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Archiv "Telekommunikationsüberwachung: Das Patienten-Arzt-Verhältnis wird nicht ausreichend geschützt" (05.10.2007)

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A2692 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 40⏐⏐5. Oktober 2007

P O L I T I K

§

M

it dem „Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekom- munikationsüberwachung und ande- rer verdeckter Ermittlungsmaßnah- men sowie zur Umsetzung der Richt- linie 2006/24/EG“ plant die Bundes- regierung, das Recht der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß- nahmen zu harmonisieren und beste- hende Lücken zu schließen. Die Bundesärztekammer begrüßt es, dass ein in Bezug auf einzelne Ermitt- lungsmaßnahmen bisher nicht beste- hender Schutz von Berufsgeheimnis- trägern eingeführt und deren bereits bestehender absoluter Schutz vor Be- schlagnahmen und Wohnraumüber- wachung erhalten bleiben sollen. In- soweit kann den Ausführungen von Bundesjustizministerin Brigitte Zy- pries im Deutschen Ärzteblatt (Heft 33/2007) zugestimmt werden. Zu kri- tisieren ist jedoch, dass der neu ein- geführte Schutz für Ärztinnen und Ärzte hinter dem anderer Berufsge- heimnisträger zurückbleibt.

In die Strafprozessordnung (StPO) soll als § 53 b Abs. 1 eine neue Vor- schrift aufgenommen werden, wo- nach eine Ermittlungsmaßnahme unzulässig ist, soweit durch diese Seelsorger, Strafverteidiger und Ab- geordnete betroffen wären. Für die weiteren Berufsgeheimnisträger (un- ter anderem Ärzte) ist in § 53 b Abs. 2 StPO-Entwurf vorgesehen, dass deren Einbeziehung in Ermitt- lungsmaßnahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit unterliegt. Die- se ist vorzunehmen unter Würdi- gung des öffentlichen Interesses an den von dieser Person wahrgenom- menen Aufgaben und des Interesses an der Geheimhaltung der dieser Person anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen.

Diese Differenzierung zwischen Berufsgeheimnisträgern höheren und minderen Schutzes wird der notwen- digen absoluten Vertraulichkeit der Patienten-Arzt-Beziehung nicht ge- recht. Sie entspricht auch nicht der Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts. Dieses hatte in seiner Entscheidung vom 6. Juni 2006 (Az.: 2 BvR 1349/05) zum Patien- ten-Arzt-Verhältnis festgestellt:

Vielmehr verdient ganz allge- mein der Wille des Einzelnen Ach- tung, so höchstpersönliche Dinge wie die Beurteilung seines Gesundheits- zustandes durch einen Arzt vor frem- den Einblick zu bewahren. Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, muss und darf erwarten, dass alles, was der Arzt im Rahmen seiner Berufs- ausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener ge- langt. Nur so kann zwischen Patient und Arzt jenes Vertrauen entstehen, das zu den Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens zählt.

Einzelfallentscheidung

bedroht Vertrauensverhältnis

Wird die Entscheidung über die Zulässigkeit einer verdeckten Er- mittlungsmaßnahme einer Einzel- fallentscheidung überlassen, so kann der vom Bundesverfassungsgericht beschriebene Grundsatz nicht mehr gewährleistet werden. Der Patient muss immer damit rechnen, dass In- formationen über ihn auch über den Arzt hinaus bekannt werden. Diese Gefährdung der grundgesetzlich ge- schützten Patienten-Arzt-Beziehung kann nur vermieden werden, indem auch der Arzt der Gruppe zugeordnet wird, deren Vertrauensverhältnis um- fassend geschützt wird.

In der Gesetzesbegründung wer- den zwar der besondere Schutz der Patienten-Arzt-Beziehung und die Erforderlichkeit einer strengen Ver- hältnismäßigkeitsprüfung herausge- stellt. Auf diesem Weg soll wohl eine Sensibilisierung der Ermittlungs- behörden gerade im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit des Patienten- Arzt-Verhältnisses bewirkt werden.

