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Das hilfreiche und störende Erleben von Beratungsaspekten

3.D Ergebnisse der LCA 2. Ordnung

Klasse 3 umfasst 23.9 % der Stichprobe und zeichnet ein Profil von Frauen, die ihre Entscheidung am meisten alleine ausgerungen haben, oft mit ambivalenten Gefühlen in die

4.1 Diskussion der Hypothesen

4.1.3 Das hilfreiche und störende Erleben von Beratungsaspekten

Das hilfreiche und störende Erleben von Beratungsaspekten sollte nach Hypothese 2

(Abschnitt 1.5) ganz allgemein mit der Gruppenzugehörigkeit in einigen der latenten Klassen zusammenhängen. Die Spezifizierungen dieser allgemeinen Hypothese durch die

Hypothesen 5 und 6 (Abschnitt 3.C.1) sagten Zusammenhänge zwischen bestimmten

Klassen der inhaltlichen und emotionalen Erwartungen bzw. der Bewertung der Beratung und dem hilfreichen bzw. störenden Erleben von Beratungsaspekten voraus.

Die allgemeine Hypothese wurde insofern bestätigt, als sich statistisch signifikante Zusammenhänge

a) zwischen dem hilfreichen Erleben der Aussprache mit der Beraterin und der Bewertung der Beratung,

b) zwischen dem hilfreichen Erleben der Vermittlung von Alternativen und den inhaltlichen Erwartungen an die Beratung und

c) zwischen dem störenden Erleben von Beratungsaspekten und der Bewertung der Beratung, (vgl. auch Hypothese 6.1) zeigten.

Die Zusammenhänge zwischen der Bewertung der Beratung und dem hilfreichen Erleben der Akzeptanz der Entscheidung und der Erklärung der Beratungspflicht sollen hier angesichts dessen, daß sie nach der Alpha-Fehler-Adjustierung nicht mehr signifikant waren, nur als ergänzende Hinweise (die einer genaueren Überprüfung bedürfen) berücksichtigt werden.

Hypothese 5.1, nach der das hilfreiche Erleben der Aussprache für die beratungsorientierte Gruppe bei den inhaltlichen Erwartungen grösser sein solle, wurde nicht bestätigt. Auch Hypothese 5.2, die voraussagte, daß die ambivalente Gruppe bei den emotionalen

Erwartungen an die Beratung den Aspekt der „Akzeptanz für die Entscheidung“ hilfreicher erleben solle, wurde nicht belegt.

Hypothese 6.1, die vorgab, daß die unzufriedene Gruppe bei der Bewertung der Beratung häufiger in der Beratung etwas als störend empfunden hatte, wurde (vgl. c) bestätigt.

Diskussion S.167

Ich möchte zunächst auf die beiden Hypothesen 5, die sich nicht bestätigten, eingehen und dann die erhaltenen Zusammenhänge (a-c) diskutieren.

Zur Hypothese 5.1: Holzhauer (1989) zeigte, daß viele Frauen sich die Beratungsstelle aussuchen, die von ihrem Schwerpunkt am besten zu ihren individuellen Bedürfnissen passt (vgl. Abschnitt 1.4.2.6). Dies lässt sich in dem Sinne verstehen, daß viele Frauen zu wissen scheinen, was sie brauchen. Vor diesem Hintergrund lag es nahe zu erwarten, daß Frauen, die mit dem Bedürfnis nach Aussprache kommen, diese auch als hilfreicher erleben, da sie erhalten, was sie brauchen und vice versa.

Für die Nicht-Bestätigung dieser Annahme lassen sich verschiedene Erklärungen finden:

Zum einen lässt sich vermuten, daß eine gute Aussprache relativ unabhängig von den jeweiligen Voraussetzungen der Frau von fast jeder als hilfreich empfunden wird. Die

Häufigkeitsverteilung zu dem hilfreichen Erleben von Beratungsaspekten (Tab. 49) zeigt, dass es zu 85 % in der Beratung zu einer Aussprache kam, zu 62.7 % wurde diese als sehr hilfreich empfunden (dagegen gaben nur 26.2 % die Aussprache als Erwartung an die Beratung an). Dies deutet auf einen Deckeneffekt hin, d.h., daß aus Gründen der geringen Varianz bzgl. dieses Erlebens nicht leicht Zusammenhänge mit der jeweiligen

Gruppenzugehörigkeit nachzuweisen sind.

Eine andere Erklärungsalternative wäre die, daß die Formulierung „alles besprechen können“

vielseitig auslegbar ist: dies kann sowohl in dem beabsichtigten Sinne eine persönliche Aussprache bedeuten wie auch „habe die Fragen klären können, die für mich offen waren“

heissen. Im zweiten Fall würde es nicht verwundern, wenn Frauen der

informationsorientierten Gruppe dies auch als sehr hilfreich erleben. Daher erscheint es sinnvoll, im weiteren diesen Aspekt auszudifferenzieren, z.B. in „konnte mich persönlich aussprechen“ und „konnte alle Fragen klären“.

