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Archiv "Karzinomserie: Möglichkeiten und Grenzen der Therapie mit offenen radioaktiven Substanzen" (08.03.1979)

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Die Behandlung mit offenen

radioaktiven Substanzen er-

fordert eine differenzierte ln- dikationsstellung und einen beträchtlichen Aufwand aus Strah lenschutzgründen. Ziel ist die Verabreichung einer ausreichenden Strahlendosis

im erkrankten Gewebe durch

Konzentration der radioakti- ven Substanzen. Beim Radio- jod und Radiophosphor wird die Konzentration auf selekti- vem Weg erreicht. Andere Me- chanismen sind die Einbrin- gung in das Lymphsystem oder in Körperhöhlen. DieMe- thoden sind gekennzeichnet durch einfache, risikoarme ln- dikationstechniken, die Mög- lichkeit. hohe Strahlendosen zu erzielen unter Schonung des umgebenden Gewebes und gute Behandlungsergeb- nisse.

KARZINOMSERIE:

Möglichkeiten und Grenzen der Therapie mit offenen radioaktiven Substanzen

Karl zum Winkel, Bruno Chone,

Hans-Joachim Hermann und Peter Schenck

Aus dem Klinikum der Universität Heidelberg, Zentrum für Radiologie, Abteilung Allgemeine Radiologie mit Poliklinik (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. med. Karl zum Winkel)

Einleitung

Hauptanliegen der Therapie mit io- nisierenden Strahlen ist die Appli- kation einer ausreichenden Strah- lendosis im erkrankten Gewebe bei weitgehender Schonung der Umge- bung. Dieses Zielläßt sich erreichen durch

~ perkutane Strah Jentherapie

~ Applikation von offenen radioak- tiven Substanzen

~ lokale Applikation von umschlos- senen Radionukliden.

Die Behandlung mit offenen radio- aktiv markierten Substanzen (Radio- pharmaka) setzt eine Anreicherung des Strahlers im Krankheitsherd und einen lokal erzielbaren Strahlenef- fekt voraus.

Die Auswahl des Radiopharmakons erfolgt deshalb nach

~ Strahlenart, Strahlenenergie und physikalischer Halbwertzeit des Ra- dionuklids (Tabelle 1),

~ Gewebsverträglichkeit,

~ Stoffwechsel der Substanz.

Bei den markierenden Radionukli- den handelt es sich um Atomarten, die sich unter Aussendung von Be- ta- und/oder Gammastrahlen spon- tan umwandeln in Atomkerne mit anderer Zusammensetzung der Nu- kleonen (Kernbausteine: Protonen plus Neutronen). Emittierte Beta- strahlen haben im Körpergewebe ei- ne energieabhängige, begrenzte Reichweite von wenigen Millimetern und erfüllen somit die Forderung nach Schonung der umgebenden Gewebe (Tabelle 1).

Das verabfolgte Radiopharmakon wird konzentriert

~ in jodspeicherndem Schilddrü- sengewebe oder in malignen Schild- drüsentumoren durch metabolische Vorgänge (Selektivtherapie mit Na131J),

!""'

in stoffwechselaktiven oder proli-

ferationsfähigen Geweben, speziell bei der Polycythaemia vera (Selek- tivtherapie mit 32P-Phosphat),

~ in den Lymphknoten nach Appli- kation in ein peripheres Lymphgefäß (endolymphatische Therapie mit

32P-Tri-n-octyi-Phosphat),

~ in den Endothelien von Gelenken, Pleura oder Peritoneum (endokavi- täre Therapie mit 198Au colloidale). [>

619

(2)

Betastrahlen Gamma- Radionuklid Maximalenergie Reichweite strahlen

Energie

T1/2 Applika- physik. tionen Substanz

0,36 MeV 2,5 mm

8 mm 8 mm 0,61 MeV

1,71 MeV 1,71 MeV Jod-131

Phosphor-32 Phosphor-32

Behandlungs- erfolge Dosis

(rad)

Komplikationen Nachteile Hypothyreose-

häufigkeit (nach 5 Jahren) Erkrankung Indikation

Tabelle 1: Physikalische Eigenschaften der therapeutisch verwendeten Radiopharmaka

Natriumjodid Phosphat Tri-n-octyl- Phosphat

Goldkolloid Aurum-198 0,96 MeV 4 mm 0,412 MeV

8,04d oral/i. v.

14,3 d oral/i. v.

14,3 d endolympha- tisch 2,7 d endokavitär

Tabelle 2: Radiojodtherapie bei benignen Schilddrüsenerkrankungen (Heinze et al., 1977, und zum Winkel, 1975)

Autonomes Adenom

alternativ zur Operation

30 000 87-98%

40 000

keine 3-8 %

Hyperthyreose Rezidiv nach 6 000 Hyperthyreote Struma medikamentöser 8 000

oderpperativer Therapie

Thyreotoxikose 3-5 % unter Therapie,

Tracheomalazie bei ausgeprägter Trachealstenose 80-95%

80% nur geringe 3-10%

Verkleinerung, Tracheomalazie bei ausgeprägter Trachealstenose 12 000

18 000 lnoperabilität

Rezivstru ma Euthyreote Struma

Therapie mit offenen radioaktiven Substanzen

Abbildung 1: Radiotherapie des autonomen Adenoms. Szintigraphisch kompensiertes Adenom (A) nach der Therapie mit 18 mCi ' 31 J (unter Suppression mit T3) (B), 5 Monate nach Therapie völlige Normalisierung des szintigraphischen Befundes (C)

620 Heft 10 vom 8. März 1979

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Abbildung 2: Zwölfjährige Patientin mit papillärem Schilddrüsenkarzinom.

