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1.2 Telematische und telemedizinische Technologien in der

1.2.1 Automatische Notrufsysteme

1.2.1.2 eMERGE-Rahmenarchitektur

Im Rahmen der Initiative der Europäischen Union eSafety wurde für die Umsetzung des Aktionsprogramms eCall zur europaweiten Einführung automatischer Notrufsys-teme das Projekt eMerge ins Leben gerufen.17 Die Ziele des Projektes waren die Spezi-fikation und Harmonisierung der technischen und operativen Anforderungen für die Einführung einer europaweiten automatischen Unfallmeldung sowie die Validierung des entwickelten Konzeptes. Unter Berücksichtigung der bestehenden Strukturen in Europa wurde eine Rahmenarchitektur entwickelt, die die erforderliche Infrastruktur, die Kom-munikationswege und -schnittstellen sowie Übertragungsprotokolle umfasst. Abbil-dung 6 stellt die vorgesehene Architektur und den Kommunikationsablauf zwischen den Elementen des Systems dar. Die Architektur unterscheidet sich im Aufbau grundsätz-lich von den derzeit im Betrieb befindgrundsätz-lichen Systemen.

16STORM-Projekt, Feldversuch zum Einsatz von Telematik im Verkehr.

17eMERGE, Projekt der European Commission DG Information Society, Laufzeit 2002 bis Ende 2004.

Abb. 6. eMERGE-Rahmenarchitektur

Die Unfallmeldung wird von einem Modul (In Vehicle System, IVS) ausgelöst, das im Fahrzeug integriert ist und ausgewählte Fahrzeugsensoren überwacht sowie die Posi-tionsdaten des GPS-Navigationssystems auslesen kann. Die Auslösung des Systems kann über eine manuelle Aktivierung (Notfallknopf) oder über die Aktivierung von Fahrzeugsensoren infolge eines Unfalls erfolgen. Bei Auslösung des Systems wird vom IVS zunächst ein Sprachkanal mittels GSM/GPRS/UMTS-Technologie über E11218 zum regionalen PSAP (Public Safety Access Point)19 eröffnet und darüber ein minima-ler Datensatz (Minimum Set of Data, MSD)20 übermittelt (1). Der Empfang des mini-malen Datensatzes wird vom PSAP dem IVS bestätigt. Anschließend wird über den geöffneten Sprachkanal eine Sprachkommunikationsverbindung zum

Fahrzeuginnen-18Von der Coordination Group to Location Information for Emergency Services (CEGALIS) wurde eine Spezifikation für die europaweite Umsetzung einer einheitlichen Notrufnummer mit der Lokalisierung des Anrufers (Festnetzt und Mobilfunk) entwickelt. Die Spezifikation wurde als Derective von der EU veröffentlicht (2002/21/EC und 2003/558/EC). In den Mit-gliedsstaaten wird aktuell an der Umsetzung gearbeitet.

19PSAP (Public Safety Access Point) entspricht in Deutschland der Rettungsleitstelle.

20Der minimale Datensatz enthält folgende Informationen: GPS-Position, Fahrtrichtung, auslö-sender Sensor, Fahrzeugmarke und -farbe, Uhrzeit des Unfalls, Service Provider-ID, Service Provider Telefonnummer, Länder-ID und User-ID.

Public Safety

Ausgangslage und Stand der Forschung 33

raum hergestellt (2). Der Mobilfunkprovider überträgt bei einem Notruf auf dem Sprachkanal zusätzlich die Telefonnummer des Anrufers (Caller Line Identification, CLI), identifiziert die Position21 des Mobilfunktelefons, legt diese in einer Positionsda-tenbank (Location Database) ab (3) und überträgt sie (Push-Variante) über ein spezielles Protokoll (mobile location protocol E112) an den PSAP (4). Alternativ kann der PSAP über die Nummer des Anrufers (CLI) die Positionsdaten aus der Positionsdatenbank des Providers auslesen (Pull-Variante).22 Bei der automatischen Unfallmeldung dient dies nur der Verifikation der Positionsdaten, da im minimalen Datensatz bereits die GPS-Koordinaten des Fahrzeuges enthalten sind, die eine genauere Positionsbestimmung ermöglichen.

