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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

Leitsymptom: Fettstuhl

Jürgen Hotz

Aus der Gastroenterologischen Abteilung (Chefarzt: Professor Dr. med. Jürgen Hotz)

des Allgemeinen Krankenhauses Celle

Definitionen

Eine pathologische Fettausschei- dung (= Steatorrhö) liegt vor, wenn unter normaler Fettzufuhr von 60 bis 80 g pro Tag die Ge- samtfettausscheidung im 24-Stun- den-Stuhl 7g übersteigt. Das Sym- ptom Fettstuhl wird jedoch erst klinisch manifest (Diarrhö, Ge- wichtsverlust) bei einer Fettaus- scheidung von mehr als 20 bis 25 g pro 24 Stunden. Bei der Mal- digestion wird die erhöhte Fett- ausscheidung durch eine vermin- derte intraluminale Spaltung auf- grund von Lipase- und Gallensalz- mangel verursacht. Bei der Malab- sorption (= Malresorption) liegt eine gestörte Aufnahme durch den Dünndarm zugrunde. Beide Vorgänge werden im deutschen Schrifttum als Malassimilation zu- sammengefaßt.

2. Anamnestische

und klinische Charakterisierung Der erhöhte Fettgehalt im Stuhl per se führt bei ausschließlicher Fettverdauungsstörung zu keinen Beschwerden. Erst, wenn die bak- teriell gespaltenen und hydroxy- lierten Fettsäuren in ausreichen- der Konzentration die Dickdarm- schleimhaut zu einer verstärkten Sekretion anregen, treten Diarrhö und Schmerzen hinzu. Häufig ist jedoch der Fettstuhl Begleitsym-

Fettstuhl fordert die hohe Schule der gastroenterolo- gischen Differentialdiagno- stik, die sich stufenweise am klinischen Bild orientiert:

Wichtigste Hilfsmittel sind bei Verdacht auf Dünndarm- erkrankung Röntgen-Ma- gendarmpassage und Dünn- darmbiopsie und bei Ver- dacht auf Pankreas- und Gallenflußstörung sonden- lose Pankreasfunktionste- ste, Sonogramm, Computer- tomogramm und endosko- pisch retrograde Cholangio- pankreatograph ie.

ptom einer generalisierten Malab- sorption. Dann verursachen in den voluminösen, breiig bis flüssi- gen Stühlen die zusätzlich erhöh- te fäkale Eiweiß- (Kreatorrhö) und Kohlenhydratausscheidung (z. B.

bei Laktoseintoleranz) einen fauli- gen bzw. säuerlichen Geruch und Flatulenz.

Bei der Stuhlinspektion sind reine Fettstühle hell, glänzend, schmie- rig und klebrig und schwimmen in der Stuhlschüssel, oder der nor- mal erscheinende helle Stuhl schwimmt in flüssigem Öl. Letzte- res spricht für eine exokrine Pan- kreasinsuffizienz oder einen Ver- schlußikterus, ersteres für eine Malabsorption.

Die Begleitsymptome des Fett- stuhls werden durch die Malab- sorption oder durch die Grund- krankheit verursacht. Liegen gleichzeitig Oberbauchschmer- zen und Dyspepsie mit oder ohne Juckreiz und Ikterus sowie ein re- lativ geringer Gewichtsverlust vor, so ist eine Maldigestion wahr- scheinlich. Dagegen sind rapide Gewichtsabnahme, Meteorismus und Flatulenz, Vitaminmangeler- scheinungen, Eiweißmangelöde- me und Anämie bei meist volumi- nösen übelriechenden Stühlen eher auf eine enterogene Malab- sorption verdächtig (Typ: Sprue- Syndrom, Tabelle 1).

Lymphome, zerebrale Anfälle mit Verwirrtheitszuständen weisen auf Morbus Whipple hin, eine Der- matitis herpetiformes auf eine Glutenenteropathie und eine Arthritis oder Arthralgie auf Mor- bus Crohn oder Morbus Whipple hin. Nierenkoliken und Hämaturie können durch gesteigerte Oxal- säureresorption und Hyperoxal- urie aufgrund der Steatorrhö auf- treten (3). Bei einer anhaltenden Verminderung der Vitamin-D- und Kalziumresorption kann der Kno- chenstoffwechsel durch sekundä- ren Hyperparathyreoidismus zu- sätzlich gestört werden (Tabelle 2 auf der folgenden Seite).

