• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Leitsymptom Hirsutismus" (05.03.1986)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Leitsymptom Hirsutismus" (05.03.1986)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

ÜBERSICHTSAUFSATZ

n

er Haarwuchs wird beim Men- schen durch viele Faktoren beeinflußt, wobei rassische und familiäre Veranlagung sowie an- drogen wirksame Steroidhormo- ne die häufigsten Ursachen sind.

Während vermehrter Haarwuchs bei Negern, Indianern und Asiaten selten ist, klagen in der Bundesre- publik Deutschland etwa drei Pro- zent aller Frauen, vor allem Dun- kelhaarige, über Symptome des Hirsutismus. Durch Abweichung von einem vermeintlichen weib- lichen Idealtyp entsteht häufig ein Leidensdruck. In den meisten Fäl- len besteht aber kein Befund von Krankheitswert, sondern eher ein Normalbefund, wenn auch vom äußersten Ende der Gaußschen Verteilungskurve — etwa analog zur Entwicklung einer Glatze beim Mann (29)*).

Symptome

Bei der Differenzierung des Leit- symptoms „vermehrter Haar- wuchs" muß man bei Frauen zwi- schen Hypertrichose, Hirsutismus und Virilismus unterscheiden.

Während die Hypertrichose eine vermehrte Behaarung ohne Prädi- lektionsstellen (meist am ganzen Körper) aufweist, ist beim Hirsu- tismus die androgenabhängige, typisch männliche Behaarung an Kinn, Oberlippe, Mammae, Ober- schenkel-Innenseite und die Schambehaarung abnorm ver-

mehrt. Eine starke Behaarung an den Armen und Unterschenkeln allein ist noch kein Hirsutismus, ebenso wenig wie ein vermehrter lokaler Haarwuchs beispielsweise nach Lymphödem (11). Vielmehr ist sie als Hypertrichose anzuspre- chen. Die Vermehrung des Haar- wuchses beruht dabei nicht auf ei- ner Neubildung von Haaren, son- dern wird durch eine Umwand- lung des bis dahin unauffälligen Flaumhaares bewirkt. Je ausge- prägter die Behaarung ist, desto wahrscheinlicher finden sich beim Hirsutismus erhöhte Spiegel männlicher Sexualhormone (An- drogene) im Blut. Menstruations- störungen sind nicht die Regel.

Beim Virilismus ist das klinische Bild durch einen Hirsutismus mit einer zusätzlichen Vermännli- chung der Stimme sowie des Kehlkopfes, der Klitoris und Kör- perproportionen bei massiver Überproduktion männlicher Ste- roidhormone gekennzeichnet.

Amenorrhoe und Mammaatrophie charakterisieren ebenfalls das Krankheitsbild.

Idiopathischer Hirsutismus Das Symptom Hirsutismus glie- dert sich in eine idiopathische und in eine symptomatische Form. Der idiopathische Hirsutis- mus macht etwa 90 Prozent aller Fälle aus und zeigt typischerweise

Vermehrter Haarwuchs bei Frau- en führt häufig zu einem großen Leidensdruck durch soziale und psychische Belastung. Trotz ätio- logischer Heterogenität des Hir- sutismus bietet sich ein breites Spektrum an therapeutischen Möglichkeiten an. Der diagnosti- sche Nihilismus früherer Jahre ist heute nicht mehr zu vertreten, da insbesondere symptomatische Formen des Hirsutismus eine aggressive Behandlung erfordern.

Androgenspiegel im Blut, die an der oberen Normgrenze oder nur wenig darüber liegen. Bei leich- tem Hirsutismus finden sich des- halb nur selten (3 Prozent), bei mittlerer bis schwerer Form in 18 bis 21 Prozent der Fälle erhöhte Androgenwerte (8). Allerdings scheint der Hirsutismus weniger eine Funktion der zirkulierenden Androgene, als vielmehr ein Aus- druck des peripheren Androgen- stoffwechsels und seiner Wirkung zu sein (18). So tritt Hirsutismus auch bei einer Erniedrigung des Sexualhormon-bindenden Globu- lins (SHBG) in Erscheinung, so daß das freie Testosteron für die Entstehung eines Hirsutismus von kritischer Bedeutung ist (28).

