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In dieser Arbeit sollen die publizistischen Kontroversen über ausge-wählte Holocaustfilme in deutschen Printmedien untersucht werden.

Dazu werden als Meinungsführermedien135 (Elite-, Prestigemedien) die Nachrichtenmagazine Der Spiegel, Focus, die Wochenzeitungen Die Zeit, Die Woche, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, Rheinischer Merkur und die überregionalen Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, Die Welt, die tageszeitung und Neues Deutschland herangezogen. Die Beschränkung auf die sogenannten Meinungsführermedien geschieht aufgrund ihres Prestiges und der damit verbundenen Meinungsführerfunktion. Die Themenauswahl und Kommentierung von Ereignissen beeinflussen die Arbeit von Journalisten in anderen Medien. Es ist deshalb zu vermuten, daß Filmkritiken in Regional- und Lokalzeitungen überwiegend Reak-tionen auf zuvor in den Meinungsführermedien erschienene Beiträge sind. Ohne die wichtige Mittlerfunktion der Lokalzeitungen in Abrede zu stellen, bleiben diese Reaktionen hier weitgehend unberücksichtigt.

Internationale Presse wird vor allem in den Exkursen zur Holocaust-Resonanz und zur Holocaust-Resonanz von Shoah in Polen ausgewertet.

Die Presse ist in den vergangenen Jahrzehnten marktwirtschaftlichen Entwicklungen unterworfen gewesen, was zur Folge gehabt hat, daß

134 Siehe Kapitel I.7. Die Rolle der Filmkritik.

135 Vgl. Elisabeth Noelle-Neumanns Definition: „... Meinungsführermedien: Medien, die von anderen Journalisten, anderen Medien zitiert werden. Das sind keineswegs die-jenigen mit der größten Auflage.“ Elisabeth Noelle-Neumann: Wirkung der Massen-medien auf die Meinungsbildung. In: Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunika-tion. A.a.O., S. 555.

einige Titel verschwunden, neue als Konkurrenten hinzugetreten sind.

Das gilt auch für den Bereich der Meinungsführerpresse, obwohl die Lizenzzeitungen Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, Die Welt, die Wochenzeitung Die Zeit und das Nachrichtenmagazin Der Spiegel nach der Erteilung der Generallizenz schon über eine gefestigte Position verfügten, die sie ausbauen konnten. Dennoch schafften es einige neu- bzw. wiedergegründete Blätter, allen voran die Frankfurter Allgemeine Zeitung, sich zu etablieren. Und trotz starker Konzentrationsbewegungen fanden ab 1979 die links-alternative tageszeitung, die nach der Vereini-gung gegründete Wochenzeitung Die Woche und die Infoillustrierte Focus ihre Leser. Diese neuen Blätter ergänzten das Meinungsspektrum und zählten bald zu den relevanten, häufig zitierten Publikationen. Sie werden deshalb in die Untersuchung einbezogen. Zudem werden Fach-zeitschriften wie Publizistik, Rundfunk und Fernsehen, Media Perspekti-ven, epd-Film, dienst, medium, Film-Fernsehen, Film-Kritik, film-Faust, Film-Echo, Film-Woche ausgewertet, um zu dokumentieren, wie relevant die Themen „Verfilmung des Holocaust“ und „publizistische Kontroversen über Holocaustfilme“ für die Publizistik- und Kommuni-kationswissenschaft waren und sind.

Die untersuchten Publikationen wurden so ausgewählt, daß ein möglichst breites Meinungsspektrum abgedeckt wird, von konservativ über liberal bis „sozialistisch“ (so bezeichnet sich z.B. das Neue Deutschland), von