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 42 vom 17. Oktober 1984 (49) 3061

(2)

Symptom/Befund Malabsorption Maldigestion

Voluminöse Stühle

+ ++

ölige Fettstühle chronischer Durchfall

(+) +++

+++ ++

Gewichtsverlust +++

+ +

Meteorismus/

Flatulenz

+++ (+)

Nykturie

Anämie

++

++

Bauchschmerzen

(+) ++

Vitaminmangel- symptome,

plasmatische Gerin- nungsstörung, Osteoporose/-malazie Nachtblindheit Eiweißmangelödeme

+++ (+)

++ (+)

Gallengangverlegung (Stein/Tumor)

primär biliäre Zirrhose Ikterus

Juckreiz

Begleitsymptome Wahrscheinliche Ursache

Oberbauchschmerzen (Koliken)

Dyspepsie

chronische Pankreatitis/

Pankreaskarzinom

Meteorismus Flatulenz Spannungs- gefühl im Leib Vitaminmangel- erscheinungen Eiweißmangelödem

Sprue Hypogamma- globulinämie

+ Lymphome/Arthritis/

ZNS-Symptome

Morbus Whipple

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Leitsymptom Fettstuhl

3. Differentialdiagnose —

Einteilung nach der Pathogenese 3.1 Normale Fettverdauung Die durchschnittliche tägliche Nahrungsaufnahme eines gesun- den Erwachsenen in unserem Zi- vilisationsbereich beträgt ca. 2500 ml Flüssigkeit und 500 g feste Nahrung, davon ca. 250 bis 300 g Kohlenhydrate, 100 bis 150 g Fett und 70 bis 100 g Eiweiß (13) * . Hier- aus geht hervor, daß mehr als 40 Prozent des täglichen Kalorienbe- darfes aus dem Nahrungsfett stammen, ca. 40 Prozent aus den Kohlenhydraten und nur 20 Pro- zent aus Proteinen. Hierdurch wird deutlich, daß gerade eine Fettverdauungsstörung zu einer schnellen Gewichtsabnahme füh- ren muß. Sie manifestiert sich bei normaler Aufnahme von Nah- rungsfett in einer verstärkten Fett- ausscheidung im Stuhl (Steator- rhö).

Die wesentlichen Schritte der Fettverdauung vollziehen sich im oberen Gastrointestinaltrakt, Gal- len- und exokrines Pankreassy- stem eingeschlossen. Der mit Pepsin und Salzsäure vermischte

Chymus wird nach einer Verweil- dauer von 1 /2 bis 2 Stunden im Ma- gen proportioniert in das Duode- num abgegeben. Ein hoher Fett- anteil der Speisen führt zu einer Verzögerung der Magenentlee- rung. Die Bedeutung der soge- nannten Vorverdauung im Magen ist geringer als früher angenom- men. Bei völligem Fehlen von Salzsäure und Pepsin, beispiels- weise bei totaler Atrophie der Ma- genschleimhaut, ist keine Maldi- gestion nachweisbar (24).

Die eigentliche Aufspaltung und Aufnahme der Nahrung vollzieht sich im oberen Dünndarm. Im Duodenum werden bei dem Kon- takt von angesäuertem Chymus mit der Mukosa Sekretin und