Der vom Gesetzgeber gewollte voll- umfängliche Schutz lässt sich je- doch nur dadurch erreichen, dass auch dem Arzt als Berufsgeheimnis- träger der absolute Schutz zukommt, wie er Seelsorgern, Strafverteidigern und Abgeordneten gewährt wird.

Gerade im Vergleich mit Seelsor- gern erscheint eine Differenzierung zwischen beiden Berufsgruppen fragwürdig. So ist häufig auch gera- de bei schweren Erkrankungen eine medizinische Behandlung nicht oh- ne „seelische“ Betreuung denkbar.

Umgekehrt stellt sich die Frage, ob jedes Gespräch eines Seelsorgers dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zugeordnet wer- den kann. Daher sind ein Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Ver- trauensverhältnis zwischen Patient und Arzt nicht zulässig und die Gleichstellung dieses Verhältnisses mit dem zu Seelsorgern, Strafvertei- digern und Abgeordneten geboten.

Das Problem des Gesetzentwurfs wird in dem Artikel von Zypries deutlich: Sie legt dar, dass eine Überwachung unzulässig sei, wenn der Patient innerste Gefühle oder höchstpersönliche Überlegungen ge- genüber dem Arzt anspreche. Werde das Telefon gleichwohl abgehört, dürften daraus gewonnene Erkennt- nisse nicht verwertet werden. Ein punktueller Schutz genau dieser Ge-

TELEKOMMUNIKATIONSÜBERWACHUNG

Das Patienten-Arzt-Verhältnis wird nicht ausreichend geschützt

Bundesjustizministerin Zypries sieht in der Neuregelung der Telekommunikations-

überwachung eine Verbesserung für die Ärzte. Der Präsident der Bundesärztekammer,

Jörg-Dietrich Hoppe, hält dies bei Weitem für nicht ausreichend.

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sprächssituation ist jedoch praktisch nicht möglich, weil weder deren Be- ginn noch deren Ende zuverlässig bestimmbar beziehungsweise vor- hersehbar sind. Zwar unterscheidet das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur akusti- schen Wohnraumüberwachung zwi- schen Gesprächen mit Seelsorgern und Strafverteidigern einerseits und Arztgesprächen andererseits, die im Einzelfall dem unantastbaren Kern- bereich privater Lebensgestaltung zugeordnet werden können. Ange- sichts der praktischen Unmöglich- keit, genau diese Situation ange- messen zu schützen, ist der Ent- scheidung jedoch zu entnehmen, dass die Anwesenheit des Arztes als Person des höchstpersönlichen Ver- trauens einen Anhaltspunkt dafür darstellt, dass der Gesprächsinhalt die Menschenwürde berührt. Damit ist ein absoluter Schutz auch der Patienten-Arzt-Beziehung geboten.

Vorratsdatenspeicherung als weiterer Kritikpunkt

Aus ärztlicher Sicht ebenfalls be- denklich sind die im Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen zur Vor- ratsdatenspeicherung. Danach ha- ben Anbieter von Telekommunikati- onsdienstleistungen bestimmte Ver- bindungsdaten zu speichern. Auch wenn keine Daten über die Inhalte der Kommunikation gespeichert werden (dürfen), ist bereits der Um- stand, dass eine Kommunikation stattgefunden hat, erheblich, weil sich daraus Rückschlüsse auf ein Behandlungsverhältnis ziehen las- sen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erstreckt sich das Vertrauensverhältnis auch auf die Anbahnung des Behandlungs- verhältnisses. Daher darf keinerlei berufliche Kommunikation eines Arztes der Speicherungspflicht un- terliegen.

Ein absoluter Schutz der Patien- ten-Arzt-Beziehung ist somit unab- dingbar. Dieser lässt sich nur errei- chen, wenn Ärzte dem umfassend geschützten Kreis von Berufsge- heimnisträgern zugeordnet werden und wenn verhindert wird, dass Kommunikationsdaten von Ärzten gespeichert werden. I Prof. Dr. med. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe

B

undeskanzlerin Dr. rer. nat.

