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Archiv "Krankenhäuser: Integrierte Versorgung – nur Utopie?" (18.01.2002)

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eit dem 1. Oktober 2000 nehmen Vertragsärzte am Dienst in der Ret- tungsstelle des Unfallkrankenhauses Berlin teil. Die Patientenversorgung funktioniert reibungslos, die Akzeptanz der Kooperation bei Ärztinnen und Ärz- ten, Krankenpflegepersonal und Patien- ten ist sehr gut. Die Vergütung er- folgt durch den Kranken-

hausträger, der dies durch Einsparungen kompensieren kann. Das Modell hat sich be- währt und kann zur Nachah- mung empfohlen werden.

Das Unfallkrankenhaus Ber- lin (ukb), eine Klinikneu- gründung in der gemeinsa- men Trägerschaft des Landes Berlin und der gewerblichen Berufsgenossenschaften, hat- te mit rund 14 000 Notfallpa- tienten jährlich gerechnet.

Räumliche und personelle Kapazitäten hatten sich dar- an orientiert. Die tatsächliche Zahl der Notfallpatienten be- trägt derzeit rund 40 000 pro Jahr.

Trotz des Vorhaltens zahlreicher Ärz- te der verschiedenen Fachdisziplinen im Bereitschafts- und Rufdienst kam es – insbesondere durch die rivalisierenden Prioritäten zwischen elektiven und Not- fallpatienten – zu Wartezeiten mit nach- vollziehbaren Unzufriedenheiten bei den Hilfe suchenden Patienten.

Diese Klagen wurden auch von den niedergelassenen Vertragsärzten der Region wahrgenommen. 126 niederge- lassene Kolleginnen und Kollegen ha- ben sich 1999 zu dem Gesundheitsnetz Hellersdorf-Marzahn HellMa e.V. (Ge- meinschaft niedergelassener Ärzte aus den Stadtbezirken Hellersdorf und Mar- zahn) zusammengeschlossen. In ersten Gesprächen zwischen Repräsentanten von HellMa und Ärzten des ukb wurde

deutlich, dass die niedergelassenen Ärz- te den Sicherstellungsauftrag ernst neh- men.

Mehrere Gespräche mit der Absicht, sich kennen zu lernen, auf der Suche nach unkonventionellen Lösungen und zur Unterzeichnung eines Vertrages folgten. Der Vertragsentwurf wurde da-

bei mit der KV Berlin und deren Juristen abgestimmt. Am 1. Oktober 2000 haben die Ärzte ihren Dienst in der Rettungs- stelle des ukb aufgenommen.

Kooperationsvertrag

Im Vertrag zwischen dem ukb und dem Gesundheitsnetz HellMa e.V. wurde ei- ne Kooperation vereinbart mit dem Ziel:

❃Möglichkeiten der vom Gesetzge- ber geforderten integrierten Versorgung nach §§ 140 a ff. SGB V zum Wohl der Patienten zu erarbeiten und umzusetzen;

❃die qualitative Versorgung der Pati- enten mit einem ständigen Informati- onsaustausch und gemeinsame Fortbil- dungsmaßnahmen zu optimieren. Ge- sucht wurde nach Kriterien für die Ent-

scheidungsfindung, ob ein die Rettungs- stelle des ukb aufsuchender Patient zunächst einem Krankenhaus- oder aber dem kooperierenden Vertragsarzt vor- gestellt werden soll. Es sollten Erfahrun- gen gesammelt werden, welche Fachdis- ziplinen und Qualifikationen sich zur Bewältigung der Aufgaben in einer Akutklinik mit Maximalver- sorgung als geeignet erweisen.

So wurde den HellMa-Ärzten in kleinen Gruppen das Kran- kenhaus, besonders aber die Rettungsstelle mit Ambu- lanz-OP, vorgestellt. Die mit- telbar und unmittelbar in der Rettungsstelle des ukb tätigen Mitarbeiter aller Berufsgrup- pen wurden genau informiert.

Die Versicherungen des Kran- kenhauses prüften, ob haf- tungsrechtliche Bedenken ge- gen ein solches Vorgehen be- stehen. Die niedergelassenen Ärzte mussten sich in die EDV-spezifischen Gegeben- heiten des ukb einarbeiten. Dabei stellte sich heraus, dass Detaillösungen im Be- reich der niedergelassenen Ärzte bereits besser realisiert sind als im Krankenhaus mit seinem aufwendigen Krankenhaus- Informations- und -Kommunikationssy- stem (KIKS). Hingegen wurden die Möglichkeiten der digitalen Bilderzeu- gung und -dokumentation von den Hell- Ma-Ärzten geschätzt und angenommen.

