Ä
rzte, die weiterhin teure Medika- mente verordnen statt kosten- günstigere Varianten, müssen dafür Abstriche beim Honorar hinneh- men. Kardiologen und Chirurgen wie- derum sollen künftig grundsätzlich nicht mehr besser bezahlt werden als andere Spezialisten, und für Routine- eingriffe in Krankenhäusern, wie Blind- darm- oder Hüftoperationen, gelten alsbald einheitliche Festpreise. Die Li- ste der Sparmaßnahmen, die der belgi- sche Gesundheitsminister Rudy De- motte ersonnen hat, um die soziale Krankenversicherung aus den roten Zahlen zu holen, ist lang und trifft in er- ster Linie Ärzte, Krankenhäuser, Apo- theker und die Pharmaindustrie.Im vergangenen Jahr belief sich das Defizit auf 630 Millionen Euro. Die Gründe hierfür sind vielfältig: In Belgi- en können Patienten frei zwischen Haus- und Fachärzten sowie sta- tionären Einrichtungen wählen. In großen Städten herrscht eine enorme Apothekendichte, da auch Nichtphar- mazeuten eine Apotheke eröffnen dür- fen, und Generika wandern nur äußerst selten über die Verkaufstheken. Um den Schuldenberg so schnell wie mög- lich abzutragen, will Demotte daher al- lein in diesem Jahr 240 Millionen Euro einsparen. Rund die Hälfte soll zulasten der Ärzte und Apotheker gehen.
Honorare einfrieren
Bei den niedergelassenen Ärzten will Demotte Einsparungen erzielen, indem er die Honorare auf dem derzeitigen Stand einfriert. Diese Maßnahme soll al- lein 90 Millionen Euro in die Kassen spülen. Die restliche Summe will der Mi- nister den Arzneimittelherstellern durch
ein geändertes Rückerstattungssystem vor allem bei Antibiotika, Entzündungs- hemmern und Antidepressiva abverlan- gen. Hinzu kommen „Strafzahlungen“ in Höhe von 27 Millionen Euro wegen zu aggressiver Produktwerbung.
Den Segen der Regierung unter dem liberal-demokratischen Premierminister Guy Verhofstadt für seine geplante Ross- kur hat Demotte bereits. Vertreter der niedergelassenen Ärzte, der Kranken- häuser und Apotheker hingegen laufen gegen die Pläne Sturm. Die größte Ärz- tegewerkschaft des Landes, die Asso- ciation Belge des Syndicats Médicaux, bezeichnete das Vorgehen des Mini- sters in einem offenen Brief als „unde-
mokratisch“. Ihr Vorsitzender Dr. Marc Moens kritisiert vor allem die Verknüp- fung von ärztlichem Verordnungsver- halten und Vergütung.
Aber auch die Apothekenbesitzer gehen auf die Barrikaden. Abgesehen davon, dass ihnen durch restriktivere Verordnungen Verluste in Millionen- höhe drohen, muss rund ein Drittel der etwa 5 000 belgischen Apotheken um ihre Existenz bangen. Demotte kündig- te nämlich an, 1 500 bis 2 000 Apothe- ken zu schließen. Der belgische Apo- thekerverband bezeichnete die Pläne als „Kriegserklärung“. Ungeschoren kommen bislang nur die Krankenkas- sen davon. Petra Spielberg P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 5⏐⏐4. Februar 2005 AA253
Belgien
Drastischer Sparkurs
Ärzte und Apotheker protestieren gegen die Sparmaßnahmen der Regierung.
E
s mag vielleicht irgendwo bei irgendjemandem der Eindruck entstehen, ich hätte es nicht so mit der Qualitätssicherung. Dem muss ich aber ent- schieden widersprechen. Ich sitze nämlich schon seit Stunden hinter meinem Schreibtisch und male Kästchen und Rauten, die mir dabei helfen sollen, meine völlig verwirrten Praxisabläufe nun endlich in den Griff zu be- kommen. Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität halten auch Einzug bei mir, und zwar in Form von Kästchen, die Aktionen symbolisieren, und Rau- ten, die Entscheidungen bahnen. Von den vielen Flussdiagrammen gestählt, trete ich, ganz erfüllt von Qualität, in meine Praxis. Herein tritt der erste Pa-tient: Handelt es sich um einen Testpatienten der gesetzlichen Kranken- kassen? Ja – normale Wartezimmerlektüre aushändigen. Nein – Igel-Liste präsentieren. Ich muss mich selbst loben: Das habe ich richtig schön ge- macht. Weiter geht’s: Ist der Patient Raucher? Ja – kräftig mit ihm schimp- fen und alle seine Erkrankungen auf das Rauchen zurückführen. Hat er möglicherweise eine Taucherkrankheit? Ja – trotzdem weiterschimpfen, das kommt mit Sicherheit irgendwie auch vom Rauchen. Ist das nicht wun- derbar? So einfach kann man sich das Leben machen. Ist der Patient über- gewichtig? Ja – viel schimpfen, ihn für die Misere des deutschen Gesund- heitswesens verantwortlich machen. Sie sehen, in welchen wunderbaren, übersichtlich geordneten Bahnen die Qualitätssicherung Praxisabläufe ge- staltet. Aber richtig knifflig wird es erst, wenn sich be- herztes Handeln, besonnene Übersicht mit gesetzessi- cherem Auftreten paart: in akuten Notfallsituationen, beispielsweise bei Kammertachykardien im Rahmen eines akuten Herzinfarkts. Ist das Bewusstsein bereits völlig erloschen, sind die Vitalzeichen nicht mehr vor- handen? Ja – Reanimation beginnen. Ist er wenigstens noch ein bisschen ansprechbar – erst mal Praxisgebühr verlangen. Dr. med. Thomas Böhmeke