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Archiv "Moderne Operationsverfahren des Rektumkarzinoms: Sind adjuvante Maßnahmen notwendig?" (28.04.2000)

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as kolorektale Karzinom wird vom Laien häufig als hoff- nungslose Krebserkrankung angesehen, deren Behandlung immer in eine verstümmelnde Operation oh- ne realistische Heilungschance mün- det. Folgen sind die weitgehende Ver- weigerung der kostenlosen Vorsorge- untersuchung und damit die hohe Rate diagnostisch ungünstiger fortgeschrit- tener Tumorstadien. Dieser Zustand ist einer aufgeklärten Gesellschaft nicht würdig. Er entspricht nicht dem Sachverhalt, dass dieser Tumor eine sehr viel bessere Heilungschance hat als jeder andere gastrointestinale Krebs. Aber auch die Fortschritte der Chirurgie rechtfertigen keinerlei Nihi- lismus (6). Durch besseres Verständnis der Kontinenzmechanismen, systema-

tische pathoanatomische Erkenntnisse zur perirektalen Tumorausbreitung, neue operative Möglichkeiten zum Rektumersatz sowie differenzierte ad- juvante Therapieschemata kann heute das Rektumkarzinom in 85 Prozent mit Sphinktererhalt und einer Fünf- Jahres-Überlebensquote von über 50 Prozent operiert werden (Grafik 1).

Anatomie des Rektums

Das Rektum als Abschlussseg- ment des Magen-Darm-Trakts bietet hervorragende Möglichkeiten der

vollständigen endoskopischen Inspek- tion mit starren Instrumenten (Rekto- skop, Proktoskop) zur Inspektion, Biopsie und Endosonographie. Es wird eingeteilt in ein unteres (4 bis 7 cm), mittleres (7 bis 11 cm) und oberes Drittel (11 bis 15 cm). Alle Angaben beziehen sich auf den Abstand von der Anokutanlinie am äußeren Rand des Analkanals, das heißt circa 2 cm distal der Linea dentata. Das obere Rektum- drittel liegt intraperitoneal, sodass größere Tumoren in diesem Bereich noch eine direkte Beziehung zur frei- en Bauchhöhle haben. Im Gegensatz dazu neigen Tumoren des unteren und mittleren Drittels eher zur Infiltration der Nachbarorgane. Im kleinen Becken wird das Rektum zirkulär vom blut- und lymphgefäßführenden Fett-

Moderne

Operationsverfahren des Rektumkarzinoms

Sind adjuvante Maßnahmen notwendig?

Volker Schumpelick Stefan Willis Reinhard Kasperk

Etwa ein Drittel der kolorektalen Karzinome sind in Deutschland Rektumkarzinome. Trotz vieler technischer Va- riationen ist die En-bloc-Resektion des Rektumkarzinoms in- klusive der regionalen Gefäßversorgung unverändert der zen- trale Eckpfeiler der chirurgischen Therapie. Systematische pathoanatomische Erkenntnisse zur perirektalen Tumoraus- breitung, ein besseres Verständnis der Kontinenzmechanis- men und ein optimiertes Instrumentarium führten dazu, dass onkologisch radikale Operationen mit Sphinktererhalt bei Tumoren bis zu 5 cm ab Anokutanlinie heute möglich sind.

Circa 85 Prozent der Rektumkarzinome lassen sich kontinent operieren, die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt deutlich über 50 Prozent. Neben der onkologischen Radikalität steht die

funktionelle Integrität zunehmend im Vordergrund, wozu auch die neue

Technik der Kolon-Pouch-analen Anastomose rechnet, das heißt, die Reservoirvergrößerung des Neorektums. In der Chirurgie des Rektumkarzinoms wird die spezielle Erfah- rung des Chirurgen zum wichtigen Prognosefaktor. So sinkt in Zentren mit hohen Fallzahlen die Komplikationsquote, steigt die Rate an Kontinenzerhalt, verbessert sich das Lang- zeitüberleben und reduziert sich die lokale Rezidivquote.

Adjuvante Behandlungen sind kein Ersatz für mangelhafte Chirurgie, sind aber bei den meisten Tumorformen obligat.

Schlüsselwörter: Rektumkarzinom, chirurgische Therapie, adjuvante Therapie

ZUSAMMENFASSUNG

Radical and Function-Preserving Surgical Therapy of Rectal Cancer

Rectal carcinomas belong to the most widespread malig- nancies in Germany. In the last years a significant evolution has occurred in their surgical treatment. Due to a better understanding of tumor spread and continence mecha- nisms, the distal resection margin could be reduced and techniques such as mesorectal excision, endoanal stapling and coloanal anastomosis allowed sphincter-preserving procedures for the treatment of low and mid-rectal car- cinomas without compromising oncological results. The introduction of colonic pouch-anal anastomosis led to

an additional improvement of functional re- sults during the last years. Today, restorative

resections are possible in 85 per cent of all patients with a 5-year survival of more than 50 per cent. Thereby, the specific experience of the surgeon is one of the most im- portant prognostic factors for local recurrence, long-time survival and functional results. Though adjuvant chemo- or radiotherapy are helpful and necessary in specific tumor stages, they cannot compensate for an inadequate surgical technique.

Key words: Rectal carcinoma, surgical therapy, adjuvant therapy

SUMMARY

D

Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h. c. Volker Schumpelick) der RWTH Aachen

(2)

(19). Dieses ist gegen das Becken durch eine feine embryonale Bindege- websschicht in Form der dorsalen Wal- deyerschen Faszie und der ventralen Denonvilleschen Faszie abgegrenzt.

Diese Grenzschichten bilden über lan- ge Zeit eine natürliche Tumorbarriere, die erst spät, das heißt bei ausgedehn- ten Tumorstadien durchbrochen wird.

Somit ist das Rektumkarzinom lange ein lokales Problem. Die Metastasie-

rungswege laufen entlang der epi- und pararektalen Lymphknoten analog zu den zuführenden und abführenden Gefäßen innerhalb des Mesorektums.

Die weiteren Lymphknotenstationen liegen zentral am Abgang der A. me- senterica inferior und paraaortal.