Auch Rezeptor- und Postrezeptor- schäden an den Haarfollikelzellen werden für die Entstehung des idiopathischen Hirsutismus ver- antwortlich gemacht (29).

Bei der Suche nach dem Ur- sprung einer Androgenüberpro- duktion ist nicht in allen Fällen ei- ne eindeutige Organzuordnung möglich. Während Prader 1971 den idiopathischen Hirsutismus noch als adrenalen Hirsutismus bezeichnete, berichtete Kirschner 1976, daß bei hirsuten Frauen in 95 Prozent der Fälle normalgroße Ovarien für eine erhöhte Andro-

') Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Leitsymptom Hirsutismus

Vermehrter Haarwuchs bei der Frau meist ohne Krankheitswert

Heinrich Laube

Aus dem Zentrum für Innere Medizin, Medizinische Klinik III und Poliklinik

(Leiter: Professor Dr. med. Konrad Federlin) der Justus-Liebig-Universität Gießen

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 10 vom 5. März 1986 (57) 617

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Hirsutismus

genproduktion verantwortlich sind. Andere Arbeitsgruppen hin- gegen beschrieben in den letzten Jahren eine mehr gleichmäßige Verteilung der Androgenüberpro- duktion auf Ovarien (33 Prozent), Nebennierenrinde (26 Prozent) oder beide Organsysteme gleich- zeitig (25, 31).

Symptomatische Formen des Hirsutismus

Auch bei symptomatischem Hirsu- tismus kann man zwischen einer interrenalen und ovariellen Gene- se unterscheiden. In seltenen Fäl- len sind auch hypophysäre oder hypothalamische Störungen die eigentlichen Ursachen. Im Rah- men einer Akromegalie, Hyperthy- reose oder eines Prolaktinoms kommt es aber meist nur zu einer Hypertrichose, während beim zentralen und peripheren Morbus Cushing häufiger eine Androgen- vermehrung beobachtet wird.

Beim polyzystischen Ovar (Stein- Leventhal-Syndrom) findet sich in 69 Prozent ein Hirsutismus, der als Folge einer gestörten Bioge- nese der Ovarialsteroide zu ver- stehen ist. Auffallend ist eine feh- lende Rhythmik in der Gonadotro- pinausscheidung, möglicherwei- se als Ausdruck einer hypothala- mischen Störung, mit erhöhten basalen Spiegeln an luteinisieren- dem Hormon (LH) und entspre- chend gesteigerter Testosteron- und Androstendionproduktion.

Ein symptomatischer Hirsutismus tritt auch beim adrenogenitalen Syndrom (AGS) auf. Hier kommt es als Folge eines Enzymmangels in der Steroidsynthese (11 (3- und 21-Hydroxylase-Mangel) zu einer reaktiven Überproduktion von ACTH mit begleitender Androgen- stimulation. Bei Adipositas und Typ II Diabetes mellitus (Hirsutis- mus diabeticorum) (Abbildung 1) liegt meist eine beidseitige Ne- bennierenrinde-Hyperplasie mit mäßig gesteigerter Androgenpro- duktion vor, wobei die Symptome aber häufig erst nach der Meno- pause in Erscheinung treten.

Die ausgeprägteste Form eines Hirsutismus finden wir bei den seltenen Adenomen und Karzino- men der Nebenierenrinde und bei virilisierenden Androgen-sezer- nierenden Tumoren des Ovars (zum Beispiel das Arrhenobla- stom).

Diagnostik

Der idiopathische Hirsutismus ist eine Ausschlußdiagnose (Tabelle 1), die nur bei normalen oder leicht erhöhten Androgenspie- geln gestellt werden darf und des- halb neben einer gründlichen

Abbildung 1: Hirsutismus diabeticorum, mäßig gesteigerte Androgenproduktion

Abbildung 2: Idiopathischer Hirsutimus im Alter ohne Androgenerhöhung

Anamnese und einer klinischen Untersuchung auch eine orientie- rende Hormonanalyse erfordert.