„eher rechts“ bis „im Zweifelsfall links“ (Rudolf Augstein über die Tendenz des Spiegels), konfessionelle Blätter, Parteiorgane. Die in die Untersuchung aufgenommenen Meinungsführermedien zeichnen sich im allgemeinen und gerade wenn es um Kulturelles geht (zu 90% sind die Filmkritiken im Feuilleton erschienen) durch eine nach allen Seiten offene Kommentierung aus. Es läßt sich daher nicht ohne weiteres von einer bestimmten Linie des Blattes ausgehen, zumal die am Konflikt Beteiligten in erster Linie an Meinungsäußerung interessiert sein dürften, erst an zweiter Stelle ist der Publikationsort entscheidend. Auch kann es sein, daß die von der eigentlichen politischen Blattlinie abweichende Meinung eines Kritikers gewünscht ist, um die Unabhängigkeit der Filmkritik von politischen und ökonomischen Interessengruppen unter Beweis zu stellen. Häufig sind in einem Blatt unterschiedliche Stand-punkte auszumachen, der Ausgewogenheit halber kommen verschiedene an der Kontroverse Beteiligte zu Wort.

Zu klären ist, ob der Film überhaupt vorgestellt wird, die Länge des Beitrags, auf welcher Seite die Kritik erscheint, zu welchem Zeitpunkt (vor oder nach der Premiere?, als Reaktion auf andere Kritiken?), natür-lich wer den Film bespricht und schließnatür-lich, welche Argumente vorge-bracht werden und ob die Kritik insgesamt „positiv“oder „negativ“ ist.

Es muß nachvollziehbar sein, nach welchen Kriterien Aussagen in der Filmkritik als „positiv“, „negativ“ oder „neutral“ bewertet werden. Die Haltung bzw. Tendenz einer Zeitung oder Zeitschrift läßt zum Teil (s.o.) darauf schließen, ob und wie ein Film dort rezensiert wird.

Relevant sind Kritiken zu den oben genannten Filmen und Artikel, in denen es grundsätzlich um die filmische Repräsentation des Holocaust geht. Die genannten Zeitungs- und Zeitschriftentitel liefern den Grund-stock an zu untersuchendem Material, darüber hinaus werden alle verfügbaren Artikel aus anderen Publikationen in deutscher Sprache hin-zugezogen, insbesondere dann, wenn sich Autoren auf sie beziehen. Alle in der deutschen und internationalen Presse erschienenen Artikel können nicht berücksichtigt werden. Ein Artikel wird dann in die Untersuchung einbezogen, wenn der Filmtitel und der Name des Regisseurs genannt werden oder Begriffe wie „Darstellbarkeit des Holocaust“, „Bildertabu“,

„Bilderverbot“ oder „Ästhetik des Holocaust“ oder „Ästhetik faschisti-scher Bilder“ verwendet werden. Neben den in Zeitungen und Zeit-schriften publizierten Beiträgen werden Biographien und Erinnerungen der am Film Beteiligten herangezogen, in denen sie Auskunft geben über ihre Motive, an einem Holocaustfilm mitzuwirken. Diskussionsanstöße kommen zumindest seit Holocaust auch aus Fernsehtalkrunden. Dies wird hier jedoch nur insofern berücksichtigt, als die dort geäußerten Meinungen wiederum in TV-Kritiken zu finden sind. Diese Kritiken werden in die Untersuchung einbezogen.

Ein auf einige Wochen oder Monate festgelegter Untersuchungszeitraum ist nicht sinnvoll, da die Debatten über die Holocaustfilme nicht ohne weiteres zeitlich einzugrenzen sind. Schon die Differenz zwischen Produktions- und Aufführungsjahr spricht dagegen. Manche Filme wer-den während der Produktion vorab besprochen, dann folgen Rezensionen zur Erstaufführung im In- oder Ausland. Unmittelbar nach dem Filmstart in Deutschland ist die Zahl der Besprechungen gemeinhin am höchsten.

Sie nimmt dann allmählich ab, je nachdem, wie erfolgreich der Film beim Publikum ist. Häufig wird die Wichtigkeit eines Films erst Jahre später, im Vergleich zu inzwischen entstandenen Filmen entdeckt. Oder der Film wird aufgrund einer Wiederholung im Fernsehen, eines Jahres-tages, einer Retrospektive, noch einmal vorgestellt und löst erst dann eine heftige Kontroverse aus. Diese Kritiken müssen ebenfalls berück-sichtigt werden.

