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Archiv "Ärzte und Apotheker: Im Gespräch über die Beratungsfunktion" (28.09.1989)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Gemeinsam traten Bundesärzte- kammer und Bundesapothekerkam- mer am 14. September vor die Bon- ner Presse. Der Präsident der Bun- desärztekammer, Dr. Karsten Vil- mar, und der Präsident der Bun- desapothekerkammer, Hans-Günter Friese, betonten schon fast demon- strativ das Verbindende. Differen- zen zwischen Ärzten und Apothe- kern wurden freilich nicht geleugnet.

Das Apotheker-Angebot, bei der Arzneimittelauswahl mitzuwir- ken, und die Apotheker-Forderung, die „Beratungsfunktion" zu erwei- tern, sind in der Arzteschaft argwöh- nisch aufgenommen worden. Der letz- te Deutsche Ärztetag hatte die Ver- ordnungshoheit des Arztes bekräftigt und von der Bundesapothekerkam- mer verlangt, ihre Mitglieder darauf hinzuweisen, sich strikt an die Verord- nung des Arztes zu halten, sowohl in bezug auf die Menge als auch bezüg- lich der Art des Medikamentes, soweit der Arzt nicht von der Aut-idem-Re- gelung Gebrauch mache. Der Ärzte- tag glaubte ferner, bei vielen Apothe- kern eine „ausufernde Beratungstä- tigkeit" feststellen zu können.

Beratungsbedarf gibt es somit genügend zwischen Ärzten und Apo- thekern; und das Ziel kann nur sein, die jeweiligen Aufgabenbereiche zu definieren. Mit der Aufgabenvertei- lung beschäftigten sich dann auch in Bonn die Vertreter der beiden Orga- nisationen. Gesucht und gefunden wurde fürs erste der kleinste gemein- same Nenner. Die eigentlichen

„Knackpunkte" (Friese), also die physiologisch-chemischen Untersu- chungen sowie die Gesundheitsbera- tung durch den Apotheker, blieben ausgeklammert. Über sie wird zur Zeit zwischen Ärzteschaft und Apo- thekerschaft verhandelt. Man hofft, im Frühjahr nächsten Jahres mit ei- nem Ergebnis aufwarten zu können.

Vilmar und Friese bekundeten in Bonn, daß man auf beiden Seiten gu- ten Willens ist und auf einen zufrie- denstellenden Ausgang der Ver- handlungen hofft.

Vilmar und Friese konzentrier- ten sich auf der Bonner Veranstal- tung auf das, was derzeit konsensfä- hig ist. Und das ist doch einiges .

„In einer Zeit zunehmenden Wettbewerbs innerhalb der Ärzte- und Apothekerschaft muß unser Be- streben auch weiterhin sein, daß durch strikte Kompetenzabgrenzung die gedeihliche Zusammenarbeit im besten Interesse des Kranken erhal- ten bleibt", postulierte Dr. Vilmar.

Beratungsbedarf entstehe beim Arzt hinsichtlich der wirtschaftlichen Me- dikamenten-Verordnung: „Auch die Ärzte wissen, daß unter den neu auf den Markt gekommenen, einen the- rapeutischen Durchbruch bedeuten- den Arzneimitteln eine Menge sind, bei denen die Tagesbehandlungsko- sten weit über den bisher üblichen Beträgen liegen. Das sollte für den Apotheker ein finanzieller Ausgleich sein, daß er dem Arzt bei der wirt- schaftlichen Verordnung derjenigen Arzneimittel hilft, die ihre For- schungskosten bereits seit längerem eingebracht haben." Ärzte und Apo- theker seien sich darin einig, daß es trotz Festbeträgen und Negativlisten keine Zweiklassen-Medizin geben dürfe. Auch teure fortschrittliche Medikamente müßten dem Kassen- patienten uneingeschränkt verordnet werden können.

Vilmar: Beratung da, wo es angezeigt ist

11111111113»ß ABM Informationen brauchten die Ärzte von den Apothekern auch, so Vilmar, über Arzneimittel in neuer Zusammensetzung und über die Auswahl kostengünstiger Zweitan- bieter-Präparate.

Beratung des Patienten sei, so Dr. Vilmar, da angezeigt, wo Patien- ten mehrere Ärzte gleichzeitig aufsu- chen, ihre Arzneimittel aber in der gewohnten Apotheke einkaufen.

Hier sei der Apotheker oft der einzi- ge, der den Patienten (und mit sei-

nem Einverständnis auch die behan- delnden Ärzte) auf mögliche additi- ve Effekte und Inkompatibilitäten hinweisen könne. Beratungsaufga- ben fallen dem Apotheker laut Vil- mar schließlich bei der Selbstmedi- kation sowie hinsichtlich der Lage- rung und Entsorgung von Medika- menten zu.

