DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
THEMEN DER ZEIT
Die Neugestaltung der Apothe- kenbetriebsordnung stand im Mit- telpunkt des Deutschen Apothe- kertages 1985 in Berlin. Der vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegte Referentenentwurf, zu dem die Hauptversammlung eine Stellungnahme beschloß, zielt ganz wesentlich auf eine Stär- kung der Funktion des Apothe- kers innerhalb des Gesundheits- wesens. Unter anderem zeigt sich das in der Festschreibung der Verpflichtung zur Information und Beratung von Ärzten und Kunden über Arzneimittel und deren Wir- kung. Dabei muß allerdings die Therapiefreiheit des Arztes ge- währleistet bleiben.
Erkenne der Apotheker bei einer Verordnung Gefahren für die Arz- neimittelsicherheit, so sei er zu- nächst verpflichtet, den Arzt dar- über zu informieren, hieß es in Berlin. Zu einer Unterrichtung des Patienten hingegen ist er nach Auffassung von Dr. Klaus Brauer, Vorstandsmitglied des Apotheker- vereins Nordrhein, „weder ver- pflichtet, noch berechtigt". Dem Arzt würde mit dieser Bestim- mung die Sicherheit gegeben, daß seine Therapie nicht durch den Apotheker unterlaufen wür- de. Brauer: „Ich hoffe, daß diese ausgewogene Formulierung die Kooperation zwischen Arzt und Apotheker auf einer Basis gegen- seitigen Vertrauens stärken wird."
In der Begründung des Entwurfs bekennt sich das Ministerium aus- drücklich dazu, mit der neuen ABVO auch einer „Kommerziali- sierung der Apotheke" entgegen- wirken zu wollen. Diese Zielset- zung findet ihren Niederschlag in
§ 4 der Verordnung, mit dem ein einheitliches Erscheinungsbild der Apotheke durchgesetzt wer- den soll. Auch darf die Offizin künftig keinen unmittelbaren Zu- gang zu anderen gewerblich oder
freiberuflich genutzten Räumen haben. Hiervon sind vor allem die Apotheker betroffen, die in Ne- benräumen Drogerien betreiben oder in Arzthäusern residieren.
Bereits im Vorfeld des Apotheker- tages hatten die Regelungen des
§ 4 zu Kontroversen geführt. Die Argumente, die von der mangeln- den Exekutierbarkeit bis zum Vor- wurf des „Neid- und Wettbe- werbsparagraphen" reichten, wurden auch in Berlin laut. Trotz- dem entschied sich die Hauptver- sammlung letztlich mit großer Mehrheit für die Beibehaltung dieser Bestimmungen.
Transparenzliste
Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Dr.
Christian Wehle, ging auch auf die steigenden Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversi- cherung ein. Die vom Bundesar- beitsministerium geplante Erwei- terung der Preisvergleichsliste läuft nach Aussage Wehles auf ei- nen reinen Preisvergleich hinaus, wenn nicht dem Aspekt der unter- schiedlichen Qualität der Arznei- mittel Rechnung getragen wird.
Grundsätzlich sei deshalb den Li- sten der Transparenzkommission der Vorzug zu geben, da dort die Qualitätsgesichtspunkte im Vor- dergrund stünden.
Ärztemuster
Die neue Bundesgesundheitsmini- sterin, Professor Dr. Rita Süssmuth unterstrich ihre Bereitschaft, dar- auf hinzuwirken, daß die Transpa- renzkommission „unverzüglich auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird".
Im Bereich der Ärztemuster be- steht nach Angabe der Ministerin
„weitgehende Übereinstimmung"
darüber, daß diese auf ein erträg- liches Maß zu reduzieren seien.
Zur Eingrenzung des Mißbrauchs von Ärztemustern hatte ABDA- Präsident Klaus Stürzbecher wäh- rend der Eröffnungspressekonfe- renz Stellung genommen. Dabei schlug er eine auf zwei Jahre be- grenzte Regelung vor, die der For- mel „Abgabe neuer Arzneimittel an alle Ärzte und alter Arzneimit- tel an neu niedergelassene Ärzte"
entsprechen solle.
Stürzbecher wandte sich ent- schieden gegen die Etablierung von „Pharmaärzten". Seit einiger Zeit sei die Tendenz erkennbar, so Stürzbecher, „daß breite Teile der Ärzteschaft Arbeitsfelder — und damit neue Arbeitsplätze — in der Pharmaindustrie für sich be- anspruchen und damit Industrie- apothekern das Feld streitig ma- chen".
Aut-simile-Gebot
Unter Bezug auf derzeit diskutier- te Modelle der Arzneimittelaus- wahl durch den Apotheker sprach sich der Vorsitzende des Hessi- schen Apothekervereins, Dr. Willy Langeneckert, für die Beibehal- tung des Substitutionsverbotes aus. Er kam aber zu dem Schluß, daß es im Rahmen der Kosten- dämpfung möglich sein müsse,
„durch einen Interessenausgleich mit Zugeständnissen aller Betei- ligten die Bedingungen für die Mitwirkung des Apothekers an der Arzneimittelauswahl festzule- gen". Dabei solle der Arzt auch künftig das ganze Spektrum der Arzneimitteltherapie abdecken können. Die Therapiefreiheit blei- be somit erhalten, da der Arzt durch den Vermerk „aut simile"
bestimmen könne, ob der Apothe- ker auswählen soll. Die Qualität des Einsatzes von Generika aber werde, so Langeneckert, durch die Mitarbeit des Apothekers ent- scheidend verbessert. ptv
Apotheker wollen (sollen) Ärzte beraten
Deutscher Apothekertag 1985: Strategien und Tendenzen
3418 (38) Heft 46 vom 13. November 1985 82. Jahrgang Ausgabe A