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Archiv "Karzinomserie: Therapie des Rektumkarzinoms: Kontinenzerhaltende Resektion — Exstirpation — lokale Exzision" (10.04.1980)

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Im letzten Jahrzehnt vollzog sich in der operativen Be- handlung des Rektumkarzi- noms ein entscheidender Wandel. Eine Rektumexstirpa- hon mit dauerndem Anus praeter wurde früher bei 97 Prozent der Patienten vorge- nommen. sie ist heute aber nur noch hei 32 Prozent der Patienten erforderlich. Bei et- wa zwei Dritteln aller Patien- ten sind kontinenzerhaltende Verfahren möglich. vor allem die kontinenzerhaltende Rek- tumresektion. bei etwa 10 Pro- zent die lokale Exzision (endo- skopische oder chirurgische Polypektomie, Rektotomie).

Die Verfahrenswahl wird durch die möglichen Ausbreitungs- wege. die Metastasierungsfre- quenz. neue Erkenntnisse über die Voraussetzungen einer normalen Sphinkterfunktion sowie durch exaktes pra- und intraoperatives histopatholo- gisches Grading und Staging bestimmt. Kontinenzerhalten- de Verfahren sind bei geringem Operationsrisiko möglich. Bei entsprechenden Vorausset- zungen sind die Chancen auf Heilung im Vergleich zur Ex- stirpation keinesfalls vermin- dert. durch Vermeidung des Anus praeter ist jedoch eine wesentliche Erhöhung der Le- bensqualität möglich.

Heft 15 vom 10. April 1980 Aktuelle Medizin

KARZINOMSERIE:

Therapie des Rektumkarzinoms

Kontinenzerhaltende Resektion — Exstirpation — lokale Exzision

Franz Paul Gall und Paul Hermanek

Aus der Chirurgischen Klinik

(Direktor: Professor Dr. med. Franz Paul Gall) und der Abteilung für klinische Pathologie (Vorstand: Professor Dr. med. Paul Hermanek) der Universität Erlangen-Nürnberg

Das kolorektale Karzinom nimmt in den Ländern der westlichen Welt stark zu und ist bereits zur häufig- sten Krebserkrankung geworden.

Aus diesem Grund ist — neben ande- ren Faktoren —'auch im Krankengut der Erlanger Chirurgischen Klinik im letzten Jahrzehnt ein Ansteigen des Dick- und Mastdarmkrebses zu ver- zeichnen, so wurden zum Beispiel 1969 nur 60, 1978 dagegen 227 Pa- tienten operiert. Das Rektum war mit 847 Tumoren von insgesamt 1483 kolorektalen Karzinomen dabei am häufigsten betroffen (Darstellung 1).

Im Gegensatz zum Dickdarmkrebs, dessen chirurgische Therapie sich kaum geändert hat, vollzog sich im letzten Jahrzehnt in der operativen Behandlung des Rektumkrebses ein entscheidender Wandel.

Nachdem Ernest Miles (15)") 1908 an Leichen mit inkurablem Rektum- krebs eine Ausbreitung lymphoge- ner Metastasen nach kranial und auch nach kaudal ins ischiorektale Fettgewebe festgestellt hatte, galt über 50 Jahre lang die abdominope- rineale Rektumexstirpation (Rek- tumamputation mit permanentem Anus praeter) als Standard-Radikal-

operation, obwohl schon 1930 und 1934 Westhues (20, 21) in Erlangen und Dukes (3) in London unabhän- gig voneinander den von Miles (15) angenommenen Ausbreitungsmo- dus als falsch erkannt und Kocher (11), Kraske (12) und Hochenegg (9) bereits um 1890 und später Goetze (5) 1944 kontinenzerhaltende Resek- tionen entwickelt hatten.

Erst seit 1970 wurden an der Erlan- ger Klinik durch Hegemann wieder in zunehmendem Maße sphinkterer- haltende Resektionen beim Rektum-

•krebs (Abbildung 1) durchgeführt, deren Frequenz 1969 3 Prozent,

1978 jedoch 68 Prozent betrug.

