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Der Acquis Communautaire der EU im Bereich Energiepolitik

Im Dokument der Tschechischen Republik (Seite 179-183)

3 Energiepolitik der Tschechischen Republik

4 Der Acquis Communautaire der EU im Bereich Energiepolitik

H. G. Brauch: Osterweiterung der Europäischen Union - Energie- und Umweltpolitik der Tschechischen Republik 180

Nach der Darstellung der Kommission in der Stellungnahme Agenda 2000 vom 15.7.1997 besteht der gemeinschaftliche Besitzstand (acquis communautaire) im Energiesektor im we-sentlichen aus:

Vertragsbestimmungen und abgeleiteten Rechtsvorschriften, die insbesondere den Wettbewerb und staatliche Beihilfen, den Energiebinnenmarkt (einschließlich Richtlinien für die Elektrizitätspro-duktion (96/62/EG), die Preistransparenz, den Transit von Elektrizität und Gas, Kohlenwasserstof-fe, Genehmigungsverfahren, Krisenmechanismen einschließlich der Verpflichtung zur Haltung von Sicherheitsvorräten usw.), die Kernenergie sowie Energieeffizienz- und Umweltnormen betreffen.

Weitere wichtige Bestandteile der Energiepolitik sind der Ausbau der transeuropäischen Energie-netze und die Förderung von FuE im Energiebereich. Die laufenden Arbeiten betreffen die weitere Liberalisierung der Gasmärkte, den Ausbau des Acquis hinsichtlich der rationellen Energienutzung und das Auto-Öl-Programm.

Im Bereich der Kernenergie hat sich der Acquis vom ursprünglichen EAG-Vertrag zu einem Gefü-ge rechtlicher und politischer Instrumente, einschließlich internationaler Übereinkommen, entwi-ckelt. Diese regeln Fragen folgender Bereiche: Gesundheitsschutz, einschließlich Strahlenschutz, Sicherheit kerntechnischer Anlagen, Entsorgung radioaktiver Abfälle, Investitionen einschließlich Euratom-Finanzinstrumente, Forschungsförderung, gemeinsamer Markt für Kernmaterial, Versor-gung, Sicherheitsüberwachung und internationale Beziehungen.4

4.3 Kurzdarstellung der energiepolitischen EU-Rechtsakte

Der gemeinschaftliche Besitzstand (acquis communautaire) besteht aus dem primären Ver-tragsrecht, dem sekundären gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakten sowie Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EUGH). Nach den Gründungsverträgen von 1951 (EGKS-Vertrag), den Römischen Verträgen von 1957 (EAG-Vertrag, EWG-(EGKS-Vertrag), der Einheitli-chen EuropäisEinheitli-chen Akte (EEA) von 1986/1987 sowie den Verträgen von Maastricht (1991/

1993) und Amsterdam (1997/1999) sind die in Tabellen B-3 und B-4 aufgeführten Bestim-mungen Teil des energiepolitischen Acquis. In dem seit dem 1.5.1999 in Kraft gesetzten Ams-terdamer Vertrag fehlt ein eigenes energiepolitisches Kapitel. Energiepolitische Fragen werden im EG-Vertrag in der Fassung von Amsterdam u.a. im Rahmen der Trans - Europäischen Netze (Titel XV: Art. 154-156) sowie anderer Titel behandelt (Tabelle B-3).

