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Archiv "Qualität in der ambulanten Versorgung: Politischer Machtpoker" (11.04.2003)

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ie Ärzte kämpfen zurzeit nicht nur gegen zentrale Vorschläge zur Ge- sundheitsreform, sondern zuneh- mend auch gegen die eigene Resignati- on. „In der gesundheitspolitischen Dis- kussion geht es nicht um Qualität, son- dern um Macht. Das ist für mich eine bittere Erkenntnis“, formulierte es der Hauptgeschäftsführer der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung (KBV), Dr. jur.

Rainer Hess. Die zum Teil wenig kompetenten Äußerungen von Mitgliedern aus dem Gesundheits- ausschuss des Bundestages und dem Bundesgesundheitsministeri- um waren ebenfalls nicht dazu an- getan, die Stimmung bei den Teil- nehmern des 13. KBV-Symposi- ums aufzuhellen. Mit „Qualität in der ambulanten Versorgung“ griff die KBV am 27. und 28. März in Berlin ein Thema auf, das derzeit die gesundheitspolitische Reform- diskussion beherrscht. Daran, dass die Vorschläge aus dem Arbeits- entwurf für die Gesundheitsre- form zur Qualitätsverbesserung führen, zweifeln aber nicht nur die Ärzte.

„Der Vertragswettbewerb wird in ei- nem Versorgungschaos münden“, pro- phezeite der Zweite Vorsitzende der KBV, Dr. med. Leonhard Hansen. Ähn- lich äußerte sich der Erste Vorsitzende der KBV, Dr. med. Manfred Richter- Reichhelm: „Befristete Einzelverträge werden Qualität verhindern.“ Denn der einzelne Arzt laufe Gefahr, dass die Krankenkasse seinen Vertrag nicht ver- längert, wenn er zwar qualitativ hoch- wertig, aber zu teuer behandelt. Glei- ches gelte für eine Verlagerung der fachärztlichen Versorgung an die Kran- kenhäuser. In der Praxis des niederge- lassenen Arztes könne der Patient Facharztstatus erwarten, im Kranken- haus dagegen nur Facharztsupervision.

Im Gegensatz zur Frage der Einzel- verträge eint Ärzte und Kassen die Kri- tik am geplanten Zentrum für Qualität in der Medizin. Der Tenor: Baut man die vorhandenen Strukturen, vornehm- lich den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, aus, erübrigt sich eine neue bürokratische „Überbehör- de“. Auch zur Erstellung medizinischer Leitlinien bedürfe es keines neuen In-

stituts. Das Ärztliche Zentrum für Qua- lität leiste hier gute Arbeit.

Glaubt man den Regierungsvertre- tern – Wilhelm Walzik vom Bundesge- sundheitsministerium und Dr. med. Eri- ka Ober (SPD), Mitglied im Gesund- heitsausschuss des Bundestages –, wird alles halb so schlimm. Beide betonten, dass der Arbeitsentwurf zur Gesund- heitsreform lediglich als Diskussions- grundlage dienen soll. Das bezweifelt der KBV-Vorsitzende. Bei einem Ge- spräch mit der Ministerin Anfang März sei deutlich geworden, dass sie die Posi- tionen aus dem Entwurf vertritt. Die Ar- gumente der Ärzte stießen auf taube Ohren. Setzt sie sich auch gegenüber der Opposition durch, sieht die Zukunft für die Ärzte düster aus. Richter-Reich- helms Prognose: Der Einfluss des Staa-

tes und der Krankenkassen wird wesent- lich erweitert, die ärztliche Freiberuflich- keit zerstört. Die Qualität der medizini- schen Versorgung wird sinken, ökonomi- sche Kriterien werden überwiegen.Auch für die Patienten sieht die Zukunft wenig rosig aus, weil freie Arztwahl und eine flächendeckende Versorgung entfallen.

Doch kampflos will man sich nicht ge- schlagen geben: „Wenn der Entwurf so kommt, werden wir eine Urabstimmung im wirklichen Sinne des Wortes über bundesweite Praxisschließungen durch- führen“, kündigte Richter-Reichhelm an. „Wir wehren uns dagegen, dass ein gutes System kaputtgemacht wird.“

Denn die Ärzte sind in Sachen Qua- litätssicherung und -verbesserung nicht untätig gewesen. Darauf verwies Dr.

