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Archiv "DDR: Die Zukunft der ambulanten Versorgung" (06.08.1990)

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A TUELLE POLITIK

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

R

, ei der Umgestaltung des

F Gesundheitswesens in der 1 Deutschen Demokrati-

schen Republik rückt die ambulante ärztliche Versorgung zu- sehends in den Mittelpunkt des In- teresses. Vor allem an der Frage nach der Zukunft von Polikliniken und Betriebsambulatorien scheiden sich die Geister. Während die Exper- ten der beteiligten Ministerien seit Wochen an komplizierten Überlei- tungsbestimmungen basteln, bewe- gen sich viele (nur unzureichend in- formierte) Ärzte in der DDR ange- sichts einer ungewiß scheinenden Zukunft zwischen Euphorie und Er- nüchterung, zwischen Hoffnung und Resignation.

So jedenfalls sieht ein Abgeord- neter der Volkskammer die derzeiti- ge Gemütslage zahlreicher Ärzte im anderen Teil Deutschlands. Auf ei- nem Seminar der Gesundheitspoliti- schen Gesellschaft und des Instituts für Gesundheits-System-Forschung in Kiel über das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR sagte der Ost-Parla- mentarier ohne Berührungsängste:

„Wir müssen lernen, nicht mehr zen- tralistisch, sondern kreativ und inno- vativ zu denken. Aber davor haben — offen gestanden — viele unter uns noch ein bißchen Angst."

Der Volksvertreter — wie die meisten seiner 24 Abgeordneten- Kollegen, die auf Einladung von Pro- fessor Dr. med. Fritz Beske in die schleswig-holsteinische Landes- hauptstadt gekommen waren, im Hauptberuf Arzt — nutzte die Gele- genheit zu einem ebenso offenen wie informativen Meinungsaustausch mit Repräsentanten des westdeutschen Gesundheitswesens.

Daß dieser Begegnung auch von bundesdeutscher Seite große Bedeu- tung beigemessen wurde, machte die Teilnehmerliste deutlich: Angefan- gen bei der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung über Spitzenverbände der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft, Apotheker und Pharmaindustrie bis hin zu Ver- tretern der Ministerien waren nahe- zu alle Bereiche vertreten.

Das Treffen — genau drei Wo- chen nach dem Inkrafttreten der So-

zialunion — war von Anfang an durch das Bemühen beider Seiten geprägt, konstruktiv aufeinander zuzugehen und auf diese Weise mehr Klarheit in die verwirrenden Diskussionen der jüngeren Vergangenheit und in die aktuellen Beratungen zu bringen.

„Wir wissen", sagte ein Volks- kammer-Abgeordneter, „daß nur das Gesundheitssystem der Bundesrepu- blik das prinzipielle Vorbild für uns sein kann. Wir sehen die außerge- wöhnlich guten Leistungen dieses

DDR:

Die Zukunft

der ambulanten Versorgung

Gesundheitspolitischer Meinungsaustausch mit ärztlichen

Volkskammer-Abgeordneten

Systems, doch es ist für uns nicht im- mer überschaubar." Tatsächlich trennen die beiden Systeme Welten, für deren Überwindung nur wenig Zeit bleibt.

Über Aufbau und Aufgaben der selbstverwalteten Krankenkassen zeigten sich die Gäste aus der DDR indes recht gut informiert. In der Frage nach dem Für und Wider ei- nes gegliederten Krankenversiche- rungssystems bezogen sie eindeutig Stellung: „Wir wollen ein geglieder- tes System nach dem Vorbild der Bundesrepublik." Zuvor hatte Dr.

med. Eckart Fiedler, der Hauptge- schäftsführer der Ersatzkassen-Ver- bände, die Eckwerte der gesetzli- chen Krankenversicherung umrissen:

Versicherungspflicht, einheitlicher Leistungskatalog, Solidaritätsprinzip, bei den Beiträgen, Sachleistungssy- stem und Selbstverwaltung.

Bei den Krankenhäusern berei- tet natürlich der Sanierungsbedarf der meisten Einrichtungen arges Kopfzerbrechen. Das unlängst vorge- legte Krankenhausfinanzierungsge- setz der DDR deckt sich zwar nach

der Darstellung des Geschäftsführers der Deutschen Krankenhausgesell- schaft, Werner Fack, im wesentlichen mit den Vorstellungen seiner Organi- sation, doch der darin ebenfalls vor- gesehenen Pauschalförderung kann er nur wenig Gutes abgewinnen. Im Gegenteil, es bestünde Anlaß zur Sorge — nämlich dann, wenn die Mit- tel aus einer pauschalen Förderung als Anreiz für ungezielte Investitio- nen verstanden würden.

