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Archiv "Krankheitsfrüherkennung in der ambulanten Versorgung" (02.03.1978)

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Krankheitsfrüherkennung

in der ambulanten Versorgung

Ines Knoblich

Auf Grundlage von Quartals- abrechnungen und einer schriftlichen Umfrage unter kurativ tätigen Ärzten in Ba- den-Württemberg, wurde der Frage nachgegangen, inwie- weit das regionale medizini- sche Versorgungsniveau Ein- fluß auf das Angebotsverhal- ten der Ärzte in bezug auf Art und Menge erbrachter Krank-

heitsfrüherkennungsuntersu- chungen hat. Der Vergleich der abgerechneten Früher- kennungsleistungen nach Fachgruppe und Kassenart (RVO/EKK) im Ballungsraum Stuttgart und in vier schwäbi- schen Landkreisen ergab, daß eine bessere regionale medi- zinische Versorgung nicht notwendig auch eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit Krankheitsfrüherken- nungsuntersuchungen zur Folge hat.

Mit der Einführung der gesetzlichen Krankheitsfrüherkennungsmaßnah- men als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 1971 wurden seit Jahren bewährte, je- doch bis dahin nicht in breitem Maß- stab angewandte Untersuchungs- methoden aus dem Bereich der Frühdiagnostik von Krankheit „Re- gelleistung" der GKV, in der sie bis- lang speziell zu begründende Aus- nahme waren. Die Sicherstellung ih- rer Verbreitung in der Praxis kann jedoch nicht verordnet werden, son- dern bleibt Aufgabe der Träger der Erbringer und Empfänger medizini- scher Leistungen. Hierbei spielt die unmittelbare Arzt-Patient-Bezie- hung eine entscheidende Rolle, denn neben allgemeinen Werbe- maßnahmen in den Medien kann der Arzt in direktem Kontakt mit dem Patienten auf diese Untersuchung hinweisen und den Patienten dafür gewinnen (vgl. Fargel u. a. 1977).*) Aus diesem Grunde und um ein de- zentrales Angebot auf Ebene von Arztpraxen zu errichten, wurde sei- nerzeit die Einbindung der Krank- heitsfrüherkennung in die ambulan- te Versorgung für sinnvoll gehalten und den Kassenärztlichen Vereini- gungen der Auftrag zur Sicherstel- lung des Früherkennungsangebots übertragen.

Obgleich somit die Voraussetzun- gen für eine breite Streuung anbie- tender Einrichtungen geschaffen wurde, blieb die Inanspruchnahme dieser Leistungen insbesondere durch die RVO-Versicherten unbe- friedigend. Da die Häufigkeit ambu- lanter Behandlungen um ein Vielfa-

ches höher liegt als die Teilnahme- quoten an Früherkennungsmaßnah- men, drängt sich die Frage auf, ob die Vorteile der Verknüpfung von kurativer Behandlung und Krank- heitsfrüherkennung überhaupt aus- reichend genutzt werden.

Datenbasis

Für den Regionalvergleich von Krankheitsfrüherkennungsmaßnah- men im Rahmen der ambulanten Versorgung wurden einerseits die Quartalsabrechnungen (II. Qu. 1973) aller kurativ tätigen Ärzte der Stadt Stuttgart und vier oberschwäbi- schen Landkreisen (Vollerhebung) zugrundegelegt, zum anderen wur- den mittels einer schriftlichen Um- frage unter diesen Ärzten weitere In- dividualdaten erhoben. Diese Zu- satzmerkmale bezogen sich auf die Praxisausstattung — personell und apparativ — den Anteil an Privatpa- tienten, Sprechstundenangebot nach Art und Menge und Gestaltung des Früherkennungsangebots.

Als Beispiel für einen Ballungsraum wurde Stuttgart mit 630 390 Einwoh- nern ausgewählt und als ländlicher Raum die vier Landkreise Zollern- Alb, Alb-Donau, Biberach und Sig- .) Die Zusatzbefragung zum Mikrozensus für Oktober 1972 (Statistisches Landesamt Ba- den-Württemberg, unveröffentlichte Mittei- lung vom 8. 7. 1974) ergab, daß sich über einen Zeitraum von vier Wochen annähernd 20 Prozent der Bevölkerung in ambulanter ärztlicher Behandlung befinden. Nach Far- gel (a. a. 0) waren 60 Prozent der Männer einer Stichprobe von Versicherten der AOK- Frankfurt im Verlauf eines Jahres beim Praktiker, Internisten oder Urologen in Behandlu ng.