Cholesystokinin-Pankreozymin freigesetzt, wordurch die Sekre- tion von Gallenflüssigkeit und en- zymreichem Pankreassaft sprung- haft ansteigt. Der stärkste Reiz geht hierbei von einer fettreichen Mahlzeit aus. Erst durch die Durchmischung des sauren Chy- mus mit dem alkalischen hoch- konzentrierten Verdauungssekret schafft die optimalen Vorausset- zungen für eine schnelle und voll- ständige Aufspaltung der Nah-

rung in ihre Grundbestandteile (11). Diese werden dann im obe- ren Dünndarm aufgenommen. Die Aufnahmeleistung des Dünn- darms wird durch die Oberfläche des absorbierenden Epithels be- stimmt, die durch Ausbildung von Kerkringschen Falten sowie im mikroskopischen Bereich von Zot- ten (= Villi) und Mikrovilli um ei- nen Faktor von ca. 600 vergrößert wird (Darstellung 1). Die Sekre- tions- und Absorptionskapazität des oberen Gastrointestinaltrak- tes ist weit im Überschuß ange- legt, so daß sich eine Verdauungs- störung erst dann manifestiert, wenn mehr als 60 Prozent der nor- malen Funktion durch Krankheit oder Operation verloren gegan- gen ist (4, 6, 8, 10, 17). Anderer- seits wird das gesunde System erst bei einer oralen Fettaufnah- me von mehr als 300 g pro Tag überfordert mit konsekutiver diä- tetisch bedingter Steatorrhö.

Die relativ komplizierten Einzel- schritte bei der Aufspaltung von Neutralfett in freie Fettsäuren (F.F.) und Monoglyzeride (M.G.) sind in Darstellung 2 dargestellt.

Die Pankreaslipase spaltet mit dem Kofaktor Kolipase von dem

Tabelle 1: Typische Symptome und Befunde bei Malabsorption Tabelle 2: Typische Begleitsymptome und Ursachen bei Fett-

oder Maldigestion stuhl

3062 (50) Heft 42 vom 17. Oktober 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

(3)

Triglyzeridmolekül zwei F.F. ab, so daß ein M.G. übrigbleibt Vor dieser Spaltung sind die Fette zu- nächst in feiner wäßriger Emul- sion gelöst. Aufgabe der Gallen- salze ist es, nach der Spaltung die wasserunlöslichen F.F. und M.G.- Moleküle in eine sogenannte mi- zellare Lösung zu überführen. Hierbei legen sich die Gallensalze mantelförmig um die F.F. und

M.G., und zwar mit der hydrophi-

len Seite nach außen und mit der lipophilen Seite nach innen ge- richtet. Die Geschwindigkeit die- ser Vorgänge ist abhängig von der Menge des angebotenen Nah- rungsfettes, vom alkalischen Mi- lieu wie auch insbesondere von den Konzentrationen der Lipase und der Gallensalze.

Die Mizellen legen sich dann an die Dünndarmschleimhaut, so daß F.F. und M.G. direkt in die Entero- zyten eingeschleust werden kön- nen. Hier werden sie zu Triglyzeri- den resynthetisiert und an der kontraluminalen Seite - in Chylo- mikronen eingehüllt - in die Lymphbahn abgegeben. Auf die- se Weise werden langkettige Tri- glyzeride, Cholesterin wie auch die fettlöslichen Vitamine A, D und K aufgenommen.

..". Mittel- und kurzkettige Trigly- zeride treten dagegen aufgrund ihrer guten Wasserlöslichkeit oh- ne vorherige Spaltung direkt aus dem Dünndarmlumen durch das absorbierende Epithel in das Pfortaderblut über (Darstellung 2).

Aus diesem Grunde ist ihre Ver- wertung bei den meisten, durch Malassimilation gekennzeichne- ten Krankheiten nicht gestört.

Während die Aufnahme der Fette normalerweise in den ersten 100 cm des Jejunums abgeschlossen ist, wird der Großteil der sezer- nierten Gallensalze erst im unte- ren Ileum im enterehepatischen Kreislauf rückresorbiert Ein Ver- lust dieser für die Fettverdauung wichtigen Stoffe bei gestörter Rückresorption führt zu einer Ver- armung des Gallensäurespei- chers in der Leber mit herabge-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Fläche des einfachen Zylinders

Kerkring'sche Falten

Villi

Mikrovilli

Struktur

'I 4cm

..

.,.___280cm~

Leitsymptom Fettstuhl

Vermehrung der Oberfläche (in Bezug zum

Zylinder)

3

30

600

Oberfläche (cm2)

3.300

10.000

100.000

2.000.000

Darstellung 1: Vergrößerung der absorbierenden Oberfläche des Dünndarms durch Kerkring'sche Falten, Zotten und Mikrovilli (nach Goebell und Dollinger, 1975) setzter Konzentration von Gallen-

salzen in der Gallenflüssigkeit.

