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3 Theoretischer Rahmen zur Analyse institutionellen Wandels

3.2 Institutionellen Wandel konzeptualisieren

3.2.2 Ergebnisse des Wandels

In diesem Abschnitt sollen primär im Neoinstitutionalismus entwickelten Kon-zepte, welche die Ergebnisse von Wandel beschreiben, dargestellt werden. Dabei liegt einerseits der Fokus auf dem Ausmaß des Wandels. Hier geht es primär um die Beschreibung der Entwicklungen innerhalb von Analyseeinheiten – in dieser Arbeit um das nationale Bildungssystem. Andererseits werden die Ergebnisse des Wandels einer Analyseeinheit in Relation zur Entwicklung in anderen Analyseein-heiten oder zu einem globalen Modell beschrieben.

Ausmaß des Wandels

Verschiedene Autoren (vgl. Campbell 2004; Greenwood/Hinings 1996; Scott 2008) unterscheiden dabei das Ausmaß von Wandel in zwei größere Kategorien: So kann er eher inkrementell und evolutionär sein und eine geringfügige Anpassung oder Veränderung der Institutionen bedürfen, aber er kann auch revolutionär sein. So wird auch von first order und second order changes gesprochen (Meyer et al.

1990). Veränderungen erster Ordnung sind inkrementelle Anpassungen, welche reversibel sind und keine Transformation der Kernprinzipen, Regeln, Werte und Normen beinhalten. Es akkumulieren sich hier lediglich kleinere Veränderungen im Laufe der Zeit, so dass „todays institutional arrangements differ but still re-semble those of yesterday“ (Campbell 2004: 65).

Veränderungen zweiter Ordnung oder diskontinuierlicher Wandel dagegen sind radikale Veränderungen der Kernprinzipien, Werte und Regeln. Sie sind

ir-reversibel und umfassen somit einen Wechsel der zugrunde liegenden institutio-nellen Logik, den verwendeten „Mustern des Organisierens“ (vgl. Walgen-bach/Meyer 2008, 88), sowie in der Strukturierung des Feldes (Greenwood/Hinings 1996).24 Dabei betont u.a. North (1994), dass der meiste Wandel inkrementell auftritt.

The reason is that the economies of scope, the complementarities, and the network externalities that arise from a given institutional matrix of formal rules, informal con-straints, and enforcement characteristics will typically bias costs and benefits in favor of choices consistent with the existing framework. The larger the number of rule changes, ceterus paribus the greater the number of losers and hence opposition.

(North 1994: 6)

Insofern ist nach North (1994) auch die Richtung, in die sich der meiste Wandel vollzieht, meist pfadabhängig. Diese Einteilung von evolutionärem und revolu-tionärem Wandel soll dabei mehr als Analysemuster dienen, denn als nominale Einteilung, da das Ausmaß institutionellen Wandels eher auf dem Kontinuum zwischen geringer Anpassung und revolutionären Veränderungen liegen wird (vgl. Campbell 2004). Zudem konnte Thelen (2004) zeigen, dass auch inkremen-teller Wandel zu großen Veränderungen von Institutionen führen kann.

Ebbinghaus (2005: 17) unterscheidet drei analytische Szenarien institutionel-len Wandels im Rahmen des dynamischen Pfadabhängigkeits-Konzepts: Die Sta-bilisierung des Pfads (path stabilization): Es kommt nur zu einer geringen Adaption zu den Umweltbedingungen, ohne dass sich die Kernprinzipien wandeln. Das Abweichen vom Pfad (path departure): Hier kommt es zu einer stärkeren Anpas-sung der Institution mit partieller Erneuerung von institutionellen Arrangements und einer begrenztem Neuausrichtung der Kernprinzipien. Die Beendigung eines Pfads und/oder der Wechsel zu einem neuem Pfad (path cessation or switching): Hier kommt es zu einem Eingriff, welcher das Ende einer sich selbstverstärkenden Institution herbeiführt und damit Platz für die Entstehung einer neuen Institution mit neuen Kernprinzipien machen kann.

