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a Ausdrücklicher Ausschlussgrund bei Schein- Schein-ehe, Scheinverwandtschaftsverhältnissen

und Zwangsverheiratung

27.1a.1 § 27 Absatz 1a Nummer 1 normiert einen aus-drücklichen Ausschlussgrund für den Ehe-gattennachzug im Falle einer Scheinehe oder von Scheinverwandtschaftsverhältnissen, um den Anreiz hierfür zu mindern.

27.1a.1.1.0 Die formal wirksam geschlossene Ehe berech-tigt für sich allein nicht zum Ehegattennachzug.

Erforderlich ist vielmehr das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Eine eheliche Lebensgemeinschaft ist dann anzunehmen, wenn die Ehepartner erkennbar in einer dauer-haften, durch enge Verbundenheit und gegen-seitigen Beistand geprägten Beziehung zusam-menleben oder zusamzusam-menleben wollen. Vor-ausgesetzt ist somit eine Verbindung zwischen den Eheleuten, deren Intensität über die einer Beziehung zwischen Freunden in einer reinen Begegnungsgemeinschaft hinausgeht. Daneben vorliegende Motive bei der Eheschließung stel-len jedenfalls dann keine missbräuchliche Ehe i. S. d. § 27 Absatz 1a Nummer 1 dar, wenn gleichzeitig der Wille zu einer ehelichen Le-bensgemeinschaft im o. g. Sinn besteht.

27.1a.1.1.1 Zur Beweislastverteilung siehe Nummer 27.1.8.

Die Vorschrift des 27 Absatz 1a Nummer 1 än-dert hieran nichts.

27.1a.1.1.2 Die Ausländerbehörde bzw. Auslandsvertre-tung kann weitere Ermittlungen anstellen, wenn im konkreten Einzelfall tatsächliche An-haltspunkte dafür bekannt sind, dass zumindest

ein Ehegatte – entgegen seiner Aussage – keine eheliche Gemeinschaft herstellen will. Solche Anhaltspunkte können sich z. B. aus wider-sprüchlichen bzw. unschlüssigen Angaben bei der Antragstellung ergeben oder aus Erkennt-nissen, die bei der Behörde vorliegen (weitere Beispiele siehe unter Nummer 27.1a.1.1.7).

Verdachtsunabhängige durchgängige bzw. pau-schale Ermittlungen und „Stichproben“ sind nicht zulässig.

Die Ausländerbehörden können dabei gemäß

§ 86 – auch ohne Mitwirkung der Betroffenen (§ 3 BDSG) – im geeigneten und erforderlichen Umfang personenbezogene Daten erheben und den Ehepartnern die Beibringung geeigneter Nachweise aufgeben, die ihre Absicht belegen, eine familiäre Lebensgemeinschaft in Deutsch-land herzustellen. Die Sachverhaltsermittlung beschränkt sich nicht nur auf die Feststellung der familienrechtlichen Beziehung und das Vorhandensein einer gemeinsamen Meldean-schrift. Umgekehrt ist vorrangig unter Berück-sichtigung der Verdachtsmomente im Einzelfall nach Umständen außerhalb der engsten Privat-sphäre der Ehegatten zu fragen (z. B. Umstände des persönlichen Kennenlernens, Umstände der Hochzeit, Kenntnis über Familienverhältnisse des Ehegatten, gemeinsame Lebensplanung in Deutschland etc.). Unzulässig sind Fragen bzw.

Ermittlungen zur Intimsphäre der Ehegatten.

Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass die kon-krete Ausgestaltung einer Beistands- und Be-treuungsgemeinschaft im Einzelfall Angelegen-heit der Familienmitglieder ist; bei der Prüfung ist die Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte zu berücksichtigen. Ob eine familiäre Lebens-gemeinschaft im Sinne einer Beistands- und Betreuungsgemeinschaft vorliegt, kann nicht nur anhand der tatsächlichen Kontakte, son-dern auch anhand der wirtschaftlichen Gestal-tung des Zusammenlebens der Familienmit-glieder festgestellt werden. Hierbei kann eine Sachverhaltsermittlung insbesondere auch an-hand von Bankunterlagen (etwa gegenseitige Bevollmächtigung zum Zugang zu Konten oder gemeinsame Kreditaufnahme bei Ehegatten), sonstigen Vertragsunterlagen (bei gemein-samem Bezug von Wasser, Strom, Telekom-munikationsdienstleistungen etc. durch Ehe-gatten), Anhaltspunkten für die geteilte Über-nahme gemeinsamer Kosten (etwa ÜberÜber-nahme der Wohnkosten durch den einen Ehegatten und der Kosten für ein Auto oder der Kinder-betreuung durch den anderen Ehegatten) oder durch die Feststellung einer anderen Kosten-und Aufgabenverteilung innerhalb der Familie erfolgen. Aufgrund der vielfältigen Gestal-tungsmöglichkeiten der ehelichen Lebens-führung ist eine Beibehaltung der Trennung wirtschaftlicher Belange für sich genommen noch kein zwingender Beleg für eine Scheinehe;

umgekehrt ist aber die gemeinsame Wirt-schaftsführung ein Indiz, das zugunsten der Antragsteller für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu werten ist.

27.1a.1.1.3 Wird auf der Grundlage einer Scheinehe eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug beantragt, ist der Straftatbestand des § 95 Ab-satz 2 Nummer 2 erfüllt, so dass die Aus-länderbehörde ggf. eine entsprechende Strafan-zeige stellen kann, die weitere Ermittlungen der zuständigen Behörden nach sich zieht.

27.1a.1.1.4 Im Rahmen des Visumverfahrens erfolgt die Entscheidungsfindung im Regelfall in enger Abstimmung mit der zuständigen Auslands-vertretung. Das gilt insbesondere für die Pro-gnose über die Absicht der Ehepartner, eine fa-miliäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet herstellen zu wollen. In diese Prognose sind sowohl die (im Ausland) gewonnenen Er-kenntnisse der Auslandsvertretung als auch die (im Inland) gewonnenen Erkenntnisse der Ausländerbehörde einzubeziehen. Dies kann insbesondere in Form einer zeitgleichen (ggf.

schriftlichen), getrennten Befragung des Stammberechtigten und des Ehegatten in der Ausländerbehörde bzw. der Auslandsvertre-tung, ggf. unter Beiziehung eines Dolmetschers, erfolgen.

27.1a.1.1.5 Nach Abschluss der Sachverhaltsermittlungen bzw. Befragungen ist im Rahmen einer Ge-samtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland beabsich-tigt ist, oder ob feststeht, dass es sich aus-schließlich um eine missbräuchliche Ehe-schließung nach § 27 Absatz 1a handelt.

27.1a.1.1.6 Umstände, die u. a. für die beabsichtigte Her-stellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft sprechen können:

– gemeinsame Wohnung steht zur Verfügung und soll bewohnt werden,

– Ehepartner kennen sich bereits länger und machen hinsichtlich ihrer Personalien und sonstiger für die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft entscheidender sowie beide Partner betreffender persönlicher Umstände im Wesentlichen übereinstim-mende Angaben,

– Ehepartner haben bereits vor der Ehe-schließung zusammengelebt,

– gegenseitige Besuche und andere nach-weisbare Kontakte, während ein Ehegatte im Inland, der andere im Ausland wohnt, angemessene Beiträge der Ehepartner zu den Verpflichtungen aus der Ehe sind ge-plant (z. B. Betreuung von Kindern, des Haushalts, Sicherung der finanziellen Grundlage der Ehe durch Arbeitsverhältnis eines oder beider Ehepartner/s),

– sonstige gemeinsame Lebensplanung ist er-kennbar,

– Zahlung von Unterhaltsleistungen eines Ehepartners an den anderen.