Unterschreitet diese im Dünn- darm einen bestimmten Schwel- lenwert ( = kritische mizellare Konzentration, K.M.K.), so kommt es zur Maldigestion der Fette mit vermehrter Fettausscheidung im Stuhl.

3.2 Ursachen der Steatorrhö 3.2.1 Maldigestion

durch Lipasemangel

Prototyp der Steatorrhö durch Li- pasemangel ist die exokrine Pan- kreasinsuffizienz durch chroni- sche Pankreatitis. Sie tritt erst auf, wenn ca. 80 Prozent des funk- tionstüchtigen exokrinen Drüsen- gewebes irreversibel durch den chronisch rezidivierenden Ent- zündungsprozeß geschädigt ist (4, 8, 1 0). Nach akuter Pankreatitis normalisiert sich die Drüsenfunk- tion bereits innerhalb von 4 bis 8 Wochen auch nach schweren Ver- laufsformen (19). Weitere Ursa- chen einer pankreatogenen Stea- torrhö sind ein Pankreaskarzi- nom, insbesondere im Kopfbe-

reich, oder ein Papillenkarzinom mit Verlegung des Hauptausfüh- rungsganges der Drüse, ferner ausgedehnte Pankreasteilresek- tionen bei chronischer Pankreati- tis, Pseu·dozysten oder nach Trau-

ma, wie auch selten einmal eine

heterozygote Form einer Erwach- senen-Mukoviszidose (Darstel- lung 3) .

3.2.2 Maldigestion

durch Gallensäuremangel Häufigste Ursache einer Steator- rhö durch verminderte Gallensalz- konzentration im oberen Dünn- darm ist der komplette Choledo- chusverschluß durch einen Gal- lenstein oder malignen Tumor im Pankreaskopf oder in den Gallen- wegen. Bei einem großen Teil die- ser Patienten stellt die Steatorrhö kein vordergründiges klinisches Problem dar, da diese Kranken entweder erfolgreich operiert werden können oder nur eine kur- ze Lebenserwartung haben. Grö- ßere klinische Probleme auf län- gere Sicht bieten Patienten mit chronischer intrahepatischer Cholestase, insbesondere bei pri- Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 42 vom 17. Oktober 1984 (53} 3063

(4)

j///JiR

J/11/ß~

Luminale Phase

Zelle

···---·

f.·-

(Konz. • KMK)

Transport

Darstellung 2: Schema der Digestion (oben) und Absorption (unten) von langkettigen (LKT) und mittelkettigen Triglyzeriden (MKT). Erstere werden in wäßriger Lösung durch Pankreaslipase und Kolipase in freie Fettsäuren und Monoglyzeride gespalten und dann durch Gallensalze in mizellarer Lösung gehalten, bevor sie durch die Ente- rozyten aufgenommen und zu Neutralfett resynthetisiert werden können. Der Ab- transport erfolgt dann über die Lymphbahnen. Dagegen können die mittelkettigen Triglyzeride direkt ohne vorherige Spaltung von den Enterozyten aufgenommen und an das Pfortaderblut abgegeben werden

3064 (54) Heft 42 vom 17. Oktober 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

märer oder sekundärer biliärer Zirrhose. Hierbei kann die Stea- torrhö durch die gleichzeitige Ga- be des Gallensäurenfängers Cho- lestyramin zur Bekämpfung des begleitenden chronischen Juck- reizes verstärkt werden.