med. Bernhard Gibis, KBV-Dezernent für Versorgungsqualität und Sicherstel- lung, Mitte März im Rahmen eines Pres- seseminars.Versäumt wurde aller- dings, nachhaltig und regelmäßig in der Öffentlichkeit darauf hin- zuweisen. Auf Mängel hingegen stürzten sich die Medien beson- ders gern. Referent Dr. Armin Mühlich berichtete in diesem Zu- sammenhang von seinen Erfah- rungen mit dem Austausch von Mammographiegeräten vor ein paar Jahren. Damals war die KBV stolz darauf, dass veraltete Geräte relativ rasch flächendeckend aus- getauscht wurden. Der damalige Vorsitzende gab dazu ein langes Fernsehinterview. Doch gesendet worden sei nur die Passage, in der er er- läuterte, dass die alten Geräte noch be- nutzt würden, bis neue installiert seien, kritisierte Mühlich. Dies war nach der Röntgenverordnung zwar zulässig, wurde in den Medien jedoch als Skandal emp- funden.Organisationen wie die KBV oder KVen (Kassenärztlichen Vereinigungen) erscheinen dann oft als Verhinderer.

Die eigene Klientel nimmt sie gleichzei- tig als Gegner wahr, der ohne Rücksicht auf Zeit und Geld der Ärzte Qualitäts- sicherungsmaßnahmen durchdrückt.

Dennoch führt kein Weg zurück. Die Qualitätssicherung mithilfe von Richt- linien und Normen sei „klassisches Ge- schäft der 23 KVen“, betonte Gibis. Da- zu kommen Maßnahmen zur Qualitäts- verbesserung im Rahmen von Praxisma- nagement, Qualitätszirkeln, durch medi- P O L I T I K

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A964 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1511. April 2003

Qualität in der ambulanten Versorgung

Politischer Machtpoker

Sowohl Ärzte als auch Krankenkassen zweifeln am Nutzen eines staatlichen Zentrums für Qualität in der Medizin. Ihr Wunsch:

die vorhandenen Strukturen der Selbstverwaltung ausbauen

Die KVen Bayerns, Ber- lin und Westfalen-Lippe haben bereits einen vorgelegt, Baden-Würt- temberg plant Ähnli- ches – die Rede ist von einem Qualitätssiche- rungsbericht. In Berlin enthält das Sonderheft ein Interview mit zwei Fachleuten, Begriffser- klärungen und Fakten zur Arbeit der Quali- tätssicherungskommis- sionen für 16 Fachge- biete.

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Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1511. April 2003 AA965

zinische Standards und die Pflicht zur Qualitätsdarlegung. Schon heute stünden 30 Prozent der ambulanten Leistungen unter einem Erlaubnisvorbehalt, erklärte Gibis. So wurde beispielsweise Ende der 90er-Jahre mit den Kassen ein Vertrag zur Schmerztherapie unterzeichnet, der eine verpflichtende Fortbildung der beteilig- ten Ärzte vorsieht. In Bereichen wie der invasiven Kardiologie oder der Kolosko- pie wurden in die Richtlinien Frequenz- regelungen aufgenommen. Nur wer sein Können zeitnah durch eine bestimmte An- zahl von Eingriffen geschult habe, dürfe Patienten behandeln, erläuterte Gibis. Er ließ jedoch auch durchblicken, dass hier manche Vorstellungen der KBV über das ärztliche Weiterbildungsrecht hinausge- hen. Dass selbst die umstrittene Rezerti- fizierung schon Eingang in die Versor- gung gefunden hat, belegen die Richtlini- en für kurative Mammographie. Hier müssen Arzte ihr Können anhand einer vorgegebenen Anzahl von auszuwerten- den Aufnahmen belegen. Dies habe zahl- reiche Proteste ausgelöst, gab Gibis zu.

Nicht bestritten wurde von den Fach- leuten, dass die gewandelte Einstellung der KBV auch eine Folge öffentlichen Drucks sei. Gibis zufolge ist jedoch längst auch innerärztlich die Bereit- schaft gewachsen, sich zu vergleichen.

Wer sich fortbilde und um gute Leistun- gen bemühe, wolle dies auch dokumen- tiert und honoriert sehen. Zudem spielt der Generationswechsel eine Rolle:

Jüngere Ärzte, die zum Beispiel im Aus- land positive Erfahrungen mit Qua- litätssicherung gemacht haben, gehen unbefangener mit dem Thema um.

In Zukunft will die KBV unter ande- rem die Arbeit von ärztlichen Qualitäts- zirkeln (QZ) vorantreiben. Zwar gibt es nach Angaben von KBV-Referentin Dr.