Diese Entwicklung wurde in unse- rem Lande auch von erfahrenen Chirurgen mit Skepsis aufgenom- men, die wegen technischer Schwie- rigkeiten und häufiger Nahtinsuffi- zienz eine höhere Letalität, bei tiefer Rektumresektion eine Zerstörung des Sphinkterapparates mit analer Inkontinenz und vor allem infolge ungenügender Radikalität eine hohe Rezidivrate und eine verminderte

*) Die Ziffern in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

(2)

Abbildung 1: Operationspräparate: links Rektumexstirpation, rechts konti- nenzerhaltende Rektumresektion. Bei der Rektumexstirpation wird der Anal- kanal, erkenntlich an der äußeren Haut und der Linea dentata. mitentfemt.

während bei der Rektumresektion dieser Abschnitt in situ verbleibt

Abbildung 2: Rektumkarzinom. Scharfe Begrenzung des Tumorgewebes nach oral und aboral (im Bild rechts). Großflächenschnitt

Rektumkarzinom

Fünf-Jahres-Überlebensrate im Ver- gleich zur Exstirpation befürchteten.

Nach ihrer Argumentation würden all diese Nachteile den Vorteil der kontinenzerhaltenden Resektion zur Vermeidung eines permanenten Anus praeter, dessen soziale Bedeu- tung vielfach unterschätzt wurde, bei weitem aufwiegen.

Differenzierte chirurgische Indikationen

Unser heutiges Konzept der chir- urgischen Therapie des Rektumkar- zinoms (Tabelle 1) lautet: Kontinenz- erhaltende Resektion — Exstirpation mit Anus praeter oder lokale Tu- morexzision. Es erfordert spezielle

Kenntnisse über Topographie des Rektums, Mechanismus der Anal- kontinenz, histo-pathologisches Staging und Grading, Ausbreitungs- wege des Karzinoms, Bestimmung des Operationsrisikos und individu- elle Lebenserwartung des Karzinom- trägers.

Anatomisch unterscheiden wir den Analkanal und am Rektum das unte- re Drittel von 4 bis 8 Zentimetern, das mittlere Drittel von 8 bis 12 Zen- timetern und das obere Drittel von 12 bis 16 Zentimetern Abstand von der Anokutanlinie.

Von 842 Rektumkarzinomen waren 196 im oberen, 261 im mittleren und 385 im unteren Drittel lokalisiert (Darstellung 2).

Für die normale Sphinkterfunktion ist die Erhaltung des Analkanals mit seiner motorischen und sensori- schen Innervation erforderlich. Die distale Grenze jeder kontinenzerhal- tenden Resektion ist die Puborekta- lisschlinge. Die teilweise Erhaltung der Ampulla recti als Voraussetzung für eine normale Sphinkterfunktion scheint nach unseren Erfahrungen nicht notwendig zu sein. Eine konti- nenzerhaltende Resektion ist immer dann möglich, wenn bei Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsab- standes der Analkanal mit seiner motorischen und sensorischen Ver- sorgung ungestört erhalten bleibt.

Die klassische chirurgische Thera- pie des Krebses besteht in der En- bloc-Entfernung des Tumors und des regionalen Lymphabflußgebie- tes weit im Gesunden. Bei Rektum- exstirpationen und -resektionen wird sowohl nach proximal (Arteria mesenterica inferior und Sigma) als auch lateral (Paraproktien) gleich- viel Gewebe entfernt. Beide Opera- tionsverfahren unterscheiden sich ausschließlich im Ausmaß der Si- cherheitsgrenzen nach distal (Dar- stellung 3).

Die Indikation zur Exstirpation oder Resektion wird somit von der Frage beherrscht, wie groß der distale Si- cherheitsabstand für eine radikale Krebsoperation sein muß.

(3)

Lymphogene Metastasen noch crone

INTRAMURALE AUSBREITUNG

15 -20 mm

,Rege ne 'Metastasen nur in

3 %, selten mehr Lots 1 cm caudat

Die Metastasierung in die

iliacaten Lymphknoten ist bisher nicht ausreichend untersucht

Abbildung 3 (links): Ausbreitungs- wege des Rektumkarzinoms

Abbildung 4 (oben): Operations- präparat: lokale Exzision eines frühen Rektumkrebses

Das Ausmaß des distalen Sicher- heitsabstandes hängt ab von

der intramuralen Tumorausbrei- tung in der Rektumwand und 9 von der Ausdehnung der lym- phogenen Metastasierung nach di- stal.