Bei Patienten mit Morbus Crohn mit ausgedehntem Befall des Ileums wird die in etwa 30 Prozent bei diesen Kranken nachweisbare Steatorrhö teilweise auf eine ver- minderte Rückresorption der Gal- lensäuren im unteren Ileum zu- rückgeführt (21 ). ln diesen For- menkreis der Steatorrhö aufgrund eines unterbrochenen enterehe- patischen Kreislaufs der Gallen- säuren gehören auch Patienten nach ausgedehnten Resektionen des unteren Ileums. Bei diesem Syndrom kommt es durch die ka- thartische Wirkung der bakteriell veränderten Gallensäuren im Ko- lon zu einer gleichzeitigen wäßri- gen Diarrhö (cholerheic entero- pathy) (7). Parenchymatöse Le- bererkrankungen, wie die akute Hepatitis oder die Leberzirrhose, führen nur selten durch vermin- derte Sekretion von Gallensäuren in der Leber zu einer deutlichen Steatorrhö über 20 g Fettaus- scheidung pro Tag im Stuhl (23).

3.2.3 Maldigestion durch Übersäuerung im Dünndarm:

Zollinger-EIIison-Syndrom Das seltene Zollinger-EIIison-Syn- drom ist durch heftig rezidivieren- de Gastroduodenalulzera und Diarrhö mit Steatorrhö gekenn- zeichnet. Ursache für beide Sym- ptome ist die maximale spontane Säureproduktion des Magens auf- grund einer übermäßigen Gastrin- freisatzung aus einem Gastrinom im Pankreas oder Duodenum.

Hierdurch ist eine Neutralisation des sauren Chymus im Duodenum durch das aus dem Pankreas se- zerniert~ Bikarbonat nicht mehr möglich, wodurch die Pankreasli- pase und die Gallensalze auf- grund des sauren pH-Milieus im Dünndarm inaktiviert werden. C>

(5)

Ileum Resektion M. Crohn

Gastrin ZES

OP.

Folge Lipase

Mangel

Steatorrhoe

Gallensäure Mangel

B II

Blind loop

Darstelldng 3: Ursachen der Steatorrhö als Folge einer gestörten intraluminalen Fett- verdauung (Maldigestion für Fette)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Leitsymptom Fettstuhl

3.2.4 Maldigestion durch

Folgezustände nach Operationen am Gastroduodenaltrakt und bakterielle Fehlbesiedlung im Dünndarm

Die Vagotomie kann eine milde Steatorrhö nach sich ziehen, wahrscheinlich als Folge der schnellen Magenentleerung und beschleunigten Dünndarmpassa- ge des Chymus (22). Die Inzidenz und Ursache der häufiger nach Magenteilresektion (Operation nach Billroth I und II) nachweisba- ren Steatorrhö sind nicht bekannt (24). Der zugrundeliegende pa- thogenetische Mechanismus ist nach allgemeiner Auffassung sehr komplex. Mangelhafte Durchmi- schung des Chymus mit Gallen- und Pankreassekret sowie be- schleunigte Darmpassage werden gleichermaßen angeschuldigt. Ei- ne verminderte Sekretion von Gal- lenflüssigkeit und Pankreassaft wurde bei gastrektomierten Pa- tienten nachgewiesen, möglicher- weise als Folge einer verminder- ten Freisetzung von Sekretin und CCK-Pankreozymin (24). Als wei- terer Faktor für die Entstehung ei- ner Steatorrhö nach Ma- genoperationen kann die Keimbe- siedlung in der zuführenden Schlinge bedeutsam sein. Hier- durch kommt es zu einer mikro- biellen Dekonjugation der Gallen- säuren, die dann nicht mehr zu ei- ner ausreichenden Mizellenbil- dung fähig sind (5). Zusätzlich kann eine begleitende Enteritis die Fettaufnahnnestörung verstär- ken (= Malassimilation). Ein ähn- licher Mechanismus ist auch Ursa- che einer Steatorrhö beim Syn- drom der blinden Schlinge. Es tritt entweder spontan durch Ausbil- dung innerer Fisteln, beispiels- weise bei Morbus Crohn, oder nach Darmoperationen, insbeson- dere nach Seit-zu-Seit-Anastomo- sen mit blinden Stümpfen auf. Als weiterer Mechanismus für die Ent- stehung einer Steatorrhö bei die- sem Syndrom wird die bakterielle Synthese von Hydroxy-Fettsäuren in der blinden Schlinge diskutiert, die die Diarrhö und Steatorrhö verstärken (17).