Statt dessen mahnte Fack einen Generalplan an, der — ausgerichtet an den künftigen Strukturen der Krankenhauslandschaft auf dem Ge- biet der heutigen DDR — eindeutige Prioritäten für notwendige und sinn- volle Investitionen setzt. Ob dafür al- lerdings ausreichend Zeit bleibt, schien den Seminarteilnehmern aus der DDR eher fraglich. Doch auch sie stimmten mit Werner Fack über- ein, erst genau zu prüfen, was mit großem finanziellen Aufwand sa- niert werden soll.

So groß die Sorgen um die in der Bausubstanz verfallenden und man- gelhaft ausgerüsteten Krankenhäu- ser auch sind, den Großteil der Ärz- teschaft in der DDR treiben Ängste um, die weiter reichen. „Wir müssen und wollen die Strukturen umstellen, dabei aber die Versorgung aufrecht erhalten", brachte es ein Abgeordne- ter auf den Punkt. Auf dem Rücken der Patienten dürfe sich dieser um- wälzende Prozeß nicht vollziehen.

Die Gretchen-Frage sei dabei vor al- lem: Wie geht es weiter mit der am- bulanten Versorgung? Welche Rolle spielen künftig die Polikliniken und Ambulatorien? Welchen Status sol- len sie erhalten?

Die Anworten, die aus der kürz- lich vorgelegten Krankenkassen- Vertragsverordnung herauszulesen sind, befriedigten freilich nieman- den. Erst recht nicht die niederlas- sungswilligen Ärzte. Die Folge war, daß der Entwurf der Verordnung in den ersten Anhörungsverfahren in Bonn und Ost-Berlin glatt durchfiel.

Er traf nicht nur auf die entschiede- ne Kritik der westdeutschen Ärzte- schaft - allen voran der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung -, sondern auch auf einhellige Ablehnung bei den Kassenärztlichen Vereinigungen e. V. in der DDR.

Dt. Ärztebl. 87, Heft 31/32, 6. August 1990 (19) A-2363

(2)

Auf dem Kieler Seminar faßte der Erste Vorsitzende der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung, Dr.

med. Ulrich Oesingmann, diese Kri- tik nochmals zusammen:

~ Den niedergelassenen Ärz- ten in der DDR wird zugemutet, mit einem hoffnungslos veralteten Ge- bührenverzeichnis und viel zu niedri- gen Fallpauschalen, aber ohne Inve- stitionszuschüsse für die Einrichtung einer Praxis in die freiberufliche Exi- stenz starten zu müssen. Anders die sehr viel besser gestellten bisherigen staatlichen Einrichtungen: Sie sollen nicht nur für eine nicht exakt festge- legte Übergangszeit zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung be- rechtigt werden, sondern darüber hinaus noch finanzielle Zuschüsse zu ihrer Sanierung erhalten.

~ Die Zulassung zur Kassen- praxis soll davon abhängig gemacht werden, ob neben den fortbestehen- den und staatlich geförderten Poli- kliniken und Ambulatorien ein Be- darf für eine Kassenzulassung zuge- standen wird.

~ Den Kassenärztlichen Verei- nigungen in der DDR will man- ent- gegen dem bewährten System in der Bundesrepublik - nur den Sicher- stellungsauftrag für die ambulante Versorgung durch Kassenärzte zubil- ligen.

Alles in allem: Von einer Chan- cengleichheit könne bei einer derar- tigen Konstellation überhaupt nicht die Rede sein; der angeblich ange- strebte zügige Ausbau der Versor- gung durch niedergelassene Kassen- ärzte werde somit zur reinen Farce.

Plädoyer für eine

behutsame Umwandlung Umgekehrt machte Oesingmann den Volkskammer-Abgeordneten deutlich, daß ein ungeteilter Sicher- stellungsauftrag für die Kassenärzt- lichen Vereinigungen nicht als Zwang zur Niederlassung interpre- tiert werden dürfe. "Wir können die Systeme angleichen, ohne irgend je- mandem wehzutun." Da rund 90 Prozent der ambulanten Versorgung in der DDR derzeit durch Poliklini- ken und Ambulatorien gewährleistet werden, gibt es keinen Zweifel dar- an, daß diese Einrichtungen für eine

Übergangszeit fortbestehen müssen.