Da unterschiedliche Ursachen der symptomatischen Formen auch verschiedene Behandlungen not- wendig machen, ist der diagnosti- sche Nihilismus früherer Jahre beim Auftreten eines Hirsutismus heute nicht mehr gerechtfertigt.

Die Anamnese soll Auskunft ge- ben über die Dauer des Hirsutis- mus (erworben/kongenital), Arne- norrhoe, Menopause, Schwanger- schaften, und über Medikamen- teneinnahme wie Ovulationshem- mer und nichtsteroidale Medika- mente (wie Diazoxid, Penicill- amin, Diphenylhydantoin). Die kli- nische Untersuchung muß eine Hypertrichose bzw. einen Virilis- mus ausschließen, wobei die Übergangsformen zum Hirsutis- mus fließend sein können. Hin- weise für eine begleitende Akne, Seborrhoe oder Alopezie sind wichtig. Auf eine eventuelle Ga- laktorrhoe ist zu achten. Eine gy- näkologische Untersuchung ist bei mittelstarkem bis schwerem Hirsutismus unbedingt indiziert.

Hormonelle Veränderungen Testosteron und sein biologischer Vorläufer Androstendion werden bei der Frau normalerweise in der Nebennierenrinde und in den Ovarien gebildet. Das biologisch besonders wirksame Dehydrote- stosteron entsteht wie das Testo- steron zum großen Teil durch pe- riphere Konversion aus dem Vor- läufer Androstendion. Ein weite- res typisches Androgen ist das Te- stosteron-Prohormon Dehydro- epiandrosteron (DHEA), das vor- rangig aus der Nebennierenrinde (NNR) stammt, aber nur wenig zur Gesamt-Testosteronwirkung bei der Frau beiträgt (30). Eine Hor- monanalyse ist bei normaler Men- ses und leichtem Hirsutismus von längerer Dauer nicht obligat. Die mittleren Testosteronspiegel zei- gen beim idiopathischen Hirsutis- mus gegenüber einem gesunden Kontrollkollektiv keine (8) oder nur eine leichte Erhöhung (17).>

618 (58) Heft 10 vom 5. März 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

(3)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Hirsutismus

Bei allen mittel- bis schweren Fäl- len, insbesondere bei kurzer Dau- er und beginnendem Virilismus, muß aber unbedingt eine Bestim- mung der Hormonspiegel erfol- gen, die zumindest Plasmatesto- steron und 17-Ketosteroide im 24-Stunden-Sammelurin enthält.

Hier empfiehlt sich eine Mehr- fachbestimmung, um die Fehler- grenze klein zu halten. Als emp- findlicher Index für einen Hyper- androgenismus hat sich das Ver- hältnis von Testosteron und Se- xualhormon-bindendem Globulin erwiesen (6).

Bei erhöhtem Plasmatestosteron weisen gleichzeitig erhöhte 17-Ketosteroide, insbesondere ei- ne hohe DHEA-Fraktion, auf die Nebennierenrinde als Ursprung der Androgenüberproduktion hin.

Bei NNR-Hyperplasie besteht da- bei eine ACTH-abhängige Stimu- lation der Androgene und 17-Ke- tosteroide im Urin (Synacten 8- Test). Dieser Befund ist auch ty- pisch für das adrenogenitale Syn- drom (AGS). Bei NNR-Adenom und Karzinom hingegen findet man exzessiv hohe Androgenwer- te ohne ACTH-Abhängigkeit.

Dynamische Hormontests Eine Fraktionierung der 17-Keto- steroide und eine zusätzliche Be- stimmung weiterer Androgene trägt in der Mehrzahl der Fälle nicht zu einer Klärung einer inter- renalen oder ovariellen Genese des Hirsutismus bei (30). Bei einer Steigerung der Androgenspiegel um das eineinhalb- bis zweifache sollte deshalb grundsätzlich ein dynamischer Funktionstest durch- geführt werden (2).

