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Bewertung des Antrags der Tschechischen Republik durch die Europä- Europä-ische Kommission

Im Dokument der Tschechischen Republik (Seite 96-100)

Politischer Kontext:

2 EU-Osterweiterung mit der Tschechischen Republik

2.2 Bewertung des Antrags der Tschechischen Republik durch die Europä- Europä-ische Kommission

Am 15.7.1997 legte die Europäische Kommission ihre Bewertung des Beitrittsantrags der Tschechischen Republik auf Grundlage der in Kopenhagen (1993) angenommenen politischen und wirtschaftlichen Kriterien sowie der Fähigkeit zur Übernahme und Durchsetzung des ge-meinschaftlichen Besitzstandes (acquis communautaire) vor. Die von der Kommission ange-wandte Methode

bestand in einer mittelfristig vorausschauenden Analyse der Situation jedes Beitrittskandidaten, die erreichte Fortschritte und bereits eingeleitete Reformen berücksichtigt. Hinsichtlich der politi-schen Voraussetzungen hat die Kommission eine Bewertung der aktuellen Situation vorgenom-men, die über eine beschreibende Darstellung von Institutionen hinausgeht, um das Funktionieren von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Praxis einzuschätzen.12

11 Doc 97/17, 15.7.1997: 10.

12 Doc/97/8, 15.7.1997: 39.

Kap. 2: EU-Osterweiterung mit der Tschechischen Republik 97

Abbildung 2.3: Karte der Tschechischen Republik mit Verwaltungsbezirken

Quelle: Jiøí Burgerstein: Tschechien (München: C.H. Beck, 1998): 233.

Anmerkung: Seit der Gründung der Tschechischen Republik wurden die früheren administrativen Ein-heiten nicht mehr benutzt. Nur einige Ministerien unterhalten Zweigstellen in den Zent-ren der früheZent-ren Regionen. In administrativer Hinsicht ist die Tschechische Republik in Distrikte bzw. Landkreise eingeteilt (vgl. Tabelle 2.4).

Die Einhaltung der politischen Kriterien wurde von der Europäischen Kommission im Juli 1997 positiv bewertet:

Die Tschechische Republik besitzt die Merkmale einer Demokratie mit stabilen Institutionen, die die rechtsstaatliche Ordnung, die Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minder-heiten garantieren.13

13 Vgl. den vollen Wortlaut in: Dokument 1 im Anhang A; Doc/97/8, 15.7.1997: 40.

H. G. Brauch: Osterweiterung der Europäischen Union - Energie- und Umweltpolitik der Tschechischen Republik 98

Abbildung 2.4: Karte der Tschechischen Republik mit Distrikten

Quelle: The Ministry of the Environment of the Czech Republic, Czech Statistical Office: Statistical Environmental Yearbook of the Czech Republic (Praha: The Czech Environment Institute, 1998): 493; The Czech Environmental Institute, The Ministry of the Environment: Environ-mental Yearbook of the Czech Republic 1993-94 (Praha: The Czech Environment Institute, 1994): 241.

Die wirtschaftliche Entwicklung Tschechiens sah die Kommission im Juli 1997 ebenfalls durchweg positiv: Das Wirtschaftswachstum sei seit 1994 wieder angestiegen (1996: 4%).

Aber trotz der straffen Fiskalpolitik nahmen 1996 die Defizite in der Handels- und Leistungs-bilanz zu. Die Inflation sei 1996 auf 8,8% gesunken. Das BIP pro Kopf entsprach aber erst 55 % des EU-Durchschnitts. Beim Außenhandel sei der Anteil der EU von 27 % (1989) auf 55 % (1996) gestiegen. Die Fähigkeit Tschechiens zur Einhaltung der wirtschaftlichen Krite-rien schätzte die Kommission folgendermaßen ein:

Die Tschechische Republik kann als eine funktionierende Marktwirtschaft angesehen werden.

Marktmechanismen sind weitgehend effektiv, und die Rolle des Staates in der Wirtschaft hat sich vollständig gewandelt. Bei der Stabilisierung der Wirtschaft sind substantielle Erfolge erzielt wor-den. ... Jedoch hat das jüngste Auftreten makro-ökonomischer Ungleichgewichte gezeigt, daß in den nächsten Jahren weitere Fortschritte gemacht werden müssen, insbesondere bei der Stärkung der Unternehmensaufsicht und des Finanzsystems. Die Tschechische Republik dürfte in der Lage sein, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften in der Union mittelfristig standzuhalten, vor-ausgesetzt daß der Wandel auf Ebene der Unternehmen beschleunigt wird.14

Die Fähigkeit der Tschechischen Republik zur Übernahme des acquis beurteilte die Kommis-sion so:

Die Tschechische Republik hat bereits bedeutende Teile der Bestimmungen des Europa-Ab-kommens in Übereinstimmung mit dem darin vorgesehenen Zeitplan übernommen. Wenige ernste Probleme sind aufgetreten, obwohl die Einführung einer Einfuhr-Kautionspflicht im April 1997 nicht dem Abkommen entsprach. Die Rate der Übertragung der im Weißbuch vorgesehenen

14 Vgl. den vollen Wortlaut in: Dokument 1 im Anhang A; Doc/97/8, 15.7.1997: 40-41.

Kap. 2: EU-Osterweiterung mit der Tschechischen Republik 99

ordnungen und Richtlinien ist zufriedenstellend, obgleich noch beträchtliche gesetzgeberische Ar-beit zu tun bleibt.