Zustand nach totaler Thyreoidektomie und Neck dissection links im Oktober/

November 1975. 131 J-Speicherung in miliarer Metastasierung beider Lungen- hälften. Zustand nach Exstirpation einer 13 'J-speichernden retroorbitalen Metastase mit. Enukleation des rechten Auges im Dezember 1975. — Zustand nach sechsmaliger Radiojodtherapie mit insgesamt 520 mCi 131 J wegen rönt- gendlogisch größenmäßig unveränderter und speichernder Lungenmetastasen Die wirksamste Form der Strahlen-

therapie ist die Selektivtherapie. Lei- der läßt sie sich nur bei wenigen Erkrankungen anwenden, weil sich entweder der Stoffwechsel des er- krankten Organs von dem des ge- sunden Gewebes nur ungenügend unterscheidet oder das Radiophar- makon nur in unzureichender Weise im Krankheitsherd konzentriert wird.

Der Nachweis von malignen Ge- schwülsten mit radioaktiv markier- ten Substanzen besitzt hervorragen- de nuklearmedizinische Bedeutung sowohl wegen der Früherkennung und Lokalisation von Primärtumo- ren und Metastasen wie auch wegen der Möglichkeit der selektiven Strahlentherapie. Trotz vieler „Be- richte verfügen wir aber zur Zeit nicht über ein hinreichend tumor- spezifisches Radiopharmakon, of- fenbar weil sich der Tumor-Stoff- wechsel nur gering von dem des normalen Gewebes unterscheidet.

Wegen des erforderlichen Strahlen- schutzes und der Kontaminations- gefahr für die Umgebung ist die sta- tionäre Unterbringung des Patienten (Richtlinien für den Strahlenschutz bei Verwendung radioaktiver Stoffe im medizinischen Bereich, Heft 4 der Schriftenreihe des Bundesministe- riums des Innern, 1974) vorgeschrie- ben. Der Patient darf erst dann ent- lassen werden, wenn 2 mCi Jod-131 beziehungsweise 5 mCi Au-198 un- terschritten sind.

Radiojodtherapie Benigne

Schilddrüsenerkrankungen Die Behandlung benigner Schild- drüsenerkrankungen kann medika- mentös, operativ oder durch die Ra- diojodtherapie erfolgen. Die Radio- jodtherapie wird vor allem beim au- tonomen Adenom, bei der Hyperthy- reose, bei der hyperthyreoten Stru- ma und — seltener — bei der euthy- reoten Struma durchgeführt (Tabel- le 2). Wegen des potentiellen geneti- schen Risikos werden im allgemei- nen nur Patienten jenseits des 40.

Lebensjahres behandelt. Die Höhe

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 8. März 1979 621

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Tabelle 3: Histologische Einteilung entsprechend WHO-Klassifika- tion 1974 bei 391 Patienten mit Struma maligna der Universitäts- Strahlenklinik Heidelberg (Engelken et al., 1976)

männlich weiblich Summe

I. Maligne epitheliale Tumoren 1. follikuläres Karzinom 2. papilläres Karzinom 3. Pflasterzellkarzinom 4. undifferenziertes

(anaplastisches) Karzinom a) Spindelzelltyp

b) Riesenzelltyp c) Kleinzelliger Typ 5. medulläres Karzinom II. Unklassifizierbare Tumoren

Gesamt:

76 162 238

28 80 108

1 1 2

20 29

2 2 4

3 7 10

119 272 391

Tabelle 4: 32 P-Kollektiv n = 121, Beobachtungs-Zeitraum 1962-1975 (Chonö 1978)

32P-Applikation ED 4-8 mCi

121 109 75 35 12

Therapie- frequenz 1 x

2x 3x 4x 5-7 x

32P-Gesamt-Dosis mCi 4-6 10-12 10-20 22-30 35-54 n

121

Spätkomplikationen: 3 Osteomyelofibrosen (kompensiert: 1p. Splen- ektomie)

32P-Dosis: 20-32 mCi

>1

Akute Myelose

32P-Dosis: 54 mCi

1 Chron. Lymphadenose (immunol. Klassifika- tion als B-Zelltyp: in zytostatischer Remiss.

phase)

32P-Dosis: 22 mCi Interkurrente Erkrankungen:

-) 1 zerebrale Thrombose n = 2

1 Myokardinfarkt n =

Therapie mit offenen radioaktiven Substanzen

der verabfolgten Radiojoddosis muß unter Berücksichtigung der Grund- erkrankung, der Schilddrüsengröße und des Radiojodumsatzes individu- ell festgelegt werden.

Autonomes Adenom: Prinzip der Ra- diojodtherapie ist die Ausschaltung des allein Jod-131 speichernden Knotens bei fehlender Jodaufnahme der übrigen Schilddrüse.

Die Therapie mit Strahlendosen zwi- schen 30 000 und 40 000 rad führt im Verlauf von 5 Monaten bei 98 Pro- zent der Patienten zu einer Aus- schaltung des Adenoms und zur Normalisierung des szintigraphi- schen Befundes, 87 Prozent der Pa- tienten sind nach der Therapie eu- thyreot. Die Hypothyreoserate liegt bei 3 bis 8 Prozent (Heinze et al., 1977). Die Radiojodtherapie bietet eine echte Alternative zur Operation (Abbildung 1).

Hyperthyreose und hyperthyreote Struma: Die Radiojodtherapie der Hyperthyreose mit Strahlendosen zwischen 6000 und 8000 rad bietet im Vergleich zur Behandlung mit Thyreostatika eine geringere Rezi- divhäufigkeit. Ausgeprägte Hyper- thyreosen müssen über einen Zeit- raum von 2 bis 3 Monaten bis zum vollen Wirkungseintritt der Radio- jodtherapie simultan mit Thyreosta- tika behandelt werden.

Hyperthyreote Strumen, insbeson- dere Rezidive nach durchgeführter Operation eignen sich für die Radio- jodtherapie, wenn ein erhöhtes Ope- rationsrisiko vorliegt oder wenn die medikamentöse Behandlung erfolg- los bleibt.