Lymphatische Tumorausbreitung nach distal entlang der A. rectalis inferior und ein Befall der iliakalen Lymph- knoten sind selten und nur beim Anal- karzinom die Regel. Hämatogen me- tastasiert das Rektum in die Pfortader, in seltenen Fällen bei sehr tiefen Tu- moren direkt über die Vena cava auch in die Lungen.

Rektum-Chirurgie

Tumorlokalisation

Viele Studien der 70er-Jahre konnten zeigen, dass die tiefe anterio- re Resektion (TAR) der abdomino- perinealen Rektumamputation (APR) hinsichtlich lokaler Tumorkontrolle und Überlebensrate gleichwertig, hinsichtlich der Lebensqualität aber wegen des Kontinenzerhalts überle- gen ist (43, 58). Bedingung sind aller-

stände und suffiziente Lympha- denektomie. Zirkuläre Nähapparate haben sich vor allem am tiefen Rek- tum mit Erfolg durchgesetzt und glei- chen die interindividuellen Schwan- kungen einzelner Operateure durch Standardisierung aus. Die Grenze der kontinenten Resektabilität schob sich über die Jahre immer tiefer, sie liegt heute bei 5 cm ab Anokutanli- nie, in Einzelfällen sogar noch tiefer, das heißt kontinenzwahren- de Rektumresektion bei Tu- moruntergrenzen von 5 cm sind heute technisch mög- lich.

Resektionsabstand Systematische Studien demonstrierten, dass die di- stale intramurale Tumoraus- breitung nur selten 1 cm überschreitet (26). So ist es onkologisch vertretbar, von dem lange geltenden 5 cm betragenden Resektionsab- stand nach distal abzurücken und den Sicherheitsabstand auf 2 cm am unfixierten gestreckten Opera- tionspräparat zu verkürzen. In einer Vielzahl von Studien fanden sich un- ter dieser Prämisse keine signifikan- ten Unterschiede bezüglich der loka- len Rezidivrate nach TAR, APR so- wie koloanaler Anastomose (CAA) (2, 8, 22, 29, 42, 56). Doch definiert sich die Indikation zur kontinenz- erhaltenden Operation nicht allein durch die Tumorhöhe, sondern auch durch das klinische Staging samt En- dosonographie und die intraoperative Beurteilung durch den Operateur.

Rektumkarzinome im Levatoren- trichter mit Überschreitung der Mus- cularis propria oder solche mit Infil- tration des Sphinkters (schmerzhafte digitale Untersuchung!) müssen von vornherein von einer Kontinenzerhal- tung ausgeschlossen werden. Daher ist bei T3-Befunden unter 4 cm und T4-Befunden unter 5 cm ab Anokut- anlinie aus Gründen der Radikalität auch heute noch eine Rektum- amputation unvermeidlich.

Tumorgrading und Wachstums- form definieren die Verfahrenswahl nur in geringerem Maße. Lediglich bei entdifferenzierten und exulzerierten

die Indikationsstellung zur sphinkter- erhaltenden Operation nicht erzwun- gen werden.

Kontinenz

Neben lokaler Tumorausbreitung und Lymphadenektomie limitiert der Kontinenzapparat die Resektions- höhe. Ein intaktes Sphinktersystem to- leriert selbst intersphinktäre Resektio- nen mit koloanaler Naht. Bedingung sind ein ausreichend sensibles Ano- derm, eine gute Reservoirfunktion des Rektumersatzes und eine ungestörte willkürliche und unwillkürliche mus- kuläre Sphinkteraktivität. Unter diesen Kriterien ist eine direkte Anastomosie- rung zwischen Colon descendens und Anus, das heißt die direkte koloanale Naht, die Extremform kontinenzerhal- tender Rektumchirurgie. Sie bringt al- lerdings häufig zumindest in den ersten postoperativen Monaten einen gewis- sen Funktionsverlust mit sich, der sich in erhöhter Defäkationsfrequenz und belästigendem Stuhldrang ausdrückt.

Dies ist Folge der schlechteren Com- pliance und der geringeren Reservoir- funktion des als Neorektum verwende- ten Colon descendens (35). Zur Ver- besserung der Kontinenzfunktion nach koloanaler Naht wird in jüngster Zeit zunehmend der Kolon-J-Pouch favori- siert, der ein vergrößertes Neorektum, also ein besseres Reservoirvolumen und damit eine suffizientere Kontinenz ermöglicht (Abbildung 1). ✁

Abbildung 2: Totale Mesorektumresektion (Schema- zeichnung): Durch Entfernung des gesamten Meso- rektums bis auf den Beckenboden werden auch distal des Tumors gelegene Lymphknoten entfernt.

Abbildung 1: Kolon-Pouch-anale Anastomose (Schemazeichnung und Röntgenbild): Durch die intersphinktäre Resektion kommt die Anastomose in Höhe der Linea dentata zu liegen.

(3)

Tabelle 1

Funktionelle Ergebnisse nach CPA und CAA im Vergleich (Follow-up: 1 Jahr) (50)

Autor Anzahl Anzahl der Stühle/Tag Imperativer inkomplette Kontinenz Patienten median Stuhldrang Entleerung perfekt/mäßig/schlecht

CPA CAA CPA CAA CPA CAA CPA CAA CPA CAA

Nicholls et al.

Br J Surg 1988;

75: 318–320. 13 15 1,4 (0,5–2) 2,3 (1–6,5) 1 1 – – 10/3/0 9/6/1

Ortiz et al.

Dis Colon Rectum

1995; 38: 375–377. 15 15 *1 *1 6 9 – – 6/6/3 3/7/5

Cavaliere et al.

Dis Colon Rectum

1995; 38: 807–812. 7 22 2 (0,5–4) 3 (1–8) – – – – 5/2/0 12/6/4

Seow Choen et al.

Br J Surg 1995;

82: 608–610. 19 20 2 (0,5–4) 4 (0,5–10) 2 4 – – 19/0/0 14/0/6

Hallböök et al.

Ann Surg 1996;

224: 58–65. 42 47 2 (1,3–2,3) 3,5 (2,4–4,5) 1 7 2 3 *2 *2

Ho et al.