Das entscheidende Verdienst von Westhues (20, 21) und Dukes (3, 4) ist es, unabhängig voneinander etwa zu gleicher Zeit durch systematische sorgfältige Untersuchung von Ope- rationspräparaten neue Erkenntnis- se über die Ausbreitung des Rek- tumkarzinoms gewonnen zu haben.

Intramurale kontinuierliche Ausbreitung

Das operable Rektumkarzinom ist in der Regel nach distal scharf be- grenzt, wie man an Großflächen- schnitten (Abbildung 2) gut erken- nen kann.

Über den makroskopisch sichtbaren Tumorrand hinaus beschränkt sich das intramurale invasive Wachstum in der Rektumwand in der Regel auf einen Abstand von 15 bis 20 Millime- ter, gemessen am histologischen Schnitt (Abbildung 3). Ausnahmen hiervon finden wir nur bei Tumoren hohen Malignitätsgrades und bei

fortgeschrittenen im wesentlichen inkurablen Tumoren, bei denen das retrograde Wachstum in der Rek- tumwand noch wesentlich weiter ge- hen kann (1, 7).

Lymphogene Ausbreitung

Die Hauptrichtung des Lymphab- flusses aller Rektumkarzinome er- folgt — unabhängig von der Lokalisa- tion — nach kranial (Abbildung 3).

Im mittleren Drittel kommt auch eine Metastasierung nach lateral hinzu, über deren Häufigkeit aber keine ex- akten Angaben vorliegen.

(4)

- 140 - 120 - 100 - 80 - 60 - 40 - 20 0 - 0 - 20 - 40 - 6:

- 80 - 100 Rektum (n = 847)

1969 70 71 72 73 74 75 76 77 78 Resektion

lokale Exzision Exstirpation

Darstellung 1: Operativ entfernte kolorektale Karzinome. Chir. Univ.--Klinik Erlangen,1969-1978

Tabelle 1: Derzeitige chirurgische Behandlung des Rektumkarzi- noms

Die Entscheidung — Resektion — Exstirpation — lokale Exzision erfordert spezielle Kenntnisse über:

C)

Topographie des Rektums

® Mechanismus der Analkontinenz

® Histopathologisches Grading und Staging

®

Ausbreitungswege des Rektumkarzinoms 0 Metastasierungsfrequenz

® Operationsrisiko

O Individuelle Lebenserwartung

Prä- und intraoperative Beurtei- lung durch erfahrenen klini- schen Pathologen absolute Voraussetzung!

Rektumkarzinom

Eine lymphogene Metastasierung nach kaudal gibt es in der Regel nur bei Tumoren des unteren Drittels (2, 4, 20, 21). Bei Tumoren des mittleren und oberen Drittels kommt eine re- trograde distale lymphogene Meta- stasierung nur bei karzinomatöser Blockade der proximal gelegenen Lymphknoten vor. Diese retrograde lymphogene Metastasierung ist sehr selten und dehnt sich nur aus- nahmsweise mehr als zwei Zentime- ter vom distalen Tumorrand nach kaudalwärts aus, gemessen am hi- stologischen Schnitt, entsprechend 4 bis 5 Zentimeter in situ nach Mobi- lisation des Rektums (8).

Möglichkeiten der kontinenz- erhaltenden Rektumresektion Für kontinenzerhaltende Resektio- nen ist aus den dargelegten Grün- den zur radikalen Entfernung der re- trograden intramuralen Tumoraus- breitung und der lymphogenen Me- tastasierung nach unten ein distaler Sicherheitsabstand von 4 bis 5 Zen- timetern erforderlich. Wegen dieses distalen Sicherheitsabstandes von 4 bis 5 Zentimetern sind sphinkterer- haltende Operationen nur im oberen und mittleren Drittel möglich. Für das untere Drittel werden sie heute von fast allen Chirurgen überein- stimmend abgelehnt.