3.2.5 Malabsorption durch Glutenenteropathie

Seltener als die Maldigestion ist die Malabsorption der regelrecht aufgespaltenen Fette infolge ei- ner Dünndarmerkrankung Ursa- che einer Steatorrhö. Klassisches Beispiel ist die Glutenenteropa-

thie (Synonyme: einheimische Sprue, beim Kind Zöliakie). Bei dieser Erkrankung führt die chro- nische Entzündung der gesamten Dünndarmschleimhaut zu einem Schwund der Zotten und Mikrovilli (partielle oder totale Zottenatro- phie).

Hierdurch wird die resorbierende Oberfläche der Darmschleimhaut um ein Vielfaches verkleinert (sie- he Abschnitt 2.1., Darstellung 1).

Die Verminderung der Anzahl der Enterozyten wird jedoch nicht durch toxisch bedingte Zellnekro- sen verursacht, sondern ist Folge einer beschleunigten Zellumbau- rate mit gesteigerter Mitose- und

Zellabstoßungsgeschwindigkeit (6). Ursache der Schleimhautent- zündung ist eine immunpathologi-

sche Reaktion gegenüber Gluten, welches als Klebereiweiß in allen einheimischen Getreidesorten vorkommt. Der genaue pathoge- netische Mechanismus bei dieser Entzündung ist noch nicht geklärt.

In der Regel spricht das Krank- heitsbild schnell auf strikte glu- tenfreie Diät an.

3.2.6 Seltene Ursachen der Malabsorption:

Morbus Whipple, Immunglobulin- mangel, Darmwandprozesse und Darmresektion

Der seltene Morbus Whipple ma- nifestiert sich bevorzugt bei Män- nern zwischen dem 5. und 6. Le- bensjahrzehnt mit einem schwe- ren globalen Malabsorptionssyn- drom.

Typische Begleitsymptome sind Fieber, Polyarthritis, Arthralgie, generalisierte Lymphome, Polyse- rositis und ZNS-Symptome. Die Diagnose wird durch den histolo- gischen Nachweis von mit PAS- positiven Glykogengranula ausge- füllten Makrophagen in der Dünn- darmschleimhautbiopsie oder ge- gebenenfalls im Lymphknoten- Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 42 vom 17. Oktober 1984 (57) 3065

(6)

kein Ikterus

1

Diagnostisches Vorgehen und abgrenzende Schritte bei Fettstuhl

Fettstuhl Gewichtsverlust

1

Voluminöse Stühle Vitaminmangeler- scheinungen Eiweißmangelödeme

1

Verdacht auf entero- gene Ursachen

1

Gastroduodenoskopie + Duodenalbiopsie (blinde Jejunumbiopsie) frakt. MDDP

Bestimmung von Vitamin A, D, Eisen, Ferritin, Folsäure im Serum, Fe-Resorptions- test

Schillingstest

1

Dünndarm Sprue,M. Whipple Ig-A-Mangel M. Crohn

Fisteln, pop. Zustände seltene Ursachen (s. Abschnitt 4).

keine

Diagnose Pankreasfunktions-

teste Sono (CT) ERCP

Pankreas chronische Pan- kreatitis Pankreas-Ca Zustand nach Opera- tion am Pankreas) Leberwerte

Pankreasfunktions- teste

Sonogramm (CT) ERC (P)/PTC (Laparoskopie/

Leberpunktion

Gallenwege Gallenstein Gallengang-Ca Pankreaskopf-Ca Papillen-Ca.

Leber schwere akute Hepatitis prim. bil. Zirrhose Metastasenleber

Klebrige-ölige Stühle mäßig erhöhtes Stuhl- gewicht

Oberbauchschmerzen

1

Ikterus

Verdacht auf cholo- gene Ursache

1

4,

Verdacht auf pankreatogene Ursache

Darstellung 4

biopsat gestellt. Endoskopisch ty- pisch ist eine weißfleckige Zeich- nung im oberen Dünndarm. Pri- märer oder erworbener Immun- globulinmangel — besonders IgA- Mangel — kann zu einer chroni- schen Enteritis mit schwerer Mal- absorption und Steatorrhö führen.

