A 578 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 14|
4. April 2014P O L I T I K
ARZNEIMITTELVERSORGUNG
Arzt und Apotheker kooperieren
Modellversuch in Sachsen und Thüringen: Vom 1. Juli an verordnen teilnehmende Ärzte nur noch Wirkstoffe, die Apotheker wählen das Präparat aus.
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rei Jahre ist es her, dass die Kassenärztliche Bundesver- einigung (KBV) und die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apo- thekerverbände ihre Idee für ein neues Konzept der Arzneimittel - versorgung der Öffentlichkeit vor- stellten. Unter dem Namen „Arz- neimittelinitiative Sachsen und Thü- ringen“ (ARMIN) beginnt nun nach intensiven Vorarbeiten ab dem 1. April die Erprobung des Mo- dells in diesen Bundesländern.Projektpartner sind die Kassenärzt- lichen Vereinigungen (KVen) sowie die Landesapothekerverbände und die AOK-Plus, die in Sachsen und Thüringen insgesamt 2,7 Millionen Menschen versichert.
„Zunächst wählt der Arzt wie ge- wohnt ein Fertigarzneimittel aus“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der KV Sachsen, Dr. med. Klaus Heckemann, bei der Präsentation von ARMIN Ende März in Berlin.
Die Praxissoftware bereite dann automatisch eine Wirkstoffverord- nung vor, die der Patient bundes- weit in jeder Apotheke einlösen könne. „Die Wirkstoffverordnung hat für den Arzt keinen direkten fi- nanziellen Vorteil, aber einen erhebli- chen indirekten“, betonte Hecke - mann. Denn wenn er im Rahmen von ARMIN einen Wirkstoff ver- ordne, werde dies in seinem Budget nicht berücksichtigt.
Die zweite Stufe des Projekts ist der Medikationskatalog. „Darin sind etwa 250 Wirkstoffe für die Behandlung von Volkskrankheiten wie Bluthochdruck oder Osteoporo- se enthalten, gewichtet nach ‚Stan- dard‘, ‚Reserve‘ und ‚nachrangige‘
Wirkstoffe“, sagte die 1. Vorsitzen- de der KV Thüringen, Dr. med. An- nette Rommel. Dies unterstütze den Arzt dabei, im Alltag schnell Ent - scheidungen zu treffen und den pas- senden Wirkstoff auszuwählen. Die Kompetenz des Arztes und seine Therapiefreiheit würden dadurch jedoch in keiner Weise einge- schränkt. Der Medikationskatalog ist in der Praxissoftware der teil- nehmenden Ärzte hinterlegt.
Verbesserte Therapietreue und weniger Klinikaufenthalte
Die dritte Stufe ist das Medikati- onsmanagement. „Zuerst erfasst der Apotheker die Gesamtmedikation eines Patienten“, erklärte die Vorsit- zende des Sächsischen Apotheker- verbandes, Monika Koch. Dazu bringe der Patient seine gesamte Medikation von zu Hause mit. Der Apotheker prüfe die Arzneimittelsi- cherheit und erstelle aus den Daten einen vorläufigen Medikationsplan.„Über einen Server leitet er diese Informationen an den behandeln- den Arzt weiter“, so Koch. Dieser vervollständige den Plan, überprüfe
ebenfalls die Sicherheit der Arznei- mitteltherapie und führe ein Bera- tungsgespräch mit dem Patienten.
Der Medikationsplan werde dann in der Folge regelmäßig an Medikati- onsänderungen angepasst.
„Da der Erstaufwand extrem hoch ist, erhalten die Ärzte und Apotheker für die erste Beratung je 94,50 Euro“, sagte der Vorstands- vorsitzende der AOK-Plus, Rainer Striebel. In den Folgequartalen sei- en es jeweils 21 Euro. „Über die Projektlaufzeit von fünf Jahren rechnen wir mit einem mehrstelli- gen Millionenbetrag, den wir inves- tieren werden.“ Im Gegenzug er- hofft sich die Kasse „direkte Ein- sparungen durch die Aufdeckung von Doppelverordnungen und uner- wünschten Nebenwirkungen“. Ver- besserte Therapietreue und weniger Krankenhausaufenthalte wirkten sich zudem positiv auf die Gesundheit der Patienten aus.
Nach einem Informations- und Einschreibequartal sollen die ersten beiden Stufen des Projektes zum 1. Juli 2014 starten. Die Teilnahme ist für alle Haus- und Fachärzte in Sachsen und Thüringen freiwillig.
Interessierte Ärzte können eine Teilnahmeerklärung auf der Inter- netseite www.arzneimittelinitiative.
de abrufen. Das Projekt wird wis- senschaftlich evaluiert.
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Falk Osterloh
In einem Bera- tungsgespräch erklärt der Arzt seinem Patienten Nutzen und Wech- selwirkungen der Medikamente, die er einnimmt.
Foto: Fotolia/Alexander Raths