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Archiv "Der ambulanten Versorgung durch freipraktizierende Ärzte droht Gefahr: Institutionalisierung auf dem Umweg der kleinen Schritte" (22.05.1980)

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DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Vitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Der ambulanten Versorgung durch freipraktizierende Ärzte droht Gefahr:

Institutionalisierung auf dem Umweg

der kleinen Schritte

In anderer Form und anderem Stil als in den vorangegangenen Jahren wurde in diesem Jahr, am 12. Mai in Berlin, am Tage vor der Eröffnung des 83. Deutschen Ärztetages, die Sitzung der Vertreter- versammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abgehalten:

Zum ersten Mal nahmen offizielle Repräsentanten der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien an einer Sitzung der „VV" teil. Sie dokumentierten damit nicht nur politisches Interesse an der kassen- ärztlichen Versorgung der Bevölkerung — sie waren vielmehr gefor- dert, zu konkret formulierten Grundsatzfragen, die der Erste Vorsit- zende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Hans Wolf Muschallik, einleitend in einer Gesamtschau der derzeitigen Situa- tion begründete, detailliert Stellung zu nehmen:

für die Christlich Demokratische Union — Staatsminister Dr. Georg Gölter (Mainz),

für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands — Senator Olaf Sund (Berlin),

für die Christlich Soziale Union — Staatsminister Dr. Fritz Pirkl (München),

für die Freie Demokratische Partei — Hansheinrich Schmidt, MdB (Kempten).

Vorweg gesagt: es kam zu einem fruchtbaren „Dialog" zwischen den Repräsentanten der Kassenärzteschaft und den Politikern sowie mit einem maßgebenden Vertreter der Sozialwissenschaften, dem Ordi- narius der Soziologie Prof. Dr. med. Horst Baier (Universität Kon- stanz), der zum Thema „Der Kassenarzt in der Bewährung" über aktuelle Grundsatzfragen der kassenärztlichen Versorgung experi- mentelle und konzeptuelle Gedanken vortrug, die ebenso wie die Aussagen der vier Partei-Politiker zu einer intensiven Diskussion anregten.

Sitzung der

Vertreterversammlung der Kassenärztlichen

Bundesvereinigung

am 12. Mai 1980 in Berlin Diskussion

mit Repräsentanten von Politik und Wissenschaft über Grundsatzfragen der Kassenärzte:

Das System der ambulanten Krankenversorgung und die

Formen der Teilnahme

• Sicherung der Qualität

• Vertragsfreiheit

• Datenschutz für Patient und Arzt

Heft 21 vom 22. Mai 1980 1359

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Bericht und Meinung KBV-Vertreterversammlung

Zu der Lebhaftigkeit der Ausspra- che hat gewiß auch beigetragen, daß keiner der Referenten dem Veranstaltergremium und den zahlreichen interessierten Gästen aus den anderen ärztlichen Orga- nisationen (besonders begrüßt:

Dr. Karsten Vilmar, der Präsident der Bundesärztekammer, und de- ren Hauptgeschäftsführer, Prof. J.

F. Volrad Deneke, sowie der Gene- ralsekretär des Weltärztebundes, Dr. Andrö Wynen, Belgien) etwa nach dem Mund geredet hätte. Der Freimut vielmehr, mit dem auch auf die heikelsten Detail-Fragen eingegangen wurde, vermittelte dem sachverständigen Zuhörer einige Erkenntnis durchaus ver- schiedenartiger Standpunkte zu Problemen, die die Zukunft des Kassenarztes mehr oder weniger essentiell berühren.

(Der Leser hat Gelegenheit, sich in der nachfolgenden ausführlichen Berichterstattung über erkennba- re Kontroversen und Übereinstim- mungen in der Gesundheits- und Sozialpolitik, soweit sie den Kas- senarzt betreffen, zu informieren.) Die Grundsatzfragen der KBV (auf Seite 1369 dieses Heftes doku- mentiert) zielten ganz konkret auf die Abklärung — so Dr. Muschallik

—, „ob es im politischen Raum An- sätze oder gar eine Konzeption für eine generelle Änderung unseres Gesundheitssicherungssystems gibt" oder etwa „ob für die vor uns liegenden Jahre eine übereinstim- mende Auffassung darüber be- steht, daß bei ungeschmälertem Fortbestand der derzeitigen ge- setzlichen Grundlagen die Stabili- tät und die Leistungsfähigkeit un- seres Systems der sozialen Kran- kenversicherung entscheidend von dem Maß abhängen, in dem die grundsätzliche Verantwortung des Individuums, die Freiberuf- lichkeit des Kassenarztes und die Entscheidungsfreiheit der Selbst- verwaltung von Krankenkassen und Kassenärzten gesichert sind."