I.7. Die Rolle der Filmkritik

Der Filmkritik kommt als zwischen Film und Publikum vermittelnder Instanz eine besondere Bedeutung zu. Sie hat in einer demokratischen Gesellschaft, in der die Presse und auch die Filmwirtschaft (trotz staat-licher Subventionen) privatwirtschaftlich organisiert sind, zunächst die Aufgabe, Leser und potentielle Kinogänger über die neuesten Filme zu informieren. Als meinungsbetonte journalistische Darstellungsform kann die Filmkritik für einen Film werben, oder aber ihn nicht empfehlen. Der Filmkritiker Wolfram Schütte betont über diese Dienstleistung hinaus die gesellschaftliche und aufklärerische Funktion der Filmkritik: „Sie muß vor allen Dingen: erstens Nachrichten geben von dem, was der Öffentlichkeit vorenthalten wird; zweitens dafür plädieren, daß mit allen ökonomischen und kulturpolitischen Mitteln der Raum der Film-Öffent-lichkeit für möglichst viele, unterschiedliche, ästhetisch ‚ungleichzeitige‘

Produkte offengehalten wird; drittens daran arbeiten, daß die Öffentlich-keit die WahrnehmungsfähigÖffentlich-keit zusammen mit dem Wunsch behält, sich diesen Reichtum des Verschiedenartigen anzueignen.“136

Weil nur noch wenige Verlage wagen, außerhalb des Film-Fanbuchs ernstzunehmende Fachliteratur auf den Markt zu bringen, findet in der Bundesrepublik Filmkritik in der Tages- und Wochenpresse und in Fachzeitschriften statt. Die Auflage der Film-Fachzeitschriften ist nicht sehr hoch. Am besten verkauft sich noch Cinema, die den aktuellen Kinomarkt und die Großproduktionen aus Hollywood in den Blick nimmt.137 Besondere Verdienste um die seriöse Filmkritik haben sich die konfessionellen Blätter epd-Film und film-dienst erworben. Die monat-lich erscheinende epd-Film, die jüngere der beiden Zeitschriften, hat über die Jahre an Gewicht gewonnen. Die katholische Zeitschrift film-dienst, die seit nunmehr 52 Jahren 14-täglich erscheint, erreicht eine gedruckte Auflage von 6500 Exemplaren. Die Zeitschrift Filmkritik gehört von Mitte der fünfziger bis Anfang der siebziger Jahre zu den bedeutenden bundesdeutschen Filmfachzeitschriften. In Konkurrenz zu ihr steht die Zeitschrift Film.

Gedruckte Filmkritik hat es gleich mit mehreren Massenkommunika-tionsmitteln zu tun: über einen Film wird in der Presse berichtet. Beide, Presse und Film, sind privatwirtschaftlich organisiert, sind

136 Schütte, Wolfram: Zum Strukturwandel der Film-Öffentlichkeit. In: Filmkritik und Öffentlichkeit. Arnoldshainer Protokolle 1/92. (= Tagungsband des Arbeitskreises Film, Ästhetik und Kommunikation der Evangelischen Akademie Arnoldshain und der Arbeitsgemeinschaft der Filmjournalisten), S. 32f.

137 Laut IVW-Liste 3/99 liegt die gedruckte Auflage bei 329.992, die verbreitete bei 249.678, die verkaufte Auflage bei 245.180 Exemplaren.