27.1a.1.1.7 Umstände, die u. a. vermuten lassen, dass trotz formal geschlossener Ehe keine Herstellung

einer familiären Lebensgemeinschaft in Deutschland beabsichtigt ist:

– Ehepartner sind sich vor ihrer Ehe nie oder nur auffallend kurz begegnet,

– Ehepartner machen widersprüchliche An-gaben zu ihren jeweiligen Personalien (Name, Adresse, Staatsangehörigkeit, Be-ruf), den (objektivierbaren) Umständen ih-res Kennenlernens oder sonstigen sie be-treffenden wichtigen persönlichen Infor-mationen. (Hinweis: Unter „wichtigen persönlichen Informationen“ sind nur An-gaben außerhalb der Intimsphäre zu ver-stehen, die für beide Ehepartner und die ge-plante Herstellung einer Lebensgemein-schaft von wesentlicher Bedeutung sind.

Gemeint sind nicht Gewohnheiten der Le-bensführung eines Ehepartners, die für die Herstellung einer Lebensgemeinschaft ohne ausschlaggebende Relevanz sind oder deren Kenntnis erst bei Bestehen einer lang-jährigen ehelichen Lebensgemeinschaft ver-nünftigerweise erwartet werden kann), – Ehepartner sprechen keine für beide

ver-ständliche Sprache und es gibt auch keine erkennbaren Bemühungen zur Herstellung einer gemeinsamen Kommunikationsbasis, – für das Eingehen der Ehe wird ein

Geld-betrag an den Ehegatten übergeben (abge-sehen von im Rahmen einer Mitgift über-gebenen Beträgen bei Angehörigen von Drittländern, in denen das Einbringen einer Mitgift in die Ehe oder das Übergeben eines Geldbetrages an die Eltern gängige Praxis ist),

– Fehlen einer Planung über eine angemessene Verteilung der Beiträge der Ehepartner zu den Verpflichtungen aus der Ehe,

– Fehlen einer sonstigen gemeinsamen Le-bensplanung oder erhebliche Abweichun-gen in diesem Punkt (möglicher Rück-schluss auf mangelnde Kommunikation und persönlichen Austausch zwischen den Ehe-leuten),

– es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein oder beide Ehegatte/n schon früher Scheinehen eingegangen ist/sind oder sich unbefugt bzw. im Rahmen eines Asylantrags in einem EU-Mitgliedstaat aufgehalten hat/

haben (erkennbare Absicht, einen Aufent-halt zu begründen, auch unabhängig vom Ehepartner).

27.1a.1.1.8 Die Beurteilung richtet sich nach den Um-ständen des Einzelfalls und dem ortsüblichen Verständnis von der Ehe. Hieraus kann sich auch ergeben, dass einer der genannten Um-stände für die Prognose nicht erheblich ist oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Gleich-zeitig können sich aus kulturellen Besonder-heiten weitere Kriterien schlussfolgern lassen, die für die Prognoseentscheidung im Einzelfall herangezogen werden können. In Bezug auf die in verschiedenen Herkunftsländern

vorkom-menden so genannten „arrangierten Eheschlie-ßungen“ (zum Begriff vgl. Nummer 27.1a.2.1) ist zu berücksichtigen, dass bei der persönlichen Vorsprache des Antragstellers insoweit Fragen nach näherer Kenntnis der jeweiligen familiären und sozialen Lebensumstände naturgemäß für sich kaum geeignet sind, um auf das Vorliegen einer aufenthaltsrechtlichen Scheinehe zu schließen. In diesen Fällen ist stattdessen abzu-stellen auf Anhaltspunkte für eine Absicht, sich ein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland zu verschaffen (beispielsweise mehrere Vorehen oder unerlaubte Aufenthalte im Schengen-Ge-biet des in Deutschland lebenden Ehegatten), Fragen nach Einzelheiten des persönlichen bzw.

Familientreffens zur Vermittlung der Ehe bzw.

zur Kenntnis über die Familie des Ehepartners, Fragen zu Vorkehrungen für die tatsächliche Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nach Zuzug ins Bundesgebiet, Fragen zur per-sönlichen Lebensplanung in Bezug auf das ehe-liche Zusammenleben nach der Eheschließung und Fragen zu Vereinbarungen der Familien bei der Ehevermittlung, welche als auf die erfolg-reiche Herstellung der Lebensgemeinschaft ge-richtet erscheinen.