Hans-Günter Friese bekräftigte seitens der Apotheker: „Die Apothe- ker wollen sich in keiner Weise in die ärztliche Therapiehoheit herein- drängen." Sowohl die Diagnose als auch die Festlegung der Therapieart seien alleinige Aufgabe des Arztes.

Friese gab aber zu, daß es zum § 20 der Apothekenbetriebsordnung, wo- nach der Apotheker Kunden und auch zur Ausübung der Heilkunde berechtigte Personen über Arznei- mittel zu informieren und zu beraten hat, Irritationen zwischen Ärzten und Apothekern gegeben habe. Die Kooperation lasse noch Wünsche of- fen. Friese: „Nach meiner Meinung könnten sich die eher theoretisch- pharmakologische Ausrichtung des Apothekers und die stärker hand- lungsorientiert-pharmakologische des Arztes zum Vorteil des Patien- ten gut ergänzen. So ist es für mich durchaus denkbar, daß nach Festle- gung von Wirkstoff oder Wirkstoff- kombination durch den Arzt, durch den Apotheker vor Ort oder auch in- stitutionell gemeinsam mit dem Arzt ein wirtschaftlich günstiges Fertig- arzneimittelangebot im Sinne eines Spektrums erarbeitet werden kann, das für die Ärzte auch in der Praxis akzeptabel ist."

Bei der zunehmenden Unüber- sichtlichkeit des Arzneimittelmark- tes seien die Apotheker gern bereit, dem Arzt die notwendigen Informa- tionen zu vermitteln. Mit zunehmen- der Ausweitung des Festbetragssy- stems dürfte nach Frieses Ansicht je- doch nur ein umfassendes Informa- tionsmedium eine sachgerechte Lö- sung für die Arzneimittelauswahl durch den Arzt darstellen. Im Be- reich der wirkstoffidentischen Fer- tigarzneimittel stelle sich dem Arzt

die Frage nach einem qualitätsmäßig

adäquaten, insbesondere bioäquiva- lenten Austauschpräparat, wenn der Patient nicht bereit sei, die Differenz zu zahlen.

Ärzte und Apotheker: Im Gespräch über die Beratungsfunktion

Dt. Ärztebl. 86, Heft 39, 28. September 1989 (19) A-2711

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Apothekerpräsident Friese ver- anschaulichte seine Vorstellungen von Zusammenarbeit mit eigenen Erfahrungen. Er habe sich mit den acht Ärzten des Einzugsbereiches seiner Apotheke im Westfälischen zusammengesetzt, um über die Aus- wirkungen der Festbeträge zu bera- ten. Ergebnis: Einer der Arzte wolle sich der Aut-idem/Aut-simile-Rege- lung bedienen und die Auswahl des Präparates grundsätzlich dem Apo- theker überlassen. Zwei Ärzte wä- ren, wenn auch mit Einschränkun- gen, bereit, den Apotheker bei der Auswahl zu beteiligen, die übrigen neigten dazu, Originalpräparate zu verordnen, vorausgesetzt, deren Preise lägen auf dem Festbetragsni- veau. Solche persönlichen Erfahrun- gen mögen dazu beigetragen haben, daß Friese vor der Presse relativ zu- rückhaltend auf die Aut-idem/Aut- simile-Möglichkeit, die mit dem Ge- sundheits-Reformgesetz gegeben ist, einging; er plädierte vielmehr dafür, auf örtlicher Ebene Übereinkünfte zu treffen.

Erhöhter Beratungsbedarf durch Festbeträge

Zweifellos kommt mit den Fest- beträgen auf die Apotheker ein Mehr an Beratung zu, auch der Be- ratung des Arztes im Sinne von Vil- mar. Der verordnende Arzt gerät nämlich leicht in Gefahr, die Uber- sicht zu verlieren, wenn

• der den Festbeträgen unter- liegende Marktanteil fortwährend größer wird,

• die Festbeträge häufiger ge- ändert werden und

• im Gefolge der Festbetrags- änderungen sich das Preisgefüge ständig verschiebt.

Bei einer Pressekonferenz der Interessengemeinschaft Generika — am selben Tag in Bonn — bemängelte Ministerialdirektor Karl Jung vom Bundesarbeitsministerium, die Kas- sen hätten die Festbeträge zu hoch angesetzt. Die Taktik, zunächst maß- voll vorzugehen und im neuen Jahr die Festbeträge sodann zu überprü- fen, hält Jung für falsch. Auf die Fra- ge, ob Arzneimittelfirmen die Preise im festbetragsfreien Sektor erhöht

hätten, erklärte Jung, es habe Preis- erhöhungen gegeben; sie beträfen ein Volumen von 50 Millionen DM.

