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1.1 Einflussfaktoren auf das Outcome in der präklinischen Notfallversorgung

1.1.3 Einflussfaktor: Art des Rettungsmittels

Neben der Länge der Zeit vom Unfall bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes und der Qualität der Versorgung der Unfallopfer durch zufällig anwesende Laien stellen die Art und Anzahl der primär disponierten Rettungsmittel und damit die Qualität der pri-mären Versorgung durch den Rettungsdienst weitere Einflussfaktoren auf das Outcome bzw. die Überlebenswahrscheinlichkeit dar.11 Über die Art der Rettungsmittel für die primäre Versorgung wird in der Rettungsleitstelle auf der Grundlage des Meldebildes von der Unfallstelle entschieden.

11Die Art der Rettungsmittel bezieht sich insbesondere auf die Qualifikation des Personals (Notarzt versus Rettungssanitäter/ -assistenten) und auf die technische Ausstattung. Bei einer zu geringen Anzahl der Rettungsmittel im Verhältnis zur Anzahl der verletzten Personen sinkt auch die Qualität der Versorgung bei gegebener Art des Rettungsmittels.

Ausgangslage und Stand der Forschung 27

1.1.3.1 Dispositionsentscheidung in der Rettungsleitstelle

Eine wesentliche Aufgabe der Rettungsleitstelle ist es, die Rettungsmittel in adäqua-ter Qualität und Quantität zu disponieren. In der Leitstelle muss von einem Disponenten die Entscheidung über die Anzahl und die technische Ausstattung der Rettungsmittel (z.B. für Bergungsmaßnahmen) sowie über die Indikation eines Notarzteinsatzes getrof-fen werden. Nachdispositionen führen zu einer Verlängerung des therapiefreien Inter-valls, womit sich die Wahrscheinlichkeit eines schlechteren Outcomes erhöht. Die nicht-indizierte Disposition eines Notarztes führt aufgrund der höheren personellen und materiellen Anforderungen kurzfristig zu einer höheren Belastung der verfügbaren Res-sourcen und langfristig zu steigenden Kosten für den Rettungsdienst. Dementsprechend ist eine Abwägung zwischen dem Nutzen und den Kosten eines Notarzteinsatzes erfor-derlich. Der gleiche Zusammenhang gilt für die Anzahl und die technische Ausstattung der Rettungsmittel.

Die Dispositionsentscheidung wird in der Rettungsleitstelle auf der Grundlage der telefonisch im Gespräch mit dem Melder abgefragten Informationen getroffen. Der Dis-ponent muss sich in kurzer Zeit ein Bild von der Unfallstelle machen, die Anzahl und vitale Gefährdung der verunglückten Personen erkennen und daraus u.a. die Notwen-digkeit eines Notarzteinsatzes beurteilen.12 Zur Evaluation der Qualität der Disposition-sentscheidungen wurden von Lenz et al. im Großraum Mainz und von Koppenberg et al. im Raum Würzburg retrospektive Untersuchungen durchgeführt [Lenz2000, Koppenberg1997, Sefrin1998A]. Koppenberg et al. kamen zu dem Ergebnis, dass aus den Gesprächen mit den Unfallmeldern in vielen Fällen nur unvollständige Informatio-nen über Bewusstseinszustand, Atmung, Kreislauf und Art der Verletzungen gewonInformatio-nen werden können. In 26% der Verkehrsunfälle wird aus diesem Grund die Entscheidung für die Indikation eines Notarzteinsatzes unter Unsicherheit getroffen. In nur 12,5%

waren die Disponenten in der Leitstelle der Meinung, eine eindeutige Indikation für einen Notarzteinsatz erkannt zu haben. Dies führt dazu, dass 38% der Notarzteinsätze bei Straßenverkehrsunfällen nach Einschätzung der Notärzte vor Ort als nicht gerecht-fertigt bewertet wurden [Koppenberg1997]. Gleichzeitig zeigte die Auswertung von Lenz et al., dass in 5% aller Unfälle eine Unterversorgung vorlag und ein Notarzt durch den Rettungsdienst am Einsatzort nachgefordert werden musste [Lenz2000]. In einer Untersuchung von 1.298 Rettungsdiensteinsätzen ohne Notarztbeteiligung durch Puhan musste in 8,3% der Fälle ein Notarzt nachalarmiert werden [Puhan1994]. Schmiedel kam in seiner Auswertung von 11.971 Rettungsdienstprotokollen zu dem Ergebnis, dass