Franziska Diel derzeit mehr als 5 000 sol- cher Runden. Doch manche Zirkel brau- chen ein wenig frischen Wind. Deshalb bildet die KBV seit Anfang April Tuto- ren aus mehreren Modell-KVen aus, die künftig QZ-Moderatoren schulen sol- len. Gleichzeitig werden vier neue The- menbereiche für die QZ-Arbeit auf- bereitet: Rückmeldeberichte, Fallkonfe- renzen, evidenzbasierte Medizin/Leit- linien, Praxismanagement. Dass gute Qualitätszirkel keine Kaffeekränzchen sind, will die KBV mit ihrem neuen Kon- zept beweisen. Heike Korzilius, Sabine Rieser

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lt werden ist nichts für Schwäch- linge“, soll die amerikanische Schauspielerin Bette Davis vor Jahren behauptet haben. Wenn das stimmt, sind starke Senioren und Senio- rinnen in Deutschland gefragter denn je, denn ihre Lebenserwartung steigt nach wie vor. Dies belegte Prof. Dr. phil.

Andreas Kruse, Direktor des Heidel- berger Instituts für Gerontologie, in der vergangenen Woche bei einem Presse- gespräch der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus in Berlin.

Wer zwischen 1991 und 1993 als Mann seinen 60sten Geburtstag feierte, konnte damit rechnen, durchschnittlich noch 17,8 Jahre zu leben. Bei Frauen be- trug diese so genannte fernere Lebens- erwartung damals 22,1 Jahre. Sechs Jahre später, zwischen 1997 und 1999, waren es schon 19 Jahre bei den Män- nern und 23,3 Jahre bei den Frauen.

Kurz gesagt: Die Einwohner Deutsch- lands werden immer älter. 2050 wird schätzungsweise ein Drittel der Bevöl- kerung über 60 sein, sofern kein Baby- oder Zuwanderungsboom einsetzt.

Und statt vier Prozent an 80-Jährigen werden dann elf Prozent hier leben.

Altern: Formbarer Prozess

„Für diesen Anstieg in einer kurzen Zeitperiode sind auch die Erfolge in der Medizin, Rehabilitation und Pflege verantwortlich zu machen“, erläuterte Kruse im Zusammenhang mit den Da- ten zur ferneren Lebenserwartung. In Deutschland hält sich die Begeisterung darüber allerdings in Grenzen. Es gebe eine „tief greifende Reserviertheit ge- genüber dem Alter“, sagte Kruse.Alt, ja sogar sehr alt zu sein bedeutet aber kei- nesfalls, zwangsläufig unselbstständig dahinzusiechen. „Altern ist ein überaus plastisches Geschehen“, betonte Kruse.

Wesentlichen Einfluss habe, wie man

über die Jah- re lebe. Wer nicht rauche, sich gesund ernähre, sich

vernünftig bewege und wenig Alkohol trinke, habe schon viel getan.

„Altersdiskriminierung“ ist nach Er- kenntnissen der AG 60 plus gleichwohl ein häufiges Phänomen in unserer Ge- sellschaft. Eine Umfrage ergab kürzlich, dass die Hälfte aller Betriebe in Deutsch- land keine Arbeitnehmer über 50 mehr beschäftigt.AG-Vorsitzender Otto Grae- ber plädierte dagegen dafür, das falsche Bild zu korrigieren. Ältere solle man nicht nur als Nehmende,sondern auch als Gebende sehen: „Das fängt beim Baby- sitten an und hört beim Erben auf.“

Auch Kruse plädierte dafür, die Ver- änderung der Bevölkerungsstruktur als Chance zu begreifen. Da sie jedoch ins- gesamt mit erhöhten Belastungen der sozialen Sicherungssysteme verbunden sei, müsse man zu Reformen finden. Für den Gerontologen ist es unabdingbar, das faktische Renteneintrittsalter (heu- te 60 Jahre) dem gesetzlich definierten von 65 Jahren anzupassen. In Zukunft müsse es unter Umständen erhöht wer- den, allerdings unter der Vorausset- zung, Arbeitnehmern durchgängig Wei- terbildung anzubieten.

Unverzichtbar ist nach seinen Worten auch eine Stärkung der Prävention: „Es wird zu wenig gesehen, dass viele Er- krankungen mitalternde Erkrankungen sind.“ Gerade solch chronische Leiden verursachten jedoch die höchsten Ko- sten. Kruse ist überzeugt davon, dass al- le Bürger, besonders aber Ältere, in Zu- kunft selbst bei kluger Weichenstellung mehr für ihre Gesundheit ausgeben müssen.Auch die Beitragssätze der Pfle- geversicherung müssten sich erhöhen.

Den Bürgern dies zu vermitteln ist auch nichts für Schwächlinge – sondern laut Kruse „titanische Arbeit“. Rie

Demographischer Wandel

Gesundheit im Alter kostet

Gerontologe Prof. Kruse plädiert für längere

Lebensarbeitszeit und mehr Prävention.

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