Strittig ist aber nach wie vor das mittlere Drittel und vor allem die Grenze des mittleren zum unteren Drittel. Für Karzinome in dieser Re- gion darf die Entscheidung zur Ex- stirpation nicht durch die präopera- tive Bestimmung des unteren Tu- morrandes mittels Fingers oder Rek- toskops — hierbei können erhebliche Fehler vorkommen (2) — gefällt wer- den. Diese wichtige Frage ist erst nach Laparotomie, vollständiger Auslösung des Rektums aus der Waldeyerschen Faszie und Durch- trennung der Paraproktien bis zum Musculus levator ani zu entschei- den, weil sich erst danach das Rek- tum nach Aufhebung seiner natürli- chen Krümmungen strecken läßt und nun der präoperativ gemessene untere Tumorrand von beispielswei- se 6 Zentimetern nach 9 Zentimeter

(5)

Drittel

oberes 196 (23,3%)

mittleres 261 (31,0%) Drittel

unte

it res 385 (45,7%) Drtel

<7.

4,

1

Rektum -<

L ANALKANAL

Darstellung 2: Topographie des Rektums. Links Lokalisation bei - 842 operierten Rektumkarzinomen (bei 5 Patienten Zuordnung zu Rektumdritteln nicht sicher). Chir. Univ.-Klinik Erlangen 1 1969-1978

hochrückt. Damit ist in einem sol- chen Fall eine radikale sphinkterer- haltende Resektion möglich. Die letzte Entscheidung Resektion oder Exstirpation aber erfolgt erst nach sorgfältiger intraoperativer Schnell- schnittbearbeitung des Resektions- präparates durch unseren klini- schen Pathologen, der feststellt, ob die Resektionsgrenzen tumorfrei sind, den kaudalen Sicherheitsab- stand ausmißt und eine Blockade des Lymphabflusses nach kranial ausschließt. Von seiner Information hängt es ab, ob wir eine geplante kontinenzerhaltende Resektion durch eine Anastomosierung been- den oder zur Rektumexstirpation er- weitern.

Häufigkeit kontinenzerhaltender Resektionen

Unter Berücksichtigung der darge- legten Radikalitätsprinzipien und unter Einschluß der lokalen Tu- morexzisionen und Polypektomien

konnten wir bei Tumoren im oberen Rektumdrittel in 88 Prozent und bei solchen im mittleren Drittel in 68 Prozent eine Kontinenzerhaltung er- reichen.

Ein Vergleich unseres Krankengutes mit dem renommierten St. Mark's Hospital in London ergibt annä- hernd gleiche Häufigkeiten für die Indikation zu kontinenzerhaltenden Operationen.

Operationsletalität

Im Operationsrisiko zeigten sich für Resektion und Exstirpation keine wesentlichen UnterSchiede.

Bei mehr als 20 Operateuren betrug die Letalität bei 357 Resektionen 5,0 Prozent und bei 422 Rektumexstir- pationen 4,7 Prozent.

Von den 18 postoperativen Todesfäl- len nach Rektumresektion waren neun auf Anastomoseninsuffizien-

zen, einer auf eine Nachblutung und acht auf nicht chirurgische Ursa- chen (Myokardinfarkt, Streßulkus, Pneumonie, Lungenembolie, Nie- reninsuffizienz) zurückzuführen. Bei den von Hegemann und dem Erst- autor persönlich operierten Patien- ten betrug die postoperative Letali- tät nach Resektion 2,6 Prozent (n = 116), wobei nur ein Todesfall (0,9 Prozent) durch eine Anastomosenin- suffizienz verursacht wurde.