Unter den kombinierten Funk- tionstesten kommt dem Choriogo- nadotropin Dexamethason-Test eine dominierende Rolle zu. Wäh- rend die durch Dexamethason supprimierbaren Androgene des Ovars auf Choriogonadotropin (HCG) stimuliert werden, fehlt meist ein Ansprechen der Neben- nierenrinde. Befunde von Givens

haben 1974 die Wertigkeit dieses Tests inzwischen jedoch einge- schränkt; Taubert ersetzte diesen aufwendigen und offensichtlich wenig präzisen Test durch einen

Ovulationshemmer-Dexametha- son-Test. Um die ätiologische He- terogenität des idiopathischen Hirsutismus besser zu erfassen, schlug Bouallouche 1983 auch ei- nen Test mit dem Releasingfaktor des luteinisierenden Hormons vor (LRH-ACTH-Test).

Bei Verdacht auf ein polyzysti- sches Ovar muß die Diagnose durch eine gynäkologische Unter- suchung mit Sonographie und

I

Tabelle 1:

Diagnostik bei Hirsutismus 10, Anamnese

C) Klinischer Befund:

Gynäkologische Untersuchung, Sonographie

® Orientierende Hormonanalysen:

Plasmatestosteron, 17-Ketosteroide im 24-Stunden-Sammelu rin C) Dynamische

Hormonteste:

HCG-Dexamethason- Test,

Ovulationshemmer- Dexamethason-Test, LRH-ACTH-Test C) Erweiterte Diagnostik:

Sexualhormon- bindendes Globulin, kombinierter Hypophysentest,

Bestimmung von DHEA, Computertomographie, selektiver Venenkatheter

eventuell Laparoskopie abgeklärt werden. Labormäßig fällt neben dem erhöhten Gehalt an Testoste- ron ein gesteigerter LH-Basalwert (32) und ein erhöhter Androsten- dion-Glucuronid-Spiegel auf (18).

Beim adrenogenitalen Syndrom sind erhöhte 17-Ketosteroide be-

ziehungsweise DHEA durch 2mg Dexamethason (zum Beispiel Fortecortin® supprimierbar, was bei NNR-Adenomen und Karzino- men nicht möglich ist. Um bei 21-Hydroxylase-Defekt auch eine späte NNR-Hyperplasie auszu- schließen, die gelegentlich mit Hirsutismus einhergeht (4), bietet sich zusätzlich ein Test mit dem Releasing-Faktor des Schilddrü- senhormons (TRH) an (3), der zu einem starken Prolaktinanstieg führt.

Serumtestosteronspiegel über 100 ng/dl sollten bei Frauen be- sonders an die Möglichkeit eines Androgen-produzierenden Tu- mors des Ovars oder der Neben- nierenrinde denken lassen. Ent- scheidend für die Organlokalisa- tion ist neben der Sonographie und dem Computertomogramm die selektive Katheterisierung der Venen und die separate, seitenge- trennte Hormonanalyse.

Behandlung

Bei leichtem idiopathischen Hir- sutismus (Tabelle 2) bietet sich vorrangig eine kosmetische Be- handlung an. Hier können mehre- re Verfahren mit unterschied- lichen Vor- und Nachteilen ange- wandt werden.

Bei leichtem Hirsutismus kann primär erst einmal ein Versuch mit Haarbleichmitteln erfolgen.

Auch Enthaarungscremes mit An- tiandrogenen wie Canrenoat (G.

D. Searle) bringen gelegentlich Erfolg (12). Sicherer ist jedoch die Epilation mittels Elektroko- agulation (Diathermie), bei der es sich allerdings um ein sehr lang- wieriges Verfahren handelt, da je- des Haarfollikel einzeln behan- delt werden muß. Die Elektrolyse mit Gleichstrom hingegen gilt als sehr schmerzhaft. Eine ständige Rasur ist die einfachste, aber auch die kurzfristigste Methode der Haarentfernung (1). Im Ge- gensatz zur allgemeinen Meinung löst sie keinen vermehrten Haar- wuchs aus.