Das Vertragsverhältnis zwischen dem die Rettungsstelle des ukb aufsuchen- den Patienten und dem ukb wird durch den Kooperationsvertrag nicht berührt.

Der Vertreter von HellMa ist im Rah- men des Vertragsverhältnisses Erfül- lungsgehilfe des ukb. Der Vertreter von HellMa ist in diagnostischen und thera- peutischen Entscheidungen im Innen- verhältnis grundsätzlich unabhängig und T H E M E N D E R Z E I T

A

A90 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 3½½½½18. Januar 2002

Krankenhäuser

Integrierte Versorgung – nur Utopie?

Funktionierende Kooperation am Beispiel Berlin Axel Ekkernkamp und Ralf Warmut

Das Unfallkrankenhaus Berlin hat mit dem Gesundheitsnetz HellMa e.V. einen Kooperationsvertrag zur integrierten Versorgung abge- schlossen. Das Modell läuft bisher problemlos.

Foto: privat

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allein verantwortlich (Facharzt), jedoch zum Wohl des Patienten zur engen Zu- sammenarbeit mit den Ärzten des ukb verpflichtet. Die ärztliche Schweige- pflicht und die Vorschriften über den Datenschutz bleiben unberührt. Das ukb stellt eine ausreichende Haftpflicht- versicherung für den jeweiligen Vertre- ter von HellMa sicher. An jedem Sams- tag, Sonntag und Feiertag arbeitet ein niedergelassener Vertragsarzt des Netz- werkes HellMa in der Zeit von 11 Uhr bis 22 Uhr in der Rettungsstelle des ukb.

In der Regel teilen sich zwei Kolleginnen oder Kollegen jeweils einen Tag, sodass die tägliche Arbeitsbelastung sechs Stunden nicht überschreitet. Das Kran- kenhaus stellt einen Behandlungsraum und eine Ansprechpartnerin aus der Krankenpflege zur Verfügung. Der HellMa-Arzt kann auf die Infrastruktur der Rettungsstelle einschließlich des EDV-Systems zurückgreifen. Die Zu- ordnung der Patienten erfolgt durch qua- lifiziertes Krankenpflegepersonal. Nach der vertraglichen Vereinbarung werden gehfähige und ambulant zu behandelnde Patienten zuerst durch den Funktions- dienst des ukb dem Mitarbeiter von HellMa zur Versorgung zugeführt.

Das Procedere

Der HellMa-Arzt führt das ärztliche Gespräch, es folgt die körperliche Un- tersuchung des Notfallpatienten. Hält es der Vertragsarzt für erforderlich, dass eine gezielte Diagnostik einzuleiten ist, veranlasst er diese (Blutentnahme, Röntgenuntersuchung, EKG). Die dia- gnostischen und therapeutischen Maß- nahmen sowie die Versorgung der Pati- enten mit Medikamenten, Heilmitteln, ärztlichen Sachleistungen und Ähnli- chem muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges oder zur Linderung der Krankheitsbeschwer- den nicht notwendig oder unwirtschaft- lich sind, dürfen zulasten des ukb oder eines Sozialleistungsträgers nicht ver- ordnet werden. Der jeweilige Vertreter von HellMa trägt auch für die nach sei- nen Weisungen handelnden Personen die Verantwortung für eine angemesse- ne Verwendung der zur Verfügung ste- henden Mittel.

Hält er es für richtig, dass dieser Pati- ent eher stationär zu versorgen ist, wird der Bereitschaftsdienst leistende Fach- arzt der gefragten Disziplin des ukb hin- zugezogen. Anderenfalls verlässt der Pa- tient mit einer Empfehlung und einem Dokument die Rettungsstelle.

Bei den im ukb Dienst habenden nie- dergelassenen Vertragsärzten handelt es sich um erfahrene Fachärzte, die in eige- ner Praxis mit hohem Patientenaufkom- men tätig sind. Die „second opinion“

der Krankenhauskollegen kann in An- spruch genommen werden, eine Vorstel- lungspflicht besteht nicht.