Dabei muß jedoch berücksichtigt werden, daß es unter der Radiojod- behandlung zu einer kurzfristigen Größenzunahme der Struma kom- men kann, das heißt es darf keine ausgeprägte Trachealeinengung vorliegen. Die Hypothyreoserate liegt nach 5 Jahren bei 3 bis 5 Pro- zent, nach 10 Jahren bis 35 Prozent (Beierwaltes u. Wagner, 1968); beim Vorliegen einer Hypothyreose muß mit Schilddrüsenhormon substitu- iert werden.

622 Heft 10 vom 8. März 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Abbildung 3: Unauffälliges Lymphoszintigramm 6 Stunuen nach der subkuta- nen Injektion von je 2,5 mCi "m Tc-Lymphoszint auf beide Fußrücken Radio- aktivität auch in der Leber nachweisbar als Zeichen für ungestörten Lymphab- fluß. Geringe Blasenaktivität (Wiedergabe auf Röntgenfilm, linke Abbildungs- hälfte entsprechend der Paralumbal- und rechte Abbildungshälfte entspre- chend der Iliakalregion)

Tabelle 5: Zweckmäßige The- rapiesequenz bei Polycyt- haemia vera

1. Aderlaß-Behandlung 2. 32 P i. v. Initialdosis 3-5 mCi

bei Rezidiv ED 6-8 mCi möglich

3. Zytostatika (Myleran) Initialdosis 4-8 mg Erhalt. Dos. 1-2 mg/die

Abbildung 4: Röntgenbild der iliakalen Lymphknoten bei einem Patienten mit teratoidem Hodenkarzinom links mit unauffälliger Lymphknotenabbildung (linke Bildhälfte). Nach zwei Monaten erhebliche Verkleinerung aller angefärbten Lymphknoten (rechte Bildhälfte)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 8. März 1979 623

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Therapie mit offenen radioaktiven Substanzen

Euthyreote Struma: Die Radiojod- therapie bei der euthyreoten Struma mit Strahlendosen zwischen 12 000 und 18 000 rad führt nur zu einer geringen Verkleinerung der Struma, ihre Wirkung ist abhängig von der Homogenität der Radiojodspeiche- rung.

Da viele Strumen regressive Verän- derungen mit verminderter Speiche- rung zeigen, ist auch die Strahlen- Wirkung inhomogen. Die Radiojod- therapie sollte deshalb nur bei älte-

ren Patienten mit erhöhtem Opera- tionsrisiko durchgeführt werden.

Bei ausgeprägter Trachealein- engung besteht die Gefahr der Tra- cheomalazie.

Maligne Schilddrüsentumoren Das Schilddrüsenkarzinom ist sel- ten. Seine Rate in Deutschland-re- gional verschieden - liegt unter 1 Prozent aller Karzinome (Reinwein, 1977). Seine Häufigkeit steigt je-

Abbildung 5: Mammakarzinom mit Peritonitis carcinomatosa. Aszitespunktat.

14 Tage p. 150 mCi 198Au. Lebhafte mesotheliale Radiogoldspeicherung in der rechten Bildhälfte, links Tumorzellkonglomerat mit pathologischer Mitose

,.goldfrei''. Stripping-Film-Autoradiographie Vergrößerung 1200 x

Tabelle 6: 32P-Therapie

Vorteile

1. Einfache Handhabung gegen- über Zytostatika

2. Längere behandlungsfreie Zeitintervalle

3. Keine subjektiven Nebenwir- kungen

Nachteile

1. Keine Steuerbarkeil nach Applikation

2. Therapieresistenz (meist erst nach wiederheiter 32P-Appli- kation)

3. Mögliche Folgeerkrankungen, sogenannte Spätkomplikatio- nen:

Osteomyelofibrose, Leukämie

624 Heft 10 vom 8. März 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT

doch, wie aus dem Hamburger

Krebsregister hervorgeht, in den letzten 20 Jahren signifikant gegen- über der Zunahme aller übrigen Ma- lignome.

Die histologische Klassifizierung er-

folgt nach der WHO-Einteilung (Ne-

racher und Hedinger, 1975), in die unsere Patientenzahlen bis 1975 eingeordnet wurden (Tabelle 3). Zahlenmäßig im Vordergrund ste- hen dabei die differenzierten Schild-

drüsenkarzinome, die aufgrund ih-

rer Hormonabhängigkeit und Affi- nität gegenüber Radiojod eine Son- derstellung in dar Therapie einneh- men. Die Geschlechtsverteilung weiblich zu männlich beträgt etwa 3 zu 1, das Erkrankungsmaximum liegt, wie wir feststellen konnten, im sechsten Lebensjahrzehnt (Engel- ken et al., 1976). Nach Reinwein überlebten unabhängig von Alter, Geschlecht und Stadium der Erkran- kung nach 10 Jahren 82 Prozent der papillären Karzinome, 72 Prozent der follikulären Karzinome, 34 Pro- zent der medullären und kein Pa- tient der anaplastischen Karzinome. Die Behandlung des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms, die wir seit 1969 systematisch durchführen, be- steht aus

.,.. der totalen Thyreoidektomie 1. da sich in etwa 30 Prozent der differenzierten Karzinome ein Befall des kontralateralen Lappens nach- weisen läßt (Heinze u. Pichelmaier, 1972)

2. um den hypophysären Rückkop- pelungsmechanismus zu unterbre- chen.

.,.. der 131J-Therapie

1. zur Ausschaltung des Restschild- drüsengewebes

2. zur Bestrahlung evtl. vorhandener Metastasen

.,.. der Schilddrüsenhormontherapie zur suppressiven und substitutiven Therapie.

Unsere Erfahrungen mit 391 Patien- ten (Engelken et al., 1976) ergeben

(7)

eine Zunahme der Frühdiagnose seit 1969, während vor diesem Zeitpunkt hauptsächlich Patienten mit Meta- stasen einer Therapie zugeführt wurden.

Für die Behandlung des differen- zierten Schilddrüsenkarzinoms ist es besonders wichtig zu beachten, daß postoperativ kein Schilddrüsen- hormon verordnet wird. Weiterhin ist der behandelnde Arzt und der Patient zu informieren, daß kein blockierendes Jod (insbesondere kein Röntgenkontrastmittel) verab- reicht wird.