Br J Surg 1996;

83: 978–980. 17 16 3 (2–7) 6 (3–7) 1 5 10 3 15/1/1 14/1/1

Benoist et al.

J Am Coll Surg

1997; 185: 114–119. 15 37 2,1⫾1,4*3 3,1⫾1,7 0 3 – – 11/4/0 19/14/4

Kienle et al.

Chirurg 1997;

68: 630–632. 13 21 3,3⫾1,3*3 5,2⫾3,3*3 – – – – 9/4/0 12/7/2

Lazorthes et al.

Br J Surg 1997;

84: 1449–1451. 19 18 2,3 4,5 3 2 1 1 *4 *4

Wang et al.

Dis Colon Rectum

1997; 40: 30–34. 27 21 *5 *5 2 17 2 0 23/4/0 14/7/0

Dehni et al.

Dis Colon Rectum

1998; 41: 817–822. 47 34 1,6⫾1,1*3 2,8⫾2,0*3 1 3 14 24 14/27/6 11/19/4 Joo et al.

Dis Colon Rectum

1998; 41: 740–746. 26 30 2,4⫾1,3*3 4,0⫾2,0*3 2 11 2 7 *2 *2

Schumpelick et al.

Chirurg 1999;

70: 543–551. 15 62 1,8⫾2,3*3 2,4⫾3,6*3 0 9 2 17 12/3/0 49/11/2*6

– keine Angaben

p < 0,05 bei fettgedruckten Resultaten

*1 Anzahl der Pat. mit mehr als 3 Stühlen/Tag signifikant unterschiedlich: CPA 5/15; CAA 11/15

*2 Inkontinenz-Score nach CPA signifikant niedriger als nach CAA

*3 Mittelwert Standardabweichung

*4 Kontinenz nach CPA signifikant besser als nach CAA nach der Kirwan-Fazio-Klassifikation

*5 Anzahl der Pat. mit mehr als 5 Stühlen/Tag signifikant unterschiedlich: CPA 0/27; CAA 10/21

*6 Follow-up nach CPA 1 Jahr; mittlere Beobachtungszeit nach CAA 6,6 Jahre CPA, Kolon-Pouch-anale Anastomose

CAA, koloanale Anastomose

(4)

Ein weiterer Fortschritt der letz- ten Jahre war die totale Mesorektum- exzision (TME), das heißt die minu- tiöse Entfernung des gesamten Meso- rektums in toto unter Respektierung der umgebenden Faszien. Diese vor allem von Heald et al. als so genannte

„totale mesorectal excision“ propa- gierte Methode reduziert die Rate der Lokalrezidive drastisch und steigert die Überlebensrate. Aufgrund der Beobachtung von isolierten Tumor- zellnestern auch mehrere Zentimeter distal des Primärtumors im Mesorek- tum wurde die komplette Entfernung des Mesorektums bis zum muskulären Beckenboden bei Tumoren des mitt- leren und distalen Drittels (Abbil- dung 2)Standard (19, 21, 27, 37). In ei- ner prospektiven Studie an 519 Pati- enten betrug die allgemeine Überle- bensrate nach TME 68 Prozent nach fünf Jahren und 66 Prozent nach zehn Jahren. Die Lokalrezidivrate betrug sechs Prozent nach fünf Jahren und acht Prozent nach zehn Jahren. Bei primär „kurativer“ Resektion erhöh- te sich die Zehn-Jahres-Überlebens- rate auf 78 Prozent (20). Der Vorteil dieser Operationstechnik wurde in mehreren Studien anderer Kliniken mittlerweile belegt (5, 13). Somit steht der modernen Rektum-Chirurgie mit der tiefen anterioren Resektion, der koloanalen Anastomose, der Kolon- Pouch-analen Anastomose, der to- talen Mesorektumexzision und der regionalen Lymphadenektomie ein technisches Spektrum zur Verfügung, mit dem sich 85 Prozent der Rektum- karzinome kontinent, bei Lokalrezi- divquoten unter zehn Prozent und Überlebensraten von über 50 Prozent operieren lassen.

Erweiterte

Lymphadenektomie

Die TME stellt eine Komplettie- rung der regionalen Lymphadenekto- mie im Rahmen der TAR dar. Noch weiter geht die so genannte „erweiter- te Lymphadenektomie“, die auch die aorto-iliakalen und pelvinen Lymph- knoten entfernt. So wiesen japanische Arbeitsgruppen bei Patienten mit tiefsitzenden Rektumkarzinomen in

bis zu 36 Prozent pelvine Tumorzell- nester außerhalb des Mesorektums nach (40). 1986 schlug Enker deshalb die aorto-iliakale und pelvine Lymph- adenektomie vor, welche die Lymph- knoten kaudal der aortocavalen Bi- furkation entlang der A. iliaca com- munis bis hin zur A. iliaca interna um- fasste. Im Gegensatz zu älteren Studi- en (15) waren die Fünf-Jahres-Über- lebensraten im Stadium Dukes C mit 64 Prozent signifikant besser als die einer historischen Kontrollgruppe (54 Prozent). In den Stadien Dukes A und B zeigten sich keine Unterschiede (14). Die beeindruckendsten Daten, welche eine sehr radikale Lymphaden- ektomie unterstützen, findet man in japanischen Studien (41, 53, 59). Hojo et al. erreichten durch eine weite pel- vine Lymphknotendissektion Fünf- Jahres-Überlebensraten von 88 Pro- zent im Stadium Dukes B und 74 Pro- zent im Stadium Dukes C (24). Diese Resultate wurden bislang allerdings noch nicht von anderen Chirurgen er- reicht oder durch prospektive, rando- misierte Studien gesichert.

hohe Morbidität im Hinblick auf post- operative Blasen- und Sexualstörun- gen. Ursächlich ist die Verletzung pararektaler autonomer Nerven, so in erster Linie des periaortalen Plexus hypogastricus superior, des sakralen Plexus hypogastricus inferior und des autonomen N. hypogastricus. Es gilt jedoch festzustellen, dass es bis heute keine gesicherten Kriterien für eine erweiterte Lymphadenektomie gibt.