mischen Zwängen ausgesetzt und dennoch nicht allein als Ware zu betrachten. Presse und Film sind ebenso Kulturgüter. Der Doppel-charakter von Film und Presse führt zu Definitionen von Filmkritik, die unterschiedliche Schwerpunktsetzungen aufweisen. Ganz allgemein ist Filmkritik „... die Beurteilung eines Films von künstlerischen, techni-schen, weltanschaulichen, soziologitechni-schen, psychologischen Gesichts-punkten aus.“138 Welchen Aspekten jedoch sich der Filmkritiker in der Auseinandersetzungen mit Filmen vorrangig zu widmen hat, ist umstrit-ten. Dem Vorwurf der Filmunternehmer, Kritiker berücksichtigten nicht genügend, daß Filme Produkte seien, die sich rechnen müßten, setzt Bela Balasz entgegen: „Ihre Branche interessiert mich ... geradesowenig, wie sie das Publikum interessiert. Wir beurteilen nur die Produktion, den Film selbst, und nehmen uns heraus, unsere Meinung zu sagen.“139 Balasz pocht vor allem auf die Unabhängigkeit des Kritikers von der Filmindustrie, leugnet indes den Warencharakter des Films nicht. Dieser ist Gegenstand der in den zwanziger Jahren aufkommenden soziolo-gischen Filmkritik, die den Film nicht nur als ästhetisches Produkt be-trachten möchte, sondern seine politische, ökonomische und soziale Relevanz untersucht.

Rudolf Arnheim, neben Bela Balazs, Siegfried Kracauer und Lotte H.

Eisner, einer der herausragenden Filmkritiker der Weimarer Zeit, be-schreibt im Detail die Arbeit des seriösen, „fachlichen“ Filmkritikers:

„Der fachliche Filmkritiker wertet einen Film, der heute herauskommt, nicht als Einzelleistung. Ist ein Film als ganzer schlecht, so hat der Kriti-ker nachzuspüren, ob nicht eine einzelne Feinheit darin ist, die einen Fortschritt bedeutet, ein Darsteller, der bei besserer Behandlung Gutes leisten könnte. Er hat zu erkunden, wo der Fehler sitzt und wie er künftig zu vermeiden ist. Er hat zu unterscheiden, was am einzelnen Film typisch für die Gesamtentwicklung ist und was nur ihm zufällig und einmalig zukommt. ... Der Filmkritiker sieht die Filmproduktion der ganzen Welt als eine einheitliche Arbeit, in der jedes einzelne Werk seinen Platz hat. Diesen Platz nachzuweisen, ist die Aufgabe des Kriti-kers.“140

138 Kleines Filmlexikon. Kunst, Technik, Geschichte, Biographie, Schrifttum. 2. Aufl.

Hrsg. von Charles Reinert. Einsiedeln-Zürich, 1946, S. 197f.

139 Balasz, Bela: Die Branche und die Kunst. Eine Rechtfertigung des Filmkritikers. In:

Der Tag (Wien) vom 28.11.1924, S. 8. Nachgedruckt in: Balasz, Bela: Schriften zum Film. Bd. 1: 1922-1926. Hrsg. von Helmut Diederichs, Wolfgang Gersch und Magda Nagy. München, Berlin (Ost), Budapest, 1982, S. 317.

140 Arnheim, Rudolf: Kritiken und Aufsätze zum Film. Hrsg. von Helmut H. Diederichs. 2.

Aufl. Frankfurt/M., 1979 (1977), S. 171.

Siegfried Kracauer, der deutlicher als Arnheim eine soziologische an-stelle einer ästhetischen Betrachtung von Filmen fordert, faßt zusammen:

„Kurzum, der Filmkritiker von Rang ist nur als Gesellschaftskritiker denkbar. Seine Mission ist: die in den Durchschnittsfilmen versteckten sozialen Vorstellungen und Ideologien zu enthüllen und durch diese Ent-hüllungen den Einfluß der Filme selber überall dort, wo es nottut, zu brechen.“141 Der Filmkritiker der Frankfurter Zeitung meint, daß sich die Filmkritik gerade mit der Masse mittelmäßiger Unterhaltungsfilme auseinanderzusetzen habe; sie sagten viel über den Zustand der Gesell-schaft aus.