Bei den gemeinschaftlichen Rechtsakten unterscheidet die EG bzw. die EU zwischen Verord-nungen, allgemeinen Entscheidungen, die sich an alle Marktbürger richten und eine allgemei-ne und unmittelbare Geltung besitzen; Richtlinien, die sich an die Mitgliedsstaaten wenden und verbindliche Ziele bei einer freien Wahl der Mittel vorschreiben; Entscheidungen, die sich an einzelne Mitgliedsstaaten wenden und konkrete Regelungen des Einzelfalls vorsehen oder alle Empfehlungen/Stellungnahmen, die eine unverbindliche Äußerung mit einer politi-schen Bindung beinhalten sowie sonstige Beschlüsse, die sich an EG-Organe wenden und meist Organisationsakte umfassen (vgl. Abb.1.3 und 1.4).5

4.4 Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft auf die Energiepolitik der MOEL

4 „Agenda 2000 - Stellungnahme der Kommission zum Antrag der Tschechischen Republik auf Beitritt zur

Euro-päischen Union“. Doc/97/17 (Brüssel: EU Kommission, 15.7.1997): bzw. im internet unter:

<http//www.europarl.eu.int/enlargement>: 95 von 167. Vgl. in einer sprachlich leicht veränderten Form in:

Dokument KOM (97) 2000endg.: „Agenda 2000. Eine stärkere und erweiterte Union“, in: Bulletin der Europä-ischen Union, Beilage 5/97: 138, bzw. im internet unter: <http//www.europarl.eu.int/enlargement>.

5 Horst Teske: Die Europäische Gemeinschaft: Legislative, Exekutive, Rechtsprechung (Bonn: Dümmlers, 1993): 57-59

Kap. 4: Der Acquis Communautaire der EU im Bereich Energiepolitik 181

Im Hinblick auf die Energiepolitik der EU erwartet die Wirkungsanalyse der Kommission zur Agenda 2000 vom 15.7.1997 von der Erweiterung keine größeren Probleme, sondern eher

„Vorteile hinsichtlich einer stabilen Energieversorgung, der Forschung und der Energieeffi-zienz im kontinentalen Maßstab.“

Diese Nutzeffekte dürften sich positiv auf Sicherheit und Frieden in der Region auswirken. Zur Modernisierung und Anpassung an den acquis der EU werden umfangreiche Investitionen notwen-dig sein, die wiederum die Nachfrage nach entsprechenden Erzeugnissen der EU-Industrie anregen werden. In manchen Ländern stellen die unzureichenden Finanzmittel jedoch einen Engpaß dar, und auch hier wird wie in anderen Bereichen die Vorbereitung in der Zeit vor dem Beitritt eine entscheidende Rolle spielen. Die Energiepolitik der EU müßte den Realitäten der erweiterten Uni-on Rechnung tragen wie beispielsweise der größeren Abhängigkeit vUni-on Rußland oder den wirt-schaftlichen und sozialen Folgen der Umstrukturierung des Bergbaus in den Beitrittsländern. Die Erreichung der energiepolitischen Ziele (z.B. Vollendung des Binnenmarktes für Energie) könnte sich in einer erweiterten Union schwieriger gestalten. Allerdings wären die Probleme für die EU und ihre Politik in verschiedenen Bereichen (u.a. Nuklearsicherheit und Umweltschutznormen) ohne die beitrittsbedingten Anstrengungen sogar noch größer. In manchen beitrittswilligen Län-dern stellt die Nuklearsicherheit ein Problem von größerer Bedeutung für die ganze Region und für ganz Europa dar, das allenthalben ernste Besorgnis weckt. Die Lösung dieses Problems in Über-einstimmung mit dem acquis der Gemeinschaft und durch Förderung einer “Nuklearsicher-heitskultur” ist eine höchst wichtige und dringende Aufgabe.6

Aus der Sicht der Kommission werden in den Energiesektoren der EU-Beitrittskandidaten:

sehr umfangreiche Investitionen für die Netzentwicklung, die Erhöhung der nuklearen Sicherheit (durch Verbesserung bestehender bzw. den Bau von Ersatzkernanlagen), die Entsorgung von Nuk-learabfällen, die Verbesserung der Energieeffizienz und die Umsetzung von Umweltnormen (ein-schließlich der Anpassung von Raffinerien, Kernkraftwerken und dem Kohlesektor), den Aufbau von Erdöl-Sicherheitsreserven und Erdgaslagern, die Umstrukturierung des Strom- und Gassektors sowie die Bewältigung der sozialen und regionalen Auswirkungen der Schließung von Kohle-, Schiefer- und Uranminen erforderlich sein.

