c) Indikation zur Interruptio mit um- fassender schriftlicher Begrün- dung,
d) Schriftliche Einwilligung der Schwangeren in den Schwanger- schaftsabbruch,
e) Protokoll der Sitzung der interdis- ziplinären Komission (Gynäkolo- ge, Genetiker, Pädiater, Psychiater, Hebamme), beziehungsweise detail- lierter Bericht aller alle bisherigen diagnostischen und/oder therapeu- tischen Maßnahmen einschließlich von Konsilen anderer Fachdiszipli- nen, Änderungen von Behandlungs- strategien und Begründungen für das jeweilige Vorgehen,
f) Schweigepflichtentbindungserklä- rung der Schwangeren.
4. Der Vorfall wird an das statistische Bundesamt in Wiesbaden in anony- misierter Form nach dem Schwan- gerschaftskonfliktgesetz (§§ 13–18 SchKG) gemeldet. Es erfolgt:
a) eine vierteljährliche Mitteilung über die Vornahme von Schwan- gerschaftsabbrüchen (auch Fehl- anzeige),
b) die Angabe der rechtlichen Voraus- setzungen des Schwangerschaftsab- bruchs (Fristenregelung oder medi- zinische Indikation),
c) die Mitteilung des Familienstandes und Alters der Schwangeren sowie der Zahl ihrer Kinder,
d) die Angabe der Dauer der abge- brochenen Schwangerschaft, e) eine Beschreibung der Art des Ein-
griffs und beobachteter Komplika- tionen,
f) die Angabe des Bundeslandes, in dem der Schwangerschaftsabbruch vorgenommen wurde, und des Bun- deslandes oder Staates im Ausland, in dem die Schwangere wohnt, g) die Mitteilung, ob der Abbruch in
der Arztpraxis oder einem Kran- kenhaus stattfand, und im Falle des Eingriffs im Krankenhaus, der Dauer des Krankenhausaufent- haltes,
h) keine Angabe des Namens der Schwangeren,
i) die Nennung des Namens und der Anschrift der Einrichtung, in der der Abbruch durchgeführt wur- de,
S P E K T R U M
A
A136 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 3⏐⏐21. Januar 2005
j) eine freiwillige Mitteilung der Tele- fonnummer der für Rückfragen zur Verfügung stehenden Person.
5. Für die Mutter oder das Paar werden psychiatrisch-psychotherapeutischen Maßnahmen angeboten.
Kommentar
Werden die vorstehenden Punkte be- rücksichtigt und eine entsprechende Dokumentation gefertigt, ist das Risiko einer gerichtlichen Überprüfung nach einer Spätinterruptio beziehungsweise einem Fetozid/selektiven Fetozid erheb- lich verringert. Dies kann helfen, bezüg- lich des eigenen Vorgehens an Sicher- heit zu gewinnen und sich nicht mit der latenten Angst eines drohenden Ermitt- lungs- oder Gerichtsverfahrens belasten zu müssen.
Im Mittelpunkt des ärztlichen Be- mühens sollte vielmehr die Zuwendung zu der Schwangeren beziehungsweise zu den Eltern stehen.
Manuskript eingereicht: 8. 4. 2004, revidierte Fassung angenommen: 27. 7. 2004
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors vorliegt
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2005; 102: A 133–136 [Heft 3]
Literatur
1. Bundesärztekammer: Erklärung zum Schwanger- schaftsabbruch nach Pränataldiagnostik. Dtsch Arzte- bl 1998; 95: A-3013–3016 [Heft 47].
2. Bundesärztekammer: Richtlinien zur pränatalen Dia- gnostik von Krankheiten und Krankheitsdispositio- nen. Bundesärztekammer. Dtsch Arztebl 1998; 95: A- 3236–3242 [Heft 50].
3. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburts- hilfe e. V. (DGGG): Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik. Positionspapier 2002. (DGGG), zit. Positionspapier, (www.aerzteblatt.de/plus2803).
4. Österreichische Gesellschaft für Prä- und Perinatalme- dizin. Konsensus-Statement „Spät-Abbruch“. Specu- lum 2002; 20: 4–5.
5. Schönke A, Schröder H: Strafgesetzbuch, Kommentar 25.Auflage. München: Beck 2001; § 218 a, Rdn. 26–43.
6. Tröndle H, Fischer T: Strafgesetzbuch, Kommentar 51.
Auflage. München: Beck 2003; § 218 a, Rdn. 14–28.
Anschrift für die Verfasser:
Priv.-Doz. Dr. med.
Constantin von Kaisenberg Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Michaelisstraße 16
24105 Kiel
E-Mail: vkaisenberg@email.uni-kiel.de
AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT
MEDIZINGESCHICHTE(N))
Sexualität und Medizin Orgastische Potenz
Zitat:„Unter der orgastischen Potenz werden wir die Fähigkeit eines Menschen ver- stehen,zu einer Befriedigung zu gelangen,die der jeweiligen Libidostauung [1] adä- quat ist; ferner die Fähigkeit, weit häufiger zu dieser Befriedigung gelangen zu kön- nen,als den Störungen der Genitalität unterworfen zu sein,die auch beim relativ Ge- sündesten den Orgasmus gelegentlich stören. Die orgastische Potenz kommt unter gewissen Bedingungen zustande, die man nur beim genuß- und leistungsfähigen Menschen antrifft;beim neurotischen Menschen fehlen sie oder sind nur mangelhaft gegeben. [...] Von klinischer Seite wird die Aufstellung eines Typus der orgastischen Potenz dadurch gestützt, daß sich nach der Beseitigung der Potenzstörung die Kur- ve des orgastischen Lusterlebens automatisch der von uns beschriebenen Kurve der orgastischen Potenz [2] mehr oder weniger angleicht.“
Wilhelm Reich: Die Funktion des Orgasmus. Zur Psychopathologie und zur Soziologie des Geschlechtslebens. Leipzig 1927 (Neue Arbeiten zur ärztlichen Psychoanalyse.Herausgegeben von Sigmund Freud;Nr.6),S.18 – mit der Widmung:
„Meinem Lehrer Professor Sigmund Freud in tiefer Verehrung“. – [1] Nicht abgeführte Sexualenergie. [2] Reich stellt die unterschiedlichen Störungen des Orgasmus grafisch in typischen Erregungskurven dar. – Reich (1897–1957) war 1922 bis 1930 am psychoanalytischen Ambulatorium in Wien tätig, ab 1928 Mitglied der Kommunistischen Partei; be- kannt als Pionier der damaligen „Sexpol“-Bewegung. 1933 Ausschluss aus der Psychoanalytischen Vereinigung und aus der KP, im Exil ab 1934, von 1939 bis zu seinem Tod in den USA. Seine quasi physiologische Rückführung der Neu- rosenlehre auf die gestörte genitale Sexualität („orgastische Potenz“) implizierte einen kruden Biologismus.