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Archiv "Enttäuschung, Zorn und (Selbst-)Kritik: Kostendämpfung durch Zulassung sämtlicher Krankenhausfachärzte?" (09.06.1977)

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Leser über das „Kostendämpfungs"-Gesetz

technischer Zentren sowohl im Um- fang, wie auch an Schwierigkeit zu- nehmen, daß heißt, die Kosten stei- gen weiter.

Die ‚Brieftaschen' der Ärzte. Wer glaubt, die angeblich so dicken Brieftaschen der Ärzte seien das Re- sultat eines enormen ,Geschäftes mit der Gesundheit', ist realitäts- fremd oder durch gesellschaftspoli- tische Vorurteile blind. Das finanzi- elle Scheitern der privatwirtschaft- lich geführten Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden sollte auch dem letzten Zweifler klargemacht haben, daß an der ärztlichen Lei- stung nichts ,zu verdienen` ist (im kaufmännischen Sinn). Wenn ein Teil der niedergelassenen Ärzte tat- sächlich eine etwas dickere Briefta- sche haben sollte als vergleichbare Akademiker, so weiß doch jeder Di- rektor einer Ortskrankenkasse oder jeder Geschäftsführer einer Ersatz- kasse, da ihnen die Abrechnungsun- terlagen der Ärzte vorliegen, daß ge- gebenenfalls ein höheres Einkom- men auf einer überdurchschnittli- chen Arbeitsleistung beruht, denn die in den Verträgen mit den Kassen vereinbarten Honorare sind doch wohl kaum als ‚gewinnbringend' oder ,kapitalistisch-ausbeuterisch' zu bezeichnen.

Bald staatliche Subventionen? Da der Staat jetzt beabsichtigt, die Ver- antwortung für das Gesundheitswe- sen voll zu übernehmen, muß er in naher Zukunft das mit Sicherheit zu erwartende Defizit auch überneh- men und mit Steuergeldern abdek- ken (wie z. B. bei Bundesbahn und Bundespost). Die Frage ist nun, sol- len sich die Ärzte im Interesse der Patienten überhaupt gegen die be- absichtigte Strukturveränderung in der Krankenversorgung stellen? Ha- ben die niedergelassenen Ärzte (sie sollen eine Minderheit von 46 Pro- zent aller Ärzte in der Bundesrepu- blik darstellen) die wirtschaftlichen Möglichkeiten, das Defizit der Kran- kenversicherung zu kompen- sieren?"

Dr. med. Wolfram Dischler Schiffstraße 5

7800 Freiburg

Wir brauchen eine Alternative

„... Warum haben so viele Kollegen den Eindruck, allmählich zu den Prügelknaben der Nation zu wer- den? Sicher stehen wir als selbstän- dige Ärzte systemverändernden Strömungen besonders hartnäckig im Weg. Aber sollten wir uns nicht fragen, warum die Verunglimpfung auf soviel Widerhall bzw. so wenig Widerspruch stößt? Sicher spielt der

‚Neid' auf unsere Stellung und unser Einkommen eine große Rolle. Aber auf wen bin ich denn neidisch?

Doch meist auf den, der etwas be- kommt, was er meiner Meinung nach nicht verdient hat!

Vielleicht müssen wir uns fragen, ob unsere ärztliche Leistung wirklich noch ausreicht. Sind unsere Argu- mente wie ,70-Stunden-Woche, Wo- chenendbereitschaft, modernste Praxisführung' noch stichhaltig? Ist das, was wir in unserer Zeit und mit diesen Investitionen an ärztlich-me- dizinischer Leistung heute bieten, überhaupt noch relevant? Ohne Frage ist es u. a. der modernen Me- dizin zu verdanken — wohl auch im Sinne von Nutzen-Kosten-Analysen

—, daß die Produktivität unserer Volkswirtschaft in den letzten Jahr- zehnten so gesteigert werden konnte. Aber ist das auch heute noch so und wie wird das in Zukunft sein?

Liegen die ärztlichen Probleme heute und zukünftig überhaupt noch dort, wo wir heute mit unserem me- dizinisch-technischen Aufwand und unserer Arzneimitteltherapie ste- hen? Ich meine, ohne eine langfristi- ge Änderung unseres ärztlichen Orientierungspunktes kommen wir nicht voran! Sonst können wir zu- künftig weder dem einzelnen, ge- schweige denn der Gesamtheit wirk- lich helfen. Wir brauchen anstelle unserer mit so viel Schweiß und Mut in den letzten Jahrzehnten zur Per- fektion herangereiften ,Krankheits- lehre' für die Zukunft eine ‚Gesund- heitslehre', wie es Vescovi so tref- fend und klar formulierte. Hat die Medizin ihre großen Fortschritte bis heute in der Heilung von Krankhei-

ten erreicht, so wird unser Volk und jeder einzelne doch von uns Ärzten mehr und mehr erwarten können, Schaden nicht entstehen zu lassen.

