrol-len unternommen; die Anstrengungen in bezug auf die Prioritäten in den Bereichen industrielle Umstrukturierung, Verwaltungsaufbau, Binnenmarkt (Angleichung der Rechte am geistigen Eigen-tum, des Kartellrechts und der Regelung der staatlichen Beihilfen) sowie Justiz und Inneres (Grenzüberwachung, Justiz) waren dagegen nicht ausreichend.30

Zur Fähigkeit der Verwaltungsstrukturen zur Umsetzung des Acquis stellt die Kommission fest, daß ”seit Juli 1997 nur wenige Fortschritte bei der Reform der öffentlichen Verwaltung erzielt” wurden. Am 23.3.1998 nahm die Regierung eine Entschließung mit einem vorläufigen Zeitplan für die Reform der öffentlichen Verwaltung an, bei deren Umsetzung jedoch Verzö-gerungen eintraten.

Es besteht ein Regierungsausschuß für Europäische Integration, zu dessen Vorsitzenden die neue Regierung den stelltvertretenden Ministerpräsidenten ernannt hat. Dieser Ausschuß wird von ei-nem Arbeitsausschuß, der aus hohen Beamten zusammengesetzt ist, und von 30 Facharbeitsgrup-pen unterstützt. Für die Koordinierung der Beziehungen zur Union einschließlich der Vorbereitung der Beitrittsverhandlungen ist das Außenministerium zuständig. Im Juli 1998 beschloß das Abge-ordnetenhaus die Bildung eines Ausschusses für europäische Integration, und der Senatsausschuß für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheit hat kürzlich einen Unterausschuß für Fragen der europäischen Integration eingesetzt.31

Beim Aufbau und der Leistungsfähigkeit der für die Umsetzung des Acquis zentralen Verwal-tung und der Justiz notierte der Kommissionsbericht zahlreiche Defizite und zur Umweltpoli-tik stellte er fest:

Im Umweltministerium sind rund 460 Personen beschäftigt. Ein besonderes Referat, das sich aus-schließlich mit der Angleichung an das EU-Recht befaßt, gibt es nicht. Die Durchsetzung der Vor-schriften wird durch die Tschechische Umweltinspektion gewährleistet. Sie verfügt über eine nati-onale Hauptverwaltung und zehn Regionalämter, die insgesamt 420 Mitarbeiter, darunter 280 In-spektoren, beschäftigen. Insgesamt gesehen weist die technische Infrastuktur für die Umsetzung des Umweltrechts wie z.B. die Datenerfassung und die Umweltüberwachung, einen relativ hohen Standard in der Tschechischen Republik auf.32

Die Tschechische Republik beteiligte sich aktiv an den Patenschaften (twinning), die sich zu-nächst auf die vier Bereiche Landwirtschaft, Umwelt, Finanzen sowie Justiz und Inneres erstrecken. Insgesamt konstatiert der Zwischenbericht der Kommission zu den drei Beitritts-kriterien:

Die Tschechische Republik hat die Vorrangigkeit der Reform der öffentlichen Verwaltung aner-kannt, aber noch nicht die erforderlichen Schritte unternommen, um dieses politische Engagement in die Tat umzusetzen. Seit der Stellungnahme hat sich jedoch die Situation bezüglich der Kapazi-täten der Aufsichtsgremien der Sektoren Banken und Finanzdienstleistungen verbessert, die Insti-tutionen im Bereich Normen und Zertifizierung wurden ausgebaut und die Strukturen im

30 Ebenda: 41.

31 Ebenda: 43.

32 Ebenda: 47.

Kap. 2: EU-Osterweiterung mit der Tschechischen Republik 105

närbereich sind in eine Konsolidierungsphase eingetreten. Im Justizwesen besteht erheblicher Be-darf in bezug auf Ausbildung und Laufbahnentwicklung.33

Daraus zog der Kommissionsbericht folgende Schlußfolgerungen:

Die Tschechische Republik erfüllt nach wie vor die politischen Kriterien von Kopenhagen, doch die Situation der Roma bedarf noch fortgesetzter Aufmerksamkeit der tschechischen Gesellschaft.

Die Tschechische Republik kann als funktionierende Marktwirtschaft betrachtet werden und sie dürfte dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften in der Union mittelfristig gewachsen sein, falls sie im Bereich Unternehmensführung Verbesserungen durchsetzt und die Umstrukturierungen von Unternehmen beschleunigt.

Die Tschechische Republik dürfte in der Lage sein, die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft zu erfüllen, wenn das Tempo der Übernahme des Acquis und der Verstärkung der einschlägigen Ver-waltungsstrukturen rasch gesteigert werden kann und sich so der Mangel an Fortschritten seit dem letzten Jahr wettmachen ließe, insbesondere in den Bereichen Binnenmarkt, Landwirtschaft, Justiz und Inneres.34

Im vierten Teil legte der Kommissionsbericht eine allgemeine Bewertung der Durchführung der Beitrittspartnerschaft und des nationalen Programms zur Übernahme des Acquis vor und stellte zum Umweltsektor fest:

Im Umweltbereich wurde die Umsetzung der Rechtsvorschriften, wenn auch langsam, vorangetrie-ben, jedoch müssen die Anstrengungen vor allem im Bereich des Wasserschutzes und der indus-triellen Verschmutzung verstärkt werden. Die Ausarbeitung richtlinienspezifischer Umsetzungs-programme und der entsprechenden Investitionen kommt dagegen nicht gut voran.35

Insgesamt fiel die Bilanz Tschechiens ”bei der Erfüllung der kurzfristigen Prioritäten im Rah-men der Beitrittspartnerschaft” gemischt aus:

Im Bereich der wirtschaftlichen Reformen ..., im Normungs- und Zertifizierungsbereich und bei der Stärkung der Verwaltungskapazität im Regionalentwicklungs- und Veterinärbereich wurden Anstrengungen unternommen. Wichtige Prioritäten in den Bereichen Umstrukturierung der Indust-rie, Verwaltungskapazität ..., Binnenmarkt..., Justiz und Inneres ... und Umweltschutz (Ausarbei-tung von Umsetzungsprogrammen) wurden jedoch nicht in zufriedenstellendem Maße erfüllt.36 Die Bewertung der Qualität des Nationalen Programms für die Übernahme des Acquis durch die Kommission war unterschiedlich. Während der Umweltsektor ”sehr gut” bewertet wurde, enthielt das Energiekapitel ”dagegen ungenügende Auskünfte”. Von den mittelfristigen Priori-täten der Beitrittspartnerschaft fehlten u.a. die umweltpolitischen Aspekte der Landwirtschaft und die Artenvielfalt. Insgesamt würden ”Teile des Umweltacquis” nicht ausreichend berück-sichtigt.

Die skeptische Bewertung der Beitrittsbemühungen lösten in Tschechien einen Schock aus, auf den die Regierung mit dem Hinweis auf die politische Instabilität nach dem Ende der Re-gierung Klaus antwortete.

33 Ebenda: 49.

34 Ebenda: 50.

35 Ebenda: .53.

36 Ebenda: 53.

H. G. Brauch: Osterweiterung der Europäischen Union - Energie- und Umweltpolitik der Tschechischen Republik 106

Im Dokument der Tschechischen Republik (Seite 102-106)