Alle Varianten der ausgedehnten Lymphadenektomie sind mit einer er- höhten postoperativen Komplikati- onsrate und Letalität vergesellschaf- tet und sollten deshalb nicht rou- tinemäßig außerhalb klinischer Stu- dien angewendet werden. Unter dem Schlagwort „nerve-preserving sur- gery“ propagieren einzelne Zentren, so auch wir, eine Operationstechnik mit akribischer Darstellung und se- lektiver Schonung aller autonomen pararektalen Nervenstrukturen bei der lateralen Lymphknotendissektion (40, 57). Die vollständige Schonung autonomer Nerven erhält sowohl die Blasen- als auch die Sexualfunktion, während die partielle Schonung mit Verletzung des N. hypogastricus zu Potenzstörungen führt (51). Dabei geht die Verletzung des Plexus hypo- gastricus superior mit Ejakulations- störungen und des Plexus hypogastri- cus inferior mit Erektionsstörungen einher (36).

Totale Beckenexenteration

Fortgeschrittene Tumoren des Rektums mit Infiltration in Nachbar- organe sind möglichst en bloc mit all- seits tumorfreien Resektionsrändern zu entfernen. Eine vorausgehende Separation infiltrierter Organe mit Verletzung des Primärtumors führt zu einer Tumorzellverschleppung im Becken mit konsekutiver Reduktion der Fünf-Jahres-Überlebensrate um 20 bis 30 Prozent (38). Die Extrem- form der En-bloc-Resektion stellt die totale Beckenexenteration mit Entfernung von Harnblase, Vagina, Uterus und Ovarien beziehungswei- se Samenblasen und Prostata und gegebenenfalls des distalen Sakrums dar. Fünf-Jahres-Überlebensraten nach primär kurativer Resektion von Abbildung 3: Kontinuitätswiederherstellung durch

maschinelle Kolon-Pouch-anale Anastomose.

(5)

Tabelle 2

Postoperative Komplikationen nach Kolon-Pouch-analer und koloanaler Anastomose (50)

Patienten Letalität Anastomose- Blasenent- Anastomose- Ileus

N insuffizienz leerungsstörung stenose

Kolon-Pouch-anale Anastomose Berger et al.

World J Surg 1992;

16: 470–477. 162 1 5 2 0 3

Hildebrandt et al.

Chirurg 1995;

66: 377–384. 35 0 4 0 1 0

Hallböök et al.

Ann Surg 1996;

224: 58–65. 45 1 1 5 3 1

Kienle et al.

Chirurg 1997;

68: 630–632. 24 0 3 2 2 1

Lazorthes et al.

Dis Colon Rectum 1997;

40: 1409–1413. 47 1 2 1 0 0

Wang et al.

Dis Colon Rectum 1997;

40: 30–34. 30 1 2 3 1 1

Joo et al.

Dis Colon Rectum 1998;

41: 740–746. 44 1 2 – 0 4

Schumpelick et al.

Chirurg 1999;

70: 543–551. 24 1 3 1 1 1

Gesamt 411 6 22 14 8 11

(1,5%) (5,4%) (3,8%) (2,0%) (2,7%)

Koloanale Anastomose Hallböök et al.

Ann Surg 1996;

224: 58–65. 52 0 8 4 7 1

Van Tets et al.

Scand J Gastroenterol

Suppl 1996; 218: 34–37. 39 0 3 – 2 1

Kienle et al.

Chirurg 1997;

68: 630–632. 39 1 8 3 5 1

Wang et al.

Dis Colon Rectum 1997;

40: 30–34. 21 0 0 2 1 0

Joo et al.

Dis Colon Rectum 1998;

41: 740–746. 39 2 2 – 4 2

Schumpelick et al.

Chirurg 1999;

70: 543–551. 128 4 10 3 3 0

Gesamt 318 7 31 12 22 5

(2,2%) (9,7%) (5,0%) (6,9%) (1,6%)

– keine Angaben

(6)

nur 16 Prozent sind zufriedenstellend, allerdings liegt das Morbiditätsrisiko bei bis zu 73 Prozent. Patienten, bei denen eine kurative Resektion nicht gelingt, haben durchschnittlich ein Langzeitüberleben von weniger als zehn Prozent (57). Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko sind daher sorgfältig gegen die potenziell kurative Resekti- on abzuwägen. Zudem müssen die funktionellen, sexuellen und psycho- logischen Folgen, die sich zwangsläu- fig aus diesem verstümmelnden Ein- griff ergeben, mit dem Patienten be- sprochen werden.

Koloanale und Kolon- Pouch-anale Anastomose

Die mittlere Stuhlfrequenz nach anteriorer Rektumresektion steht in inverser Korrelation zur Reservoirka- pazität des belassenen Rektumstump- fes (26, 34). Unter der Vorstellung, durch die Schaffung eines künstlichen Stuhlreservoirs die funktionellen Er- gebnisse nach tiefer Rektumresektion zu verbessern, ergänzten Lazorthes (31) und Parc (46) 1986 die koloanale Rekonstruktion mit einem vorge- schalteten Kolon-J-Reservoir, dem so genannten Kolon-Pouch (Kolon- Pouch-anale Anastomose, CPA) (Ab- bildungen 1 und 3, Grafik 2). Wäh- rend der letzten Jahre wurden mehre- re Studien publiziert, in denen eine signifikante Reduktion der täglichen und nächtlichen Stuhlgänge durch den Pouch belegt wurde (Tabelle 1).

Zudem wird durch die Pouchanlage trotz größerer Anastomosenlänge die Komplikationsrate im Vergleich zur geraden koloanalen Anastomose nicht erhöht. Bisher veröffentlichte Ergebnisse lassen sogar vermuten, dass die Insuffizienzrate nach CPA niedriger ist als nach CAA (Tabelle 2) (16). Ursächlich ist möglicherweise eine verbesserte Durchblutung der Seit-zu-End-Anastomose (17), und ein geringeres Risiko für Residual- Hämatome im kleinen Becken, da der Pouch den präsakralen Raum besser ausfüllt (50). Die funktionellen Vor- teile gegenüber der einfachen CPA sind unmittelbar postoperativ am ausgeprägtesten und nehmen im Ver- lauf eines Jahres kontinuierlich ab

sich dieses, im Vergleich zur geraden Anastomosierung nur wenig aufwen- digere Verfahren auch für Patienten mit eingeschränkter Lebenserwar- tung.