Die Antworten beleuchteten — so der Hauptgeschäftsführer der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung,

Dr. med. Eckart Fiedler, in seinen zusammenfassenden Ausführun- gen zur Eröffnung der Diskussion

— den weiten Hintergrund, der sich hinter manch nüchtern formulier- ter Frage verbirgt. Auch nach sei- nem Urteil sind die Antworten auf die erste Frage nach dem „System der ambulanten Krankenversor- gung", die natürlich im Kern die Freiberuflichkeit des Kassenarztes betrifft, klar herausgekommen, und zwar im Sinne eines Erhalts der Freiberuflichkeit (was ja seit Jahren eine entscheidende Ziel- setzung der Grundsatz- und Stra- tegiearbeit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist).

„Wer gibt schon offen zu, daß er den freiberuflichen Kassenarzt in Frage stellt?"

Selbstverständlich ist die Gegen- frage berechtigt, die einer der Re- ferenten auch stellte, ob nämlich derzeit jemand offen zugeben würde, er strebe ein staatliches Gesundheitssystem an oder stelle den freiberuflich tätigen Kassen- arzt in Frage.

In der Tat wird die Freiberuflich- keit als solche gegenwärtig nicht verbal attackiert, und ein staatli- cher Gesundheitsdienst wird der- zeit innerhalb der demokratischen Parteien nirgend propagiert. Dr.

Fiedler dazu: „Das wissen wir aus dem Bericht der Bundesregierung zur Lage der Freien Berufe, und das konnten wir auch den Partei- programmen entnehmen". Aber die Kassenärzteschaft sieht die Gefahr, „daß über einen Umweg der kleinen Schritte die Freiberuf- lichkeit zunehmend ausgehöhlt wird".

Man nehme als Beispiel den in al- len Reden behandelten Gesetzes- vorschlag des Bundesrates, der den Abschluß von Poliklinikverträ- gen im Rahmen der Krankenversi- cherung auf eine neue Rechts- grundlage stellen soll, nämlich in dem Sinne, daß der Zugang zu den Universitäts-Ambulatorien völlig frei sein und die Honorierung dem

System entsprechen soll, wie es derzeit für den freiberuflich täti- gen Kassenarzt gilt, nämlich der Einzelleistungsvergütung, und das ohne jede Wirtschaftlichkeits- prüfung. Hier würde eine uner- trägliche Konkurrenzsituation ge- genüber dem freiberuflich tätigen Kassenarzt eintreten. Und dies wä- re um so mehr zu erwarten, wenn

„im Raume stehende" Überlegun- gen realisiert würden, im Rahmen einer „Ausbildungsreform" — un- ter Benutzung der Forderung, mehr Praxis in der Ausbildung zu vermitteln — womöglich dann noch mehr Krankenhäuser zu Lehrkran- kenhäusern zu machen und dann auch dort Ambulanzen zu er- öffnen.

Die Ankündigung Dr. Gölters, daß eine Gesetzesvorschrift ä la Bun- desrat nach etwaigem Erlaß von ihm großzügig, auch im ärztlichen Sinne, ausgelegt werde, war ein Hauptgegenstand der Diskussion mit dem Ergebnis, daß die Kassen- ärzteschaft weiterhin alles Erdenk- liche unternehmen wird, damit der Bundesratsvorschlag im Vermitt- lungsausschuß keine Mehrheit fin- det (s. auch die Resolution auf Sei- te 1374). In der Sache selbst wird die Kassenärzteschaft — wie Dr.

Fiedler versicherte — angemessen reagieren und noch einmal „vor Ort" in eine Prüfung der Vertrags- situation der Polikliniken ein- treten.

Was die Vertragsfreiheit anbe- langt, auf die eine KBV-Frage ziel- te, so wäre es zu einfach, darunter nur die eigenverantwortliche Be- wältigung der Probleme in der Partnerschaft mit den Kranken- kassen zu sehen. Denn letztlich geht es dabei um das Problem der wirtschaftlichen Absicherung des Kassenarztes unter dem Aspekt des zunehmenden politischen Denkens in einem Globalsteue- rungssystem, vor allem im Hin- blick auf die Gedanken an eine Obergrenze der Ausgaben für die ambulante kassenärztliche Ver- sorgung und damit an eine Steue- rung dieses Systems allein nach Wirtschaftsdaten.

1360 Heft 21 vom 22. Mai 1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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KBV-Vertreterversammlung

schen Referenten und in der Dis- kussion klar herausgearbeitet, daß es letztlich um die Abgrenzung zum Krankenhaus geht. Sehr zu begrüßen ist daher die politische Erkenntnis, daß das Gesundheits- system deshalb aus der Balance zu geraten droht, weil die stationä- re Versorgung immer mehr in den Vordergrund und die ambulante Versorgung immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird.

Hier schließt sich indes der Kreis weiterhin sorgenvoller Betrach- tung der Zukunft der Freiberuf- lichkeit des Kassenarztes. Man denke nur an die Forderungen nach prästationärer Diagnostik und poststationärer Behandlung im Krankenhaus oder an die Bil- dung von „Behandlungszentren"

aller Art — „also hin zu einer insti- tutionalisierten Erbringung von Leistungen, die derzeit schon in der ambulanten kassenärztlichen Versorgung — und zwar in dieser erwiesenermaßen am wirtschaft- lichsten! — erbracht werden".

