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Das Herausbilden von Typen beratungsaufsuchender Frauen

3.D Ergebnisse der LCA 2. Ordnung

Klasse 3 umfasst 23.9 % der Stichprobe und zeichnet ein Profil von Frauen, die ihre Entscheidung am meisten alleine ausgerungen haben, oft mit ambivalenten Gefühlen in die

4.1 Diskussion der Hypothesen

4.1.5 Das Herausbilden von Typen beratungsaufsuchender Frauen

Es wurde vorhergesagt, daß über die Gruppenzugehörigkeiten der LCA 1.Ordnung hinweg sich auf einer Metaebene Typen von in die Beratung kommenden Frauen herausbilden würden (Hypothese 4, Abschnitt 1.5). Diese Typen sollten durch vorrangige

Diskussion S.174

Gruppenzugehörigkeiten in den unterschiedlichen Variablenbereichen charakterisierbar werden.

Desweiteren wurde spezifiziert, daß sich dabei ein Frauentyp herausbilden wird, der Unterstützung braucht, sucht und will (Hypothese 7.1, Abschnitt 3.D.1). Ein anderer Beratungstyp sollte Frauen beschreiben, die sich ihrer Entscheidung sicher sind, kein Interesse an einer Beratung haben und die Beratungsregelung vor wie nach der Beratung kritisch sehen (Hypothese 7.2).

Ausserdem sollte ein Zusammenhang zwischen ambivalenten emotionalen Erwartungen an die Beratung und der nachträglich zufrieden-überzeugten Bewertung der Beratung in der Weise bestehen, daß ambivalente Erwartungen eher zu einer zufriedenen Einschätzung im Nachhinein führen (Hypothese 8).

All diese Hypothesen wurden in ihren Hauptaussagen durch die Ergebnisse der LCA 2.

Ordnung bestätigt. Ich möchte im folgenden der Reihenfolge nach die jeweiligen Ergebnisse und deren Implikationen diskutieren.

Zur Hypothese 4: Es bildeten sich vier übergeordnete Beratungstypen heraus, die sich durch spezifische Gruppenzugehörigkeiten in den sieben Variablenbereichen auszeichnen.

Vereinfachend zusammengefasst fanden sich ein beratungssuchender Typ, der ca. 20 % der Stichprobe beschreibt, ein selbstsicher-kritischer Typ (auch ca. 20 %), ein der Beratung gegenüber ambivalenter Typ (ca. 24 %) und ein die Beratung als Informationsvermittlung schätzender Typ, der den grössten Teil der Stichprobe (37 %) umfasst.

Diese Herauskristallisierung von unterschiedlichen Beratungstypen verdeutlicht zum einen, daß es je nach Voraussetzungen und Herangehensweise der Frauen verschiedene

Erlebensweisen der §219-Beratung gibt, zum anderen aber auch, daß sich diese individuellen Erlebensweisen auf eine begrenzte Anzahl von gröberen Ausrichtungen zusammenfassen lassen.

Das verdeutlicht die Wichtigkeit, in der jeweiligen Beratungssituation die persönlichen Hintergründe der Frau, gerade auch ihre Haltung der Beratung gegenüber, zu thematisieren, um sich als Beraterin darauf einzustimmen. Andererseits erlaubt die Typisierung eine grobe Orientierung, was hauptsächliche Umgangsweisen mit der Beratung sind.

Die in Abschnitt 1.4.2.1 vermuteten Zusammenhänge zwischen Beratungsbedarf und bestimmten demographischen Merkmalen wurden so nicht bestätigt. Die Zugehörigkeit zu den unterschiedlichen Beratungstypen zeigte aber signifikante Zusammenhänge zu der Freiwilligkeit der Beratung und einem vorherigen Schwangerschaftsabbruch. Der

Zusammenhang, der sich mit dem Beratungsstellenträger andeutete, war nach der

Alpha-Diskussion S.175

Niveau-Adjustierung nicht mehr signifikant und wird deshalb nur als ergänzender Hinweis in die Interpretation aufgenommen.

Zur Hypothese 7.1: Von einem Fünftel meiner Stichprobe lässt sich sagen, daß sie im engeren Sinne beratungssuchend waren (Klasse 4). Dies war verbunden mit einer vergleichsweise geringen Wahrscheinlichkeit, daß die Frau schon einmal einen Abbruch erlebt hat und der grössten Wahrscheinlichkeit, daß die Frau angibt, auch freiwillig in eine Beratung gekommen zu sein. Zudem schien diese Klasse stärker in nicht-konfessionellen Beratungsstellen vertreten zu sein.