Ist der Nutzer des Fahrzeuges bei einem privaten Service Provider (SP) registriert, sendet das IVS parallel einen erweiterten Datensatz (Full Set of Data, FSD) über den Mobilfunkprovider an den SP (5). Der FSD kann u.a. folgende Daten enthalten: CLI, Daten des MSD sowie weitere Daten der Fahrzeugsensorik. Zur Übertragung des MSD und des FSD wird die Nutzung des Übertragungsprotokolls Global Telematic Protocol (GTP) vorgeschlagen. Der Empfang des FSD wird vom SP dem IVS bestätigt. Der SP wertet den FSD aus und stellt die Ergebnisse, gemeinsam mit zusätzlichen Daten (Cus-tomer Data und Emergency Cus(Cus-tomer Data) über den Nutzer des Fahrzeuges (z.B.

Name und Adresse sowie notfallrelevante Personendaten) dem PSAP in einer Daten-bank zur Verfügung. Der PSAP kann diese Daten über die CLI aus der DatenDaten-bank ausle-sen und für die Dispositionausle-sentscheidung nutzen (6). Die Übertragung der Daten erfolgt über eine sichere Internetverbindung. Für den Fall, dass der Disponent im PSAP nicht die Sprache des Fahrzeuginsassen spricht, kann er über die Telefonnummer des SP im MSD eine Telefonkonferenz mit dem SP einleiten.

In einigen EU-Staaten ist das Rettungsleitstellensystem zweistufig aufgebaut. In die-sen Systemen wird der Notruf zunächst von einem zentralen PSAP 1 (PSAP Level 1) entgegengenommen und es werden die Daten des Anrufers abgefragt. Aufgrund dieser Informationen wird entschieden, welcher Notrufservice (z.B. Polizei, Feuerwehr, Ret-tungsdienst) für die weitere Bearbeitung zuständig ist. Der PSAP 1 leitet anschließend die Daten bzw. den Anruf an den zuständigen PSAP 2 (PSAP Level 2) weiter, der die Disposition der Rettungskräfte vornimmt. In Deutschland werden aktuell die noch bestehenden zweistufigen Systemen durch die Einführung von integrierten Leitstellen in einstufige Systeme umgewandelt. In integrierten Leitstellen läuft der Anrufer unter

21Für die Positionsbestimmung wird i.d.R. die Triangulation eingesetzt.

22In unterschiedlichen Ländern werden Push- oder Pull-Technologien eingesetzt. Die Spezifi-kation des Protokolls (mobil location protocol) wurde von der ESTI-EMTEL (European Tele-communications Standards Institute - Operational Coordination Group on Emergency Telecommunications) festgelegt.

der 112 direkt in der regional zuständigen Leitstelle auf, die die Disposition der Ret-tungskräfte vornimmt.

Zur Validierung des Konzeptes wurden in mehreren Testgebieten23 die Strukturen und Anpassungserfordernisse der PSAP untersucht und technische Feldtests durchge-führt. Aufgrund von Schätzungen in den einzelnen Testgebieten wird bei einer europa-weiten Einführung des Systems eine Reduktion der Getöteten im Straßenverkehr in Höhe von 5% und eine deutliche Verbesserung des Outcomes bei 10% der Schwerver-letzten für möglich gehalten. Der volkswirtschaftliche Nutzen wird auf 3 bis 5 Mrd.

Euro jährlich und die Investitionskosten für die Einführung des Systems werden auf ins-gesamt 20 Mrd. Euro geschätzt [eMERGE2003]. Ein EU-Folgeprojekt GST RESCUE wurde im Jahr 2004 gestartet [GST2005].

1.2.1.3 Ansätze zur Prognose der Verletzungsintensität und Unterstützung