Aber diese Zeitspanne müsse klar bemessen sein, forderte Oesingmann gegenüber den Abgeordneten. So- wohl Polikliniken als auch Ambula- torien müssen über den Weg der Er- mächtigung in das System der kas- senärztlichen Versorgung eingebun- den werden. Alles andere wäre selbst für die Übergangszeit eine falsche Weichenstellung.

Daß für die schrittweise Um- wandlung der staatlichen Einrich- tungen in freie Praxisformen zahlrei- che Möglichkeiten vorhanden sind, belegte Dr. med. Eckhard Weisner, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein und Vorstandsmitglied der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung beispiel- haft an den - auch auf DDR-Ver- hältnissen übertragbaren - ärzt- lichen Kooperationsformen wie Ge- meinschaftspraxis, Praxisgemein- schaft, Apparategemeinschaft.

Oesingmann und Weisner ap- pellierten an die Volkskammer-Ab- geordneten, gerpeinsam mit der westdeutschen Arzteschaft darauf hinzuwirken, daß bereits bei der Übergangsgesetzgebung in allen Be- reichen die Voraussetzungen für ei- ne freiheitliche Neuordnung des Ge- sundheitswesens in der DDR ge- schaffen werden. Fehlentwicklungen seien im nachhinein nur noch schwer zu korrigieren.

Der eigene Wissensstand, resü- mierten die Abgeordneten nach dem ganztägigen Seminar, sei durch die Veranstaltung erheblich gewachsen.

Gleichwohl brauche das erforder- liche Umdenken aller "von ganz oben nach ganz unten" wohl noch ei- ne geraume Zeit, da 40 Jahre soziali- stischer Erziehung und staatlicher Bevormundung nicht von heute auf morgen "aus den Köpfen herauszu- bringen sind". Es bedürfe wohl auch noch einer langen Zeit der Hilfe durch die Bundesrepublik Eine Hil- fe, die dankbar angenommen werde.

Für die weiteren Beratungen in der Volkskammer nahmen die Abge- ordneten nach eigenem Bekunden den Vorsatz mit, nur für die Erhal- tung dessen einzutreten, was nach

"strenger Prüfung, insbesondere un- ter Wirtschaftlichkeitsaspekten, er- haltenswett ist". JM

A-2364 (20) Dt. Ärztebl. 87, Heft 31/32, 6. August 1990

Anhaltszahlen:

Regelung für Ärzte weiter verzögert

Die Fachabteilung "Gesundheit, Krankenversicherung" des Bundes- arbeitsministeriums (Referat Va 4) hat den Verbänden und Gewerk- schaften der Krankenhausberufe so- wie der Bundesärztekammer mitge- teilt, daß seit dem 1. Juli 1990 ledig- lich für den Bereich des Pflegedien- stes die Voraussetzungen zum Erlaß einer Rechtsverordnung durch die Bundesregierung über Personalan- haltszahlen gegeben seien. Hier sei die in § 19 Abs. 1 vorgegebene Jah- resfrist (für eine Vertragslösung) verstrichen, so daß der Bundesver- ordnungsgeber jetzt am Zuge sei, ei- ne Rechtsverordnung zu erlassen.

J?agegen soll für den Bereich des Arztlichen Dienstes an Krankenhäu- sern weiter verhandelt werden, ehe auch hier der Verordnungsgeber in Obligo genommen werden kann.

Die Deutsche Krankenhausge- sellschaft (DKG) hat mit der Vorla- ge eines "Analytischen Er!Pittlungs- konzeptes" für den Arztlichen Dienst am 21. März 1990 die im Ge- setz vorgesehene Einjahresfrist "ein- geläutet", so daß nach Auffassung des Arbeitsministeriums hinsichtlich der Personalbemessung im Ärzt- lichen Dienst sowie für Hebammen/

Entbindungspfleger zunächst die Verhandlungen über das DKG-Kon- zept abzuwarten sind, ehe die Rechtsfolgen des § 19 Abs. 2 KHG eintreten. Inzwischen hat die Bun- desärztekammer dieser Rechtsauf- fassung mit dem Hinweis widerspro- chen, es sei unverständlich, daß in das eingeleitete Verordnungsverfahren nicht auch zugleich das von der DKG vorgelegte Konzept für den Ärzt- lichen Dienst einbezogen wurde.

Offenbar spekuliert das Bundes- arbeitsministerium auf Zeitgewinn, und die Krankenkassen würden durch die erneute Fristverlängerung durch den Bundesarbeitsminister in- soweit salviert, moderne Personalan- haltszahlen für alle Beschäftigtengrup- pen im Krankenhaus zu akzeptieren

und ausreichend zu dotieren. HC

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