• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Therapietreue: Unterstützung per Smartphone-App" (06.03.2015)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Therapietreue: Unterstützung per Smartphone-App" (06.03.2015)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 430 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 112

|

Heft 10

|

6. März 2015

THERAPIETREUE

Unterstützung per Smartphone-App

Mangelnde Therapietreue ist ein großes, aber kein neues Problem. Die Charité rückt ihm nun per Smartphone zu Leibe.

Ein Ansatz mit Potenzial für den Praxisalltag.

J

eder praktizierende Arzt kennt die Situation: Kaum hat der Patient die Praxis verlassen, wird die konsequente Medikamentenein- nahme zur Herausforderung – aller eindringlichen Worte zum Trotz.

Die Konsequenzen sind fatal: 50 Prozent der Medikamente werden nicht verschreibungsgemäß einge- nommen (1), alleine in Europa ist schlechte Adhärenz jährlich für 200 000 Todesfälle mitverantwort- lich (2).

Zwar informieren und kommuni- zieren viele Ärzte bereits adhärenz- orientiert und schaffen so mit dem aufgeklärten Patienten eine wichti- ge Grundvoraussetzung für hohe Therapietreue, doch außerhalb der Praxis lauert der Alltag: Unregel- mäßige Tagesabläufe, Motivations- löcher oder schlichtes Vergessen unterminieren auch beim vorbild-

lichsten Patienten die Adhärenz.

Rund um die Uhr als Coach zur Verfügung zu stehen, ist für den Arzt nicht leistbar. Nun schickt sich das Smartphone an, diese Lücke zu schließen.

Bis vor Kurzem galt: Die Gruppe der – größtenteils älteren – chro- nisch Kranken nutzt bestenfalls ver- einzelt Smartphones. Dass diese Ansicht überholt ist, zeigt nicht nur der Blick ins Wartezimmer: 2014 nutzte bereits die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ein Smartphone. Eine stark wachsende

Verbreitung besonders bei älteren Bevölkerungsgruppen treibt dieses Wachstum weiter an (3): Knapp die Hälfte der Altersgruppe 50 bis 64 nutzte letztes Jahr bereits ein sol- ches Gerät (4). In der Altersgruppe 65+ waren es 17 Prozent, nach le- diglich sieben Prozent im Jahr 2013. Und: Jeder Nutzer verbringt am Tag mehr als zwei Stunden mit seinem Smartphone. Da scheint es naheliegend, diese hohe Aufmerk- samkeit zu nutzen: Medikamenten- erinnerungen führen zu weniger verpassten Einnahmen. Die Vortei- le gegenüber Zukunftstechnologien wie etwa sensorgespickten Pillen:

Die Geräte sind in der Masse vor- handen, akzeptiert und vor allem einfach zu bedienen.

Pilotstudie mit älteren Patienten

Die technischen Bedürfnisse älterer Patientengruppen sind seit Langem ein Forschungsschwerpunkt an der Berliner Charité. Die in der For- schungsgruppe Geriatrie angesie- delte Arbeitsgruppe Alter & Tech- nik ist die größte ihrer Art in

Foto: smartpatient

Ein Therapieassistent für den Patient . . .

Aufbereitung der Therapie als Aufgabenliste mit Medikamenten, Aktivitäten und Messungen

Erinnerungen sichern pünktliche Einnahme von Medikamenten

Dokumentation und Visualisierung von Einnahmen, Messwerten etc. im integrierten Gesundheitstagebuch

. . . und ein Therapieassistent für den Arzt

Verbesserung der Betreuung außerhalb der Praxis

Selbsterklärende Anwendung ohne Mehraufwand für den Praxisalltag

Bessere Transparenz für das Patientengespräch durch Gesund- heitsbericht mit Adhärenz, Mess- werten etc.