27.1a.1.1.9 Ggf. kann die Ausländerbehörde bei ver-bleibenden Zweifeln, die (noch) nicht die Ver-sagung des Aufenthaltstitels rechtfertigen, nach dem Zuzug zunächst eine kurz befristete Auf-enthaltserlaubnis erteilen, um anlässlich der Verlängerung das tatsächliche Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland festzustellen (siehe zur Dauer der Aufenthalts-erlaubnis Nummer 28.1.6 und 30. 0. 11).

27.1a.1.2 § 27 Absatz 1a Nummer 1, 2. Alternative stellt klar, dass ein Recht auf Kindernachzug von vornherein nicht besteht, wenn das zugrunde liegende Verwandtschafts- bzw. Kindschafts-verhältnis keinem anderen Zweck dient, als dem Kind zu einem Aufenthaltsrecht in Deutsch-land zu verhelfen. Damit soll Formen des

„Handelns“ mit Kindern aus so genannten Ar-mutsregionen entgegengewirkt werden. In Fäl-len von Visumanträgen zum Nachzug von im Ausland adoptierten (ausländischen) Kindern ist zunächst die zivilrechtliche Vorfrage zu prüfen, ob die Auslandsadoption anerken-nungsfähig ist (vgl. hierzu Nummer 28.1.2.1).

Im Fall der Anerkennung ist aufenthalts-rechtlich zu prüfen, ob ausnahmsweise eine den Nachzug ausschließende so genannte Schein-adoption i. S. d. § 27 Absatz 1a gegeben ist. Dies ist nicht der Fall, wenn das Ziel der Adoption die Begründung einer Eltern-Kind-Beziehung und das Zusammenleben in einer Familie ist, und der Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet günstiger sind als im Her-kunftsland, unter Umständen eines der Motive, aber nicht das alleinige Motiv der konkreten Adoption darstellt.

27.1a.1.3 Auf ein durch missbräuchliche Vaterschaftsan-erkennung begründetes Kindschaftsverhältnis ist § 27 Absatz 1a Nummer 1 ebenfalls

an-wendbar. Allerdings ist grundsätzlich das Ver-fahren der behördlichen Anfechtung nach

§ 1600 Absatz 1 Nummer 5 BGB zu beachten, welches durch die ausländerrechtlichen Rege-lungen der §§ 79 Absatz 2, 87 Absatz 6 und 90 Absatz 5 flankiert wird (vgl. Nummer 79.2, 87.6 sowie 90.5). Danach besteht für – von den Ländern zu bestimmende – Behörden ein Recht zur Anfechtung einer Vaterschaftsanerkennung vor dem Familiengericht, wenn sie den be-gründeten Anfangsverdacht haben, dass der Anerkennende nicht der biologische Vater ist und zwischen ihm und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung (Verantwortungsgemein-schaft) besteht oder im Zeitpunkt der Aner-kennung oder des Todes des Anerkennenden bestanden hat, und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden (§ 1600 Absatz 1 Nummer 5, Absatz 3 BGB).