Sowohl CPA als auch CAA inter- ferieren mit den physiologischen Kon- tinenzmechanismen. Der für die Dis- kriminierung wichtige rektoanale inhi- bitorische Reflex wird durch intramu- rale intrinsische Nervenbahnen ver- mittelt und ist nach tiefer Resektion des Rektums meist aufgehoben.

Dehnungsrezeptoren des muskulären Beckenbodens vermitteln allerdings eine ausreichende postoperative Sen- sibilität, sodass bei den Patienten ohne Inhibitionsreflex der Stuhldrang, das Gefühl für den Füllungszustand sowie die Fähigkeit zur vollständigen Stuhl- diskriminierung erhalten bleiben (50).

Eine weitere Folge tiefer Rektumre- sektionen ist die Schädigung des inne- ren, für die unwillkürliche Kontinenz zuständigen Schließmuskels, welche zum Teil direkt durch den Stapler und zum Teil indirekt durch Nervenverlet- zung bei der Präparation zustande kommt (51). Diese Defizienz kann durch die hohe Leistungsreserve des äußeren, willkürlichen Schließmus- kels kompensiert werden, sodass in der Regel eine ausreichende postope-

Bei Patienten mit präoperativer In- kontinenz oder schlechter Schließ- muskelfunktion sollte allerdings gene- rell auf eine CAA oder CPA, also eine sphinktererhaltende Operation ver- zichtet werden. In diesen Fällen haben die meist älteren Patienten mit einem funktionierenden Kolostoma eine deutlich bessere Lebensqualität als mit einem inkontinenten Anus natura- lis. Eine exakte Anamneseerhebung und der präoperative Nachweis einer normalen Sphinkterfunktion mittels Analmanometrie sind daher unab- dingbar.

Um die Folgen einer Anastomo- seninsuffizienz (pelvine Sepsis, Pouchfibrose) möglichst gering zu halten wird von vielen Autoren die Anlage einer protektiven Transverso- stomie empfohlen. Allerdings zeigen einzelne Studien, dass ein protektives Stoma nicht unbedingt in allen Fällen erforderlich ist (10, 56). Bei unserem Patientenkollektiv kam es bei den vier Patienten ohne Deviationsstoma in keinem Fall zu einer Anastomosen- insuffizienz. Bei gut durchbluteten, problemlosen Anastomosen kann un- seres Erachtens auf ein protektives Stoma verzichtet werden. Bei älteren Patienten mit grenzwertiger Sphink- terfunktion oder intra- oder postope-

1

0,8

0,6

0,4

0,2

0

Überlebenswahrscheinlichkeit

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 Monate

CAA TAR APR

66,6 % 58,8 % 63,9 % Grafik 1

Alterskorrigiertes Überleben (Fünf-Jahres-Überleben) beim Rektumkarzinom an der RWTH Aachen (Kaplan- Meier; alle Tumorstadien): abdomino-perineale Rektumamputation (APR) n=115, tiefe anteriore Resektion (TAR) n=501, koloanale Anastomose (CAA) n=114

(7)

rativer Radiotherapie sollte jedoch aus Sicherheitsgründen ein protekti- ves Ileo- oder Transversostoma ange- legt werden.

Minimal invasive Operationsverfahren

Im Zuge der Entwicklung der La- paroskopie wurden auch Techniken zur laparoskopischen Rektumresekti- on entwickelt. Die wesentlichen Vor- teile sind das geringere Operati- onstrauma und die dadurch schnellere Rekonvaleszenz (55, 57). Die techni- schen Anforderungen an den Chirur- gen sind durch Schwierigkeiten bei der Kontrolle von Blutungen im klei- nen Becken und bei der Bergung des Präparats hoch. Das größte Problem ist jedoch der Verdacht auf ein erhöh- tes Risiko der intraoperativen Tumor- zellverschleppung, da Implantations- metastasen in bis zu sieben Prozent bei laparoskopisch operierten Patien- ten beschrieben wurden (42, 57). Bis dieser Verdacht nicht ausgeräumt ist, sollte die laparoskopische Resektion von Rektumkarzinomen nur im Rah- men kontrollierter Studien erfolgen.

An unserer Klinik wird diese Operati- onstechnik nur bei Palliativeingriffen als laparoskopisch assistierte Rek-

tumamputation angewendet. Bei der transanal endoskopischen mikrochir- urgischen Rektumresektion (TEM) werden unter Zuhilfenahme des von Buess et al. entwickelten Operations- rektoskops kleine Rektumtumoren im distalen und mittleren Drittel transanal allschichtig reseziert (3, 9). Die zu- gehörigen Lymphbahnen und -knoten können hierbei nicht entfernt werden und verbleiben in situ. Da der definitive Lymphknotenstatus präoperativ mit allen bildgebenden Verfahren ein- schließlich der Endosonographie nicht zu 100 Prozent verlässlich beurteilbar ist und auch bei T1-Karzinomen in bis zu zehn Prozent Lymphknotenmetasta- sen vorliegen können, sollte dieses Operationsverfahren nur bei Patienten mit gut differenzierten uT1-Karzino- men angewandt werden (3, 18).

Ähnliches gilt für die lokale Tu- morexzision mit zusätzlicher prä- oder postoperativer Bestrahlung. Die zurzeit verfügbaren Ergebnisse zei- gen, dass dieser Ansatz auch bei lokal fortgeschrittenen Tumoren erfolgver- sprechend ist (1). Er kann bei Patien- ten mit stark erhöhtem Operationsri- siko oder solchen, die eine radikale Operation ablehnen, erfolgen. Die routinemäßige Indikation bei anson- sten gesunden Patienten ist nach der- zeitigem Wissensstand abzulehnen.