Diese analytische Unterscheidung ermöglicht es, die verschiedenen Formen von Wandel und Stabilität zu untersuchen. In der vorliegenden Arbeit wäre dem-nach zu untersuchen, inwiefern die Reformprozesse, ausgelöst einerseits durch die verstärkte europäische Zusammenarbeit im Rahmen von Bologna und Ko-penhagen, aber auch durch nationale Faktoren, zu einer Stabilisierung vorhande-ner Durchlässigkeitsinstitutionen führen, zu eivorhande-ner Veränderung oder zur Entste-hung neuer.

24 In der Policy Analyse wird in Anlehnung an Hall (1993) unterschieden in Wandel erster Ordnung (first order change): Dieser ist verbunden mit dem veränderten Einsatz der verfügbaren Instrumente bzw. deren Weiterentwicklung. Dem Wandel zweiter Ordnung (second order change) der Veränderung des Sets der politischen Instrumente und dem Wandel dritter Ordnung (third order change): Veränderung der politischen Ziele. Eine solche Veränderung der Politikziele begründet nach Hall einen Paradigmenwechsel (vgl. Hall 1993: 273-279).

Frage der Konvergenz

Wie bereits im Abschnitt zu den exogenen Faktoren von Wandel dargestellt, wird eine mögliche Konsequenz von internationalen Diffusionsprozessen in der Ent-stehung von Isomorphie innerhalb eines Organisationsfeldes gesehen. Theore-tisch ist Isomorphie vor allem auf die sich immer ähnlicher werdenden Organisa-tionsstrukturen von Organisationen in einem Feld bezogen (DiMaggio/Powell 1983). Ein ähnliches Konzept, welches allerdings weniger explizit Organisations-strukturen fokussiert, sondern generell Ähnlichkeit von Strukturen zwischen Ana-lyseeinheiten, ist das der Konvergenz (vgl. Holzinger/Knill 2005). Oft wird es im Zusammenhang mit dem Transfer oder der Diffusion von Politiken oder generell Institutionen verwendet (vgl. z.B Bennett 1991; do Amaral 2011;

Holzinger/Knill 2005; Jakobi/Teltemann 2011; Steiner-Khamsi 2012). Dabei wird Konvergenz entweder als Angleichung von Strukturen zwischen einzelnen Analyseeinheiten, meist OECD Ländern, oder im Hinblick auf externe Modelle untersucht. Konvergenzanalysen sind besonders häufig in der Politikwissen-schaft, wobei in den Analysen vor allem die Politiken, d.h. die regulative Ebene, im Blickpunkt stehen, weniger die Konvergenz von Ideen, Vorstellungen, der kul-turell-kognitiven Ebene.

Insbesondere in quantitativen Analysen werden verschiedene Formen von Konvergenz unterschieden (Holzinger et al. 2007). Für vorliegende Arbeit sind lediglich die Konzepte der Sigma- und Delta-Konvergenz von Belang, auch wenn die Analyse qualitativer Natur sein wird und nicht auf Berechnungen beruht. Sie stehen aber als Konzepte Pate für zwei zentrale Forschungsfragen der vorliegen-den Arbeit.

Erstens geht es um die Frage, welchen Einfluss die europäischen Bildungs-prozesse auf die Entwicklung der nationalen Durchlässigkeitsstrukturen in Deutschland und Frankreich haben. Hier steht im Zentrum der Analyse, ob es zu einer Annäherung der nationalen Strukturen an europäische Vorgaben gekom-men ist. Analytisch handelt es sich bei dieser Frage um die Analyse der Delta-Konvergenz – d.h. die Frage nach der Annäherung an ein Referenzmodell (ebd.), wobei ein Hinweis der Entwicklung in Richtung Delta-Konvergenz nicht gleich-gesetzt werden kann mit dem Beweis des Einflusses europäischer Prozesse. Es könnten auch endogene Faktoren zu einer Entwicklung in Richtung des Refe-renzmodells geführt haben. Aus diesem Grund kann die Delta-Konvergenz nur ein wichtiger Anhaltspunkt zur Beantwortung der Frage nach dem Einfluss sein.