12Als Entscheidungshilfe für die Disposition der Rettungsmittel liegt dem Disponenten i.d.R.

ein Notarztindikationskatalog [BÄK2005] und ein Einsatzstichwortkatalog [BerlinerF2005]

vor. Der Disponent muss dem Meldebild ein oder mehrere Einsatzstichworte zuordnen.

Jedem Einsatzstichwort ist im Katalog eine Kombination von Rettungsmitteln zugeordnet.

in 6% der Fälle ohne Notarztbeteiligung ein Notarzt erforderlich gewesen wäre [Schmiedel2002]. Wird davon ausgegangen, dass in rund 32% der mit dem Rettungs-dienst versorgten Verkehrsunfälle ein Notarzteinsatz erfolgt [Schmiedel2002A, Lenz2000], können gemäß der Matrix in Abbildung 5 die Sensitivität und die Spezifität der Notarztindikationsentscheidung berechnet werden. Es ergeben sich eine Sensitivität von 77,9% und eine Spezifität von 83,7%.

Abb. 5. Treffgenauigkeit der Notarztindikationsentscheidung (Status Quo)

Zur Verbesserung der Trennschärfe - d.h. Erhöhung der Sensitivität und Spezifität der Dispositionsentscheidung - müssten der Notruf des Zeugen bezüglich des Meldein-halts verbessert und die medizinische Qualifikation des Leitstellenpersonals gesteigert werden.13 Dies ist durch eine verbesserte Ausbildung der Bevölkerung und eine zusätz-liche Schulung der Disponenten denkbar. Weitere Informationen von der Unfallstelle zur Verbesserung der Dispositionsentscheidung könnten auch durch den Einsatz telema-tischer und telemedizinischer Technologien gewonnen werden.

1.1.3.2 Einfluss des Rettungsmittels auf das Outcome

Zur Untersuchung des Einflusses der gewählten Rettungsmittel auf die Letalität nach polytraumatischen Verletzungen wurde von Biewener et al. [Biewener2005] eine evi-denzbasierte Studie zur Effektivität der Luftrettung durchgeführt. Es zeigte sich, dass die Letalität polytraumatisierter Personen bei gleichem Verletzungsschweregrad und Einsatz der Luftrettung geringer ausfällt, als bei dem Einsatz des bodengebundenen Ret-tungsdienstes. Da in den meisten Fällen kein Zeitvorteil vorlag, führten sie die Senkung

13Es ist zu beachten, dass längere Gesprächszeiten zwischen dem Zeugen und dem Disponen-ten mit dem Zweck einer detaillierte Abfrage des Meldebildes wiederum zu einer Verlänge-rung der gesamten Zeitkette führen.

Notarzt

FP/P* = 38% [Koppenberg1997]

Notarzt nachgefordert:

FN/N* = 8,3% [Puhan1994]

Notarzt-Beteiligung:

P* = 32% [Lenz2000]

Annahmen:

Sensitivität: SE = TP/P = 77,9%

Spezifität: SP = TN/N = 83,7%

Ausgangslage und Stand der Forschung 29

der Letalität, neben einer freieren Wahl der Zielklinik (z.B. Trauma-Center), auf die Ausbildungs- und Erfahrungsvorteile des Luftrettungs-Teams zurück. Sefrin [Sefrin1998B] kam in einer seiner Studien auch zu dem Ergebnis, dass eine Primärver-sorgung durch besser ausgebildetes Personal (Notarzt versus Rettungssanitäter/ -assis-tent) das Outcome positiv beeinflusst.

1.2 Telematische und telemedizinische Technologien in