Adjuvante

Therapiekonzepte

Die adjuvante Therapie des Rektumkarzinoms umfasst den peri- operativen Einsatz einer Radio- und/oder Chemotherapie (RCT) un- ter folgenden Rahmenbedingungen:

❃präoperativ bei fortgeschritte- nen Tumoren,

❃intraoperativ bei fortgeschrit- tenen Tumoren,

❃postoperativ nach mikro- und makroskopisch vollständiger Tumor- entfernung,

❃postoperativ nach unvollstän- diger Tumorentfernung.

Zielkriterium aller derartigen ergänzenden Therapien ist der Über- lebensvorteil oder die verbesserte Lebensqualität (Tabelle 3). Grund- sätzlich ist davon auszugehen, dass eine neo-/adjuvante Radiotherapie das perioperative Komplikations- risiko steigert (11, 36, 45, 52). Wenn- gleich die Studienergebnisse hierzu erheblich differieren, finden sich doch Berichte über vermehrte Komplikationen wie Ileus, Fistel- bildungen, Blasenentleerungsstörun- gen oder eine Beeinträchtigung der Kontinenzleistung (28, 32).

Die präoperative Radiotherapie zielt auf die Tumorverkleinerung, al- so auf die Steigerung der techni- schen Resektabilität oder ein echtes

„down staging“ (32). Dies wird heute mit einer kombinierten Radio- chemotherapie erreicht. Ziel ist es, durch eine Tumorverkleinerung Re- sektabilität oder gar Sphinktererhalt zu ermöglichen. Stets ist hierzu eine Vorbehandlungsdauer von mehreren Wochen erforderlich. Devitalisie- rung von Tumorzellen und damit die Verhinderung der intraoperativen Dissemination ist ein anderes, häufi- geres Ziel. Hierzu ist eine kurze Vor- behandlung von etwa einer Woche ausreichend (7, 54). Der Vorteil ist die Vermeidung einer postoperati- ven Bestrahlung des rekonstruierten Darmabschnitts. Die Kombination von prä- und postoperativer Be- strahlung ist wegen erheblicher Ne- benwirkungen wieder verlassen wor- den. Die alleinige präoperative Ra- diotherapie ist in über 30 Jahren in vielen Studien überprüft worden (32). Insgesamt kommt es zu einer 350

300 250 200 150 100 50 0 ml

CAA 4 cm Rektum 6 cm Rektum CPA >12 cm

Rektum Grafik 2

Darstellung der Reservoirkapazität nach Rektumresektion in Abhängigkeit von Anastomosenlokalisation und Rekonstruktionstechnik.

(8)

die sogar deutlicher ist als nach post- operativer Bestrahlung (45). Aller- dings wirkt sich dies in vielen Studi- en nicht signifikant auf das Fünf-Jah- res-Überleben aus. Große Erwar- tungen werden daher in die kombi- nierte präoperative RCT gesetzt, die zurzeit in einigen Studien überprüft wird (32).

Die intraoperative Strahlenthe- rapie (IORT) erlaubt die Applikati- on sehr hoher Strahlendosen im Ziel- volumen bei Schonung strahlensen- sibler Nachbarstrukturen. Obgleich die IORT bereits seit den 70er-Jah- ren eingesetzt wird, lässt sich ihre Bedeutung immer noch nicht defini- tiv einschätzen. Die publizierten Stu- dien sind zumeist nicht randomisiert und kombinieren die IORT vielfältig mit prä-, intra- oder postoperativen Radio- oder Chemotherapien. Die IORT scheint zumindest im Rahmen einer R0-Resektion das lokale Rezi- divrisiko zu vermindern und tenden- ziell das Überleben zu verlängern (36). Ein makroskopischer Tumor- rest kann durch IORT nicht vernich- tet werden. Als Nachteil der Maß- nahme ergibt sich in einigen Unter- suchungen eine Zunahme lokaler septischer Komplikationen (32).

Die postoperative RCT nach kurativer Resektion des Rektumkar- zinoms stellt seit der Konsensus- Empfehlung der NIH 1990 und ent- sprechenden Empfehlungen bezie- hungsweise Leitlinien verschiedener medizinischer Fachgesellschaften in Deutschland den gegenwärtigen Standard für die Stadien II und III dar (33). Diese adjuvante Therapie mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Leu- covorin oder Levamisol scheint die Fünf-Jahres-Überlebensraten insge- samt um fünf bis zehn Prozent zu verbessern (12, 36). Neuere Studien weisen darauf hin, dass eine kontinu- ierliche Infusion von 5-FU der übli- chen Bolusgabe überlegen sein könnte (4). Allerdings gelten diese Daten für die Rektumchirurgie vor der systematischen Einführung der totalen Mesorektumexzision. Unter konsequenter Anwendung der TME erscheint es diskutabel, sich bei R0- Resektionen wie beim Kolonkarzi- nom auf die postoperative Chemo- therapie zu beschränken, da die Ra-

dität nach sich ziehen kann. Mehrere Zentren (Fazio, Cleveland Clinic;

Pemberton, Mayo-Clinic; Heald, Ba- singstoke Hospital; Phillips, St.

Marks und die RWTH Aachen) be- fürworten diese Entwicklung wegen der nicht übersehbaren Langzeitfol- gen der postoperativen Radiothera- pie auf den Urogenitaltrakt.

Die postoperative RCT nach unvollständiger Tumorentfernung erfolgt in unterschiedlichen Situatio- nen. Im engeren Sinne kann eine lo- kal nicht radikale Resektion vorlie- gen (palliative Resektion beispiels- weise bei blutendem Tumor: R 1 =

mikroskopischer, R 2 = makroskopi- scher Tumorrest). Zum anderen kann die Resektion lokal radikal sein, aber eine Fernmetastasierung, typischerweise in die Leber, beste- hen. Eine lokal palliative Resektion lässt sich durch eine RCT nicht kura- tiv beherrschen. Gleichwohl scheint die RCT die Entstehung des Rezi- divs zu verzögern und die Überle- benszeit zu verlängern (36).