Letztlich wäre es möglich, daß dieses Ergebnis primär auf die hohe Beraterinnenkompetenz zurückzuführen ist. Zum Beispiel könnte eine akzeptierende und raumschaffende

Grundhaltung (s. die Ausführungen zu a) dazu führen, daß auch Frauen, die ursprünglich ohne explizites Interesse an einem persönlichen Beratungsgespräch kamen, diese Möglichkeit des sprechen-könnens als hilfreich erleben.

Zur Hypothese 5.2: Ähnliche Erklärungsansätze lassen sich heranziehen, wenn es um die Nicht-Bestätigung des postulierten Zusammenhanges zwischen der ambivalenten

Gefühlslage vor der Beratung und dem hilfreichen Erleben der Akzeptanz der Entscheidung geht.

Diskussion S.168

Dabei variierte das hilfreiche Erleben der Akzeptanz der Entscheidung in meiner Stichprobe noch weniger als das hilfreiche Erleben der Aussprache: laut Häufigkeitsverteilung (Tab. 49) gaben 95 % der Frauen an, daß dies der Fall war und 85 % erlebten dies als sehr hilfreich.

Dieses Ergebnis legt nahe, daß die Akzeptanz der Entscheidung für so gut wie alle Frauen von Bedeutung ist, so daß zusätzliche Faktoren wie ambivalente emotionale Erwartungen weniger ausschlaggebend werden.

Das wird durch den Befund ergänzt, daß die Frauen der grössten, zuversichtlich-vertrauensvollen Gruppe bei den emotionalen Erwartungen an die Beratung z.T. auch angaben, daß sie bzgl. der Akzeptanz ihrer Entscheidung unsicher seien (vgl. Abschnitt 3.B.5.1).

Dies deutet darauf hin, daß für die meisten Frauen, mehr oder weniger bewusst, die Akzeptanz ihrer Entscheidung nichts selbstverständliches ist.

Auch das Ergebnis, das ein hilfreicheres Erleben der Akzeptanzvermittlung mit einer

positiveren Bewertung der Beratung verbunden zu sein scheint (vgl. Abschnitt 3.C.3.4), weist bei aller Vorsicht in seine Aussagekraft (s.o) daraufhin, daß dieser Aspekt für viele Frauen von besonderer Bedeutung ist.

Zum anderen lässt sich hinterfragen, inwiefern die Vermittlung von Akzeptanz durch einen anderen Menschen nicht in jedem Fall etwas hilfreiches und positives ist, auch wenn man selber überzeugt hinter seiner Entscheidung steht.

Trotz dieser Überlegung weist das Ergebnis in meinen Augen primär darauf hin, daß die kontroverse gesellschaftliche Diskussion Einfluss auf die Frauen hat. Es ist nicht

selbstverständlich für die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch Akzeptanz vermittelt zu bekommen. Und den wenigsten Frauen ist diese gesellschaftliche Wertschätzung völlig egal, so daß die Akzeptanz der Beraterin (als mehr oder weniger offizielle Repräsentantin der Gesellschaft) wertvoll und hilfreich ist.

Zu a). Es zeigte sich ein nichtvorhergesagter Zusammenhang zwischen der Bewertung der Beratung und dem hilfreichen Erleben der Aussprache. Frauen, die der

zufrieden-überzeugten Gruppe bei der Beratungsbewertung angehören, erlebten die Aussprache als hilfreicher. In den Deutungen zur Hypothese 5.1 habe ich bereits darauf hingewiesen, daß

„alles besprechen können“ unterschiedlich interpretierbar ist.

Trotzdem deutet dieser Aspekt von allen thematisierten Beratungsaspekten am meisten auf die jeweils realisierte Beratungsbeziehung hin. „Alles besprechen zu können“ setzt die Bereitschaft voraus, sich zu öffnen. Da diese nicht in allen Fällen von den Frauen

Diskussion S.169

ursprünglich gegeben ist, scheint die Beraterin so auf die Frau einzugehen, daß Vertrauen und die Bereitschaft, sich zu öffnen, wächst.

Das Ergebnis, daß unter den vielen überprüften Beratungsaspekten gerade das hilfreiche Erleben der Aussprache mit einer positiven Bewertung des Gespräches zusammenhängt, lässt sich so als eine Bestätigung der Wichtigkeit der Beraterin-Klientin-Beziehung verstehen.

Ob dies dann eine reine Informationsvermittlung oder ein persönlicheres Beratungssgepräch ermöglicht, ist auf der Grundlage meiner Daten offen.

Der noch zu überprüfende Zusammenhang, nach dem ein hilfreicheres Erleben der Erklärung der Beratungsregelung mit einer positiveren Einschätzung der Beratung verbunden war (vgl.

Abschnitt 3.C.3.6), weist auf die Bedeutung eines transparenten und geklärten Beratungsrahmens hin.