Sollten es nicht die Ärzte sein, die — wie die alten Hygieniker — dafür ein- treten, unsere Umwelt und den ein- zelnen schrittweise so zu verändern, daß der Mensch besser lebt und da- mit länger gesund bleibt. Sicher ist dieses eine Frage von Generationen.

Aber sollten wir nicht heute damit beginnen, bevor es andere tun?"

Dr. med. Jens J. Kirsch Schubertstraße 11 6830 Schwetzingen

Erfahrungsweisheit

„Die derzeitigen feindseligen Angrif- fe auf die ,zu hohen' Arzthonorare können nur den verwundern, der nicht die Mentalität derjenigen kennt, die seit eh und je das gefor- derte Honorar des Arztes als ,zu hoch' empfinden. Über meinem Schreibtisch hängt seit mehr als 50 Praxisjahren ein Tryptichon aus dem 16. Jahrhundert, dessen Text lautet:

Tres medicus facies habet: / unam quando rogatur angelicam: / mox est, cum iuvat ipse Deus. / Post ubi curato, poscit sua praemia morbo; / horridus apparet, terribilisq sathan.

Auf gut deutsch:

Der Arzt drei Angesichter hat: / Dem Engel gleich, gibt er dem Kranken Rat, / Und hilft er ihm ausseinerNot, / so gleicht er gar dem lieben Gott! 1 Doch wie er nur um Lohn anspricht, / hat er ein teuflisch Angesicht!"

Dr. med. Paul Pies Theodor-Heuss-Straße 12 5300 Bonn-Bad Godesberg

Kostendämpfung

durch Zulassung sämtlicher Krankenhausfachärzte?

„Zu dem Thema ,Kostendämpfung durch Kassenzulassung sämtlicher Krankenhausfachärzte' erlaube ich mir ein Vorkommnis aus meiner Pra-

1554 Heft 23 vom 9. Juni 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Leser über das „Kostendämpfungs"-Gesetz

xis in der letzten Woche mitzuteilen, was, wie jeder niedergelassene Arzt weiß, fast zum Alltag einer jeden Praxis gehören kann.

Es suchte mich ein Patient mit einem Originalkrankenschein auf.

Bei der Erhebung der Anamnese stellte sich heraus, daß er bei einem anderen Arzt gewesen war, und daß dieser die Behandlung abgeschlos- sen hatte mit dem Bemerken, daß seine Erkrankung abgeheilt sei. Der Patient war aber bezüglich dieses Punktes anderer Meinung und er glaubte, noch krank zu sein. Er for- derte sofort mit Vehemenz die Über- weisung an die nächste Universitäts- klinik, damit eine richtige Diagnose gestellt werden könne, und er brachte damit zum mindesten indi- rekt seine Meinung von dem minde- ren Können der niedergelassenen Ärzte zum Ausdruck. Die Untersu- chung bei mir ergab, daß die Erkran- kung tatsächlich abgeheilt war. An- gesichts der vehement vorgetrage- nen Forderung des Patienten auf Überweisung an eine Universitätskli- nik stellte ich trotzdem bereitwilligst diese Überweisung aus, die ich mit dem Vermerk ,auf Wunsch' ver- sah.

Nach Durchführung der Untersu- chung in der Universitätsklinik rief mich der vorgenannte Patient in der Mittagszeit an und teilte mir mit, daß die Universitätsklinik ebenfalls fest- gestellt habe, daß er gesund sei — also das von mir erwartete Ergebnis.

Gleichzeitig beschwerte er sich bei mir über die dort vorgenommenen Untersuchungen, die zum Teil schmerzhaft gewesen seien. Er gab an, durch diese Untersuchungen ge- schädigt worden zu sein und bat deswegen um eine Untersuchung durch mich. Ich gab ihm sofort für die Nachmittagssprechstunde einen Termin.