503

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Früherkennung

maringen mit insgesamt 594 758 Einwohnern (Statistisches Landes- amt Baden-Württemberg, 10/7/73).

Der Fragebogen wurde im Dezem- ber 1973 in Zusammenarbeit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Nordwürttemberg und Südwürttem- berg-Hohenzollern verschickt. Der Rücklauf belief sich in Stuttgart auf 47 Prozent, in den Landkreisen auf 60 Prozent. Die statistische Auswer- tung erfolgte in der EDV-Abteilung der Universitätsfrauenklinik der Freien Universität Berlin mit Hilfe des Programmpakets SPSS (Statisti- cal Package for Social Sciences) durch Herrn Pachaly.

Ergebnisse

Die Angebotsvermittlung von Krank- heitsfrüherkennungsmaßnahmen wurden auf zwei Ebenen untersucht, der Makroebene - dem Verhältnis von kurativem Leistungsangebot und Angebot an Früherkennungsun- tersuchungen - und der Mikroebene - die Gestaltung und Inanspruch- nahme des Früherkennungsange- bots beim einzelnen Arzt in Abhän- gigkeit vom Praxistyp. In dieser Pu- blikation soll nur die erste Ebene dargestellt werden.

Das medizinische Angebot im Untersuchungsgebiet

Arztdichte

Der Vergleich der Arztdichten in Stuttgart mit derjenigen der vier Landkreise zeigt erwartungsgemäß erhebliche regionale Unterschiede:

In Stuttgart kamen zum Zeitpunkt der Untersuchung 13,18 kurativ täti- ge Ärzte auf 10 000 Einwohner, in den Landkreisen dagegen nur 6,24.

Der mittlere Wert für die Bundesre- publik wurde 1977 mit 9,7 Ärzten pro 10 000 Einwohner angegeben (Lie- bold 1977).

Während die Versorgung der Land- kreise durch praktische Ärzte noch weitgehend den Verhältnissen in Stuttgart entspricht (pro 10 000 Ein- wohner 4,25 Ärzte in S./3,83 Ärzte in den L.) ergibt sich für die fachärztli- che Versorgung ein erhebliches Stadt-Land-Gefälle. Die Fachärzte der Primärversorgung - Internisten, Gynäkologen und Kinderärzte („Pri- märfachärzte"), die maßgeblich an der Krankheitsfrüherkennung betei- ligt sind, sind in Stuttgart annähernd viermal so häufig vertreten, wie in den Landkreisen (4,25 Ärzte in S./

1,23 Ärzte in den L.). Noch krasser wird das Gefälle für die sonstigen Fachgruppen (4,68 Ärzte in S./1,18 Ärzte in den L.). Damit ist im Bal- lungsraum Stuttgart sowohl die Pri- märversorgungsstufe als auch die fachärztliche Versorgung wesent- lich besser ausgestattet als in den Landkreisen.

Behandlungsdichte

Eine Diskussion der Inanspruchnah- me von Krankheitsfrüherkennungs- maßnahmen durch bestimmte Be- völkerungsgruppen muß ohne die Kenntnis der Inanspruchnahme von kurativen Leistungen zu falschen Schlußfolgerungen kommen, da meist der Vorsorgeuntersuchung ei- ne kurative Behandlung vorausge- gangen ist, bzw. am selben Tag wie diese begann; nur 15,5-18,5 Prozent der Patienten sucht den Arzt aus- schließlich für die Krankheitsfrüh- erkennung auf (Neumann, G. o. J.).

Die Analyse der Anzahl der Behand- lungsfälle bei einer regional defi- nierten Ärzteschaft im Verhältnis zu den Einwohnern der Region („Be- handlungsdichte") hat erhebliche Unterschiede für die beiden Versi-

Tabelle 1: Behandlungsdichte nach Kassenart

Stuttgart Landkreise

in v. H. in v. H.