Auffällig in dem Profil der beratungssuchenden Frauen ist, daß sie im Vergleich zu den anderen Gruppen als Gründe für die Wahl ihrer Beratungsstelle sehr viel eher persönliche Motive angaben. Das verdeutlicht, daß Frauen, die eigenes Interesse an einem

Beratungsgespräch haben, die Beratungsstelle eher auch tatsächlich bewusst wählen. Diese Wahl fällt vergleichsweise häufiger auf eine nicht-konfessionelle Beratungsstelle (vgl. auch 4.1.4).

Weiterhin ist erwähnenswert, daß die beratungssuchenden Frauen meiner Stichprobe relativ gut in der Lage zu sein scheinen, sich Unterstützung zu holen. Sie beziehen einen grösseren Bereich ihres sozialen Umfeldes in die Entscheidungsfindung mit ein und fühlen sich zum Großteil sehr verstanden/unterstützt. Im überwiegenden Fall können sie schliesslich auch die Beratung für sich nutzen (vgl. Abschnitt 3.D.2).

Wenn ich die mögliche Selektivität meiner Stichprobe in Richtung weniger belastete, selbstbewusstere Frauen berücksichtige (vgl. Abschnitt 4.2.2.1), ist anzunehmen, daß der Anteil der Beratung benötigenden, aber keine Unterstützung erwartenden oder suchenden Frauen eher untervertreten ist. In weiterführenden Untersuchungen wäre es wichtig, das Erleben gerade dieser Frauen zu integrieren. Möglicherweise kann bei ihnen die Beratung, da sie über weniger Ressourcen in ihrem sozialen Umfeld verfügen, noch einen anderen

Stellenwert einnehmen. Um diese Frauen stärker in die Stichprobe aufnehmen zu können, bedürfte es weiterer Kooperation mit den Beraterinnen, damit diese nicht aus Rücksicht auf die Belastung dieser Frauen ihnen den zusätzlichen Aufwand, d.h. den Fragebogen, ersparen (vgl. Abschnitt 4.2.2.1).

Zur Hypothese 7.2: Der andere vorhergesagte Beratungstyp war der sehr

entscheidungssichere, der von der Beratung nichts will und die Beratungsregelung ablehnt (Klasse 1). Diese Frauen hatten im Vergleich am häufigsten schon einen

Schwangerschaftsabbruch durchlebt, und gaben überwiegend an, daß sie freiwillig nicht in

Diskussion S.176

eine Beratung gegangen wären. In vielen Aspekten bilden diese Frauen so den Gegenpol zu den beratungssuchenden Frauen der Klasse 4. Wie diese schienen sie allerdings eher nicht-konfessionelle Beratungsstellen aufzusuchen.

Das Profil dieser Frauen weicht von der Vorhersage ab, nach der für sie die

Gruppenzugehörigkeit zu der „nur hinter-mich-haben“-Gruppe der emotionalen Erwartungen charakteristisch sein sollte. Dieser gehörten sie zwar vergleichsweise häufig an, insgesamt waren sie aber stärker von der Gruppe mit zuversichtlich-vertrauensvollen emotionalen Erwartungen geprägt.

Diese Frauen geben also kein grösseres Eigeninteresse an die Beratung an, sind aber emotional der Beratungssituation gegenüber überwiegend offen. Dennoch waren sie vergleichsweise am stärksten, mehr noch als die beratungssuchende Klasse, in der ambivalent- unzufriedenen Bewertungsgruppe vertreten und gehörten nie zu der zufrieden-überzeugten Bewertungsgruppe.

Darin steckt ein oberflächlicher Widerspruch: die Frauen dieser Klasse wirken einerseits durch ihre grosse Entscheidungssicherheit und ihre klare Position der Beratungsregelung gegenüber wenig „verwundbar“, andererseits scheinen sie störende Beratungsaspekt mehr zu (be)treffen.

Vor diesem Hintergrund würde es sich anbieten, der Unzufriedenheit dieser Gruppe weiter nachzugehen, um die bereits angesprochenen Deutungsalternativen (vgl. Abschnitte

3.B.7.2.A und 3.D.3.C) vertiefen zu können: Reagieren diese Frauen aufgrund einer politisch geschärften Wahrnehmung „empfindlicher“, z.B. auf ein Nachfragen der Beraterin? Benötigen sie einen „dickeren Panzer“ durch ihre vermehrten Vorerfahrungen mit einem

Schwangerschaftsabbruch und erleben so die Beratung aber als

oberflächlich-unbefriedigend? Oder können einige Beraterinnen mit der von diesen Klientinnen vermittelten Haltung, daß sie die §219-Beratung ablehnen, schlechter umgehen?