Für die meisten binnenmarktspezifischen Bereiche sind die gesetzlichen Grundlagen mehr oder weniger geschaffen. ... Ungeachtet der bisherigen Anstrengungen muß der tatsächliche Fortschritt, der bei der Übertragung von Rechtsakten festzustellen ist, noch von konkreten Umsetzungsmaß-nahmen sowie von der Schaffung einer wirksamen Verwaltungsstruktur begleitet werden. Insge-samt ist die Verwaltungsinfrastruktur entweder bereits vorhanden oder kürzlich eingerichtet wor-den und arbeitet normal. Doch weitere substantielle Anstrengungen sind erforderlich.

Was die übrigen Teile des acquis betrifft, so dürfte die Tschechische Republik keinen besonderen Schwierigkeiten begegnen, den acquis vom Augenblick des Beitritts an in folgenden Bereichen an-zuwenden: allgemeine und berufliche Bildung und Jugend, Forschung und technologische Ent-wicklung, Telekommunikation, Statistik, Verbraucherschutz, kleine und mittlere Unternehmen, Handel und internationale Wirtschaftsbeziehungen sowie Entwicklung.

Andererseits wird die Tschechische Republik noch substantielle Fortschritte machen müssen, um fähig zu werden, den acquis in den Bereichen audiovisuelle Medien und Zoll (obwohl auf diesem Gebiet Anstrengungen unternommen werden) anzuwenden. Werden die vergangenen und derzei-tigen Anstrengungen zur Umstrukturierung und Modernisierung fortgeführt und verstärkt, dann dürften die meisten Sektoren der tschechischen Industrie mittelfristig keine größeren Probleme bei der Integration in den Binnenmarkt haben.

Im Umweltbereich werden sehr substantielle Anstrengungen erforderlich sein, einschließlich mas-siver Investitionen und der Stärkung der Fähigkeit der Verwaltung zur Rechtsdurchsetzung. Eine teilweise Anpassung an den acquis könnte mittelfristig erreicht werden, die volle Anpassung nur langfristig. Im Verkehrssektor hat die Tschechische Republik bereits bemerkenswerte Fortschritte bei der Anpassung des acquis gemacht. Im Straßengüterverkehr müssen die Anstrengungen fortge-setzt werden. Die Anpassung an den binnenmarkbezogenen acquis sollte jedoch keine wirklichen Probleme bereiten. Investitionen werden erforderlich sein zur Ausdehnung der TEN, damit so das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts gewährleistet ist. ...

Im Energiebereich hat die Tschechische Republik ein substantielles Kernkraftprogramm, das er-weitert werden soll. Das Modernisierungsprogramm zur Anpassung der Kernkraftwerke in Duko-vany und Temelin an international akzeptierte Sicherheitsnormen muß in 7 bis 10 Jahren abge-schlossen sein. Die Tschechische Republik dürfte in der Lage sein, den übrigen acquis mittelfristig zu übernehmen, soweit in den Bereichen Energiepreise, staatliche Intervention bei Festbrennstof-fen und Netzzugang weitere Schritte unternommen werden. ...

Die Teilnahme der Tschechischen Republik an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungs-union, die die Koordination der Wirtschaftspolitiken und die vollständige Liberalisierung des Ka-pitalverkehrs einschließt, sollte mittelfristig kein Problem darstellen. ...

Die Tschechische Republik dürfte in der Lage sein, ihre Verpflichtungen im Hinblick auf die Ge-meinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu erfüllen. ... Alle ihre Staatsgrenzen sind durch Verträ-ge Verträ-gereVerträ-gelt. In ihren BeziehunVerträ-gen zur Slowakei bleiben einiVerträ-ge kleinere FraVerträ-gen.15

Im Bereich der Justiz und der Verwaltung sah die Kommission noch einen großen Reform-bedarf, um ”mittelfristig über die für die wesentliche Aufgabe der Anwendung und Durchset-zung des acquis erforderlichen Verwaltungsstrukturen” zu verfügen. Zusammenfassend ergab sich für die Europäische Kommission, daß

die Tschechische Republik über die Merkmale einer Demokratie mit stabilen Institutionen ver-fügt, die die rechtsstaatliche Ordnung, die Menschenrechte und die Achtung von Minderheiten und ihren Schutz gewährleisten;

15 Vgl. den vollen Wortlaut in: Dokument 1 im Anhang A; Doc/97/8, 15.7.1997: 41-43.

H. G. Brauch: Osterweiterung der Europäischen Union - Energie- und Umweltpolitik der Tschechischen Republik 100

die Tschechische Republik als eine funktionierende Marktwirtschaft angesehen werden kann und fähig sein dürfte, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union mittelfristig standzuhalten;

die Tschechische Republik fähig sein dürfte, mittelfristig den acquis voll anzuwenden, wenn sie ihre Anstrengungen zur Übernahme des binnenmarktbezogenen acquis fortsetzt und verstärkt an seiner Umsetzung arbeitet. ... Besondere Bemühungen einschließlich Investitionen werden zur Angleichung an den acquis in den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt und Energie notwendig sein. Weitere Verwaltungsreformen werden unerläßlich sein, wenn die Tschechische Republik die Strukturen zur vollen Anwendung und Durchsetzung des acquis erhalten soll (Doc/97/8, 15.7.1997: 43).16

Gestützt auf diese insgesamt positive Gesamtbewertung empfahl die Kommission die Aufnah-me von Beitrittsverhandlungen mit der Tschechischen Republik.

Im Dokument der Tschechischen Republik (Seite 96-100)