Die erste 131J-Therapie wird drei Wo- chen nach der Thyreoidektomie mit 70 mCi 131 J durchgeführt, bis dahin ist nach unseren Untersuchungen (Hüfner et al., 1977) eine ausrei- chend hypothyreote Stoffwechsella- ge nachweisbar, die eine maximale Radiojodspeicherung gewährleistet.

Vor dieser Intervention sind RIA-T3, RIA-T4, TSH, Blutbild, Blutsenkung, Elektrolyte, Thoraxröntgenaufnah- men und Röntgenaufnahmen der Trachea in zwei Ebenen durchzu- führen.

Bei tracheomalazischen Zeichen ist zusätzlich eine hals-nasen-ohren- ärztliche Untersuchung notwen- dig. Auch Knochen- und Leber- szintigramm sollten prätherapeu- tisch durchgeführt werden. Der Pa- tient ist über die Notwendigkeit der stationären Unterbringung für 5 bis 10 Tage zu informieren.

Unter prophylaktischer antiphlogi- stischer Therapie wird das Jod-131 entweder in wäßriger Lösung, Kap- selform peroral oder intravenös ap- pliziert. Glukokortikoide als Stoß- therapie sind nur bei lebensbedroh- lichen Veränderungen der Atemwe- ge indiziert.

Vor der Entlassung werden ein kon- ventionelles Szintigramm der Hals- region zur Größenfeststellung des jodspeichernden Restgewebes und ein Ganzkörperszintigramm mit der Szintillationskamera zur Erkennung lokaler oder peripherer jodspei- chernder Metastasen angefertigt.

Nach der Entlassung erfolgt eine einschleichende Substitution mit L- T4, wobei wir in letzter Zeit eine Ge-

samtdosis von 0,3 mg/die — einmal morgens nüchtern — als ausreichend erachten.

Sechs Wochen nach der Radiojod- therapie erfolgt die erste klinische Kontrolle, insbesondere aber auch die Bestimmung von RIA-T3 und TRH-Test, um eventuell Unter- be- ziehungsweise Überdosierungser- scheinungen vorzubeugen.

Bei komplikationslosem Verlauf ist eine zweite Routinetherapie mit 100 mCi 131 J nach vier Monaten zur si- cheren Ausschaltung des Rest- schilddrüsengewebes anzuschlie- ßen. Dies erfolgt nach erneutem Ab- setzen der Schilddrüsen-Hormon- T4-Therapie, dann über vier Wochen Gabe von Trijodthyronin (0,1 mg/

die) wegen dessen kürzerer biologi- scher Halbwertzeit und anschlie- ßend eine Hormonkarenz von 14 bis 18 Tagen.

Eine weitere fraktionierte Intervall- therapie mit 100 mCi Jod-131 wird beim Nachweis von größerem Rest- schilddrüsengewebe oder spei- chernden Metastasen (Abbildung 2) in 4- bis 5monatlichen Abständen vorgenommen bei zwischenzeitli- cher hormoneller Suppressions- und Substitutionsbehandlung. Bei primär vorhandenen jodspeichern- den inoperablen Metastasen oder schneller Progredienz ist nach der

131J-Therapie der kurzen biologi- schen Halbwertzeit wegen die allei- nige Substitutions-respektive Sup- pressionstherapie mit T3 vorzuzie- hen, um eine schnellere 131 J-Thera- pie in 2 oder spätestens 3 Monaten zu gewährleisten.

Bei einer Gesamtdosis von über 500 mCi Jod-131 sollte neben einer kon- ventionellen Blutdiagnostik eine ex- plorative Knochenmarkpunktion durchgeführt werden, um strahlen- induzierte hämatopoetische Umbau- vorgänge auszuschließen.

Eine zusätzliche perkutane Strah- lentherapie auch bei differenziertem Schilddrüsenkarzinom respektive Metastasen ist in den Fällen ange- zeigt, in welchen bei raschem Wachstum die Gefahr der Einen- gung der Luftwege oder des Ein- wachsens in größere Gefäße bezie-

hungsweise deren Kompression besteht.

Bei stationärem Krankheitsprozeß sind regelmäßige klinische, labor- chemische (einschließlich RIA-T3, RIA-T4, TRH-Test), szintigraphische (Jod-131-Lokal- und Ganzkörper- szintigramm, Knochenszintigramm, eventuell Leberszintigramm) und röntgenologische Kontrolluntersu- chungen zunächst in halbjährlichen, dann in ganzjährlichen Intervallen notwendig.

Radiophosphortherapie

Polycythaemia vera (P. v.)

32P wird unter den radioaktiven Sub- stanzen mit Recht als Therapie der Wahl bei der P. v. angesehen. Der radioaktive Phosphor (vgl. Tabelle 5) hat eine Halbwertzeit von 14,3 Ta- gen, ist ein reiner Betastrahler und wird in Organen und Geweben mit hohem Phosphorturnover ange- reichert, also vorwiegend in Kno- chenmark, Leber und Lymphknoten.

Aus diesem Grund ist es möglich, mit einer relativ kleinen Menge von

32P auf die gesteigerte Hämatopoese im Proliferationsstadium einzu- wirken.

Zur Krankheitsdefinition: Die P. v.

zählt zu den Blutsystemerkrankun- gen des myeloproliferativen For- menkreises. Das hämatologische Bild ist geprägt von einer allgemei- nen Knochenmarkhyperplasie. In der exakten differentialdiagnosti- schen Abgrenzung der P. v. von symptomatischen Polyglobuliefor- men liegt die primäre und im Hin- blick auf nachfolgende therapeuti- sche Konsequenzen außerordent- lich verantwortungsvolle ärztliche Aufgabe. In dieser Hinsicht hat ne- ben den üblichen klinischen und hä- matologischen Auswahlkriterien die Knochenmarkbiopsie maßgebliche Bedeutung erlangt, besonders bei der praktisch wichtigen Abgrenzung von Frühformen der Osteomyelofi- brose (Burkhardt, 1970).