FUNKTIONEN DES ASSISTENTEN

S O N D E R S E I T E N P R A X i S

(2)

A 432 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 112

|

Heft 10

|

6. März 2015 Deutschland. Unter Leitung von

Prof. Dr. med. Elisabeth Steinha- gen-Thiessen initiierte diese im Frühjahr 2014 eine Pilotstudie zum digitalen Therapieassistenten für äl- tere Patienten. In der Münchner Fir- ma smartpatient fand die Charité einen Technologiepartner (www.

smartpatient.eu). Mit der App „My- Therapy“ brachte das Unternehmen eine auf die Bedürfnisse von häufig multimorbiden chronisch Kranken optimierte Lösung mit:

Die Anwendung erinnert, doku- mentiert und motiviert, und das nicht nur bei der Einnahme von Medikamenten, sondern auch bei Vitalwerten und Symptomen. Über einen integrierten Gesundheitsbe- richt können Patienten ihrem Arzt schnell einen Überblick über den Therapiefortschritt geben. Durch die Einbindung in das Arzt-Patien- ten-Gespräch ist die App nicht nur ein „Medikamentenwecker“, son- dern unterstützt die Patienten dau- erhaft beim Übergang in einen ge- sünderen Lebenswandel. Für die Pi-

lotstudie wurde die App an die spe- zifischen An forderungen der Chari- té angepasst (Kasten).

Verbesserung der Adhärenz, gesteigertes Wohlbefinden

Die Auswertung der Pilotstudie be- stätigt das Potenzial des Ansatzes:

Die 30 Teilnehmer – allesamt mul- timorbide Patienten, 60 Jahre oder älter, größtenteils mit Diabetes und koronarer Herzkrankheit – bewer- teten die Unterstützung durch die App sehr positiv. Mindestens so wichtig: Die Forscher um Studien- leiter Marten Haesner konnten nicht nur eine statistisch signifi- kante Verbesserung der Adhärenz, sondern auch ein gesteigertes psy- chisches Wohlbefinden (gemessen nach SF-36) beobachten. Gemein- sam mit smartpatient sollen die Forschungsarbeiten jetzt auf einen längeren Beobachtungszeitraum und auf eine größere Fallzahl aus- gedehnt werden.

Parallel setzt die Charité die MyTherapy-App in der Lipid-Am-

bulanz im Regelbetrieb ein, um den Zeiteinsatz im Praxisalltag weiter zu minimieren. Denn über das tatsächliche Potenzial ent- scheidet am Ende nicht nur die er- zielte Verhaltensänderung beim Patienten, sondern auch die Ak- zeptanz in der vom zeitlich knap- pen Arztalltag bestimmten Ärzte-

schaft.

Anika Steinert, Julian Weddige

LINKS

1. http://whqlibdoc.who.int/publicati- ons/2003/9241545992.pdf

2. http://abcproject.eu/index.php?page=publi- cations

3. www.emarketer.com/Article/Smartphones- All-Rage-Germany/1010942

4. www.millwardbrown.com/adreaction/

2014/report/Millward-Brown_AdReacti- on-2014_Global.pdf

Mit dem Handy die Adhärenz steigern – funktioniert das?

Steinhagen-Thiessen: Wir sind überzeugt, dass die Therapietreue durch Technik gestei- gert werden kann. Eine Studie aus Großbritan- nien konnte bei der Nutzung einer Smartphone- App einen positiven Effekt bei der Asthmathe- rapie nachweisen. In einer Pilotstudie mit 30 Senioren konnten wir zeigen, dass die Medika- mentenadhärenz durch die Nutzung der App

„MyTherapy“ gesteigert werden konnte. Die Langzeitmotivation von Senioren zur Nutzung der App und damit zur Steigerung der Thera- pietreue wird in einer weiterführenden Studie untersucht.

Kommen ältere Patienten mit einer App wie „MyTherapy“ überhaupt zurecht?

Steinhagen-Thiessen: Es gibt immer mehr Senioren mit einer hohen Technikbereitschaft und einer hohen Affinität, neue technische Systeme zu erlernen. Der Zugang erfolgt häu- fig über die Kinder und Enkelkinder. Diese er- klären Funktionen der neuen Technik und üben

diese zusammen ein. Vor allem für ältere Men- schen, die nicht mit der Technik aufgewachsen sind oder im Berufsleben damit konfrontiert wurden, sind Gebrauchsanleitungen, auf die immer häufiger vonseiten der Hersteller ver- zichtet wird, notwendig.