Konsequenz aus einem solchen Ver- halten der Hersteller müsse es sei- tens der Kassen sein, „die Festbeträ- ge noch schneller festzusetzen, als die anderen die Preise erhöhen".

Schlußfolgerung: Auf die Ärzte könnte somit noch einiges an Fest- betragsverwirrungen einprasseln. Ob sie angesichts dessen Jungs Vorstel- lung gerecht werden, „eine Schlüs- selrolle bei der Umsetzung des Fest- betragskonzeptes" zu spielen, sei da- hin gestellt. Möglicherweise wachsen jedoch den Apothekern hierbei mehr Informationsaufgaben zu, als ihnen derzeit lieb sind.

Hinzu kommen Beratungsaufga- ben für den Apotheker, die sich im Gefolge der Negativliste einstellen dürften. Die geplante Erweiterung der Liste wird mit Sicherheit auf die Selbstmedikation durchschlagen.

Prof. Dr. Rainer Braun von der ABDA (Bundesvereinigung Deut- scher Apothekerverbände) hält es zum Schutz des Patienten prinzipiell für nötig, die therapeutische Ange- messenheit der Selbstmedikation durch den Apotheker überprüfen zu lassen. Der Apotheker dürfe aller- dings — so Braun vor der Bonner Presse — nicht in Konkurrenz zum Arzt treten und in keiner Weise („auch nicht nach gegebenenfalls von ihm vorab durchgeführten dia- gnostischen Untersuchungen") eine Feststellung von Krankheiten oder Leiden treffen. Laut Braun erstreckt sich die „Kontrollfunktion" des Apo- thekers bei der Selbstmedikation auf:

> Anwendung ungeeigneter, das heißt nicht indikationsgerechter Arzneimittel,

> Nichtbeachtung von Anwen- dungsbeschränkungen,

> Nichtbeachtung von Arznei- mittelwechselwirkungen,

> Aufklärung über Risiken durch Nebenwirkungen.

Würden Brauns Kriterien tat- sächlich gewissenhaft befolgt, dann kämen auf den Apotheker freilich Beratungsaufgaben zu, die er bisher nur selten hat wahrnehmen müssen.

Ob dafür in der täglichen Hektik wohl genügend Zeit ist? KR/NJ

Kündigungs- recht - eine

stumpfe Waffe?

Die Krankenkassen sehen sich überfordert, die Überkapazitäten im stationären Sektor (Stichwort: „Bet- tenberg") aus eigener Initiative zügig abzubauen, um die vom Gesetzgeber (politisch vorgegebenen) Einsparpo- tentiale „einzufahren". Die den Krankenkassen mit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes „zuge- schanzte" Vertragsfreiheit und das den Krankenkassen eingeräumte Kündigungsrecht gegenüber den Krankenhausträgern haben sich bis- lang als stumpfe Waffen erwiesen.

Sosehr der im Bundesarbeitsmi- nisterium auch für Krankenhausfra- gen zuständige Abteilungsleiter, Mi- nisterialdirektor Karl Jung, die Krankenkassen ermahnte, unwirt- schaftliche und nicht bedarfsgerech- te Krankenhäuser oder einzelne Kli- nikabteilungen aus dem Versor- gungsvertrag gemäß § 110 Abs. 1 So- zialgesetzbuch V (SGB V) zu kündi- gen, so muß Bonn die Tatsache zur Kenntnis nehmen: Auch acht Mona- te nach Inkrafttreten des „Reform- gesetzes" liegt noch kein Kündi- gungsantrag gemäß § 110 SGB V auf dem Tisch, geschweige denn, daß die Landesaufsichtsbehörden den Kran- kenkassen Zustimmung signalisiert hätten.

Zwar hat die verschärfte Kündi- gungsklausel zumindest in der Ent- stehungsphase des GRG für Unruhe und Proteste gesorgt, doch stecken Krankenkassen und Länder mit der Praktizierung dieses Faustpfandes in der Zwickmühle. Einerseits können die Krankenkassen nicht urplötzlich auf ihre angeblich mit dem Blüm- schen Reformgesetz wiedergewon- nene Handlungsfreiheit pochen und ohne substantiierte Begründung kündigen, andererseits können die Krankenkassen nicht einfach Ent- scheidungen vom grünen Tisch fäl- len, weil sie in das Kostendämp- fungskonzept passen.

Krankenhäuser, die einen Ver- sorgungsvertrag erhalten haben und A-2712 (20) Dt. Ärztebl. 86, Heft 39, 28. September 1989

Referenzen

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