Therapeutisches Prinzip: Die not- wendige Radiophosphormenge läßt sich nur annähernd vorausberech- nen. Als Richtlinie kann nachfolgen-

626 Heft 10 vom 8. März 1979 DEUTSCHES ÄRZ 1 hBL ATT

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1. Vorwiegend auf die Lymph- knoten begrenzte Strahlenwir- kung ohne Behinderung einer nachfolgenden perkutanen Strahlentherapie oder Opera- tion

2. gleichzeitige Röntgendiagno- stik des Lymphsystems

3. Kontrolle des Behandlungser- folges durch Röntgenaufnah- men des Abdomens in mehr- wöchigem Abstand bis zu ei- nem halben Jahr

1. Bevorzugte Ablagerung von P-32 und Lipiodol in normalen Lymphknoten, geringere Spei- cherung bei Systemerkran- kung, fehlende Aufnahme in soliden Tumoren

2. absorbierte Dosis lymphono- dulär a priori nicht exakt kal- kulierbar

3. unerwünschte Strahlenbela- stung anderer Organe, spe- ziell der Lungen

Tabelle 8: Ergebnisse der Arbeitsgemeinschaft endolymphatische Radionuklidtherapie beim malignen Melanom (zum Winkel 1977)

Therapie Zahl der 3-Jahre- Erschei-

Patienten Überlebensrate nungsfrei

Endolymphatische Therapie 41 86% 86%

Vergleichskollektiv 41 75% 48%

Tabelle 7: Vorteile und Nachteile der endolymphatischen Therapie

Vorteile Nachteile

Therapie mit offenen radioaktiven Substanzen

des Dosierungsschema empfohlen werden: Initial 3-5 mCi 32 P i. v. Vor Beginn der Behandlung ist eine Senkung des Hämatokritwertes durch Aderlässe auf 50 bis 55 Pro- zent zweckmäßig, wodurch zugleich der 32 P-Einbau in der reaktiven Sti- mulationsphase der Hämatopoese verstärkt wird.

Der therapeutische Effekt von 32 P kann wegen der über das Knochen- mark anlaufenden Auswirkung erst nach einem Zeitintervall von 2 bis 3 Monaten erwartet werden, da die normale Überlebenszeit der Erythro- zyten 100 bis 120 Tage beträgt. Ist nach 3 Monaten noch keine ausrei- chende hämatologische Wirkung eingetreten, kann unbedenklich eine weitere Radiophosphorfraktion von 2 bis 4 mCi verabfolgt werden; an- dernfalls dann, wenn wieder eine Verschlechterung der Blutbildsitua- tion eingetreten ist.

Die Remissionszeiten nach 32 P sind starken individuellen Schwankun- gen unterworfen. In der Regel kann man davon ausgehen, daß bei Initial- behandlung der P. v. eine Remis- sionsdauer von einem bis zu mehre- ren Jahren zu erzielen ist, welche mit zunehmender Applikationsfre- quenz eine signifikante Verkürzung erfährt.

Außerdem sind bei Folgebehandlun- gen zur Auslösung einer Blutbildre- mission oft höhere Einzeldosen er- forderlich. Die obere Grenze ist bei 8 mCi zu ziehen (Tabelle 5).

Die von Spiers et al. (1976) an biopti- schen Knochenmarkuntersuchun- gen ermittelten Werte der Strahlen- belastung haben eine Integraldosis innerhalb des ersten Behandlungs- tages von 24 rad pro injizierter mCi- Dosis ergeben. Die biologische Halbwertzeit wurde auf 9 d be- rechnet.

Therapiekomplikationen: Die Gefah- ren der P. v.-Therapie mit 32 P sind auf Spätkomplikationen beschränkt, deren ätiopathogenetische Zuord- nung allerdings umstritten ist. Die mit Recht aufgeworfene Frage, ob durch die 32 P-Behandlung ein Über-

gang der P. v. in eine leukämische Knochenmarktransformation be- günstigt wird, kann bis heute weder eindeutig bejaht noch überzeugend in Abrede gestellt werden (Bege- mann, 1975).

Die Komplikationsrate ist außerdem in den einzelnen Untersuchergrup- pen recht unterschiedlich, je nach Patientengut, Auswahl- und Unter- suchungskriterien sowie Zeitdauer der Beobachtung.

Das Auftreten einer akuten Leuk- ämie scheint weitgehend dosisab- hängig zu sein, chronisch-myelo- ische Leukämien stellen hinge-gen häufig das Präfinalstadium der Spontanentwicklung dar.

Zweifellos werden durch die 32P- Therapie zytogenetische Verände- rungen induziert, verbunden mit charakteristischen chromosomalen Veränderungen.

II> Aus Strahlenschutzgründen sollte die 32 P-Behandlung daher erst nach unzureichender Wirkung der übli- chen Aderlaßtherapie eingesetzt werden, jedoch vor einer zytostati- schen Anschlußbehandlung stehen, welche eine wesentlich aufwendige- re Blutbildüberwachung des Patien- ten erfordert.

Unter den 32 P-Behandlungskompli- kationen steht die Leukämie oder Ausbildung einer Osteomyelofibrose im Vordergrund (Tabelle 4).

Die Therapie wird in diesem Fall der neuen Grunderkrankung angepaßt.

Die Frage, welche spezielle Thera- pieform den Vorzug verdient, hängt häufig von den klinischen Gegeben- heiten ab. Grundsätzlich beinhaltet die zytostatische Therapie die glei- chen Gefahren wie die 32P-Behand- lung, was die mutagene Wirkung an- geht. Die immunsuppressive Wir- kung stellt ein zusätzliches Gefah-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 8. März 1979 627

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renmoment dar, desgleichen die nicht minder fibrosierende Wirkung der Zytostatika auf das Knochen- mark. Bei Abwägung der Vor- und Nachteile der P-32-Therapie gegen- über Zytostatika lassen sich die in Tabelle 6 aufgeführten Schlußfolge-

rungen ziehen.