Therapieergebnisse

Der Beweis, daß beim Rektumkarzi- nom die sphinktererhaltende Resek- tion ein ebenso radikaler Eingriff wie die Exstirpation ist, ergibt sich letzt- lich aus der methodisch einwand- freien Statistik, bei der eine Selektio- nierung hinsichtlich kurativer Ope- rationen und Lokalisation vermie- den wird. Daher haben wir (Tabel- le 2) in unserem Krankengut nur kurativ operierte Patienten (kein Residualtumor, R-Klassifikation R 0)

(6)

Rektum- exstirpation

Rektum- resektion 5 cm

Darstellung 3: Unterschied zwischen Rektumexstirpation und Rektumresek- tion im Ausmaß des operativ entfernten Gewebes, Aus Goligher (6)

Tabelle 2: Rektumkarzinom — Prognose nach kurativer Operation (R 0)*)

Fünf-Jahres-Überlebensraten**)

Resektion Exstirpation

alle 63,8 ± 9,8% 47,0 ± 7,2%

Lokalisationen (n= 244) (n= 320)

oberes 74,4 ± 14,6%

Drittel (n= 110)

mittleres 56,4 ± 13,8% 44,3 ± 15,1%

Drittel (n= 110) (n= 63)

unteres 47,5 ± 8,6%

Drittel (n= 241)

*) Chir. Univ. Klinik Erlangen 1969-77/78-12-31

**) alterskorrigiert, postoperative Letalität nicht ausgeschlossen

Rektumkarzinom

herausgegriffen und nach Lokalisa- tion des Tumors unterteilt. Die al- terskorrigierten Fünf-Jahres-Überle- bensraten betrugen für die Rektum- resektion 63,8 Prozent, die Exstirpa- tion 47,4 Prozent, für die Tumoren des mittleren Drittels nach Resek- tion 56,4 Prozent und nach Exstirpa- tion 44,3 Prozent.

Diese alterskorrigierten Fünf-Jah- res-Überlebensraten zeigen keine statistisch signifikanten Unterschie- de für beide Verfahren, auch nicht für Karzinome des mittleren Drittels.

Damit ist auch an unserem Kranken- gut gesichert, daß radikale konti- nenzerhaltende Resektionen bei Be- achtung entsprechender Sicher- heitsabstände und intraoperativer Überprüfung des Resektionspräpa- rates durch einen klinischen Patho- logen bei nur geringem operativen Risiko möglich sind und die Chan- cen des Patienten auf Heilung von seinem Krebsleiden im Vergleich zur Exstirpation keinesfalls vermindern, ihm aber den Anus praeter ersparen.

Nach tiefer Rektumresektion zeigen zunächst viele Patienten vorüberge- hend Kontinenzstörungen. Der neu- gebildete Enddarm adaptiert sich rasch und nach einem Jahr besteht bei über 80 Prozent, nach zwei Jah- ren bei über 90 Prozent der Patien- ten völlige Stuhlkontinenz (19).

Voraussetzung für eine ungestörte Stuhlkontinenz ist die glatte Heilung an der Anastomose.

Nach Rektumresektion treten Stö- rungen der Potenz wesentlich selte- ner auf als nach Rektumexstirpa- tion, auch Harninkontinenz, Mik- tions- und Blasenentleerungsstö- rungen werden nach Rektumresek- tion seltener beobachtet.

Kurative lokale Exzision

Eine örtliche Tumorausrottung ist im frühen Stadium des Rektumkreb- ses heute bei polypoiden Tumoren als endoskopische Polypektomie mit der Diathermieschlinge oder chir- urgisch als lokale Exzision (Abbil- dung 4) möglich.

(7)

CS 1 Zunächst lokale Exzision bzw. Polypektomie!

— Definitive Therapie-

entscheidung erst nach sorg- fältiger histologischer Unter- suchung des Exzisions- präparates — s. Tab. 3 4 3 cm

■10.--

> 3 cm:

frei- beweglich

CS II beweglich

CS III wenig beweglich

CS IV fixiert

Tumor größe

1

primär chirurgische Radikaloperation!

t rien »

V.

na§

III

Diese lokale Tumorexzision ver- nachlässigt natürlich das klassische Prinzip radikaler Krebschirurgie mit En-bloc-Entfernung des Tumors und seines gesamten Lymphabflußge- bietes. Theoretisch ist eine solche kurative lokale Ausschneidung im- mer dann möglich, wenn keine Lymphknotenmetastasen vorhan- den sind. Leider kann man aber mit keiner Methode den Lymphknoten- befall klinisch einwandfrei aus- schließen. Voraussetzung für diese lokale Tumorexzision ist deshalb ei- ne besonders sorgfältige Auswahl der Patienten. Dabei müssen Tu- morgröße und klinisches Stadium (nach Mason) berücksichtigt werden (Darstellung 4). Nach Mason (14) kommen für die lokale Exzision nur mobile, nicht fixierte Geschwülste des klinischen Stadiums I und II in Frage.