620 (60) Heft 10 vom 5. März 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

(4)

Tabelle 2: Behandlung des idiopathischen Hirsutismus Leichter Hirsutismus:

a. Epilation b. Haarbleichmittel c. Enthaarungscreme d. Rasur

e. Spironolactone (200 mg/die) f. Ovulationshemmer

mit Antiandrogeneffekt (z. B. Diane®)

Starker Hirsutismus:

a. Androcur® (25 bis 200 mg/die) plus Progynon®

C (40 ilg/die) vom 5. bis zum 25. Zyklustag b. Androcur® (300 mg i. m.)

am 5. Zyklustag plus Pro- gynon® C (40 µg/die) vom 5. bis zum 25. Zyklustag Hirsutismus

in der Menopause:

Androcur® (50 bis 100 mg/

die) kontinuierlich

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Hirsutismus

Bedeutung der Antiandrogene Bei idiopathischem Hirsutismus mit gering erhöhtem Testosteron bietet sich bei gleichzeitiger Arne- norrhoe und Kinderwunsch eine Behandlung mit Dexamethason (zum Beispiel Fortecortin®) an.

Hier werden jedoch nur in 50 Pro- zent der Fälle Erfolge gesehen (10), während mit 200 mg Spirono- lactone (zum Beispiel Aldactone®) täglich angeblich in 95 Prozent der Fälle eine Besserung beob- achtet wurde (5). Der H 2-Rezeptor- Antagonist Cimetidin (zum Bei- spiel Tagamet®) verzögert eben- falls den Haarwuchs, bringt aber therapeutisch letztendlich nur we- nig Erfolg (15). Bessere Ergebnis- se wurden unter der Gabe von Tri- jodthyronin (zum Beispiel Thyr- oxin-T3) gesehen, das zu einer Er- höhung des Gehaltes an Sexual- hormon-bindenden Globulins bei- trägt (26). Die sichersten Erfolge konnten aber durch Gabe von Ovulationshemmern mit Antian- drogeneffekt erreicht werden (zum Beispiel Diane® oder Euno- min®), bei denen jeweils 2mg Cy- proteronacetat (Androcur®) mit 50 j.tg Ethinylestradiol (zum Beispiel Mestranol) kombiniert sind.

Bei schwerem Hirsutismus idio- pathischer Form müssen jedoch wesentlich höhere Dosen des stark antihirsuten Antiandrogens Cyproteronacetat in einer lebens- langen Sequenztherapie verwen- det werden (14). Cyproteronacetat ist ein Hydroxyprogesteronderi- vat, das sowohl die Neubildung als auch die periphere Testoste- ronwirkung am Androgenrezeptor blockiert (21). Die Rezeptoraffini- tät beträgt etwa 10 bis 30 Prozent des Testosterons. Neuere Befunde von Hammerstein lassen vermu- ten, daß die wirksame Komponente der 1513-Hydroxymetabolit ist. In seiner Eigenschaft als Gestagen wirkt das Antiandrogen Cyprote- ronacetat auch hemmend auf die LH-Sekretion. Als Therapiesche- ma wird die umgekehrte Zweipha- sentherapie mit 50-200 mg Andro- cur® täglich per os vom 5. bis 14.

Tag und mit 50 jtg Ethinylestradiol

(zum Beispiel Progynon® C) vom 5.

bis 21. Tag empfohlen (24). Dabei wurden Behandlungserfolge von 75 Prozent innerhalb von 12 Mona- ten beobachtet (7, 9). Bessere Er- gebnisse wurden von Moltz berich- tet, der je einmal zwischen dem 4.

und 7. Zyklustag 300 mg Androcur®

intramuskulär verabreichte und gleichzeitig 40 jig Progynon® C für 21 Tage verschrieb.

Das adrenogenitale Syndrom soll- te mit 1 bis 2 mg Dexamethason oder 25 bis 40 mg Hydrocortison täglich behandelt werden. Dies bewirkt fast immer eine ausrei- chende Suppression der erhöhten

ACTH- und Androgenspiegel. Der Hirsutismus wird dadurch aber nicht regelmäßig beseitigt. Das Stein-Leventhal-Syndrom führt nach Keilexzision mit Reduktion von Androgen-bildendem Gewe- be zu einer weitgehenden Nor- malisierung des Hormonstatus und des Hirsutismus.

Nebenwirkungen

Nebenwirkungen des Cyproteron- acetats sind häufig Übelkeit, Ge- wichtszunahme, Libidoverlust und Depressionen. Außerdem ist die Behandlung kostspielig und lebenslang. Es erscheint deshalb wichtig, auch die psychologische Betreuung der Patientinnen nicht außer acht zu lassen und den Frauen klarzumachen, daß es sich bei dem viel häufigeren idiopathi- schen Hirsutismus nur um eine extreme Variante und nicht um ei- ne Krankheit handelt. Eine psy- chotherapeutische Beratung kann hier eventuell weiterhelfen (19).