Endolymphatische Therapie ln periphere Lymphgefäße infun- dierte ölige Substanzen wie das Röntgenkontrastmittel Lipiodol und

32P-Tri-n-octyi-Phosphat werden in den regionären und - bei Über- schreiten der Speicherkapazität-in den mehr proximal gelegenen Lymphknoten gespeichert. Nach Er- reichen der venösen Blutbahn am Angulus venosus werden die Fettmi- kronen in der Lunge abgelagert und mit einer Halbwertzeit von etwa vier Tagen abgebaut. Die pulmonale Speicherung hängt ab vom infun- dierten Kontrastmittelvolumen; wir verabfolgen 3 bis maximal 3,5 ml/

Extremität.

Die lymphonoduläre Speicherung für ölige Substanzen ist herabge- setzt nach Strahlentherapie und - während einiger Wochen - nach Lymphog raphie.

Die endelymphatische Radionuklid- therapie mit 2 mCi Phosphor-32 pro Extremität bewirkt in den erreichba- ren Lymphknoten eine hohe Strah- lendosis von mindestens 10 000 rad, die sich mit perkutaner Radiothera- pie nicht verabfolgen läßt.

Bei lymphonodulären Metastasen bis 8 mm Durchmesser (Reichweite der Setastrah len des 32P s. Tabelle 1) kommt die endelymphatische The- rapie noch in Betracht, doch ist sie bei größeren Defekten wirkungslos.

Nach unseren Erfahrungen an über 300 Patienten ist die endelymphati- sche Therapie mit 32P indiziert bei bösartigen Tumoren mit geringer oder mäßiger Strahlensensibilität und beträchtlicher Tendenz zu lym- phogener Metastasierung wie mali- gnes Melanom (etwa 40 Prozent Mi- krometastasen in den regionären Lymphknoten) oder Teratom re-

spektive embryonales Hodenkarzi- nom (mindestens 30 Prozent Mikro- metastasen in den regionären Lymphknoten). Angezeigt ist das Verfahren aber auch zur Einschrän- kung relativ hoher Volumendosen, die bei der perkutanen Bestrahlung der paralumbalen und iliakalen Lymphknoten unvermeidlich sind und besonders von älteren Patien- ten schlecht toleriert werden. Hier kommt die endelymphatische The- rapie als zusätzliches Verfahren zur perkutanen Radiotherapie in Be- tracht beim Prostata- und Blasen- karzinom.

Zur Auswahl der Patienten ist die Lymphoszintigraphie (Abbildung 3) geeignet. Die endolymphatische Therapie ist möglich, wenn szinti- graphisch keine gröberen Ausfälle innerhalb der normalen Aktivitäts- verteilung, keine multiplen Defekte, keine Lymphblockaden, Lymphkol- lateralen oder lymphevenöse Shunts (erhöhte Leberaktivität nach intersti- tieller Radiokolloidgabel erkennbar sind.

Besondere Vorteile der endelym- phatischen Radionuklidtherapie (Tabelle 7) sind

..". die simultane diagnostische Un- tersuchung des Lymphsystems durch die Gabe des Röntgenkon- trastmittels Lipiodol, das durch den langen lymphonodulären Verbleib eine Kontrolle des Behandlungsef- fektes während 6 Monaten und mehr garantiert (Abbildung 4),

..". die kurze Behandlungszeit, die lediglich eine stationäre Unterbrin- gung des Patienten von 2 bis 3 Ta- gen erfordert,

..". die radiogen bedingte Verkleine- rung der erreichbaren Lymphknoten auf 20% ± 3% innerhalb von 12 Wo- chen (Lange u. Mitarb.),

..". die geringen Blutbildveränderun- gen, vorwiegend in Form einer pas- sageren Lymphozytendepression.

Edwards erzielte im Stadium I des malignen Melanoms mit der zusätz- lichen endelymphatischen Therapie eine 5-Jahres-Überlebensrate (5- JÜR) von 71 Prozent gegenüber 65

628 Heft 10 vom 8. März 1979

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Prozent eines Vergleichskollektivs; 5-JÜR im Stadium II 21 Prozent im Vergleich zur alleinigen Operation mit 13 Prozent. Bei festgestelltem Lymphknotenbefall (Stadium II) wur- de 4 Wochen nach der endelympha- tischen Therapie die Lymphadenek- tomie angeschlossen. ln diesem Zu- sammenhang sei betont, daß wegen bislang noch nicht voll geklärter im- munologischer Reaktionen mit Maß- nahmen, die das Lymphsystem be- einflussen können, 4 Wochen ge- wartet werden sollte.

Auch nach den Ergebnissen der Ar- beitsgemeinschaft endolymphati- sche Radionuklidtherapie (Tabelle 8) wird die Überlebensrate beim malignen Melanom erhöht. Patien- ten mit urologischen Tumoren zeig- ten eine bessere Überlebensrate bei Hodenteratomen und Prostatakarzi- nom im Gegensatz zu Blasenkarzi- nomen. Wichtig erscheinen noch einige bioptisch oder autoptisch verifizierte Befunde (Tabelle 9), wo- bei an die relativ hohe Frequenz von Mikrometastasen erinnert werden darf.

Kontraindikationen bestehen bei Kranken mit ausgedehnten Affektio- nen der retroperitonealen oder axil- lären Lymphknoten, Lymphblocka- den oder lymphevenösen Shunts, fortgeschrittenen Lungenerkran- kungen und nach früherer Strah- lentherapie der Lymphknoten.

Es ist unser dringender Rat, vor je- der Lymphegraphie an Patienten mit bösartigen Tumoren sorgfältig zu prüfen, ob die endelymphatische Radionuklidtherapie angezeigt ist oder nicht.