Wie verändert sich die Rolle des Arztes?

Steinhagen-Thiessen: Für den Arzt ist es da- durch leichter, einen umfangreichen Überblick auch über die einzelnen Besuchstermine hi- naus von seinem Patienten zu bekommen. Der Arzt ist durch die Berichte der App nicht aus- schließlich auf die subjektiven Angaben des Patienten angewiesen, sondern kann sich selbst ein Bild von der Einhaltung der ver- schriebenen Therapien machen und die Ergeb- nisse mit seinem Patienten diskutieren. Für den Arzt ist es somit leichter nachzuvollziehen, warum gegebenenfalls bestimmte Therapien nicht eingehalten wurden. Auf dieser Grundla- ge kann er zusammen mit dem Patienten ei- nen für den Senior geeigneten und realisti- schen Therapieplan erstellen.

Funktioniert das auch im zeitknappen Praxisalltag?

Steinhagen-Thiessen: Dies funktioniert im Praxisalltag nur, wenn dem Arzt ein kurzer und auf die wichtigsten Daten begrenzter Bericht vorliegt. Aufgrund der zeitlichen Begrenzung müssen die wichtigsten Daten für den Arzt so- fort erkennbar sein, ohne dass ein langes Stu- dieren des Berichtes notwendig ist. Zudem müssen die Daten leicht abrufbar sein, so dass entweder der Senior selbst den Bericht zu Hau- se ausdrucken und seinem Arzt vorlegen kann oder die Daten von medizinischem Personal einfach abgerufen werden können. Die „MyThe- rapy“-App ermöglicht dem Arzt, eine kompri- mierte Ansicht der Werte des Patienten einzuse- hen, während der Senior selbst eine umfangrei- chere Übersicht seiner Daten abrufen kann. Ziel ist es, einen aufgeklärten und mitarbeitenden Patienten zu haben und somit die Compliance der Senioren zu erhöhen.

4 FRAGEN AN . . .

Prof. Dr. med. Elisabeth Steinhagen-Thiessen, Leiterin der Forschungsgruppe Geriatrie der Charité

S O N D E R S E I T E N P R A X i S

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ab dem zweiten Termin kann dann der Verband (beispielsweise nach Nr. 200 oder 204 GOÄ) nicht mehr in Rechnung gestellt werden. Die Auslagen für den Verband sind jedoch

Nach Auffassung des BGH bedarf jeder Verkehr mit Betäubungsmitteln nach § 3 BtMG einer Erlaubnis. Ein Arzt kann sich nicht dadurch von dieser Erlaubnispflicht befreien, dass er

Der Bundesbeauftragte für den Daten- schutz forderte für diese Fälle eine Begrenzung auf Ärzte, die forsch- ten, aber auch die Patienten be- handeln würden.. Die Forscher, die

Leider wissen wir natür- lich auch nicht, welches eine Patentlösung für unser krän- kelndes Gesundheitswesen sein könnte, es schmerzt aller- dings schon, wenn die

Von den großen Kliniken wird der Zustand des Patienten bei der Ent- lassung jetzt als „klinische Be- handlung nicht mehr

Zumindest die Juristen und Medizinrechtler sind sich in Cadenabbia einig: Zwischen Arzt und Patient besteht zwar ein Dienstvertrag, der Arzt ist jedoch weder ein Dienstlei- ster,

Steinhagen-Thiessen: Die Ursachen für eine stationäre Aufnahme alter Men- schen schleichen sich vielfach langsam ein und haben auch eine psychosoziale Komponente.. Viele

So konstituiert sich im Arzt-Patien- ten-Verhältnis eine asymmetrische Beziehung zwischen dem Patienten als Experten für sein individuelles Kranksein und dem Arzt als Exper- ten für