Bei Adenomen und den seltenen Karzinomen von Nebennierenrin- de und Ovar muß eine operative Entfernung als Mittel der thera- peutischen Wahl gelten.

Literatur (Auswahl)

Bouallouche, A.; Brerault, J. L.; Fiet, J.; Julien, R.; Vermeulen, C.; Cathelineau, G.: Evidence for adrenal and/or ovarian dysfunction as a possible etiology of idiopathic hirsutismus.

Am. J. Obstet. Gynecol 147 (1983) 57-63 — Gi- vens, J. R.; Andersen, R. N.; Wiser, W. L.; Cole- man, S. A.; Fish, S. A.: A gonadotropin-respon- sive adrenocortical adenoma. J. clin. Endocr.

38 (1974) 126 — Hammerstein, J.; Moltz, L.;

Schwarzt, U.: Antiandrogens in the treatment of acne and hirsutism. J. Steroid Biochem. 19 (1983) 591-597 — Kirschner, M. A.; Zucker, I. R.;

Jespersen, D.: Idiopathic hirsutism — an ova- rian abnormality. N. Engl. J. Med. 294 (1976) 637-640 — Moltz, L.; Haase, F.; Schwarzt, M.;

Hammerstein, J.: Die Behandlung androgeni- sierter Frauen mit intramuskulär applizierba- rem Cyproteronacetat. Geburtshilfe Frauen- heilk. 43 (1983) 281-287 — Prader, A.; Zach- mann, M.: Das adrenogenitale Syndrom. In:

Klinik der Inneren Sekretion. A. Labhart.

Springer Verlag, Berlin, 1971 — Taubert, H. D.;

Jürgensen, 0.: Die Behandlung des Hirsutis- mus und anderer Störungen des Haarfollikel- apparates mit Antiandrogenen. Therapiewo- che 28 (1978) 2951-2970 — v. Werder, K.; Goe- bel, R.; Müller, 0. A.: Hirsutismus. Internist 20 (1979) 75-84

Weitere Literatur im Sonderdruck, zu beziehen über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Heinrich Laube Medizinische Klinik III und Poliklinik

Justus-Liebig-Universität Rodthohl 6

6300 Gießen

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 10 vom 5. März 1986 (61) 621

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Sie haben schon 8 Jahre eingezahlt, dann müssen sie noch die 10 Jahre warten, mit der Zeit wird man auch schon alt und grau, denn mein Sohn ist 36, seine Frau 34, aber so muß

Das akute Cor pulmonale entsteht durch Lungenembolie, Lungen- ödem, im Bronchialasthma-Anfall und bei plötzlichen Drucksenkun- gen im Pleuraraum, während für die chronische Form

Dem steht der häufig pejorativ als Hypochonder bezeichnete Patient gegenüber, den auch die unauf- fälligen Untersuchungsbefunde sorgfältigster Diagnostik nicht von seiner

durch Gallensäuremangel Häufigste Ursache einer Steator- rhö durch verminderte Gallensalz- konzentration im oberen Dünn- darm ist der komplette Cho ledo- chusverschluß

Wichtiges differentialdiagnostisches Kriteri- um ist, daß sekretorische Durch- fälle auch nach 24stündiger Nah- rungskarenz anhalten oder nur unwesentlich gebessert

Da dem Singultus einerseits nur selten krankheitsspezifische Be- deutung zukommt, andererseits jedoch eine Vielzahl an Erkran- kungen mit ihm in Zusammen- hang gebracht werden,

Befindet sich der Patient in schlechtem Allgemeinzustand , hat er langanhaltendes Fieber über drei Wochen, Symptome w ie Gewichtsabnahme, Herzgeräu- sche,

Dabei gilt nach wie vor, daß neu auftretende Beschwerden oder ein Symptomwechsel besondere Aufmerksamkeit verlangen, anderer- seits aber weder eine pittoreske Schilderung