Radiogoldtherapie

Chronisch rheumatische Gelenkerkrankungen

Die chronisch rheumatischen Ge- lenkerkrankungen sind häufig durch eine Synovitis der peripheren Gelen- ke gekennzeichnet. Im Verlauf der Erkrankung führt die Synovitis zu ei- ner Zerstörung des Knorpelgewebes und der Gelenkstruktur. Neben der

(10)

Tabelle 9: Bioptische und autoptische Kontrollen der endolymphati- schen Therapie mit 32 P (Klinikum Charlottenburg der Freien Univer- sität Berlin 1971-1975)

n Diagnose Kontrolle Histologie

7 Teratom Lymphaden- Lymphknoten metasta- ektomie senfrei

6 Lympho- Probelymph- 5 ohne Metastasen, 1 granulomatose adenektomie positiver Lymphknoten in Nähe des Pankreas 4 Melanom (2) Autopsie fibrotische Lymphkno-

Synovialom (1) ten, Metastasen außer-

Lympho- halb der lymphogra-

granulomatose (1) phisch angefärbten

Lymphknoten

Tabelle 10: Intrakavitäre "'Au-Applikation

Vorteile Nachteile

1. Intensive Lokalwirkung der in- trazellulären Inkorporation (Phagozytose)

2. Geringe Strahlenbelastung des gesamten Organismus

3. Keine gravierenden Nebenwir- kungen

1. Keine unmittelbar zytotoxi- sche Tumorwirkung

2. Hohe Strahlenbelastung des Pflegepersonals durch Gam- mastrahlenkomponente 3. Gefahr der überschießenden

Bi ndegewebsreaktion

Therapie mit offenen radioaktiven Substanzen

medikamentösen und physikali- schen Therapie wird insbesondere bei Verlaufsformen, die auf die übli- che Behandlung nicht ansprechen, die Radiogoldtherapie durchge- führt.

Gold-198 in kolloidaler Form setzt sich nach intraartikulärer Injektion an der Oberfläche der Synovialmem- bran fest. Die Bestrahlung führt im Verlauf von Monaten zu Fibrosen der Synovia. Durch diese Radionu- klid-Synovektomie kann das weitere Fortschreiten der entzündlichen Veränderungen und der Beeinträch- tigung der Gelenkfunktion verhin- dert werden. Bei 60 bis 70 Prozent der Patienten, deren Gelenkerkran- kungen durch die übliche medika- mentöse Behandlung nicht zu be- einflussen sind, kann durch die Ra- diogoldtherapie eine wesentliche Besserung der Beschwerden er- reicht werden (Delbarre, 1974). Bei 45 Prozent der behandelten Patien- ten finden sich allerdings nach 15 Monaten trotz der Radiogoldthera- pie funktionelle und radiologische Verschlechterungen (Ott et al., 1977). Als palliative Maßnahme ist sie jedoch eine Alternative zur chir- urgischen Synovektomie.

Ovarialkarzinom

Peritoneale Metastasierung und As- zitesbildung beim Ovarialkarzinom sind durch externe Strahlentherapie oder Zytostatika kaum zu beeinflus- sen. Die intraperitoneale Verabrei- chung von Radiokolloiden (198A, colloidale oder Cr 32 PO 4 colloidale) hat eine Fibrosierung des Mesothels und der Kapillaren der Peritonealse- rosa und eine direkte Wirkung auf kleine Tumorablagerungen zur Fol- ge. Aufgrund der begrenzten Reich- weite der Betastrahlung (Tabelle 1) werden größere Tumorknoten nur in den Randpartien therapeutisch er- faßt (Abbildung 5). Nach intraperito- nealer Applikation von 150 mCi 198Au colloidale (beziehungsweise 10 mCi Cr32 PO4 ) ist im Bereich der Peritone- alserosa mit einer Herddosis von 4000 rad und im Bereich des Omen- tum majus von 6000 rad zu rechnen.

Die Radiokolloidtherapie ist bei Ova- rialkarzinomen der Stadien I und II

mit Verdacht auf peritoneale Aus- schwemmung von Tumorzellen und bei den Tumorstadien III und IV indi- ziert. Muzinöse, endometrioide Tumoren zeigen die höchste Emp- findlichkeit. Komplikationen treten nur selten in Form von Fibrosierun- gen, Ulzerationen und Fistelbildun- gen auf. Therapieerfolge sind bei 25 Prozent der Patienten zu erwarten;

die Rate der 5-Jahres-Heilungen wird durch die Zusatztherapie mit Radiogold oder Radiophosphor, un- abhängig vorn histologischen Zelt- typ des Tumors, erhöht (Gitsch et al., 1977).

Maligne Exsudate

Die therapeutische Anwendung von radioaktivem Goldkolloid ( 198Au) bei

metastatisch bedingten Körperhöh- lenergüssen zählt zu den klinisch bewährten und außerordentlich wirksamen Lokalmaßnahmen. Indi- kation: Die Indikationsstellung bei zytologisch gesicherter Pleuritis, Perikarditis oder Peritonitis carcino- matosa ist heute aus Strahlen- schutzgründen in zunehmendem Maße von der intrakavitären Appli- kation von Zytostatika zurückge- drängt worden, obwohl der Wir- kungsmechanismus unterschiedlich ist (Chonö 1965, Abbildung 5). Die intrazelluläre Radiogoldspeiche- rung entspricht im Prinzip einem ak- tiven Phagozytosevorgang, ausge- hend vom lokalen Mesothel, und wirkt auf die Tumorzelle via Beta- strahlung ein. Der Angriffspunkt der Zytostatika setzt direkt an der Tu- morzellmembran an.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 8. März 1979 629

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EKG-Monitor für den OP

Zur Überwachung von Patienten im Operationssaal ist ein Ein-Kanal- Monitor mit einem Wahlschalter für drei Kabel, einer akustischen Alarm- anzeige bei Kabelfehler und einem QRS-Tongeber gedacht. Die EKG- Darstellung erfolgt mit einer Schreibgeschwindigkeit von 25 oder 50 mm/sec auf dem hochauflösen- den Bildschirm. Die Bedienung ist denkbar einfach. Das Gerät hat nur einen Schalter zur Einstellung der Amplitude des EKG-Signals. Bedie- nungsanweisung und Diagramme,

Zur Patientenüberwachung im Operationssaal ist ein denkbar ein- fach zu bedienender Ein-Kanal- EKG-Monitor gedacht Werkfoto

die jene Elektrodenpositionen am Patienten angeben, bei denen durch Elektrochirurgie verursachte Stö- rungen auf ein Minimun reduziert werden, sind seitlich angebracht. Ei- ne Buchse auf der Rückwand er- möglicht den Anschluß von Geräten zur Aufzeichnung der EKG-Signale.

