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4.1 Modelle zur telematischen Prognose der Verletzungsintensität

4.1.6 Beispielhafte Bestimmung eines Arbeitspunktes für die

Um mit den dargestellten Prognosemodellen eine Dispositionsempfehlung abzulei-ten, muss ein Arbeitspunkt festgelegt werden, an dem die Klassifikation der Insassen in un- bzw. leichtverletzte und schwerverletzte Personen durchgeführt werden soll. Für die logistischen Regressionsmodelle bedeutet die Wahl eines Arbeitspunktes die Festlegung eines Klassifikationstrennwertes für die berechnete Verletzungswahrscheinlichkeit, ab dem für einen Insassen eine schwere Verletzung vorhergesagt wird (vgl. Gl. 1). Für Modelle auf Basis der Entscheidungsbauminduktion wird mit der Wahl eines Arbeits-punktes ein Entscheidungsbaum ausgewählt, der mit einem bestimmten Verhältnis für Fehlklassifikationskosten entwickelt wurde.

Die Auswahl des Arbeitspunktes kann nach unterschiedlichen Strategien erfolgen, die in Kapitel 3.1.5 beschrieben wurden. Im Folgenden wird beispielhaft der Arbeits-punkt für die Modelle mit den Eingangsvariablen dvtotal, beltuse und intrus (N7 LR und N7 CART) einerseits durch Festlegung einer Mindestsensitivität und andererseits durch Minimierung der Gesamtkosten aus volkswirtschaftlicher Perspektive bestimmt.

Zur Auswahl des Arbeitspunktes werden die ROC-Diagramme der Testmenge der NASS/CDS-Datenbank und der gesamten GIDAS-Daten (Vereiningung der Trainings-und Testmenge) genutzt (Abb. 36).

Abb. 36.Bestimmung des Arbeitspunktes der Prognosemodelle im ROC-Diagramm Testmenge NASS/CDS

Sensitivität N7 LR NASS

N7 LR GIDAS

Sensitivität N7 CART NASS

N7 CART GIDAS

Ergebnisse 133

Als Mindestsensitivität wird ein Wert von 90% festgelegt. Die Mindestsensitivität kann im ROC-Diagramm durch eine Gerade parallel zur Abszisse eingezeichnet werden (vgl. Kapitel 3.1.5). Für das logistische Regressionsmodell N7 ergeben sich im Schnitt-punkt der Geraden mit der ROC-Kurve (NASS/CDS) der ArbeitsSchnitt-punkt A mit einer Spe-zifität von 54,6% und mit der ROC-Kurve (GIDAS) der Arbeitspunkt B mit einer Spezifität von 72,7% (vgl. Tab. 32).

Tabelle 32. Ausgewählte Arbeitspunkte für das logistische Regressionsmodell N7

Für die Modelle auf Basis der Entscheidungsbauminduktion kann entweder der nächstgelegene Punkt ausgewählt werden, für den ein Entscheidungsbaum entwickelt wurde, oder durch Variation der Fehlklassifikationskosten-Verhältnisse ein neuer Baum erstellt werden, der im Schnittpunkt der ROC-Kurve mit der Geraden liegt. Prinzipiell kann durch Kombination der Entscheidungsbäume jeder Punkt im ROC-Diagramm auf der Verbindungslinie zwischen zwei Entscheidungsbäumen erreicht werden [Witten2001]. Bei Vorgabe einer Mindestsensitivität von 90% für die NASS/CDS-Datenbank wird der Entscheidungsbaum (Algorithmus CART) mit dem Kostenverhält-nis für Fehlklassifikationen (FN/FP) 32/1 ausgewählt (Punkt E). Mit diesem Entschei-dungsbaum ergeben sich eine Sensitivität von 93,4% und eine Spezifität von 44,7%.

Auf der Grundlage der GIDAS-Datenbank wird der Punkt F mit einer Sensitivität von 88,1% und einer Spezifität von 71,4% gewählt.

Tabelle 33. Ausgewählte Entscheidungsbäume (CART) aus dem Modell N7

Soll ein Arbeitspunkt bestimmt werden, der zu einer Minimierung der Gesamtkosten aus volkswirtschaftlicher Perspektive führt, muss zunächst die Steigung der Iso-Kosten-geraden bestimmt werden. Dafür sind Annahmen bezüglich der Kostensätze für den Rettungsdienst, der Letalität von schwerverletzten Personen, der Verringerung der Leta-lität der Schwerverletzten bei einer Erstversorgung durch ein notarztbesetztes Rettungs-mittel sowie Annahmen bezüglich der volkswirtschaftlichen Kosten pro getötete Person erforderlich. Die getroffenen Annahmen sind in Tabelle 34 zusammengefasst.