Fachrichtung Fälle pro Quartal')

Behandlungs- dichte2 )

Fälle pro Quartal')

Behandlungs- dichte 2 ) 0,33

0,30 0,38 RVO Praktische Ä.

Primärfachä. 3) Sonstige FÄ. 3)

144 421 130 642 166 860

32,68 + 29,56 + 37,76

183 799 32 089 56 057

67,59 + 11,80 + 20,61

0,43 0,07 (I) 0,13

Insgesamt* 441 923 100,00 1,02 271 945 100,00 0,63

0,48 0,84 0,77 EKK Praktische Ä.

Primärfachä. 3 ) Sonstige FÄ.

63 093 112 123 102 880

22,69 + 40,32 + 36,99

39 912 15 475 15 567

56,25 + 21,81 + 21,94

0,43 0,17 0,17

Insgesamt* 0,77

1) 2. Quartal 1973

2) Behandlungsfälle in Relation zur GKV-versicherten Bevölkerung (vgl. Knoblich, 1977) 3) einschließlich beteiligte Chefärzte

* Differenzen durch Runden der Zahlen

+ Der Unterschied des Anteils der Fachrichtung an den Behandlungen ist zwischen den Kassenarten RVO/EKK signifikant bei a =.05

273 096 100,00 2,09 70 954 100,00

504 Heft 9 vom 2. März 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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chertengruppen — RVO und EKK — ergeben. Diese Differenz ist beson- ders krass im gut versorgten Stutt- gart, läßt sich jedoch auch für die Bevölkerung der Landkreise nach- weisen.

Bei der Interpretation der Tabelle 1 ist zu berücksichtigen, daß größere Behandlungsdichte einer Region, die wie in diesem Fall auf einrich- tungsbezogenen Daten basiert, so- wohl auf eine größere Zahl von Per- sonen, die in ärztlicher Behandlung stehen — darunter auch Pendler*) zurückgeführt werden kann als auch auf häufiger vorkommende Über- weisungen**).

Gerade die Inanspruchnahme von Ärzten der Primärversorgungsstufe (Praktiker und Primärfachärzte) un- terscheidet sich zwischen beiden Versichertengruppen signifikant, dagegen ergeben sich im Bereich der fachärztlichen Versorgung, die in den meisten Fällen auf Überwei- sung erfolgt, kaum Unterschiede.

Während RVO-Versicherte primär praktische Ärzte aufsuchen, konsul- tieren Ersatzkassen-Versicherte häufiger gleich den entsprechenden Primärfacharzt. Hinzu kommt die

höhere Behandlungsdichte der Er- satzkassen-Versicherten auf der Pri- märversorgungsstufe insbesondere in Stuttgart (in bezug auf 100 versi- cherte Einwohner 0,63 für RVO ge- genüber 1,32 für EKK).

Die hohe Behandlungsdichte der Er- satzkassen-Versicherten bei Gynä- kologen und Kinderärzten erhöht ih- re Chance, im Zuge kurativer Lei- stungen auch Krankheitsfrüherken- nungsuntersuchungen zu erhalten, da diese Ärzte den Bedarf ihrer Klientel an diesen Leistungen prak- tisch vollständig abdecken. Demge- genüber haben die Patienten, die ausschließlich bei Ärzten mit einem sehr geringen oder gar keinem Früherkennungsangebot in Behand- lung stehen, sehr viel schlechtere Voraussetzungen, Vorsorgeuntersu- chungen zu erhalten, da sie hierfür ihren behandelnden Arzt selbst an-

*) Der Anteil Pendler an der Klientel der be- fragten Ärzte wurde in Stuttgart im Mittel mit 11,9 Prozent angegeben (Zentralwert 5,7 Prozent), in den Landkreisen mit 5,6 Prozent (Zentralwert 2,0 Prozent).

**) Gemäß der Umfrage überwiesen die Stutt- garter Ärzte durchschnittlich 19,9 Prozent ihrer Patienten (Zentralwert 18,4 Prozent) die Ärzte der Landkreise 19,1 Prozent (Zen- tralwert 10,3 Prozent).

sprechen müßten oder gezielt einen entsprechenden Facharzt aufsu- chen müßten. Diese Situation ergibt sich besonders häufig für RVO-Ver- sicherte im medizinisch überdurch- schnittlich gut versorgten Stuttgart aufgrund der begrenzten Beteili- gung der praktischen Ärzte am Früherkennungsprogramm (vgl. Ta- belle 2).