Kracauers im Exil entstandenes und erst spät korrekt ins Deutsche über-tragene Werk „From Caligari to Hitler“142 und seine „Theorie des Films“

beeinflussen stark die Filmkritik der späten fünfziger Jahre. Bis dahin waren die Nachwirkungen der von den Nazis erzwungenen „Kunst-betrachtung“ anstelle der Kritik spürbar. Entsprechend der Vorgaben aus dem Propagandaministerium waren die zwischen 1933 und 1945 in Deutschland entstehenden Filme „positiv zu würdigen“, nicht aber durfte

„zersetzende“ Kritik an ihnen geübt werden. Manfred Rohde liefert für die erste Hälfte der fünfziger Jahre Zahlen über Filmkritiken in der Presse: „73,9% der am Stichtag veröffentlichten Filmbetrachtungen waren rein referierende Filmbesprechungen, 24,3% Filmkurzbespre-chungen, ... und nur verschwindende 1,8% konnten der Filmkritik zuge-rechnet werden, der Stilform also, die als die Betrachtungsweise eines Films erstrebt werden sollte.“143

Einen Aufschwung nimmt die bundesdeutsche Filmkritik mit der Grün-dung der Zeitschrift Filmkritik im Jahr 1957. Zu ihren Autoren zählen Enno Patalas, Ulrich Gregor, Theodor Kotulla, Wilfried Berghahn u.a. In der Filmkritik finden sich im Vorfeld der Veröffentlichung des „Ober-hausener Manifests“ zahlreiche Forderungen an den neuen deutschen Film und die neue Filmkritik, so im Heft 3 von 1961, wo Berghahn und Patalas der „alten, herkömmlichen Filmkritik“ die „geforderte, neue Kritik“ gegenüberstellen. Die Intention aufzuklären und ein Verständnis von Publikum als nicht länger zu unterschätzender Größe im

141 Kracauer, Siegfried: Kino. Essays, Studien, Glossen zum Film. Hrsg. von Karsten Witte. Frankfurt/M., 1974, S. 11.

142 „Von Caligari zu Hitler“ statt „Von Caligari bis Hitler“ ist die korrekte und vom Autor intendierte Übersetzung. Das 1947 in den USA publizierte Werk liegt seit 1958 auf deutsch vor; erst in der von Karsten Witte 1978 edierten Ausgabe ist der Titel richtig übersetzt.

143 Rohde, Manfred: Echte Filmkritik eine Seltenheit. In: Presse und Film über Presse und Film. Wiesbaden, 1956, S. 76. Zit. nach Diederichs, Helmut: Anfänge deutscher Film-kritik. Stuttgart, 1986, S. 19.

kationsprozeß sind bei dieser neuen und „linken“ (so bezeichnen sie die Autoren) Filmkritik deutlich:

Tabelle 3: Gegenüberstellung der ‚neuen’ und der ‚alten’ Filmkritik

„Die herkömmliche, alte Kritik: Die geforderte, neue Kritik:

identifiziert sich mit dem Film, steht dem Film fordernd gegenüber,

betrachtet den Film als Anlaß, betrachtet den Film als Aufgabe,

betrachtet den Film als Erlebnis, verlangt vom Film ein Exempel, sieht den Film als Ganzheit, unterscheidet im Film

verschiedene Einflüsse, betrachtet den Film als

Einzelfall,

verweist auf die Geschichte des Films,

sieht den Film als autonomes Kunstwerk,

betrachtet den Film als

Ausdruck der Zeitströmungen, interessiert sich mehr für die

Form als für die Aussage,

interessiert sich mehr für die Aussage als die Form, sieht die Form als selbständige

Qualität,

sieht die Form als einen Aspekt der Aussage, interessiert sich nicht für die

Wünsche des Publikums,

interessiert sich lebhaft für die Wünsche des Publikums, hält das Publikum für

verständnislos, hält das Publikum für unverstanden,

betrachtet die Filmindustrie nur

als Traumfabrik, fragt, welche Beschaffenheit die Träume zeigen,

interessiert sich nicht für

unkünstlerische Filme, interessiert sich für jeden Film, sieht nur die ausdrücklichen,

sieht nur das Resultat, sieht auch die

Produktionsbedingungen, kritisiert nur den Film, kritisiert die Gesellschaft, aus

der der Film hervorgeht.“

Quelle: Patalas, Enno/Berghahn, Wilfried: Gibt es eine linke Kritik? In: Filmkritik.

