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Archiv "Arzt-Patienten-Beziehung: Auf die Sprache achten" (17.10.2008)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 42⏐⏐17. Oktober 2008 A2239

F

ür den Arzt sollte der Patient im Mittelpunkt stehen – mit allen seinen Ängsten und Befürch- tungen, mit seinen Hoffnungen und Wünschen. Die Realität sieht zu- weilen anders aus. Immer wieder kommt es vor, dass der Arzt dem Pa- tienten einen Monolog über seine Erkrankung hält – zu allem Über- fluss in der medizinischen Fach- sprache, die der Patient in der Regel nicht versteht.

Fatale Auswirkungen zeitigt die- ser kommunikative Fauxpas, wenn der Patient in einer schwierigen La- ge ist: Der eine ist ganz und gar mit

„seiner“ Krankheit beschäftigt, rea- giert aggressiv oder hat ein überstei- gertes Bedürfnis nach Zuspruch.

Der andere verharmlost selbst die bedrohlichsten Symptome. Der Drit- te wiederum reagiert überängstlich.

Kurz: Der Patient befindet sich in einer Extremsituation und ist über- empfindlich.

In dieser Situation legt der Patient die Worte des Arztes auf die Gold- waage. Der Gynäkologe Dr. med.

Erwin Göckeler-Leopold erläutert:

„Natürlich stehen gerade werdende Eltern unter großem Druck. Wenn ich dann bei einem Problem mit ba- gatellisierenden Floskeln wie ‚Ist doch alles nur halb so schlimm‘ da- herkomme, verunsichere ich vor al- lem die Patientin.“ Der Arzt mit einer Praxis im nordrhein-westfälischen Geseke achtet dann noch mehr auf seine Sprache, als er dies ohnehin tut und vermeidet sogenannte Minus- wörter oder Minussätze, wie bei- spielsweise „Ich habe Ihnen doch be- reits gesagt, dass . . .“ oder „Sie müs- sen endlich verstehen, dass . . .“.

Wenn diese Minussätze mit hefti- gem Kopfschütteln oder einer ab- wertenden Handbewegung einher- gehen, ist das so wichtige Vertrau- ensverhältnis zwischen Patient und Arzt endgültig zerstört. Besser ist

S T A T U S

es, positive Satzanfänge zu wählen:

„Sie können sich darauf verlassen, dass . . .“ Ein begleitendes Kopf- nicken und ein optimistischer Ge- sichtsausdruck nehmen der Patien- tin zusätzlich die Angst.

Zum Glück lässt sich so gut wie je- der Sachverhalt positiv ausdrücken.

Angenommen, eine Patientin erzählt dem Arzt eine recht hanebüchene Ge- schichte: „Ich habe gelesen, dass man während der Schwangerschaft unbe- dingt . . .“ Offensichtlichen Unsinn könnte der Arzt leicht mit einer Aus- sage kontern wie „Das entspricht nicht den Tatsachen“. Dem ist zwar auch so, allerdings würde die emp- findliche Patientin auch noch der Lüge bezichtigt. Darum wäre es wohl einfühlsamer und auch zielführender zu formulieren: „Das höre ich jetzt zum ersten Mal. Meiner Erfahrung nach sollten Sie diesen Ratschlag nicht befolgen, weil . . .“

Frauenarzt Göckeler-Leopold be- tont: „Ich überlege stets, was meine Äußerungen im Kopf der Patientin, zumal wenn sie erheblich unter Druck steht, älter ist oder sehr ängst- lich, auslösen und bewirken können.“

Eine Aufforderung wie „Frau X, Sie müssen Folgendes tun . . .“ mag vom Arzt gar nicht besserwisserisch ge- meint sein. Es liegt sicher auch nicht in seiner Absicht, die Patientin zu verunsichern. Aber: In der hochsensi- blen Wahrnehmung einer ängstlichen schwangeren Frau läuft vielleicht fol- gendes Szenario ab: „Wieso muss ich das tun? Was passiert, wenn ich es nicht befolge? Warum betont er diese Notwendigkeit überhaupt so? Besteht etwa eine Gefahr, und er will mich nur nicht beunruhigen?“

Ironie und Anklage vermeiden Dies mag ein übertriebenes Beispiel sein, zeigt aber doch die sprachliche Sensibilität, ja Virtuosität, die Ärzte gerade im Umgang mit Patienten an den Tag legen sollten, die sich in ei- ner schwierigen Situation befinden.

Zu vermeiden sind überdies sprach- liche Unarten, wie beispielsweise

>die unzulässige Verallgemeine- rung („das ist doch bei jeder Schwangerschaft so“)

>die moralische Anklage („Sie hätten eben früher kommen müs- sen!“) und auch

Foto:fotolia [m]

Der Arztbesuch ist für den Patienten in der Regel eine

besondere Situation, in der er jedes Wort des Arztes

auf die Goldwaage legt. Vor diesem Hintergrund

sollte der Arzt seine Worte mit Bedacht wählen.

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A2240 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 42⏐⏐17. Oktober 2008

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>die Ironisierung („Sie sind nicht die erste Schwangere, die ich hier untersuche!“).