Das Anfechtungsrecht gilt auch für die im Ausland erfolgte Anerkennung von Vater-schaften ohne sozial-familiären Bezug. An-hängige Verfahren auf Erteilung oder Ver-längerung eines Aufenthaltstitels hat die Aus-länderbehörde bzw. Auslandsvertretung ab Eingang einer Mitteilung nach § 87 Absatz 6 oder ab Abgabe ihrer Mitteilung nach § 90 Ab-satz 5 bis zur Entscheidung der anfechtungsbe-rechtigten Behörde bzw. im Fall der Klageer-hebung bis zur Rechtskraft der familienge-richtlichen Entscheidung über die Anfechtung grundsätzlich auszusetzen (§ 79 Absatz 2 Nummer 2, siehe hierzu Nummer 79.2). Die von dem Familiengericht im Anfechtungsver-fahren nach § 1600 Absatz 3 BGB getroffene Entscheidung über das Bestehen der Vaterschaft ist für die aufenthaltsrechtliche Entscheidung maßgeblich. Eine hiervon abweichende Ent-scheidung nach § 27 Absatz 1a Nummer 1 ist nicht zulässig. Teilt die anfechtungsberechtigte Behörde hingegen mit, keine Anfechtungsklage zu erheben, und hält die Ausländerbehörde bzw. Auslandsvertretung ihre Bedenken weiter aufrecht, so bleibt – im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung – bei ernsthaften Zweifeln eine Gegenvorstellung bei der anfechtungsbe-rechtigten Behörde und in eng gelagerten Aus-nahmefällen eine Entscheidung nach § 27 Ab-satz 1a Nummer 1 möglich. Dies kommt ins-besondere in Betracht, falls die Mitteilung der anfechtungsberechtigten Behörde keine sach-liche Begründung bzw. Auseinandersetzung mit dem Anlassfall erkennen lässt. Dann kann beispielsweise trotz der Tatsache, dass das Kind aufgrund der missbräuchlichen Vaterschaftsan-erkennung die deutsche Staatsangehörigkeit er-worben hat, der Mutter, die mit dem aner-kennenden Mann kollusiv zusammengearbeitet hat, um sich und dem Kind den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, die Aufenthalts-erlaubnis versagt werden.

27.1a.2.1 Nach § 27 Absatz 1a Nummer 2 ist ein Fami-liennachzug auch dann nicht zuzulassen, wenn

tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme einer Zwangsverheiratung vorliegen (siehe hierzu, insbesondere auch zum Begriff der Zwangsverheiratung Nummer 27.1.6). Keine Zwangsverheiratung i. S. v. § 27 Absatz 1a Nummer 2 liegt im Fall so genannter arran-gierter Ehen vor, welche als traditionelle soziale Form von Eheschließungen in verschiedenen Herkunftsländern vorkommen. Bei diesen ist in Abgrenzung von der Zwangsehe wesentlich, dass trotz der vorherigen familiären Abspra-chen und meist nur kurzer vorheriger Be-gegnung der Verlobten (oft im Beisein der Fa-milie) die Betroffenen den empfohlenen Ehe-gatten letztlich auch „ablehnen“ können, d. h.

es wird eine freiwillige Entscheidung zur Ehe-schließung getroffen. Diese Form von arran-gierter Eheschließung ist damit ungeachtet ihres vermittelten Zustandekommens und unter Umständen überwiegend anderer Motive auch auf die freiwillige Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft gerichtet und somit auf-enthaltsrechtlich schutzwürdig. Insbesondere die Abgrenzung zwischen arrangierter Ehe-schließung und Zwangsehe kann im Einzelfall schwierig sein und verlangt eine sorgfältige Er-mittlung und Bewertung aller gegebenen Um-stände. Bei den (getrennten) Befragungen, die durchgeführt werden sollten, ist stets darauf zu achten, dass auf Opfer von Zwangsehen kein physischer und/oder psychischer Druck durch das familiäre Umfeld ausgeübt wird, und daher insbesondere keine weiteren Personen aus dem familiären Umfeld der Betroffenen anwesend sein dürfen. Erfahrungsgemäß wird es häufig zu widersprüchlichen Aussagen der Betroffenen bei der Frage kommen, ob sie zur Eingehung der Ehe gezwungen wurden. Dies kann einer-seits auf eine Verunsicherung der Betroffenen über ihre eigenen Gefühle, andererseits auch darauf zurückzuführen sein, dass Opfer von Zwangsverheiratungen massiv unter Druck ge-setzt werden.

27.1a.2.2 Nach § 27 Absatz 1a Nummer 2 genügen für die Versagung des Aufenthaltstitels tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zwangsverheiratung.

Damit wird auch der menschenrechtliche Schutz der Betroffenen berücksichtigt. Das Er-fordernis tatsächlicher Anhaltspunkte im Ein-zelfall schließt jedoch aus, das Vorliegen des Versagungsgrundes aufgrund bloßer Vermu-tungen oder Hypothesen oder in systematischer Weise auf Verdacht zu prüfen.

27.2 Herstellung und Wahrung einer