Aktuelle Informationen für Filmfreunde. 5. Jg., H. 3/1961, S. 131-135.

Wilmont Haacke definiert ein Jahr später Filmkritik „...vor allem (als) eine journalistische Aufgabe, dann erst hat sie künstlerische Aufgaben zu erfüllen.“144 Im Vordergrund steht die publizistische Funktion, nämlich Öffentlichkeit herzustellen, zu informieren und dem Leser der Kritik eine Entscheidung zu ermöglichen, desweiteren zu bilden und zu unter-halten. Wolfram Schütte formuliert 1968 als Ziel der Filmkritik „... den Leser selbst zum potentiellen Kritiker des Films (und des Filmkritikers) zu machen.“145 Die hehren Ziele der Filmkritiker lassen sich aus dem tatsächlichen und nicht besonders erfreulichen Zustand der bundes-deutschen Filmindustrie und Filmkritik erklären. Bis heute sind die mei-sten in der Presse zu findenden Filmkritiken genau genommen Voran-kündigungen (d.h. der Redakteur hat den Film selbst noch gar nicht gesehen) oder Filmbesprechungen bzw. Filmbetrachtungen, die kaum über eine knappe Inhaltsangabe hinausgehen. Überwiegend beruhen sie auf PR-Material, wie Patrick Rössler nachweist.146 Zur Öffentlichkeits-arbeit der Filmverleihe zählen Pressevorführungen für ausgewählte Kritiker vor Bundesstart des Films und die Zusendung von Hochglanz-broschüren, in denen der Rezensent eine kurze und eine ausführliche Inhaltsangabe findet, Produktionsnotizen, Bio- und Filmografie von Regisseur und Schauspielern, positive Pressestimmen aus dem Ausland und Szenenfotos. Trotz der Fülle des Materials, das den Rezensenten zur Verfügung steht, sind die meisten der in der deutschen Tagespresse erscheinenden Kritiken genaugenommen Filmankündigungen und Kurz-besprechungen, in denen der Inhalt knapp referiert wird. Aber daß auf einen neuen Film in der Presse hingewiesen wird, ist schon ein PR-Erfolg der Filmverleihe.

Nur ein geringer Teil der Artikel, in denen es um Film geht, sind Film-kritiken im engeren, anspruchsvolleren Sinne. In ihnen lobt und tadelt der Redakteur, vergleicht und ordnet ein. Über die Aussagen zum Inhalt hinaus geht er auf einzelne Aspekte wie Regie, Kameraführung, Schnitt, Ton, Musik, Schauspieler, etc. ein. Diese Filmkritiken erscheinen regel-mäßig, sind länger, stützen sich auf unterschiedliche Quellen und sind in ihrem Urteil differenzierter. Welche Bedeutung der Filmkritik in einem

144 Haacke, Wilmont: Aspekte und Probleme der Filmkritik. Gütersloh, 1962, (= Rund-funk, Film, Fernsehen. Eine Schriftenreihe im Auftrage der Deutschen Gesellschaft für Film- und Fernsehforschung. Hrsg. von Hermann M. Görgen), S. 19.

145 Schütte, Wolfram: Maßstäbe der Filmkritik. In: Kritik – vom wem, für wen, wie. Eine Selbstdarstellung deutscher Kritiker. Hrsg. von Peter Hamm. München, 1968, (= Reihe Hanser, 12), S. 71.

146 Vgl. Rössler, Patrick: Erfolgsaussichten von Alltags-PR. Beispiel Filmverleih: Wie Pressematerial in die Berichterstattung einfließt. In: Public Relations Forum. H. 1/1996, S. 32-36.

Blatt zugemessen wird, ist neben dem Umfang und der Regelmäßigkeit des Erscheinens daran zu erkennen, wer Filme rezensiert. In der lokalen Tagespresse sind das häufig jüngere, „freie“ Mitarbeiter oder Volontäre.

