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Archiv "Computer: Störfaktor im Arzt-Patienten-Verhältnis?" (15.01.1981)

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Die Information:

Bericht und Meinung TAGUNGSBERICHT

Computer: Störfaktor

im Arzt-Patienten-Verhältnis?

Der Patient darf nicht zum „Be- forschten" werden, der Anspruch

„not to be researched" darf nicht angetastet werden. Dieses betonte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Prof. Dr. jur. Hans- Peter Bull (Bonn/Bremen) bei ei- ner Podiumsdiskussion zum The- ma „Arztgeheimnis und Daten- schutz im Krankenhaus" zum Auf- takt der 58. Hauptversammlung des Marburger Bundes am 7. No- vember 1980 in Köln.

Für Bull muß der Datenschutz im Bereich der ärztlichen Schweige- pflicht neu durchdacht werden. Er betonte, daß noch immer der Pa- tient „Herr seiner Daten" sei und es auch bleiben müsse. Die Schweigepflicht sei kein Selbst- zweck, sondern solle die Grundla- ge allen ärztlichen Handelns sein.

Die Vorschriften für das Zeugnis- verweigerungsrecht im Strafge- setzbuch (§ 203) zeigten eindeu- tig, daß die Schweigepflicht um des Patienten willen bestehen würde. Nur der Patient könne da- von entbinden.

Prof. Dr. Bull wandte sich außer- dem gegen die Datenschutzer- mächtigungsklauseln in den Kran- kenhausaufnahmeverträgen. Die geforderte Einwilligung des Pa- tienten — der „informed consent"

in die Weitergabe seiner perso- nenbezogenen Daten — dürfe nur nach einer vorhergehenden ein- deutigen Aufklärung, was mit sei- nen Daten geschehe, abgegeben werden. Dieses bedeutete für den obersten Datenschützer, daß sich die Einwilligung auch für den Ein- willigenden auf „konkret erkenn- bare Datenflüsse aus einem kon- kreten Anlaß beziehen" müsse.

Pauschalermächtigungen schloß er ausdrücklich aus. Dazu gehöre auch die Einwilligung in die Da- tenweitergabe „für wissenschaftli- che Auswertungen". Denn hier könne auch jeder forschende Arzt

eines Klinikums, auch wenn er den Patienten nie behandelt hätte, dessen personenbezogene Daten aus dem Computer abfragen. Der Bundesbeauftragte für den Daten- schutz forderte für diese Fälle eine Begrenzung auf Ärzte, die forsch- ten, aber auch die Patienten be- handeln würden.

Die Forscher, die mit fremdem

„Patientengut" arbeiten würden, ständen nicht mehr dem Patienten als Menschen gegenüber, sondern nur noch als „Fall XYZ" oder

„Blinddarm auf ZiMmer 205". Die Vision von Orwell in seinem Buch

„1984" vom „Großen Bruder", der alles überwacht, würde so bald Wirklichkeit.

Warnung vor Nebelwerfern Professor Bull warnte vor „Nebel- werfern", die den Ärzten weisma- chen wollten, daß typische Begrif- fe aus der Datenverarbeitungspra- xis (wie Daten, speichernde Stelle) die Grundsätze des ärztlichen Berufsgeheimnisses inhaltlich be- einflussen. Immer noch gelte der

§ 45 Satz 3 des Bundesdaten- schutzgesetzes (BDSG), wonach die Schweigepflicht „unberührt"

bleibe.

Der Leiter der Forschungsstelle für Informationstechnologie an der Universität Hannover, Prof. Dr.

jur. Wolfgang Kilian, erläuterte, daß die zunehmende Einrichtung von großen Datenbanken in Kran- kenhäusern und Sozialversiche- rungsträgern die „Kommunika- tionsbeziehung" zwischen Arzt und Patient verändern würde. Ge- genwärtig würden 169 Rechen- zentren bei den Sozialträgern be- stehen, hinzu kämen noch etwa 250 Datenbanken. Damit würden Informationen über den Patienten weitgehend technisch vermittelt.

„Alles was technisch machbar ist,

wird gemacht", so überspitzte Ki- lian die Lage. Mit der Verknüpfung der Abrechnungssysteme der So- zialversicherungsträger würde letztlich die Krankenakte zur ge- meinsamen Informationsquelle.

Der strafrechtliche Schutz des Arztgeheimnisses des § 203 StGB würde damit weitgehend zur Tau- tologie, weil die Bedingungen ei- ner strafbedrohten „unbefugten Offenbarung" weder im StGB noch in den Berufsordnungen der Ärzte aufgeführt seien. Für Kilian lag demnach die Praxis der Offen- barung der Patientengeheimnisse in einer weiten Grauzone.

Gefahr für Schweigepflicht und Arztgeheimnis sah auch der 2.