Meist lassen sich in der Stuhlpro- be Trophozoiten und Zysten von Gardia-Lambliasis nachweisen.

Die Diagnose wird gestellt durch den Nachweis eines Immunglobu- linmangels in der Immunelektro- phorese und einer Enteritis mit Zottenatrophie im Dünndarm- biopsat und — wo technisch mög-

lich, aber entbehrlich — durch die Immunhistologie (Verminderung von IgA-Plasmazellen).

Sehr selten können ausgedehnte Darmwandprozesse bei Morbus Crohn im oberen Dünndarm, Strahlenenteritis, Amyloidose, Sklerodermie, Dünndarmlympho- me und eine intestinale Lymph- angiektasie Ursache eines Fett- stuhls sein.

Bei der sehr seltenen Abetali- poproteinämie wird der meist nur mäßige Fettstuhl durch einen De- fekt der Chylomikronenbildung in der Mukosazelle des Dünndarms verursacht.

4. Untersuchungsmöglichkeiten 4.1 Funktionsteste

4.1.1 Quantitative Stuhlfettbestimmung

Der durch Anamnese und Stuhlin- spektion erhobene Verdacht einer Steatorrhö läßt sich durch die Stuhlfettanalyse nach van de Ka- mer objektivieren (20). Das relativ aufwendige Verfahren läßt sich durch einfachere Techniken wie den J 131 -Triolein-, J 131 -Ölsäure- Test oder den 14 CO 2-Tripalmitat- Atemtest wegen zu geringer Sen- sitivität und Spezifität nicht erset- zen (9). Die Erfassung des Schweregrades einer Steatorrhö 3066 (58) Heft 42 vom 17. Oktober 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

(7)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Leitsymptom Fettstuhl

kann zwar, statistisch gesehen, ei- nen Hinweis auf die Diagnose lie- fern: So soll eine massive Fettaus- scheidung über 40 g pro Tag eher eine gestörte Lipolyse durch chro- nische Pankreatitis und Pankreas- karzinom oder durch Kurzdarm- syndrom anzeigen, während die mäßige Steatorrhö von 25 bis 35 g pro Tag eher für eine einheimi- sche Sprue und die leichte Stea- torrhö von weniger als 20 g Fett pro Tag eher für eine gestörte Mi- zellenbildung infolge Gallensäu- remangels durch Cholestase oder erhöhten Verlust sprächen (16).

Die Trennschärfe ist jedoch zu un- genau. Daher ist die aufwendige, für Patient, Arzt, Pflegepersonal und Labor unbequeme und belä- stigende Methode als Suchtest für Pankreas- und Dünndarmerkran- kungen nicht geeignet. Sinnvoll ist sie jedoch in selteneren Fällen bei (1) unklarer Gewichtsabnah- me nach erfolgter negativer Pan- kreas- und Dünndarmdiagnostik oder (2) bei therapierefraktärer Gewichtsabnahme und bekannter Grunderkrankung (z. B. Sprue oder chronische Pankreatitis).

4.1.2 D-Xylose-Resorptionstest Dieser Test ist als Suchtest bei Verdacht auf Malabsorptionssyn- drom weit verbreitet. Die diagno- stische Effizienz wird jedoch durch zu viele Störmöglichkeiten stark beeinträchtigt wie Magen- entleerungsverzögerung oder Ma- gensturzentleerung mit osmoti- scher Diarrhö, Abbau von Xylose durch Bakterien, Sequestration von D-Xylose in Aszites und Öde- men sowie gestörte Nierenfunk- tion. Außerdem ist keine Artdia- gnose möglich. Die Trennung zwi- schen den verschiedenen Ursa- chen eines Malabsorptionssyn- droms untereinander wie auch zu Patienten ohne organische Dünn- darmerkrankung ist deshalb un- befriedigend (12, 18).