Nach der Entfernung des Tumors im Gesunden entscheidet die histologi- sche Untersuchung des Präparates (Tabelle 3) über das weitere Vorge- hen. Auch Alter und Allgemeinzu- stand des Patienten sind zu berück-

sichtigen. Bei sogenannten „low- risk-Tumoren", bei tumorfreien Ex- zisionslinien und Infiltration nur bis in die Submukosa ist die lokale Exzi- sion als kurativer Eingriff ausrei- chend. In allen anderen Fällen muß dem Patienten eine Radikalopera- tion vorgeschlagen werden.

Bei 48 Patienten wurde nach den angeführten Kriterien eine lokale Tu- morexzision als ausreichender kura- tiver Eingriff vorgenommen. Bei ei- ner durchschnittlichen Beobach- tungszeit von 33 Monaten haben wir 10 Prozent Lokalrezidive und in 4 Prozent Fernmetastasen beobach- tet. Ein Patient ist bisher am Karzi- nom verstorben (Tabelle 4).

Die lokale Tumorexzision beim Rek- tumkarzinom befindet sich noch im Stadium der klinischen Erprobung.

Voraussetzung für die Durchfüh- rung ist eine besonders sorgfältige Auswahl der Patienten und exakte histologische Aufarbeitung des Prä- parates durch einen erfahrenen kli- nischen Pathologen. Deshalb sollte

diese Methode vorerst spezialisier- ten Zentren mit diesen Vorausset- zungen vorbehalten sein.

Nachsorge nach kontinenz- erhaltenden Resektionen

Nach kontinenzerhaltenden Resek- tionen ist eine regelmäßige engma- schige Nachsorge von größter Wich- tigkeit. Die Patienten sollen in den ersten zwei Jahren alle zwei Monate rektoskopiert werden, im dritten und vierten Jahr alle sechs Monate, da- nach jährlich. Diese Nachsorge er- möglicht die Erfassung von Lokalre- zidiven im frühen Stadium, so daß eine sekundäre radikale Operation möglich ist. Neben dieser speziellen Nachsorge nach kontinenzerhalten- den Resektionen werden selbstver- ständlich, wie auch nach Rektumex- stirpation, regelmäßige klinische Untersuchungen, Leberszintigra- phie, Ultraschall, Thorax-Röntgen in den ersten drei Jahren halbjährlich, dann jährlich, Röntgendoppelkon- trast oder Koloskopie jährlich durch- geführt.

Darstellung 4: Indikation zur lokalen Exzision. Klinische Stadieneinteilung (CSI-IV) nach Y. Mason (14)

(8)

n 48 Tabelle 3: Konsequenzen der pathologischen Untersuchung nach lokaler Exzision

„low risk"

Histo- morpho- logie

(muzinöses) Adeno- karzinom, gut oder mä- ßig differenziert (Mali- gnitätsgrad 1 oder 2), monomorphes undif- ferenziertes Karzinom

(muzinöses) Adenokarzinom, schlecht differenziert (Maligni- tätsg rad 3),

Siegelringzellkarzinom,

pleomorphes undifferenziertes Karzinom

Lymphgefäßeinbrüche nicht nachweisbar

nachweisbare

Lymphgefäßeinbrüche

Tumor- aus- brei- tung

Infiltration in Submukosa Exzisionslinien histologisch tumorfrei

Infiltration in Muscularis pro- pria oder weiter,

Exzision histologisch nicht im Gesunden

lokale Exzision ausreichend!

chirurgische Radikaloperation erforderlich!