Methode Daten Punkt Trennwert SE SP

Mindestsensitivität 90% Testmenge NASS/CDS A 4,5 % 90,5 % 54,6 %

Mindestsensitivität 90% GIDAS (gesamt) B 6,5 % 90,4 % 72,7 %

Kostenminimum (a=0,25) Testmenge NASS/CDS C 3,3 % 94,5 % 41,8 %

Kostenminimum (a=0,25) GIDAS (gesamt) D 3,3 % 100 % 47,2 %

Methode Daten Punkt

Kosten-verhältnis (FN/FP)

SE SP

Mindestsensitivität 90% Testmenge NASS/CDS E 32/1 93,4 % 44,7 %

Mindestsensitivität 90% GIDAS (gesamt) F 16/1 88,1 % 71,4 %

Kostenminimum (a=0,25) Testmenge NASS/CDS G 48/1 95,7 % 34,9 %

Kostenminimum (a=0,25) GIDAS (gesamt) H 16/1 100 % 44,7 %

Tabelle 34. Annahmen zur beispielhaften Bestimmung der Steigung der Iso-Kosten-Geraden

Quellen: Kostensätze Rettungsdienst (Gebührenordnung der Berliner Feuerwehr 2004), volkswirtschaftliche Kosten [BAST2004], Letalität (Annahme, Anlehnung an eigene Auswertung GIDAS und [Biewener2005])

Zur Vereinfachung werden nur die volkswirtschaftlichen Kosten in Folge der Ände-rung der Letalität bei der Erstversorgung durch einen Notarzt betrachtet. Eine Verringe-rung der volkswirtschaftlichen Kosten durch geringere Behandlungskosten oder eine schnellere Rehabilitation von verletzten Personen bleiben unberücksichtigt. Die Letali-tät unter den schwerverletzten Personen wurde auf der Grundlage der GIDAS-Daten-bank ermittelt. Zur Änderung der Letalität infolge einer notärztlichen Erstversorgung wurden in der Literatur keine Studien gefunden. Anhaltspunkte ergeben Untersuchun-gen zum Einsatz der Luftrettung. In der Mehrzahl der Studien zu diesem Thema wurde ein signifikanter Überlebensvorteil (8,2% bis 52%) bei der Luftrettung (immer mit arztbesetzung) im Vergleich zum bodengebundenen Rettungsdienst (mit und ohne Not-arztbesetzung) nachgewiesen [Biewener2005]. In der vorliegenden Berechnung wird beispielhaft von der konservativen Annahme ausgegangen, dass sich die Letalität von schwerverletzten Personen bei einer Erstbehandlung durch einen Notarzt um 2% verrin-gert.56

Aus Gleichung 45 (Kapitel 3.1.5) und den Kostenkoeffizienten nach Abbildung 19 bzw. Tabelle 35 ergibt sich eine Steigung der Iso-Kosten-Geraden von . Der Schnittpunkt der ROC-Kurve mit der Tangente mit der Steigung a (vgl. Abb 36) ergibt die kostenminimalen Arbeitspunkte C bzw. G (NASS/CDS) und D bzw. H (GIDAS).

Annahme Wert

Verhältnis N/P (GIDAS) 15,4

Kostensatz RTW (CRTW) 281 EUR

Kostensatz NAW (CNAW) 672 EUR

Letalität in Gruppe schwerverletzt (mais3p) ohne Notarzt 28 % Letalität in Gruppe schwerverletzt (mais3p) mit Notarzt 26 % Volkswirtschaftliche Kosten pro getötete Person 1.186.839 EUR

56Es wird von einem Überlebensvorteil ausgegangen, der deutlich geringer ist als in den Stu-dien zur Luftrettung. Bei dem Vergleich ist zu beachten, dass die Luftrettung immer mit einem Notarzt besetzt ist, während beim bodengebundenen Rettungsdienst nur teilweise ein Notarzt anwesend ist. Der Überlebensvorteil bei der Luftrettung resultiert auch aus der freien Wahl der am besten geeigneten Zielklinik über weite Entfernungen.

a = 0 25,

Ergebnisse 135

Tabelle 35. Kostenkoeffizienten unter Berücksichtigung der Kosten aus volkswirtschaftlicher Perspektive

Der optimale Arbeitspunkt für die GIDAS-Datenbank liegt bei einer Sensitivität von 100%. Für die NASS/CDS-Datenbank ist der Arbeitspunkt im Vergleich zur Vorgabe der Mindestsensitivität von 90% hin zu höherer Sensitivität und geringerer Spezifität verschoben.

Kostenkoeffizienten Wert

kTP -23.065 EUR

kFP 672 EUR

kTN 281 EUR

kFN 953 EUR

4.2 Anforderungen zur telemedizinischen Unterstützung von Laien bei Erste-Hilfe-Maßnahmen

Als Grundlage für die Definition der Anforderungen an die Funktionen eines Tele-medizinsystems zur Unterstützung von Laien bei der Durchführung von Erste-Hilfe-Maßnahmen wurden zunächst die typischen Verletzungen und pathophysiologischen Zustände der Unfallopfer nach Straßenverkehrsunfällen untersucht. Die Ergebnisse wer-den im Kapitel 4.2.1 dargestellt. Darauf aufbauend werwer-den die indizierten Erste-Hilfe-Maßnahmen bestimmt (Kapitel 4.2.2) und den von zufällig anwesenden Erst-Helfern tatsächlich durchgeführten Maßnahmen gegenübergestellt (Kapitel 4.2.3). In diesem Soll-/ Ist-Vergleich zeigen sich die Defizite im Status Quo der Erste-Hilfe-Leistungen.

Die indizierten Maßnahmen bilden anschließend im Kapitel 4.2.4 die Basis für die Untersuchung der Bedeutung einzelner telemedizinischer Funktionen für die Unterstüt-zung von Laien und ermöglichen die Ableitung der Anforderungen an die Funktionen eines Telemedizinsystems für Verkehrsteilnehmer. Zur Abschätzung der erzielbaren Effekte einer telemedizinischen Unterstützung von Laien wurde der Einfluss von Erste-Hilfe-Leistungen auf die Überlebenswahrscheinlichkeit untersucht und die Ergebnisse in Kapitel 4.2.5 dargestellt.

4.2.1 Typische Verletzungen und pathophysiologische Zustände