4.1.3 Atemteste

Den atemanalytischen Testen liegt das Prinzip zugrunde, von der Menge an ausgeatmeter Ra-

dioaktivität auf die Resorption bzw. bakterielle Zersetzung oral verabreichter radioaktiv markier- ter Substrate zu schließen. Erheb- liche Störungen wie Magenent- leerung, Darmpassage, Stoff- wechselabhängigkeit und Lun- genfunktion bedingen jedoch ei- ne relativ niedrige Sensitivität und Spezifität. Deshalb konnten sich (1) der 14C-Tripalmitat-Test (zur Erfassung einer Maldigestion für Fette) und (2) der 14C-Glykocholat- Test (zum Nachweis einer bakte- riellen Überbesiedlung des Dünn- darms oder einer Gallensäuren- Rückresorptionsstörung im dista- len Ileum mit chologener Diarrhö) nicht durchsetzen (1, 2, 15, 16).

Der 14C-Laktosetoleranztest wur- de zugunsten des treffsicheren und technisch weniger aufwendi- gen H 2-Laktose-Toleranztests ver- lassen (1), siehe auch Abschnitt 2.2. Letzterer hat sich insbeson- dere in der Pädiatrie bewährt.

4.1.4 Pankreasfunktionsteste Bei einer Pankreaserkrankung tritt eine erhöhte Stuhlfettaus- scheidung erst auf, wenn die En- zymsekretion um mehr als 70 Pro- zent vermindert ist (4, 8). Deshalb läßt sich der Verdacht auf pan- kreatogene Steatorrhö durch die sondenlosen Pankreasfunktions- teste (Chymotrypsinbestimmung im Stuhl, Fluoreszein-Dilaurat [Pankreolauryl®]-Test) mit hoher Sicherheit erhärten (9).

4.2 Morphologische Methoden Bei Verdacht auf chologene oder pankreatogene Ursachen eines Fettstuhls sind (1) Sonographie, (2) Computertomographie (CT) und (3) endoskopisch retrogra- de Cho lang iopankreatog raph ie- (ERCP) die Methoden der Wahl.

Bei der Suche nach einer entera- len Ursache gibt die (4) fraktio- nierte Röntgenuntersuchung des Dünndarms nur Hinweise auf ein Malabsorptionssyndrom, die Art- diagnose einer diffusen Enteritis ist erst durch eine (5) endoskopi- sche tiefe Duodenalbiopsie oder blinde Jejunalbiopsie möglich.

5. Praktisches

Vorgehen bei Fettstuhl

Das diagnostische Vorgehen rich- tet sich nach der Stuhlinspektion und dem abdominalen Sympto- menbild und Schweregrad sowie nach dem Spektrum der Begleit- symptome. Die wichtigste Wei- chenstellung kommt der Differen- zierung zwischen Verdacht auf enterale bzw. cholo-pankreato- gene Ursache zu (Darstellung 4).

Bei primärem Verdacht auf Dünndarmerkrankung sollten im ersten diagnostischen Schritt ne- ben den orientierenden Laborun- tersuchungen eine Gastroduode- noskopie mit Biopsie (bei Unsi- cherheit blinde Jejunalbiopsie) und eine röntgenologische frak- tionierte Magendarmpassage (MDDP) durchgeführt werden. Bei Verdacht auf Mangelsymptome können Bestimmungen von Vit- amin A, D und B 1 2 sowie Folsäure, Eisenresorptionstest und Schil- lingtest die Diagnose stützen. Der Xylose-Test und die Atemteste sind für die Primärdiagnostik ent- behrlich.

Bei Verdacht auf Pankreas- oder Gallenflußstörung sind Sonogra- phie und Pankreasfunktionsteste die Methoden der ersten Wahl.

Bei Unsicherheiten werden zu- sätzlich CT und/oder ERCP einge- setzt. Ist die ERCP technisch nicht möglich, schließt sich bei Chole- stase die perkutane transhepati- sche Cholangiographie (PTC) an.

Anmerkung

Die aufwendige Stuhlfettanalyse ist unter streng rationalen Ge- sichtspunkten erst bei Versagen der Primärdiagnostik indiziert.

Literatur im Sonderdruck, zu beziehen über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Jürgen Hotz Gastroenterologische Abteilung Allgemeines Krankenhaus Siemensplatz 4, 3100 Celle

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 42 vom 17. Oktober 1984 (59) 3067

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