In den überregionalen Prestigeblättern schreiben ältere, erfahrene, fest-angestellte Feuilletonredakteure oder „freie“, renommierte Filmkritiker über Filme. Gerade bei Holocaustfilmen vertrauen die Redaktionen der überregionalen Zeitungen und Zeitschriften den Experten: Filmwissen-schaftlern, Historikern, Philologen und Regisseuren, die zuvor Filme über den Holocaust gemacht haben.

Das zeigt, wie unterschiedlich die Berufsgruppe der Filmkritiker in Deutschland zusammengesetzt ist, und es führt zu der Frage, wer sich mit welcher Berechtigung „Filmkritiker“ nennen darf. Wie für alle publizistischen Tätigkeiten gilt, daß es keine vorgeschriebenen Ausbil-dungswege gibt. „Filmkritiker ist, wer sich als solcher erklärt“147, stellt Klaus Eder fest. Daß es nicht ganz so einfach ist, zeigen der kurze histo-rische Überblick und die dort zitierten Meinungen über Aufgaben des Filmkritikers. Diese verweisen auf Berufsauffassungen, die vom ober-sten Kunstrichter über den „neutralen“ Vermittler von Filminhalten bis zum Gesellschaftskritiker reichen. Wolf Donner charakterisiert fünf Typen: Das sind 1. die „O-Schreiber“, die aufgeregt, emotional, empha-tisch schreiben, ein verbales Feuerwerk zünden, das aber rasch abge-brannt ist. Überzeugungen werfen diese effekthascherischen Autoren für einen Gag, eine chique Formulierung sofort über Bord. Hauptsache der Text ist „hip und heiß, quick und schick, flippig, flapsig, floppy“, 2. die

„Gegen-Schreiber“, die Hohepriestern gleich ihre Sicht der Dinge ver-künden und die eigenen Ideen und Ideologien propagieren. Sie schreiben nicht über den Film, den sie gesehen haben, sondern über den, den sie gern gesehen hätten und propagieren schlecht getarnt ihre jeweiligen Ideologien, 3. die „PR-Schreiber“, „das sind die langweiligsten, über-flüssigsten und bequemsten Kritiker und folglich die Favoriten der Filmindustrie.“ Aufgrund fehlenden Fachwissens übernehmen sie das, was das PR-Material ihnen anträgt. Filmkritik betrachten sie als Dienst am Kunden, 4. die „In-Schreiber“, die sich mehr als Filmwissenschaftler denn als Filmkritiker sehen. Erfolgreiche Filme fordern sie zu langen Stellungnahmen heraus, die aber weniger für das Publikum bestimmt sind als für die anderen Cineasten, 5. die „Ich-Schreiber“, diese gehören zu einer neuen Generation von „Selbstdarstellungs-Akrobaten“, denen ihr eigener journalistischer Auftritt sehr viel wichtiger ist als der Film, den sie kritisieren sollen. „Die Artikel sind entsprechend glamourös und

„Gegen-Schreiber“, die Hohepriestern gleich ihre Sicht der Dinge ver-künden und die eigenen Ideen und Ideologien propagieren. Sie schreiben nicht über den Film, den sie gesehen haben, sondern über den, den sie gern gesehen hätten und propagieren schlecht getarnt ihre jeweiligen Ideologien, 3. die „PR-Schreiber“, „das sind die langweiligsten, über-flüssigsten und bequemsten Kritiker und folglich die Favoriten der Filmindustrie.“ Aufgrund fehlenden Fachwissens übernehmen sie das, was das PR-Material ihnen anträgt. Filmkritik betrachten sie als Dienst am Kunden, 4. die „In-Schreiber“, die sich mehr als Filmwissenschaftler denn als Filmkritiker sehen. Erfolgreiche Filme fordern sie zu langen Stellungnahmen heraus, die aber weniger für das Publikum bestimmt sind als für die anderen Cineasten, 5. die „Ich-Schreiber“, diese gehören zu einer neuen Generation von „Selbstdarstellungs-Akrobaten“, denen ihr eigener journalistischer Auftritt sehr viel wichtiger ist als der Film, den sie kritisieren sollen. „Die Artikel sind entsprechend glamourös und