Vorsitzende des Marburger Bun- des, der Essener Psychiater Dr.

med. Paul Janssen. Auch er führte die Datenverbundsysteme an, die staatlichen oder privaten Stellen die Möglichkeiten zum direkten Zugriff bieten würden, und zwar unter dem Deckmantel eines „ge- heiligten" Zweckes, nämlich dem Forschungsinteresse. Erster An- satzpunkt für den Forschungseifer seien die „formalisierten" und da- her computergerechten Ana- mnesebögen. Diese Bögen ent- hielten viele Daten über die Fami- liengeschichte, Kindheit, Schule, Ehe, Beruf usw. Zusammenge- nommen ergäben diese Daten ein lückenloses Bild der Persönlich- keit der Patienten. Wie diese Da- ten vor der Einsichtnahme Unbe- fugter (zum Beispiel Verwaltungs- angestellter) zu schützen seien, wäre offen. Als Beispiel für die lau- fend vorkommenden Mißbräuche führte er den Fall der AOK Lindau an. Janssen warnte vor Vorschlä- gen, wie der Möglichkeit der „Aus- kunftseintreibung", die mit den Fragebögen bis in die intimsten Sphären des Versicherten eindrin- gen könnten. Datenschutz müsse so zu einem „leeren Begriff" wer- den, wenn sogar ein Ministerium trotz offensichtlicher Rechtswid- rigkeit solchen Verfahren zustim- me, da nach der Auffassung der Ministerialbeamten öffentliches Interesse vor den Schutz der Per- sönlichkeitsrechte zu stellen sei.>

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 3 vom 15. Januar 1981 65

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Die Information:

Bericht und Meinung Datenschutz

Die Rechtsprechung sei der "inva- siven aggressiven Forschungs- strategie von seiten einiger Ärzte"

nicht gewachsen. Eine Gefahr für die personenbezogenen Daten und ihren Schutz sah Janssen eher in der Verharmlosungder Da- tenschutzprobleme als in ihrer Übertreibung.

Janssen war zudem der Ansicht, daß durch eine Über-Computeri- sierung der Behandlung das Arzt- Patienten-Verhältnis "zerschnit- ten" werde. Schon jetzt würden Anamnese, EEG, EKG und Labor- befunde über den Computer aus- gewertet. Diese Bogen gelangten dann auf die Schreibtische der Ärzte, die dann veranlaßt würden, nicht mehr das Gespräch mit dem Patienten zu suchen, sondern nur aufgrund der vorliegenden Com- puterdaten über das Anliegen des Patienten zu entscheiden.

~ Niemand, auch die Ärzte und die medizinische Wissenschaft nicht, dürfe der Faszination des Computers erliegen. Denn es gäbe auch eine Berufskrankheit der Computerfachleute, den "zwang- haften Programmierer", der "mit zerzaustem Haar, ungewaschen, unrasiert, mit tief eingesunkenen brennenden Augen wie gebannt vor dem Computer säße, die Fin- ger bereit zum Losschlagen auf Tasten und Knöpfe ... "

Wolfgang Lange

A~ATOL

AUS ALLER WELT

VEREINIGTE STAATEN

Kein Geld

für Schwangerschafts- abbruch

Eine lange gerichtliche Auseinan- dersetzung über ein vom Kongreß verabschiedetes Gesetz ist durch einen Spruch des höchsten ameri- kanischen Gerichts beendet wor- den: Vor vier Jahren hatte der re- publikanische Abgeordnete Henry Hyde einen Gesetzentwurf einge- bracht, der die Bezahlung von Schwangerschaftsabbrüchen im Medicaid-Programm (das ist die staatliche Gesundheitsfürsorge für die ärmeren Bevölkerungskrei- se) auf solche Fälle beschänkte, wo der Schwangerschaftsabbruch zur Rettung des Lebens der Mutter oder nach Vergewaltigung oder Inzest erforderlich wurde. Die Fol- gen des Gesetzes, das nun end- gültig bestätigt worden ist, waren beachtlich: Vor 1976 wurden von Medicaid etwa 300 000 Abtreibun- gen pro Jahr finanziert; im Jahr 1979, als das Gesetz trotz des noch laufenden Gerichtsverfah- rens bereits in Kraft war, nur noch 2000.

Die Entscheidung, die mit einer knappen Fünf-zu-vier-Mehrheit zustande kam, wird nach Meinung der American Medical Association (AMA) großen Einfluß auch auf vie-

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66 Heft 3 vom 15. Januar 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT

len anderen Gebieten haben. Die Richter sagten nämlich: Der ame- rikanische Bürger hat eine große Menge von Freiheitsrechten; dies bedeutet aber nicht, daß er auch in jedem Falle das Recht darauf hätte, Dinge, die er im Rahmen dieser Freiheitsrechte tun möchte, öffentlich finanziert zu bekom-

men. bt

ITALIEN

Der Zahnarzt wird eingeführt

Elf medizinischen Fakultäten in Italien wird eine zusätzliche Abtei- lung angegliedert, an der in einem Studiengang von fünf Jahren die Approbation für Zahnheilkunde und Prothetik erworben werden kann.

Bisher waren Italiens Zahnärzte, wie in Österreich, Humanmedizi- ner mit einer zahnärztlichen Wei- terbildung. Die zahnärztlichen Teilfakultäten werden an den bei- den Universitäten von Neapel so- wie in Ancona, Catania, Genua, L'Aquila, Mailand, Modena, Rom, Palermo, Siena und Turin einge- richtet. Die Zulassungszahlen wer- den voraussichtlich begrenzt sein;

die Mailänder Universität hat be- reits angekündigt, daß sie 100 Stu- dienanfänger aufnehmen wird. bt

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Referenzen

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