Über die Krankenhausaufnahme der Patienten entscheidet ein Krankenhaus- arzt. Die durch den HellMa-Arzt veran- lassten Maßnahmen werden dem Klinik- Qualitätsmanagement in gleicher Weise unterzogen, als wenn ein Krankenhaus- arzt tätig gewesen wäre. Der für die Ret- tungsstelle zuständige Oberarzt prüft das entstandene Dokument (Arztbrief) auf Plausibilität, die Laborparameter werden durch einen Laboratoriumsme- diziner oder einen klinischen Chemiker gesichtet. Die Befundung der Röntgen- aufnahmen erfolgt durch einen Facharzt für Radiologie. Die entstandenen Rönt- genaufnahmen werden in der nächsten Radiologie-Demonstration für Kliniker, die zweimal täglich stattfindet, bespro- chen. Auffällig lange Untersuchungs- und Behandlungszeiten oder von Pati- enten artikulierte Unzufriedenheiten werden dokumentiert und finden ihre Bearbeitung über das Beschwerdema- nagementsystem.

Im Zeitraum 1. Oktober 2000 bis 30.

September 2001 wurden in der Ret- tungsstelle des ukb 36 519 Notfallpatien- ten behandelt. Für 1 717 Patienten wa- ren die nur sonn- und feiertags tätigen HellMa-Ärztinnnen und -Ärzte zustän- dig. Von diesen Patienten wurden 16 sta- tionär aufgenommen, die Übrigen wur- den ambulant versorgt.

Blutentnahmen erfolgten bei 48 Pati- enten; Röntgenuntersuchungen wurden bei 513 Patienten veranlasst. Das Unfall- krankenhaus stellt Räumlichkeiten, Per- sonal, Logistik; die von HellMa-Ärzten veranlassten Leistungen, auch die ge- genüber dem fremd betriebenen Labor, werden vom ukb getragen. Haftungs- rechtlich ist der HellMa-Arzt dem Kran- kenhausarzt gleichgestellt. Durchgängig

ist der Hilfe suchende Krankenversicherte Patient des Unfallkrankenhauses Berlin, auf ärztlicher Ebene in der Zuständigkeit des leitenden Arztes der Rettungsstelle.

Die ärztlichen Leistungen werden eben- falls durch das ukb vergütet. Das Kran- kenhaus erhielt bis zum 31. März 2001 von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin eine Pauschalvergütung in Höhe von 85,00 DM. Seit dem 1. April 2001 wird nach Einzelleistungen gemäß Einheitli- chem Bewertungsmaßstab (EBM) abge- rechnet. Stichprobenartige Untersuchun- gen ergaben kurze Anwesenheitszeiten der Patienten, hohe Zufriedenheit bei al- len Beteiligten und einen geringen Auf- wand für veranlasste Leistungen.

Fazit

Bei einer Zusammenarbeit von nieder- gelassenen Ärzten und Krankenhaus- ärzten in einer Rettungsstelle ist keine kompetente Versorgung gewährleistet.

Die Wartezeiten sind kurz.

❃ Die niedergelassenen und die sta- tionär tätigen Ärzte erleben in der Zu- sammenarbeit ein besseres gegenseiti- ges Verständnis; sie profitieren jeweils von den Erfahrungen und dem klini- schen Blick der Kollegen.

❃ Das Krankenhaus trägt zwar die Kosten, durch weniger veranlasste dia- gnostische Maßnahmen, höhere Patien- tenzufriedenheit, Steigerung des Anse- hens und Einsparmöglichkeiten im ei- genen Bereich wird dies aber mehr als kompensiert.

❃ Es wird von allen Beteiligten eine positive Bilanz des ersten Zwölfmonats- zeitraums gezogen. Die integrierte Ver- sorgung ist – bei gutem Willen – keine Utopie und kann schrittweise realisiert werden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 90–92 [Heft 3]

Anschriften der Verfasser:

Prof. Dr. med. Axel Ekkernkamp Ärztlicher Direktor ukb

Warener Straße 7 12683 Berlin

Dr. med. Ralf Warmuth Vorsitzender des Gesundheitsnetzes Hellersdorf/Marzahn HellMa e. V.

Mehrower Allee 20 12687 Berlin T H E M E N D E R Z E I T

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A92 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 3½½½½18. Januar 2002

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