„high risk"

Tabelle 4: Ergebnisse bei kurativer lokaler Exzision*)

Durchschnittliche Beobachtungszeit in Monaten Lokalrezidive

Fernmetastasen Tod an Karzinom

*) Chirurgische und Medizinische Universitätsklinik Erlahgen 1969-1978179-10-15

Rektumkarzinom

Palliative Therapie

Beim Rektumkarzinom hat sich heu- te auch die palliative Entfernung des Tumors entweder als Exstirpation oder Resektion durchgesetzt: Mit diesem Eingriff beseitigt man den jauchig zerfallenden und blutenden Tumor und verbessert damit für den Rest des Lebens die Lebensqualität.

Die alleinige Anlage eines Anus praeter umgeht nur die Stenose, be- läßt aber die oft unerträglichen loka- len Symptome. Inwieweit die Kryo- chirurgie (13) als palliatives Vorge- hen für den Patienten günstiger ist, kann heute noch nicht endgültig entschieden werden.

Nach lokal unradikaler Entfernung mit verbleibendem Resttumor im kleinen Becken sowie bei Rezidiven mit Schmerzen können durch Be- strahlung beträchtliche palliative Ef- fekte erzielt werden (10).

Lebermetastasen

Bei großen solitären Metastasen, die auf einen Lappen beschränkt sind, ist heute in einer zweiten Sitzung die Hemihepatektomie angezeigt (17).

Liegen einige wenige Metastasen vor, werden diese durch lokale Exzi- sionen unter Abklemmung der Le- berarterie in der gleichen Sitzung wie der Primärtumor entfernt. Bei multiplen Metastasen, die aber noch nicht mehr als 50 bis 70 Prozent des Leberparenchyms einnehmen, füh- ren wir eine lokale intraarterielle Chemotherapie über einen in die Ar- teria hepatica communis einge- brachten Ventil-Verweilkatheter mit 5-Fluorourazil durch (18). Diese Me- thode wurde bisher bei neun Patien- ten vorgenommen, definitive Ergeb- nisse liegen noch nicht vor.

Die systemische Chemotherapie hat bis heute beim Rektumkarzinom enttäuscht (16). Kontrollierte Stu- dien über adjuvante Chemotherapie nach Radikaloperationen fortge- schrittener Tumorstadien (Dukes C 1 und C 2) laufen auch an unserer Klinik, eine generelle Empfehlung kann diesbezüglich heute noch nicht gegeben werden.

Literatur

Dukes, E. C.: The spread of cancer of the rec- tum, Brit, J. Surg. 17 (1930) 643 — Goetze, 0.:

Die abdominosakrale Resektion des Mastdar- mes mit Wiederherstellung der natürlichen Kontinenz, Langenbecks Arch. klin. Chir. 206 (1944) 293 — Goligher, J. C.: Surgery of the anus, rectum and colon, 3rd ed. Bailliere Tin- dall, London 1975 — Hermanek, P.; Gall, F. P.:

Grundlagen der klinischen Onkologie, Kom- pendium der klinischen Tumorpathologie, Band 1, Gerhard Witzstrock, Baden-Baden — Köln — New York 1979 — Kligermann, M. M.:

Radiation therapy for rectal carcinoma, Semi- nars in Oncology 3 (1976) 407 — Langer, S.;

Buss, H.: Der Mastdarmkrebs, Klinik und Mor- phologie der lokalen Kryotherapie, Dtsch. med.

Wschr. 104 (1979) 768 — Mason, A. Y.: Rectal cancer: the spectrum of selective surgery, Procc. Roy. Soc. Med. 69 (1976) 237 — Mühe,

E.; Gall, F. P.; Angermann, B.: Resektion von Lebermetastasen, Klinikarzt 8 (1979) 602 — Ramming, K. P.; Sparks, F. C.; Eibler, F. R.;

Morton, D. L.: Management of hepatic meta- stases, Seminars in Oncology 4 (1977) 71 — Westhues, H.: Die pathologisch-anatomischen Grundlagen der Chirurgie des Rektumkarzi- noms, Thieme, Leipzig 1934

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med. Franz Paul Gall Professor Dr. med. Paul Hermanek Chirurgische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg Maximiliansplatz

8520 Erlangen

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