Der Arzt sollte konsequent den Sie-Standpunkt einnehmen, also den Standpunkt des Patienten. Die sprachliche Analogie dazu: Der Arzt tilgt Wörter wie „ich, mir, meiner, mich, wir, unser“ aus seinem Wort- schatz. Er versucht, den Patienten sprachlich in den Mittelpunkt zu rücken. Der Satz „Frau X, Sie müssen Folgendes tun . . .“ wird ersetzt durch: „Frau X, bitte be- achten Sie . . .“

Glaubwürdig und authentisch kommt dies beim Patienten aber nur an, wenn die patientenorientierte Kommunikation nicht um ihrer selbst willen praktiziert wird, son- dern der Einstellung des Arztes ent- spricht – für ihn mithin wirklich das Wohl des Patienten im Mittelpunkt steht. Dann wird sich die Sprache aller Erfahrung nach automatisch dieser Einstellung anpassen.

Wertschätzung ist wichtig Techniken wie der Sie-Standpunkt und die Vermeidung von Minus- wörtern und Minussätzen lassen sich trainieren. Besonders bedeut- sam ist dies beim Gespräch mit Kindern. Dr. med. Martin Herken- hoff, Kinderarzt im bayerischen Germering, berichtet, wie ange- messen es ist, eine altersgerechte Sprache zu benutzen. Erschwerend kommt hinzu: Der Arzt muss die El- tern mit ins „kommunikative Boot“

holen. So sollte der Kinderarzt den Kindern zwar die Angst beispiels- weise vor einer Spritze nehmen, aber nicht, indem er die Unwahrheit sagt: „Das tut überhaupt nicht weh!“ Besser ist folgende Formu- lierung: „So, das piekst jetzt einmal

kurz. Ist gleich vorbei.“ Zugleich ist er damit beschäftigt, die Eltern zu beruhigen – die ihrerseits nicht sel- ten ihre eigene Angst vor Spritzen auf die Kinder übertragen.

Ein Patentrezept gebe es nicht, meint Herkenhoff, wichtig seien die Wertschätzung jedem Patienten ge- genüber und die Sensibilisierung des Arztes für die Folgen, die (seine) Sprache im Patienten auslösen könne.

Dies gilt zugleich für die Medizi- nischen Fachangestellten, die ja auch viel mit den Patienten kommunizie- ren. Hier hat der Arzt eine Einfluss- möglichkeit, indem er seine Vorbild- funktion nutzt. Dazu ersetzt er in der Kommunikation mit den Mitarbei- tern den Ich- durch den Sie-Stand- punkt und verwendet positive For- mulierungen. Die Mitarbeiter wer- den dieses Kommunikationsmuster mit einiger Wahrscheinlichkeit in ihr Sprachverhalten integrieren und schließlich im Patientengespräch einsetzen. Unterstützend wirkt es, wenn sich Arzt und Helferinnen ge- meinsam patientenorientierte Muster- formulierungen im Sie-Standpunkt überlegen und sie einüben. I Patric P. Kutscher E-Mail: kontakt@diktig.de

RECHTSREPORT

Leichtfertige Substitutionsbehandlung von Drogenabhängigen

Ein Arzt, der unter Missachtung der materiellen Voraus- setzungen einer Substitutionsbehandlung Betäubungsmittel bevorratet, entgegen medizinischer Indikation zur freien Verfügung in überhöhten Mengen abgibt oder sonst fahr- lässig mit ihnen umgeht, macht sich strafbar. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Der Angeklagte behandelte als niedergelassener Arzt unter anderem Drogenabhängige. In seiner Praxis betreute er eine Vielzahl von Patienten, denen er das Substitutionsmittel Levomethadon (Polamidon) zur Verfügung stellte. Da die Zahl seiner Substitutionspatienten die von der Ärztekammer als maximal vertretbar angesehene Grenze von 50 deutlich überschritt, behandelte er etliche als Privatpatienten.

Zu Beginn der Behandlung untersuchte er die Drogen- abhängigen entgegen den gesetzlichen Vorschriften nicht auf Beikonsum von Betäubungsmitteln hin. Auch wurden die in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung vorgesehenen Mindestfristen für eine kontrollierte Verabreichung nicht eingehalten. Der angeklagte Arzt war zudem nicht im Besitz

einer Erlaubnis zum Verkehr mit Betäubungsmitteln gemäß

§ 3 Betäubungsmittelgesetz (BtMG).

In einem Fall händigte er einem Drogenabhängigen, der ihn wegen einer akuter Entzugssymptomatik aufgesucht hatte, die Tageshöchstdosis Polamidon zum sofortigen Konsum in seiner Praxis aus und gab ihm die gleiche Menge zum Einnehmen mit nach Hause. Der Patient injizierte das Polamidon in der darauffolgenden Nacht und starb an einer hierdurch verursachten Atemdepression.

Nach Auffassung des BGH bedarf jeder Verkehr mit Betäubungsmitteln nach § 3 BtMG einer Erlaubnis. Ein Arzt kann sich nicht dadurch von dieser Erlaubnispflicht befreien, dass er unter dem Deckmantel einer ärztlichen Behandlung Betäubungsmittel ohne Beachtung der gesetzlichen Vorschriften abgibt. Der angeklagte Arzt wurde deshalb wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in 133 Fällen und wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungs- mitteln unter leichtfertiger Verursachung des Todes eines anderen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Eine Tätigkeit als Substitutionsarzt wurde ihm für die Dauer von fünf Jahren untersagt. (Urteil vom 4. Juni 2008,

Az.: 2 StR 577/07) RA Barbara Berner

Die Angst neh- men:Bei der Be- handlung von Kin- dern muss der Arzt die Eltern mit ins

„kommunikative Boot“ holen.

Foto:Superbild

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