Der Monitor bietet Defibrillator- Schutz mit automatischer Nullinien- stabilisierung in weniger als einer Sekunde, so daß eine kontinuierli- che Überwachung während der wichtigen Sekunden nach der Defi- brillation gewährleistet ist. Ha Hersteller: Hewlett-Packard GmbH Berner Straße 117

6000 Frankfurt/Main 56 Wirkungsmechanismus und Appli-

kationsform: Vor der radioaktiven

198Au-Instillation ist eine Entla- stungspunktion zweckmäßig, um das Verdünnungsvolumen einzuen- gen. Die therapeutisch erforderliche Radiogoldmenge beträgt je nach Größe des Körperhöhlenvolumens 60 bis 120 mCi und wird in etwa 100 ml physiologischer Kochsalzlösung als Tropfinfusion appliziert. Daraus resultiert eine schnelle und gleich- förmige Aktivitätsverteilung im Rest- ergußmantel, in dem die Betastrah- lung zur Wirkung kommt, während die Gammaemission eine weitge- hend homogene Durchstrahlung von Lunge und Thoraxwand bewirkt.

Dieser primäre Verteilungszustand des Radiogolds bleibt nur wenige Stunden erhalten, da das Goldkollo- id aus der Suspension durch Phago- zytose eliminiert und in der Serosa- oberfläche fixiert wird (Resorptions- quote erreicht 90 Prozent innerhalb von 24 Stunden). Die intrazelluläre

198Au-Einbauphase entspricht der definitiven Aktivitätsverteilung, die lediglich durch die exfoliativen Zelt- vorgänge an der Serosaoberfläche noch variiert wird (laufende Repha- gozytose des Goldkolloids).

Behandlungsergebnisse: Vorausset- zung für optimale Behandlungswir- kung ist ein diffuser metastatischer Serosabefall. Der erwünschte Ver- schwartungseffekt tritt oft erst nach wiederholter 198Au-Applikation ein.

Intervall-Minimum: 4 bis 6 Wochen.

Gefürchtete Komplikationen bei pe- ritonealer Applikation: Darmadhä- sionen mit nachfolgendem Heus. Die Vor- und Nachteile der Methode sind aus Tabelle 10 ersichtlich.

Zusammenfassung

Die Therapie mit offenen radioaktiv markierten Substanzen bedarf aus Strahlenschutzgründen einer geziel- ten Indikationsstellung und schließt die Notwendigkeit einer sorgfältigen nuklearmedizinischen Überwa- chung ein. Die Radiojodtherapie hat eine zentrale Stellung bei den mali-

gnen Schilddrüsenerkrankungen, sie kommt auch in Betracht bei der Behandlung des autonomen Ade- noms und der Hyperthyreose.

Neben rein symptomatischen Maß- nahmen und der konkurrierenden Behandlung mit Chemotherapeutika nimmt Phosphor-32 einen festen Platz ein bei der Langzeitbehand- lung der Polycythaemia vera. Die en- dolymphatische Therapie mit P-32 kommt als additive Therapie beim malignen Melanom und bei urologi- schen Tumoren in Betracht. Die in- trakavitäre Radiotherapie hat infol- ge gleichwertiger chemotherapeuti- scher Behandlungsmaßnahmen nur noch einen begrenzten Wert.

Literatur

Begemann, Klinische Hämatologie, Georg Thieme Verlag Stuttgart 1975— Beierwaltes, W.

H.; Wagner, H. N.: Therapy of thyroid diseases with Radioiodine, in: Principles of Nuclear Medicin, Herausg. Wagner, H. N., Saunders, Philadelphia—London—Toronto 1968 — Burk- hardt, R.: Farbatlas der klinischen Histopatho- logie von Knochenmark und Knochen, Sprin- ger-Verlag, Berlin—Heidelberg—New York 1970

—Chonö, B.: Development of chronic lymphatic Leukemia after . P-Treatment of Polycythae- mia vera, Report of a Case, XVII. Congress of the International Society of Hematology Paris (1978) — Delbare, F., Menkös, J.: Non s'urgical synovectomy in rheumatoid arthritis. Results obtained by radiosynoviorthesis, Adv. clin.

Pharm. 6 (1974) 134 — Engelken, G.; Hymmen, U.; Schenck, P.; Wieland, C.: Strahlentherapie der Struma maligna, Chirurg. 47 (1976) 435 — Heinze, H. G.; Pichelmaier, Diagnostik und Therapie der Struma maligna, Internist 13 (1972) 148 — Lange, S.; Aviles, C.; Emde, H.;

Narbst, H.; zum Winkel, K.: Die Veränderungen am lymphatischen System nach endolymphati- scher Therapie mit Radiophosphor (Tri-N-Oc- tyl-Phosphat), Therapiewoche 25 (1975) 4927 — Reinwein, 0.: Diagnostik und Therapie der Schilddrüsenmalignome, Therapiewoche 27 (1977) 4742 — zum Winkel, K.: Möglichkeiten und Grenzen der endolymphatischen Therapie maligner Lymphknotenerkrankungen, Thera- piewoche 27 (1977) 8144

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med.

Karl zum Winkel Professor Dr. med.

Bruno Chonä

Privatdozent Dr. med.

Hans Joachim Hermann Professor Dr. med.

Peter Schenck

Universitäts-Strahlenklinik Voßstraße 3, 6900 Heidelberg

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Referenzen

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