Wie Tabelle 2 zeigt, liegt die Teilnah- mequote der Ärzte auf dem Land insgesamt wesentlich höher als in der Stadt. In Stuttgart bieten 25 Pro- zent der praktischen Ärzte und 79 Prozent der „sonstigen Ärzte" über- haupt keine Früherkennungsunter- suchungen an. Das Stadt-Land-Ge- fälle der Arztdichte wird dadurch entscheidend nivelliert: Bezogen auf 10 000 Anspruchsberechtigte in der Wohnbevölkerung beträgt die Dich- te der anbietenden Einrichtungen in Stuttgart 5,8 Ärzte und in den Land- kreisen 5,6 Ärzte (Zur Berechnung der Anspruchsberechtigten vgl.

Knoblich, 1977).

Wird die Beteiligung der Ärzte an den einzelnen Krankheitsfrüherken- nungsarten untersucht und die je- weilige Beteiligungsquote für beide

Tabelle 2: Beteiligung der Primärärzte an den Krankheitsfrüherkennungsuntersuchungen*)

Stuttgart Landkreise

Anzahl Ärzte: teilnehmend Anzahl Ärzte: teilnehmend Fachgruppe insgesamt teilnehmende in v. H. insgesamt teilnehmend in v. H.

Praktische Ä. 268 200 75 228 211 93

Gynäkologen 66 65 98 13 13 100

Beteiligte G. 3 3 100 7 7 100

Kinderärzte 46 45 98 12 12 100

beteiligte K. 5 4 80

Internisten 145 112 83 26 19 73

beteiligte I. 13 3 23 15 8 53

sonstige Ä. 285 60 21 70 24 40

Insgesamt 831 492 59 371 294 79

Quelle: Quartalsabrechnung der Ärzte des Untersuchungsgebiets (Qu. II 1973)

*) Bezogen auf sämtliche Früherkennungsleistungen, einschließlich Schwangerenvorsorge und Zytologie im Rahmen der Krebsfrüh- erkennung

506 Heft 9 vom 2. März 1978

DEUTSCHES

ARZ'I'EBLATT

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Früherkennung

Tabelle 3: Vergleich der Beteiligung der Primärärzte am Untersuchungsprogramm für Kinder für RVO und EKK-Versicherte

— Kinder — Stuttgart Landkreise

RVO EKK

RVO EKK

Fachgruppe Teil- in v. H. der Teil- in v. H. der nehmer Fachgruppe nehmer Fachgruppe

Teil- in v. H. der Teil- in v. H. der nehmer Fachgruppe nehmer Fachgruppe Praktische Ärzte

Kinderärzte') Gynäkologen')

50 0,19 — 48 0,94 — 34 0,49—

183 0,80(!) 153 0,67(!)+G

12 1,00 12 1,00 —C)

7 0,35 7 0,35

-e

63 0,24 47 0,92 37 0,54

Insgesamt 147 0,57 132 0,54 202 0,72 172 0,67

1) Einschließlich beteiligte Chefärzte an Krankenhäusern

+; — Der Unterschied nach Kassenart ist signifikant (nicht signifikant) bei a = .05 G; C) Der Unterschied zwischen Stadt/Land ist signifikant (nicht signifikant) bei a = .05

Versichertengruppen in Stadt und Land verglichen, verengt sich das Angebot an Ärzten in Stuttgart für RVO-Versicherte besonders im Be- reich der Krankheitsfrüherken- nungsuntersuchungen für Kinder.

Diese Untersuchungsart bieten dort nur 24 Prozent der praktischen Ärzte RVO-Versicherten an und nur 92 Prozent der Kinderärzte (vgl. Tabelle 3). Das Arztangebot beläuft sich so- mit in Stuttgart einschließlich der die beiden ersten Untersuchungen durchführenden Gynäkologen auf 147 Praxen gegenüber 202 Praxen in den Landkreisen!