Der Großteil der Investitionen muß aus privaten sowie aus nationalen und anderen internationalen öffentlichen Mitteln bestritten werden. Daher die große Bedeutung investitionsfreundlicher politi-scher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen in den beitrittswilligen Ländern. Allerdings wird auch die EU sowohl vor wie auch nach dem Beitritt einen Beitrag leisten müssen. Investitionen in den Beitrittsländern werden die Nachfrage in den energieverbundenen Wirtschaftszweigen der Gemeinschaft erhöhen.

Sollten hierfür ausreichende Mittel nicht verfügbar sein, könnte dies aus der Sicht der Europä-ischen Kommission dazu führen,

daß manche Beitrittsländer die Normen bezüglich der effizienten Energienutzung (z.B. Vorschrif-ten über den Mindestwirkungsgrad, Kennzeichnung von GeräVorschrif-ten) und der Umweltverträglichkeit (Kraftstoffqualitätsnormen) nicht rechtzeitig einführen können, so daß das normale Funktionieren des Binnenmarkts nach dem Beitritt gestört würde. Auch die Erfüllung der Anforderungen in be-zug auf die Ölvorräte, die aufgrund ihres direkten Bebe-zugs zum Grundsatz der EU-Solidarität im Krisenfall von großer Bedeutung sind, könnte sich hierdurch verzögern. Die Umstrukturierung des Festbrennstoffsektors in vielen Ländern könnte Probleme im Zusammenhang mit staatlichen Bei-hilfen aufwerfen. Weitere Probleme für die Energiepolitik der EU könnten sich schließlich daraus ergeben, daß den Beitrittsländern angemessene Systeme für die Erhebung von Energiedaten fehlen.

6 Vgl. Dokument KOM (97) 2000endg.: „Agenda 2000. Eine stärkere und erweiterte Union“, in: Bulletin der Europäischen Union, Beilage 5/97: 107-108, bzw. im internet unter: <http//www.europarl.eu.int/enlargement>.

H. G. Brauch: Osterweiterung der Europäischen Union - Energie- und Umweltpolitik der Tschechischen Republik 182

Bei der nuklearen Sicherheit sah der Kommissionsbericht in einigen Beitrittsstaaten die Not-wendigkeit zu Gegenmaßnahmen, die umgehend und wirksam in Angriff genommen werden sollten:

Es ist unerläßlich, daß diese Probleme entsprechend dem acquis im Bereich der Kernenergie und der "Kultur der nuklearen Sicherheit" in der westlichen Welt sobald wie möglich und bereits vor dem Beitritt - erforderlichenfalls auch durch Schließung von Kernanlagen - gelöst werden. Die Öf-fentlichkeit dürfte infolge einiger Probleme mit Kernkraftwerken in den Beitrittsländern für Fragen der nuklearen Sicherheit immer sensibler werden, was die Entwicklung der Gemeinschaftspolitik in diesem Bereich maßgeblich beeinflussen könnte.

Die Entscheidungen der tschechischen Regierung das Kernkraftwerk Dukovany weiter zu betreiben und das Kernkraftwerk Temelin im Jahr 2000 in Betrieb zu nehmen, löste vor allem in Österreich Kritik aus und die Regierung kündigte einen Beschluß an, daß es keinen EU-Beitritt von Staaten mit unsicheren Kernkraftwerken geben werde.7

7 „Umstrittene Bekenntnis Prags zur Kernkraft“, in: Neue Zürcher Zeitung, 3.6.1999: 3; „Streit zwischen Wien, Prag und Preßburg über Kernkraftwerke wird schärfer. Österreich will Atompolitik zum Kriterium der EU-Aufnahme machen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.6.1999: 6.

Im Dokument der Tschechischen Republik (Seite 179-183)