Zu dieser Untersuchung kam es je- doch nicht. Der Patient rief mich vielmehr eine Stunde später wieder an und gab an, daß er in der Notfall- ambulanz eines konfessionellen Krankenhauses gewesen sei, das ihm ebenfalls, bestätigt habe, daß er gesund sei und daß bei ihm nichts

vorläge. Man sieht also, anstelle ei- nes Krankenscheines und einer Ko- stenrechnung, die die Krankenkasse sonst zu bezahlen gehabt hätte, sind im vorliegenden Falle vier Behand- lungskostenrechnungen entstan- den, und zwar durch zwei niederge- lassene Ärzte, durch eine Universi- tätsklinik und durch ein konfessio- nelles Krankenhaus. Und dabei ist diese Polypragmasie völlig überflüs- sig gewesen. Zu einer guten und fachlich richtigen Betreuung hätte die Betreuung durch einen nieder- gelassenen Arzt völlig ausgereicht.

Es ist für mich unter diesen Aspek- ten völlig unerfindlich, wie durch Zulassung aller Krankenhausfach- ärzte eine Kostendämpfung erzielt werden soll. Wir wissen doch alle, daß das Krankenhaus die teuerste Sparte unseres Gesundheitswesens ist.

Und schließlich haben wir alle mal in einem Krankenhaus gearbeitet und die Arbeitsweise in einem Kranken- haus ist eine ganz andere und auf- wendigere, sowohl was den Umfang und die Kosten der Untersuchun- gen, als auch was den Zeitaufwand angeht. Dabei ist die Arbeitsweise des niedergelassenen Arztes für die ambulante Heilbehandlung und die Betreuung der ambulanten Patien- ten keineswegs schlechter, sondern m. E. für diese Sparte die bessere und sachgerechtere, weil sie für diese Zwecke zweckentsprechen- der, effizienter und nützlicher ist und für die Bedürfnisse dieses Sek- tors unseres Gesundheitswesens of- fenbar bei weitem adäquater ist — eine Erkenntnis und ein Schluß, den mein Patient nach der Behandlung in zwei Krankenhausambulanzen schließlich ebenfalls ziehen mußte.

Das von mir geschilderte Ereignis erhellt ferner, daß, da die Kranken- scheine jetzt nicht mehr mit dem Quartal gekennzeichnet sind, für das sie gelten sollen, jetzt praktisch ein unbeschränkter Arztwechsel möglich ist . ."

Dr. med. Georg Vetter Gutenbergstraße 6 4500 Osnabrück

. in absehbarer Zeit kaum noch

niedergelassene Ärzte

Aus einem (eine Vielzahl weiterer Punkte behandelnden) Brief an Mi- nister Ehrenberg.

„Wenn Sie die Krankenhausärzte an der ambulanten Versorgung mit Ge- setzeskraft beteiligen, dann führt das dazu, daß — ich würde es auch tun, wenn ich noch im Krankenhaus tätig wäre — die Assistenzärzte mit festem Gehalt, fester Arbeitszeit und der Möglichkeit des Nebeneinkom- mens durch ambulante Praxistätig- keit sich in der Gesamtheit nicht mehr niederlassen; das ist doch klar.

Die Medizinstudenten finden dann — nach Studium — keine bezahlte Stelle mehr und die Ärzte in der Pra- xis verdienen so wenig mehr, daß es in absehbarer Zeit kaum mehr nie- dergelassene Ärzte geben wird; was das bedeutet, werden Sie später se- hen; dann hilft es aber nichts mehr."

Dr. med. Gerhard Ritscher Facharzt für Kinderkrankheiten Scheyerer Straße 28

8068 Pfaffenhofen

An alle Kollegen

„Wir Ärzte dürfen trotz aller Widrig- keiten unseren Glauben an die indi- viduelle Leistungsfähigkeit und an die eigene Kraft nicht verlieren. Wir dürfen aber auch nicht unsere Anker in kollektiven Utopien suchen. Wir müssen uns weiterhin aus Überzeu- gung zu einer Ordnung der individu- ellen Freiheit, der Leistung und Ver- antwortung bekennen und danach handeln. Dabei kommt es ganz ent- scheidend auf die Widerstandskraft, auf die Moral und den Mut der ärztli- chen Organisationen und Verbände an.,Die Zeit ist schnell, noch schnel- ler ist das Schicksal!' Der Mut aber bleibt unsere wichtigste Waffe."

Dr. med. Winfried Sander Arzt für Allgemeinmedizin Bömelburgstraße 37 3000 Hannover-Hainholz

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 23 vom 9. Juni 1977

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