Die Nichtteilnahme einer großen Zahl von praktischen Ärzten, die bei entsprechendem Interesse durchaus die erforderlichen Voraussetzungen bereitstellen könnten, hat eine meß- bare Schlechterstellung der RVO- Versicherten in der Stadt gegenüber jenen auf dem Land zur Folge. Auf die Ersatzkassen-Versicherten wirkt sich das Teilnahmeverhalten der praktischen Ärzte weniger aus, da sie in erster Linie Kinderärzte und Gynäkologen konsultieren.

Anteil der praktischen Ärzte am Untersuchungsaufkommen in ländlichen Gebieten

Am Beispiel der Vorsorgeuntersu- chungen für Kinder kann gezeigt

werden, daß mit abnehmender Ge- meindegröße des Niederlassungsor- tes der Ärzte die Früherkennungs- maßnahmen mehr von praktischen Ärzten als von Fachärzten getragen werden.

Während die praktischen Ärzte in der Stuttgarter Innenstadt nur 2 Pro- zent der Kindervorsorgeleistungen tragen, sind sie in den Stuttgarter Randgebieten mit 8 Prozent daran beteiligt; in Gemeinden der Land- kreise mit mehr als 10 000 Einwoh- nern steigt ihr Anteil auf 17 Prozent und in kleineren Gemeinden sprunghaft auf 75 Prozent! (vgl. Dar- stellung). In diesen Gemeinden ste- hen nur zwei Gynäkologen und zwei Kinderärzte zur Verfügung. Es sind dort 123 praktische Ärzte an den Vorsorgeuntersuchungen für Kinder beteiligt mit durchschnittlich 15 Un- tersuchungen pro Quartal. Das ist das Fünffache der Untersuchungs- quote der praktischen Ärzte der Stuttgarter Innenstadt.

Deckung des Bedarfs

an Früherkennungsmaßnahmen in den Vergleichsregionen

Während sich für die Kinder von Er- satzkassen-Versicherten ein erhebli- ches Stadt-Land-Gefälle der Unter- suchungsquoten ergibt, kehrt sich dieses Verhältnis für die RVO-Kinder

zuungunsten Stuttgarts um. Dieses Ergebnis zeigt, daß die praktischen Ärzte in den Landkreisen ihr Ange- bot den regionalen Erfordernissen wirksam angepaßt haben: durch ihre hohe Beteiligung an den Maßnah- men und ihre überdurchschnittliche Untersuchungsquote*) haben sie es vermocht, den Mangel an Kinderärz- ten (46 in S./12 in den L.) soweit auszugleichen, daß RVO-Versicher- te auf dem Land gegenüber RVO- Versicherten in der Stadt keines- wegs im Nachteil sind.

Auch bei den Krebsfrüherkennungs- untersuchungen für Frauen und Männer schneiden die Landkreise bei den RVO-Versicherten nicht schlechter ab als Stuttgart. Die Un- tersuchungsquote für Ersatzkassen- Versicherte liegt in der Stadt dage- gen erheblich über der Quote auf dem Land. Für diese Versicherten- gruppe fällt das Defizit an Primär- fachärzten in den Landkreisen stark ins Gewicht. Bei einer mangelhaften Versorgung im kurativen Bereich können also auch die sonst als so

„gesundheitsbewußt" gelobten weiblichen Versicherten der Ersatz- kassen ihren Anspruch auf Krank- heitsfrüherkennung nicht durchset- zen. Inwieweit sie hierfür in die Bal-

*) Anzahl Untersuchungen pro Quartal absolut und in Relation zur Zahl der Behandlungs- fälle

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 9 vom 2. März 1978 507

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Landgemeinden: Stuttgart:

bis 10000 10-50000 I

Zeichenerklärung:

Ge rne in deg ße

Praktische Ärzte Stuttgart I: ohne Innenstadt - Kinderärzte Stuttgart II: Innenstadt

Gynäkologen

Darstellung: Anteil der Fachgruppen an den Vorsorgeuntersuchungen für Kinder in Abhängigkeit von Gemeindegröße und Zentralität

0 70-

<T, 60-

o)

2 50--

co a i 40- E'

30- E

cts 20-

E5

< 10-

Bundesdurchschnitt):

U 1 -U,

116-U7

60,99

34,34 U 1 -U 7 73,84

lungsräume ausweichen, kann auf Grundlage dieser einrichtungsbezo- genen Daten jedoch leider nicht ge- prüft werden.

