Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 47|
21. November 2014 A 2051 ARZT-PATIENTEN-KOMMUNIKATIONKein „alter Hut“
Kassenärztliche Bundesvereinigung und Bundesärztekammer wollen das ärztliche Gespräch neu aufwerten und gemeinsam verstärkt in den Fokus stellen.
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it unseren Patienten spre- chen – das können wir doch, meinen nicht wenige Ärztinnen und Ärzte. Workshops und Fortbildun- gen zur Arzt-Patienten-Kommuni- kation sind für sie mehr oder weni- ger „alte Hüte“ und höchstens für Medizinstudierende relevant. Auf die Bedeutung des wiederholten Trainings eines guten Arzt-Pa - tienten-Gesprächs wiesen jetzt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Bundesärztekam- mer (BÄK) mit ihrer Kooperations- tagung „Therapie: Gespräch“ am 8. November in Berlin hin.Die beiden Organisationen sind sich einig: Gerade weil die Kom- munikation zwischen Arzt und Pa- tient zur alltäglichen Tätigkeit von Ärzten gehört, müssen Kommuni- kationstrainings in der Aus-, Wei- ter- und Fortbildung vermehrt ver- ankert werden. „Gute Kommunika- tion entspricht den Erwartungen von Patienten und Patientinnen und dem beruflichen Selbstverständnis von Ärztinnen und Ärzten“, betonte Dr. med. Max Kaplan, Vizepräsi- dent der Bundesärztekammer und Präsident der Bayerischen Landes- ärztekammer. Dennoch bestehe zu- nehmend die Gefahr, dass Ärzte aus dieser zentralen Rolle heraus - gedrängt würden. Dazu trage die Technisierung und Spezialisierung in der Medizin bei, aber auch Zeit- mangel und Fehlanreize durch die Vergütungssysteme.
Ärztliche Haltung zählt
Für den langjährigen Hausarzt ist Kommunikation zudem weit mehr als nur ein Erlernen von Kommuni- kationstechniken: „Es ist eine Frage der ärztlichen Haltung gegenüber dem Patienten und den Mitgliedern des Behandlungsteams“, betonte er.
Diese Haltung müsse in der ärztli-
chen Aus-, Weiter- und Fortbildung ebenso vermittelt werden wie die reinen Kommunikationstechniken.
Während früher das Gespräch zwischen Arzt und Patient neben der körperlichen Beobachtung und Untersuchung das wichtigste, manch- mal das einzige diagnostische Mit- tel dargestellt habe, sei es mit dem technischen Fortschritt zunehmend in den Hintergrund getreten, analy- sierte Dr. med. Bernhard Gibis von der KBV. Dennoch sei das Ge- spräch mit den Patienten auch heute noch eine wesentliche Vorausset- zung für den Erfolg einer Therapie.
Deshalb gelte es, dieser Entwick- lung entgegenzutreten: „In einer Zeit, in der sehr viele Patienten ihre Symptome erst einmal googeln, be- vor sie in der Praxis ankommen, brauchen wir mehr denn je kommu- nikativ geschulte und fähige Ärzte, die die Dinge einordnen und erklä- ren“, betonte er.
Die entsprechenden Fähigkeiten dazu sollten nicht nur einmalig im Studium erlernt werden. Da sie vielmehr immer wieder geübt und weiterentwickelt werden müssten, habe die KBV aktuell eine Check- liste zur Arzt-Patienten-Kommuni- kation entwickelt, berichtete Gibis.
Zudem setze sie sich derzeit im Zu- ge der Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs dafür ein, der sprechenden Medizin auch in der Vergütung den Stellenwert einzu- räumen, der ihr gebühre.
Im Medizinstudium habe das Thema Kommunikation bereits seit einigen Jahren eine Art Renaissance erlebt, erklärte Prof. Dr. med. Ste- fan Wilm, Hausarzt und Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Düssel- dorf. Die Universitäten legten – ins- besondere in den Modell- oder Re- formstudiengängen – verstärkt Wert darauf, dass die Studierenden früh- zeitig mit Patienten in realen All- tagssituationen in Kontakt kommen und in entsprechenden Trainings kommunikative Kompetenz erwer- ben. Dabei wies er auch auf die un- terschiedliche Kommunikation von Spezialisten und Hausärzten mit ih- ren Patienten hin. „Auch die Ent- scheidungsfindung ist unter Um- ständen anders“, sagte er. Wichtig sei es jedoch für alle Ärzte, empa- thisch zuhören, vermitteln und er- klären zu können.
Gemeinsame Entscheidungen
„Die Sachebene ist nur die Spitze des Eisbergs“, meinte auch die Psy- chologin Dr. phil. Corinna Bergelt vom Institut für Medizinische Psy- chologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Sie unterstrich die Bedeutung einer guten Arzt- Patienten-Beziehung für eine par - tizipative Entscheidungsfindung.
Diese sei sinnvoll, wenn es mehrere gleichwertige Therapieoptionen ge- be, die aber eventuell unterschiedli- che Konsequenzen für das Leben des Patienten haben könnten. Vo- raussetzung sei auch, dass der Pa- tient eine aktive Beteiligung wün- sche. Dies sei Studien zufolge aber bei der Mehrzahl der Patienten
der Fall.
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Empathie trotz
Routine: Die Minu- ten des Gesprächs mit dem Arzt sind für den Patienten oft das Wichtigste beim Arztbesuch.
Foto: mauritius images