Zur Hypothese 8: Einen dritten Beratungstyp stellten die Frauen, die bis zur Beratung am meisten auf sich alleine gestellt waren, der Beratung recht ambivalent entgegensahen und nach der Beratung völlig zufrieden-überzeugt waren. Ihr Profil bestätigt die Hypothese 8, nach der Frauen mit emotionaler Ambivalenz vor der Beratung nach der Beratung

zufrieden-überzeugt sein sollten.

Dies wirft die Frage auf, wie diese Zufriedenheit nach der Beratung gerade bei diesen Frauen (aber auch allgemein) zu deuten ist. Die ambivalenten Emotionen wurden versuchsweise so gedeutet, daß die Frauen einerseits von der Beraterin die Verstärkung von Schuld- oder Vorwurfshaltungen befürchten, andererseits Verständnis und Unterstützung erhoffen (vgl.

Diskussion S.177

Abschnitt 3.B.5.1). Die rein positive Bewertung der Beratung lässt darauf schliessen, daß die Hoffnungen der Frauen erfüllt wurden und sich ihre Befürchtungen als haltlos erwiesen.

Die von fast allen angegebene Akzeptanz der Entscheidung spielt hier vermutlich eine Schlüsselrolle. Gerade für Frauen dieser Klasse, die am häufigsten angeben, die Entscheidung ganz alleine gefällt zu haben und am wenigsten ihr soziales Umfeld einbeziehen (vgl. Abschnitt 3.D.2), wird diese Akzeptanz von Bedeutung sein.

Zum einen ist anzunehmen, daß für sie die Akzeptanz einen anderen Stellenwert bekommt als bei Frauen, die schon durch ihr Umfeld Verständnis und Akzeptanz für ihre Entscheidung vermittelt bekommen haben. Zum anderen lässt sich möglicherweise bei einigen dieser Frauen das Bedürfnis, ganz alleine zu entscheiden, auf die Befürchtung zurückführen, gerade dies würde ihr abgesprochen werden.

Vor diesem Hintergrund ist zu hinterfragen, inwiefern sich die Bewertung der Beratung durch diese Frauen tatsächlich treffenderweise als „zufrieden-überzeugt“ bezeichnen lässt.

Sicherlich sind die Frauen zufrieden; ob aber ihre positive Einschätzung vorrangig auf ihre Erleichterung zurückzuführen ist, daß ihre Entscheidung akzeptiert wurde oder auf das Schätzen einer neuen Hilfestellung durch eine Aussenstehende, ist zumindest offen (vgl.

Abschnitt 4.3).

Das Profil des vierten Beratungstypes war nicht Gegenstand einer spezifischen Hypothese, soll hier aber allgemein, u.a. in seiner Bedeutung als der in meiner Stichprobe am stärksten vertretene Beratungstyp (37 %), besprochen werden. Die Frauen dieser Klasse waren in ihrem Entscheidungsprozess meist gut in ihrem sozialen Umfeld eingebettet, hatten

hauptsächlich Interesse an Informationen zum Schwangerschaftsabbruch und waren mit der Beratung überwiegend zufrieden. Sie gaben vergleichsweise selten an, daß sie auch freiwillig gekommen wären und schienen stärker in katholischen Beratungsstellen vertreten zu sein.

Diese Frauen bringen nicht so klare Positionen in die Beratung mit wie es die

beratungssuchenden bzw. beratungsablehnenden Frauen tun, sondern scheinen sich von den Informationsmöglichkeiten der Beratung positiv überraschen lassen zu können. Die Beratung an sich scheint für sie persönlich nicht so bedeutsam zu sein, was sich u.a. darin äussert, daß sie weniger als alle anderen Klassen aufgrund persönlicher Motive die

Beratungsstelle aufsuchen. Dies lässt sich allerdings auch als Zeichen des Vertrauens in die Meinung des Arztes/der Ärztin verstehen.

Das starke Vertretensein dieses Beratungstypes deutet daraufhin, daß für eine relativ grosse Zahl von Frauen die Beratung im Gesamterleben des Schwangerschaftskonfliktes keine zentrale Bedeutung erhält (vgl. auch Stößel et al., 1981). Deren Anteil ist voraussichtlich im

Diskussion S.178

Durchschnittsklientel der §219-Beratungen noch grösser, da Frauen, die der Beratung mehr persönliche Bedeutung zuräumen, eine grössere Motivation haben dürften, sich noch einmal mit meinem Fragebogen zu beschäftigen (vgl. Abschnitt 4.2.2.2).

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