Eine Untersuchungskommission, die für den Bericht der Bundesregie- rung vom 5. April 1973 mit Hilfe ei- nes Vergleichs unterschiedlich dicht besiedelter Kassenbereiche ver- sucht hatte, regionale Einflüsse auf die Inanspruchnahme von Früher- kennungsmaßnahmen zu isolieren, konnte seinerzeit keine Unterschie- de feststellen, da sie die Analyse nur auf die regional gegliederten RVO- Kassen stützen konnte. Wie meine Untersuchung ergeben hat, ist für diese Gruppe der Versicherten je- doch nicht so sehr die Arztdichte und Siedlungsstruktur von Bedeu- tung als vielmehr das Angebotsver- halten der sie behandelnden Ärzte - eine Einflußgröße, die bislang weder untersucht noch diskutiert wurde.

Es erscheint sogar aufgrund der vor- liegenden Ergebnisse möglich, daß auch bei den Ersatzkassen-Versi- cherten weniger das Nachfragever-

Tabelle 4: Krankheitsfrüherkennungsuntersuchungen pro Berechtigten nach Kassenart - Kinder -

RVO EKK

Stuttgart Landkreise Stuttgart Landkreise

GO - Unters.- Unters.- Unters.- Unters.-

Leistung Ziffer Anzahl') quote2) Anzahl') quote 2) ) Anzahl') quote 2) Anzahl') quote 2)

1113 2460 65,1 3 756 67,9 2064 179,5 1484 122,3

1114 1888 50,0 3 432 62,0 1592 138,4 1168 96,3

1115 1792 47,4 3 368 60,8 1924 167,3 1136 93,4

1116 1140 30,2 1 600 28,9 1700 147,8 692 57,1

1117 956 25,3 1 064 19,2 1488 129,4 684 56,4

U3

U 4 U, U 6 U 7

Durchschnitt:

U 3-U 5 6140 54,19 10 556 63,56 U 3-U 7 : 8768 U 3-U 7 : 5164

U 6-U 7 2096 27,75 2 664 24,06 152,6 85,14

1) Nach den Leistungsbelegen aus dem 2. Quartal 1973, hochgerechnet auf ein Jahr

2) Jahresgesamtleistung (Spalte 3) in bezug auf die 1973-Geborenen in der Bevölkerung; (Statistische Berichte 1/10/74) Gestorbene nach Todesursachen, Geschlecht und Altersgruppen 1973, Hrsg. Stat. Landesamt B.-W.

3) Gesetzliche Krankheitsfrüherkennungsmaßnahmen. Dokumentation der Untersuchungsergebnisse 1973, Hrsg. Spitzenverbd. der Krankenkassen und Kassenärztlichen Bundesvereinigung; o. 0., 1975

508 Heft 9 vom 2. März 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(6)

Aufsätze • Notizen

Es gibt nur wenig empirische Unter- suchungen, die Aufschluß über die Häufigkeit von Züchtigungen in der familiären Erziehung geben. Einige wenige beziehen sich zudem auf sehr heterogene Populationen. Un- tersuchungen, die die Anwendung körperlicher Züchtigungen außer- halb der Familie (Schule, Heime etc.) zahlenmäßig erfassen, existieren aus vielfachen und verständlichen Gründen nicht. Die Tatsache aller- dings, daß in einigen Bundesländern das Züchtigungsrecht des Lehrers noch nicht grundsätzlich abge- schafft wurde, weist darauf hin, daß auch außerhalb der Familie das Ge- wohnheitsrecht zur Züchtigung von Kindern noch praktiziert wird.

Die verfügbaren Auswertungen über innerfamiliäre Auffassungen zur körperlichen Züchtigung bezie- hungsweise ihre tatsächliche An- wendung lassen sich in repräsen- tative Stichprobenuntersuchungen und nichtrepräsentative Untersu- chungen einteilen (Tabelle 1).

Repräsentative Untersuchungen Vom ersten Untersuchungstyp lie- gen zwei Bevölkerungsbefragungen

vom Institut für Demoskopie Allens- bach aus den Jahren 1965 und 1971 vor. Für beide Befragungen wurden drei Alternativen formuliert:

„a) Es ist grundsätzlich verkehrt, daß man ein Kind schlägt; man kann jedes Kind auch ohne Schlagen erziehen.

b) Schläge kommen höchstens als letztes Mittel in Frage, wenn wirklich nichts anderes mehr hilft.

c) Schläge gehören auch zur Erzie- hung, das hat noch keinem Kind geschadet."