Angela Merkel, Bundesfor- schungsministerin Dr. phil. Annette Schavan und die Ministerpräsiden- ten der Länder erhielten in der ver- gangenen Woche Post von der Ar- beitsgemeinschaft der Wissenschaft- lichen Medizinischen Fachgesell- schaften (AWMF). In einem offe- nen Brief werden sie aufgefordert, zusätzliche Mittel für die Aus- und Weiterbildung des medizinischen Nachwuchses sowie die Schaffung attraktiver Perspektiven für die aka- demischen Führungskräfte bereitzu- stellen. Unter dem Druck der ökono- mischen Rahmenbedingungen und der pauschalierten Vergütung von medizinischen Versorgungsleistungen verlagerten sich die Prioritäten an den Universitätskliniken derzeit zu- gunsten der wirtschaftlich erforder- lichen Patientenbetreuung, schreibt die AWMF – „Forschung, Lehre und ärztliche Weiterbildung treten zwangsläufig dahinter zurück“.

Forscher gehen ins Ausland

Nach Überzeugung der Fachgesell- schaften hat das neue Hochschulrah- mengesetz die Rahmenbedingungen für die Professoren substanziell ver- schlechtert. So sei die Ablösung der C-Besoldung durch die neue W- Besoldung mit einem niedrigeren Grundgehalt verbunden; darüber hinaus seien die Vergütung von Überstunden und Bereitschaftsdiens- ten gestrichen worden. Die Annahme eines Rufs auf eine W-2-Professur bedeute etwa für einen habilitierten, klinisch erfahrenen Oberarzt ein um 600 Euro monatlich niedrigeres Grundgehalt. „Was also sollte diesen Kollegen dazu motivieren, seine wis- senschaftliche Karriere fortzusetzen und eine Professorenstelle anzutre- ten, die mit weiteren Aufgaben und einer größeren Verantwortung ver-

bunden ist?“, fragt die AWMF. Alle noch so sinnvollen Programme zur Stärkung der klinischen Forschung an den Universitäten müssten daran scheitern, dass diejenigen, die die- se Forschung durchführen sollen, gleichzeitig durch höhere Arbeitsbe- lastungen, niedrigere Besoldung und unsichere Perspektiven demotiviert würden. Bereits seit einigen Jahren verließen zahlreiche qualifizierte akademische Führungskräfte die Uni- kliniken, um im Ausland attraktivere Positionen anzunehmen.

Ärztliche Weiterbildung rechnet sich nicht

Die Unikliniken fühlen sich der ärzt- lichen Weiterbildung verpflichtet.

Es sei jedoch absehbar, dass die mit dieser Aufgabe verbundenen zusätz- lichen Belastungen nicht aufrechter- halten werden könnten und sich die Universitätskliniken aus der Weiter- bildung zurückziehen müssten, um ihre prioritären Aufgaben in For- schung, Lehre und Patientenversor- gung erfüllen zu können, meint die AWMF. Das Problem: Die Weiter- bildungskosten wurden in den DRG- Fallpauschalen zwar kalkulatorisch berücksichtigt, ob ein Krankenhaus tatsächlich weiterbildet, ist für die Abrechnung jedoch irrelevant.

„Diese faktische Unterfinanzie- rung führt dazu, dass zunehmend mehr Krankenhäuser auf die Fort- führung der Weiterbildung verzichten und nach fertigen Fachärzten Aus- schau halten“, erläutert Prof. Dr. med.

Jörg-Dietrich Hoppe. Der Bundesärz- tekammerpräsident forderte Bund und Länder auf, gemeinsam mit der Bundesärztekammer eine über das Fallpauschalensystem hinausgehen- de Finanzierung von ärztlicher Wei- terbildung zu entwickeln und ver- bindlich vorzusehen. I Jens Flintrop

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