Gerade in dieser Frage machten einige Antworten deutlich, daß noch nicht überall ganz klar gese- hen wird, wie paradox es ist — ge- rade auch unter dem Postulat der Kostendämpfung —, Leistungen aus der ambulanten Versorgung abzuziehen und sie einem Bereich zuordnen zu wollen, wo sie — er- wiesenermaßen — kostenträchtiger erbracht werden! Erfreulich hinge- gen das klare Bekenntnis aller Po- litiker zur uneingeschränkten Auf- rechterhaltung des Sozialgeheim- nisses, ganz im Sinne auch der von Dr. Muschallik einleitend vor- getragenen Forderung.

Die von Vorstand und Länderaus- schuß der Vertreterversammlung vorgelegte Resolution zur Erhal- tung des Datenschutzes für Pa- tient und Arzt und ihre einstimmi- ge Verabschiedung bekräftigen die Übereinstimmung der Kassen- ärzte mit den politischen Parteien, bei den anstehenden Neuregelun- gen im Sozialgesetzbuch Teil 1 den Datenschutz nicht aushöhlen zu lassen. DÄ

S

oweit

ein erster Kurzbericht über jenen Teil der Sitzung der Ver- treterversammlung der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung, welcher der Beantwortung der an die vier Bundes- tagsparteien gerichteten Fragen und der Erörterung der Antworten ihrer Repräsentanten gewidmet war.

Die nachstehende Berichterstattung folgt dem Ablauf und geht ins Detail.

Wie ernst ist es den Parteien mit dem Bekenntnis zur Freiberuflichkeit des Kassenarztes? Unter dieser redaktio- nellen Überschrift steht das einleiten- de Referat des Ersten Vorsitzenden der KBV, Dr. Hans Wolf Muschallik, gleichzeitig ein aktueller kassenärztli- cher Lagebericht, im Wortlaut ab Sei- te 1362 wiedergegeben: bitte umblät- tern!

Die an die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien gerichteten so- zial- und gesundheitspolitischen Grundsatzfragen der Kassenärzte- schaft betreffen 1. das System der ambulanten Krankenversorgung, 2.

die Vertragsfreiheit zwischen Arzten und Krankenkassen, 3. die Formen der Teilnahme an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung, 4. die Sicherung einer qualitativ hochste- henden ambulanten kassenärztlichen Versorgung, 5. den Datenschutz für Patient und Arzt. Im Wortlaut doku- mentiert auf Seite 1369.

Daran schließt sich an ein redaktio- neller Bericht über die Antworten der vier Politiker und die von ihnen aus- gelöste Diskussion (ab Seite 1370).

Die Resolution gegen den Poliklinik- Beschluß des Bundesrats steht auf Seite 1374 und die Resolution gegen die Aushöhlung des Datenschutzes auf Seite 1377.

Das bereits erwähnte Referat des Konstanzer Ordinarius für Soziologie, Professor Dr. med. Horst Baier, „Der Kassenarzt in der Bewährung", kann aus technischen Gründen erst in einer späteren Ausgabe des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES im Wortlaut wieder- gegeben werden.

Bei allem Verständnis für die gesamtwirtschaftlichen Zwänge, muß die von Dr. Fiedler formulier- te Frage doch berechtigt sein:

Was hat Konjunktur, Hochkon- junktur oder Rezession, etwa mit der Entwicklung des Krankenstan- des — und mit dadurch bedingten Kostenentwicklungen —zu tun? Es ist doch durchaus plausibel, daß im Rahmen einer Hochkonjunktur der Krankenstand niedrig und, umgekehrt, in einer Rezession der Krankenstand hoch ist: Soll sich dann die medizinische Betreuung der Versicherten jeweils gegenläu- fig nach der wirtschaftlichen Lage richten? Das war doch gerade ein Zustand, der durch die Bildung der Sozialversicherung überwun- den werden sollte!

Allgemein wurde mit Aufmerksam- keit registriert, daß die „Vertrags- freiheit" als Problemlösungsfor- mel selbst in einer Frage angebo- ten wurde, in der es darum geht, eine Misere der Bildungspolitikzu korrigieren, nämlich die Arztzahl- entwicklung. Dies ist aber eine Frage, die im politischen Rahmen gelöst werden muß. Anzuerken- nen sind indes die klaren Antwor- ten der politischen Parteien hin- sichtlich der Sicherung der künfti- gen Qualität des Systems der am- bulanten kassenärztlichen Versor- gung; sie wird stehen und fallen mit der Frage nach der baldigen Einführung einer zweijährigen As- sistentenzeit als Vorbereitung auf die Tätigkeit als Kassenarzt.

Vorstand und Länderausschuß der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung haben sich kurz vor dieser Vertreterversammlung noch ein- mal entschieden für diesen Weg ausgesprochen, zumal sie in der entsprechenden Nutzung dieser zweijährigen Assistentenzeit auch eine Stärkung des vielbeschwore- nen Hausarztprinzips und eine Förderung der Allgemeinmedizin erblicken.

Zur Frage der Teilnahme an der ambulanten kassenärztlichen Ver- sorgung wurde von den politi-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 21 vom 22. Mai 1980 1361

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