Die im folgenden angegebenen Zah- len in Klammern beziehen sich auf die Untersuchung von 1965. Nach der Untersuchung von 1971 spre- chen sich 26 Prozent (16 Prozent) grundsätzlich gegen Schläge aus;

42 Prozent (46 Prozent) akzeptieren sie als letztes Mittel und 28 Prozent (36 Prozent) halten sie für einen not- wendigen Bestandteil der Erzie- hung. Dieses Ergebnis scheint im Vergleich eine Verschiebung zugun- sten der Gegner der Prügelstrafe von 1965 bis 1971 anzuzeigen. Den gleichen Trend findet man auch im Früherkennung

halten Ursache ihrer hohen Beteili- gungsrate ist als vielmehr ihre hohe Inanspruchnahme von Arztgruppen, die aufgrund ihrer spezifischen Fachrichtung diese Untersuchun- gen routinemäßig anbieten.

Dieser Fragestellung könnte mit Hil- fe patientenbezogener Daten nach- gegangen werden. Eine Einstellung, die Versicherten, die das Angebot auf Krankheitsfrüherkennung nicht wahrnehmen, hätten selbst Schuld, wenn sie ihrer Gesundheit damit schaden, kann jedenfalls weder vom ärztlichen noch vom ökonomischen Standpunkt aus verantwortet wer- den. Solange die niedergelassenen Ärzte und ihre Verbände nicht alles ihrerseits Mögliche getan haben, ihr Angebot wirksam auf die speziellen Bedürfnisse der von ihnen betreuten Patienten auszurichten, solange sollte sich niemand auf die „Selbst- verantwortung" des Versicherten zurückziehen.

Literatur

Bericht der Bundesregierung über die Erfah- rung mit der Einführung von Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten als.Pflichtlei- stungen der Krankenkasse sowie den zusätz- lich von den Krankenkassen gewährten Maß- nahmen der Vorsorgehilfe, Dt. Bundestag, Drucksache 7/454, Sachgebiet 82, (5. 4. 1973)

— Fargel, M., Küchler, M., Schiebet, R.: Krebs- früherkennung — sozialwissenschaftliche Ana- lyse über das Versichertenverhalten, in Dt. Ärz- teblatt, 74.Jg. (1977), H. 14, 951-957 — Knob- lich, I.: Krankheitsfrüherkennung in der ambu- lanten Versorgung. Ein Vergleich der Lei- stungsstruktur von Ärzten in städtischen und ländlichen Gebieten. Schrftr. Strukturfor- schung im Gesundheitswesen, Bd. 3, Techni- sche Universität Berlin; in Vorbereitung — Lie- bold, R.: Verbesserte kassenärztliche Versor- gung in Baden-Württemberg, Dt. Ärzteblatt, 74.

Jg. (1977), H. 11, 749-754 — Neumann, G.:

Krebsvorsorgeuntersuchungen, Wunsch und Wirklichkeit, in: Med. Welt, 22. Jg. (1971) H. 25, 1033-1036.

Anschrift der Verfasserin:

Ines Knoblich, Ärztin Kantstraße 120/121 1000 Berlin 12

THEMEN DER ZEIT

Mehr Kindesmißhandlungen — auch ein ärztliches Problem

Horst Petri

Die Züchtigung von Kindern als Bestandteil des elterlichen Erzie- hungsrechtes ist bisher kaum wissenschaftlich analysiert worden.

Dagegen gibt es auch aus dem ärztlichen Bereich Untersuchungen über die wachsende Zahl der Mißhandlungen von Kindern. Nach neueren Erkenntnissen scheint ein enger Zusammenhang zwischen beiden Formen des Schlagens von Kindern zu bestehen. Der Autor, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Institut für Psychothe- rapie e. V., Berlin, propagiert als Präventivmaßnahme gegen Kindes- mißhandlungen eine Erziehung, die grundsätzlich die körperliche Bestrafung von Kindern aus dem Repertoire verbannt.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 9 vom 2. März 1978 509

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