Fernmetastasen

Eine Fernmetastasierung in Le- ber oder Lunge ist heute, technische Resektabilität vorausgesetzt, bei Vor- liegen einer geringen Zahl (< 4) von umschriebenen Metastasen grund- sätzlich eine eindeutige Indikation zur Resektion. Für irresektable Le-

palliativer Therapien zur Verfügung, wie die perkutane Alkoholinjektion oder thermische Tumorzellvernich- tung sowie die regionale Chemothe- rapie über einen A.-hepatica-Port- Katheter (34). Mit Ausnahme der re- gionalen Chemotherapie ist eine Le- benszeitverlängerung durch diese Verfahren bislang allerdings nicht zweifelsfrei bewiesen. Bei multilo- kulärer Tumorausbreitung ohne chir- urgische Zugriffsmöglichkeit und gutem Allgemeinzustand ist gegen- wärtig eine systemische Chemothe- rapie beispielsweise mit 5-FU im so genannten Hochdosisbereich oder

mit einem Topoisomerasehemmer zu empfehlen (49). Der Überlebensvor- teil scheint zwar statistisch signifi- kant, allerdings beträgt er nur wenige Monate, sodass die nicht zu vernach- lässigenden Nebenwirkungen in die Indikationsstellung mit einzubezie- hen sind (44).

Prognosefaktor „Chirurg“

Die Vielzahl adjuvanter Thera- pieverfahren darf den Blick nicht darauf verstellen, dass die chirurgi- sche Entfernung des Tumors und sei- nes Lymphabflussgebietes nach wie vor die Grundvoraussetzung der Heilung eines Rektumkarzinoms ist (39). Einen in diesem Zusammen- hang wichtigen Aspekt zeigen Un- tersuchungen auf, die für verschiede- Tabelle 3

Derzeitige Indikationen zur perioperativen Radio-/Chemotherapie beim Rektumkarzinom außerhalb von Studien (13, 15, 16, 17, 21, 22)

Klinische Situation Adjuvante Therapie

Großes T3-Karzinom präoperative RT + CT (+ evtl. IORT) T4-Karzinom/extraluminales Rezidiv prä-/postoperative RC + CT + IORT kurativ reseziertes Karzinom postoperative RT + CT

Stadium II oder III (ohne TME)

Lokal exzidiertes Karzinom postoperative RT + CT

> T1/low risk

(bei Risikokonstellation oder keiner Einwilligung zu erneuter OP)

RT, Radiotherapie; CT, Chemotherapie; IORT, intraoperative Strahlentherapie

(9)

ls nichtinvasives Untersu- chungsverfahren findet die Magnetresonanztomographie (MRT) in der medizinischen Diagno- stik zunehmend Anwendung. Wäh- rend dieser Untersuchung sind die Pa- tienten verschiedenen magnetischen und elektromagnetischen Feldern ausgesetzt:

❃einem starken statischen Magnet- feld zur Erzeugung der Kern- polarisation,

❃schwächeren, sich schnell än- dernden Gradientenfeldern für die Lokalisierung und Ortskodie- rung und

❃dem Hochfrequenzfeld zur Än- derung des Energiezustandes der Protonen.

Für die metallische Komponente eines Implantats wurden theoretisch mögliche biologische und mechani- sche Effekte durch diese Felder in Form von Induktion eines elektri- schen Stroms und Erwärmung be- schrieben (4). Seitdem galten die ma- gnetischen und elektromagnetischen Felder der MRT für Patienten mit künstlichen Herzklappen und ihren

beweglichen Verschlusskörpern als potenzielle Gefahrenquellen.

Zwangsläufig waren daraufhin nicht nur viele Patienten mit künstli- cher Herzklappe, sondern auch der sie weiterbehandelnde Arzt oft verunsi- chert und daran interessiert zu erfah- ren, inwieweit die MRT-Untersuchung bei später auftretenden Erkrankun- gen, wie zum Beispiel einem Tumor- leiden, klappenbezogene Komplika- tionen auslösen kann. Ergebnisse aus früheren Jahren, wonach die MRT bei Trägern künstlicher Herzklappen ge- fahrlos möglich ist, liegen zwar bereits vor (1, 2), häufige Rückfragen lassen jedoch erkennen, dass fortwährende Unsicherheit besteht, ob MRT-Unter- suchungen mit den modernen Geräten möglicherweise nicht doch Sitz und Funktion der Kunstherzklappe beein-

flussen und dadurch auch hämodyna- mische Störungen nach sich ziehen können.

Kein Risiko für Träger künstlicher Herzklappen

An 17 der gebräuchlichsten Herzklappenprothesen (Tabelle) wur- den deshalb In-vitro-Untersuchungen zur Beurteilung einer möglichen An- ziehung und/oder Erhitzung während einer MRT bei 1,5 Tesla durchgeführt (3). Dabei konnte weder eine messba- re Ablenkung (Anziehung) noch eine Temperaturerhöhung im umgeben- den Medium von mehr als 0,5°C ge- funden werden. Als Nebeneffekt zeig- te sich lediglich die Bildqualität durch Metallartefakte unterschiedlich be- einflusst, und zwar bei den Bioprothe- sen weniger stark als bei den mechani- schen Substituten. In Bezug auf die Untersuchungstechnik waren Bild- artefakte durch den Metalleinschluss in einer künstlichen Herzklappe bei Anwendung einer Gradienten-Echo- sequenz deutlicher als bei Einsatz der ne Länder belegen, dass unabhängig

vom Tumorstadium die postoperati- ve Komplikationsrate und das Pa- tientenüberleben signifikant vom Operateur abhängen (23, 47). Die technische Durchführung des Ein- griffs gewinnt damit den Charakter eines entscheidenden Prognosefak- tors. Untersucht man die publizier- ten Studien zur adjuvanten Therapie beim kolorektalen Karzinom auf ei- ne Berücksichtigung dieses Progno- sefaktors, so fehlt diese fast aus- nahmslos (32). Wenn allein die exak- te, an anatomischen Grenzschichten orientierte Resektionstechnik die Lokalrezidivraten derartig zu redu- zieren vermag, erscheint es wahr- scheinlich, dass die große Mehrzahl

der adjuvant behandelten Patienten keinen Nutzen von dieser Zusatzthe- rapie hat. Es muss daher überprüft werden, ob der postulierte Überle- bensvorteil einer adjuvanten RCT lediglich auf dem Vorhandensein hoher Rezidivraten nach alleiniger Operation – und damit auf einer kompletten Chirurgie – beruht. Es gilt, die Leistungsfähigkeit der allei- nigen chirurgischen Therapie im Vergleich zur Kombination der Chir- urgie mit adjuvanter Therapie neu zu dokumentieren (48). Zum anderen werden dringend weitere tumorbe- zogene Risiko- und Prognosepara- meter benötigt, um die verfügbaren adjuvanten Maßnahmen gezielter einsetzen und nicht profitierenden

Patientengruppen die Nebenwirkun- gen ersparen zu können (60).