Ein Ansatzpunkt für weitere Untersuchungen wäre daher, mögliche Zusammenhänge zwischen der Kontextklärung, der Beraterin-Klientin-Beziehung und des hilfreichen Erlebens des Gespräches zu vertiefen. Über die angesprochene Konkretisierung des

Ausspracheaspektes hinaus, wäre es dafür sinnvoll, die Qualität der beraterischen Beziehung auch von der Beraterin einschätzen zu lassen. Dies würde es ermöglichen, die Beraterin-Klientin-Beziehung umfassender zu betrachten und mögliche Einflussfaktoren (von Seiten der Beraterin und der Klientin) genauer auseinanderzuhalten.

Zu b). Ein weiterer nichtvorhergesagter Zusammenhang betraf das Erleben der Vermittlung von Alternativen: dies wurde hilfreicher erlebt, wenn Frau der beratungsorientierten Gruppe bei den inhaltlichen Erwartungen an die Beratung angehört.

Als Erklärung wurde angeführt, daß diese Frauen sich ja auch eher den Hinweis auf Alternativen erhoffen (vgl. Abschnitt 3.C.3.5). Man könnte weiter vermuten, daß umgekehrt Frauen, die konkrete andere Erwartungen an die Beratung haben, wie die

informationsorientierte Gruppe, solch eine Vermittlung eher als Affront bzw. Zeichen der Nicht-Akzeptanz ihrer Entscheidung erleben. Dazu passt, daß die Vermittlung von

Alternativen vergleichsweise häufig, gerade von dieser Gruppe, sehr ablehnend als „gar nicht hilfreich“ bezeichnet wird.

Das deutet darauf hin, daß alles, was von den Frauen als Infragestellung ihrer schon gefällten Entscheidung erlebt werden kann, von ihnen negativ erlebt wird.

Vor diesem Hintergrund ergänzt dieses Ergebnis das eben diskutierte über die generelle Wichtigkeit der Akzeptanz der Entscheidung, die als positiv & hilfreich erlebt wird.

Diskussion S.170

Zur Hypothese 6.1: Es wurde ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Nennung von störenden Elementen in der Beratung und der Bewertung der Beratung ermittelt. Dabei zeigte sich zum einen, daß Frauen, die bei der offenen Frage nach Störendem explizit die Beratung noch einmal loben, mit grösserer Wahrscheinlichkeit der zufrieden-überzeugten

Bewertungsgruppe angehörten. Zum anderen gehörten die Frauen, die hier etwas im Gespräch störendes erwähnen, am ehesten der unzufriedenen Gruppe an (vgl. Abschnitt 3.C.3.7).

Das könnte zum einen bedeuten, daß bei vielen Frauen die Bewertung der Beratung auf konkrete Erfahrungen mit dieser zu beruhen scheint. Die schon geäusserte Vermutung, daß die Frauen tendenziell einen weniger einfühlsamen Umgang mit ihrer Entscheidung erwarten, und vor dem Hintergrund oft von der Beratung positiv überrascht sind, wird hier durch die positiven Äusserungen an dieser Stelle bestärkt (Bsp.: „Zu meiner Überraschung ist das Beratungsgespräch sehr positiv verlaufen“, vgl. Anhang C-2).

Zum anderen lässt sich hinterfragen, ob nicht, um die kritischen Bewertung zu berechtigen, solch störende Aspekte erinnert und genannt werden.

Die störenden Erlebnisse sind schwieriger zusammenzufassen, da teilweise einige das vermissten oder explizit lobten, was andere gestört hat (z.B. „zuviel Fragen“ vs. zuwenig nachgehakt: „Die Beraterin war in manchen Punkten zu zurückhaltend und sprach gar nicht über den Erhalt der Schwangerschaft“). Dies macht noch einmal deutlich, wie individuell das Erleben der Frauen ist und wie stark von den jeweiligen Voraussetzungen abhängig.

Anderes wurde von den Frauen als störend angemerkt, entspricht aber vermutlich der

Zielsetzung der Beratung (z.B. „Die Beraterin hätte lebhafter reden können, um die gedrückte Stimmung aufzulockern“).

Trotzdem lässt sich ein Großteil der Äusserungen zu Störendem der Nicht-Akzeptanz bzw.

einer Infragestellung der Entscheidung zuordnen (z.B.: „Verständnis“ oder „Die abschliessende Frage nach einem generellen Kinderwunsch, Familienplanung“).

Um diesbezüglich fundiertere Aussagen machen zu können, würde es sich anbieten, in einer weiteren Studie zu dem Aspekt des Störenden auch Antwortkategorien vorzugeben.

Nachdem ich hier einen gewissen Überblick über mögliche Störfaktoren erhalten habe, liessen sich nun begründeter Antwortalternativen wie „fühlte mich und meine Entscheidung nicht akzeptiert“, „vermisste bestimmte Informationen“ oder „die Verpflichtung zur Beratung störte mich“ vorgeben.

Diskussion S.171

4.1.4 Der Einfluss der Kovariate Beratungsstellenträger/Unterschiede zwischen

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