Zweitens soll in dieser Arbeit untersucht werden, inwiefern sich die institu-tionellen Durchlässigkeitsstrukturen zwischen Frankreich und Deutschland ange-nähert haben. Bei dieser Frage dreht es sich um die Sigma-Konvergenz, d.h. um die Angleichung von zwei unterschiedlichen Analyseeinheiten innerhalb eines be-stimmten Zeitraums (ebd.). Entsprechend dem Konzept von Isomorphie und der Annahme, dass sich die Organisationsfelder durch die europäischen Bildungspro-zesse vergrößert haben, wäre anzunehmen, dass eine mögliche Konvergenz auf

europäische Diffusionsprozesse zurückzuführen ist, da ein Anpassen an das eu-ropäische Modell als legitim angesehen wird. Herauszufinden wäre demnach, in-wiefern sich die Anforderungen der Legitimität an das deutsche und französische Hochschul- und Berufsbildungssystem durch Europäisierungsprozesse analog ändern und welchen Einfluss dies auf Durchlässigkeit zwischen Berufs- und Hochschulbildung hat. Tatsächlich ist es aber auch möglich, dass es zu einer grö-ßeren Delta-Konvergenz, also einer Annäherung an ein europäisches Referenz-modell in beiden Ländern gekommen ist, ohne dass sich die Strukturen zwischen den Ländern deutlich ähneln25.

Gründe für eine fehlende Konvergenz werden meist in nationalen Strukturen gesehen. Das Konzept der Translation akzentuiert z.B., dass Organisationsfor-men und Praktiken, wenn sie aus einem Kontext in einen anderen übertragen werden bzw. diffundieren (z.B. über Europäisierungsprozesse), erst übersetzt werden müssen, was stets eine Veränderung des Übertragenen mitbringt. Diese Übersetzungsleistung wird deshalb notwendig, da der Zielkontext nicht mit dem Empfangskontext identisch ist. Veränderungen finden dabei in zwei Richtungen statt – zum einen werden die Praktiken bzw. Organisationsformen geändert zum anderen aber auch das aufnehmende Bedeutungs- und Handlungssystem. Becker-Ritterspach (2006) nennt diesen Prozess dialektische Transformation. Das Kon-zept der Translation begrenzt das KonKon-zept der Isomorphie dahingehend, dass gemäß diesem Konzept keine eins zu eins Übertragungen stattfinden können und es daher kaum zu einer perfekten Isomorphie kommen kann (vgl.

Senge/Hellmann 2006).

Schließlich wird mit der Einbeziehung von Pfadabhängigkeit theoretisch dem Konzept von Isomorphie ein Konzept entgegengesetzt, welches viel stärker die jeweilige historische Einbettung betont und eher national differente Entwicklun-gen annehmen würde. Die Einbettung der Bildungssysteme in institutionell ge-wachsene Strukturen verhindert eine gleichförmige Veränderung der institutio-nellen Settings in den Ländern. Europäisierung führt dann zu national spezifi-schen Antworten auf Reformimpulse, die nicht zu einer starken Angleichung zwi-schen den Ländern führen muss.

Beide Perspektiven, die der Pfadabhängigkeit und der Isomorphie bzw. Kon-vergenz sind für die Frage nach der Veränderung der nationalen Durchlässigkeits-strukturen von Bedeutung, da der soziologische Institutionalismus vor allem Makrolevel-Analysen mit dem Fokus auf kulturell-kognitive Aspekte und Nor-men im ZusamNor-menhang mit dem Einfluss internationalen Organisationen, Staa-ten und Verbänden in den Vordergrund rückt. Der Fokus vom historischen In-stitutionalismus ruht dagegen viel stärker auf der regulativen, der Governance-Ebene – auf Regime-, Staats- oder Industrieebene (Scott 2008: 88-90). Die vor-liegende Arbeit verbindet diese Ebenen, da analysiert werden soll, wie von supra-nationaler Ebene kommende Transformationsimpulse sich auf die Entwicklung 25 Auch umgekehrt kann eine Zunahme an Delta-Konvergenz möglich sein ohne eine nationale

Zunahme an Sigma-Konvergenz.

der Organisationsfelder Berufsbildung und Hochschule auswirken, ohne endo-gene nationalstaatliche Transformationskräfte zu vernachlässigen. (Powell/Solga 2008).

3.3 Gründe für die Verbindung einer diskursanalytischen