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-1138–1146 [Heft 17]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonder- druck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Volker Schumpelick

Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik der RWTH Aachen Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen

Magnetresonanztomographie bei

Patienten mit künstlicher Herzklappe

Hellmut Oelert

1

, Manfred Thelen

2

A

1 Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (Direktor: Prof. Dr. med.

Hellmut Oelert) der Johannes Gutenberg- Universität, Mainz

2Klinik und Poliklinik für Radiologie (Direktor:

Prof. Dr. med. Manfred Thelen) der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz

(10)

ten aber in beiden Fällen weiterhin die Darstellung und Interpretation der benachbarten Gewebestrukturen des Herzens.

Die Untersuchungen erfolgten in Ruhe, ohne einen zusätzlichen küh- lenden Blutfluss, sodass eine Dis- lokation oder Beeinträchtigung des Flügelspiels einer Kunstherzklappe durch Überwärmung in vivo unwahr- scheinlich ist; ebenso eine Dislokation im statischen Magnetfeld. Bei der Ro- tation der Herzklappe um eine Achse, die senkrecht zum statischen Magnet- feld ausgerichtet ist, wurde eine leich- te hemmende Krafteinwirkung beob- achtet. Diese scheint aber wesentlich geringer zu sein, als die mechanischen

des strömenden Blutes, sodass sich Patienten mit den von uns untersuch- ten Herzklappen gefahrlos jeglicher standardisierter MRT-Diagnostik bei Feldstärken bis 1,5 Tesla unterziehen können.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-1146–1147 [Heft 17]

Literatur

1. Bachmann R, Deutsch JH, Jüngehülsing M, Sechtem U, Hilger HH, Schicha H: Ma- gnetresonanztomographie bei Patienten mit Herzklappenersatz. RöFo 1991; 155: 499–505.

2. Di Cesaro E, Enrici RM, Paparoni S, Castal- do F, Alagia MG, Spendiani A, Bottone A, Lupatelli L: Low-field magnetic resonance imaging in the evaluation of mechanical and

20: 224–228.

3. Kalden P, Prüfer D, Schreiber W, Kreitner K-F, Oelert H, Thelen M: In-vitro-Untersu- chung von biologischen und technischen Herzklappenprothesen im MRT: Beurtei- lung möglicher Anziehung und Erhitzung der Implantate. Fortschr Röntgenstr 2000;

172: 184–188

4. Kanal E, Shellock FG, Talagala L: Safety considerations in MR imaging. Radiology 1990; 176: 593–606.

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Hellmut Oelert Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie

Klinikum der Johannes Gutenberg- Universität Mainz

Langenbeckstraße 1 55131 Mainz

E-Mail: oelert@mail.uni-mainz.de Tabelle

Auflistung der im MRT untersuchten Herzklappen*

Herzklappenprothese Position Bauart

Baxter MIRA 21 AF aortal technisch

Baxter MIRA 27 M mitral technisch

Björk-Shiley Monostrut mitral technisch

On-X 19 mm aortal technisch

On-X 13 mm aortal technisch

On-X 25 mm mitral technisch

SJM 23 A101 aortal technisch

SJM 25 MEC mitral technisch

SJM 27 MS601 (Silzone) mitral technisch

Omniscience aortal technisch

Sorin Bicarbon mitral technisch

Ultracor mitral technisch

Baxter CE SAV 33 mm mitral biologisch

Baxter CE 23 mm Perimount aortal biologisch

Baxter CE SAV 31 mm aortal biologisch

Mitroflowaortal biologisch

SJM Mitral 28 mm (Bioimplant) mitral biologisch

* Darunter befinden sich zwölf technische und fünf biologische Modelle der gebräuchlich- sten Substitute für den Aorten- und Mitralklappenersatz. Neben der Industrie-Bezeichnung sind die jeweils vorgesehene Position und Bauart der Klappenprothese angegeben.

Prävalenz von

Hepatitis-C-Antikörpern in Deutschland

Vor 1990 war die Hepatitis C die häufigste Ursache der Posttransfusi- ons-Hepatitis in Deutschland. Seit Nachweis von Anti-HCV-Antikör- pern ist die Zahl der Infektionen mit einer Posttransfusions-Hepatitis C in Deutschland von 100 per 100 000 Bluttransfusionen auf weniger als fünf zurückgegangen.

Die Autoren führten eine epide- miologische Studie an 5 312 Indivi- duen im Alter von 18 bis 70 Jahren durch, die in fünf Bundesländern vorgenommen wurde und wobei mittels Enzym-Immunoassay Anti- HCV-Antikörper bestimmt wurden.

Antikörper gegen das Hepatitis-C- Virus fanden sich in 0,63 Prozent, bei älteren Individuen häufiger als bei jüngeren. Rund die Hälfte der Patien- ten zeigte gleichzeitig auch Marker einer Hepatitis-B-Virusinfektion. w Palitzsch K-D, Hottenträger B, Schlott- mann K, Frick E, Holstege A, Schölme- rich J, Jilg W: Prevalence of antibodies against hepatitis C voris in the adult German population. Eur J Gastroenterol Hepatol 1999; 11: 1215–1220.

Klinik und Poliklinik für Innere Medi- zin I, Institut für Medizinische Mikrobio- logie und Hygiene, Universität Regens- burg, Postfach 10 06 62, 93042 Regens- burg.

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