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Archiv "Qualitätssicherung in der ambulanten Versorgung: Eine Pflichtaufgabe" (07.05.1993)

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POLITIK

Qualität medizinischer Leistun- gen ist nichts Neues. Qualitätskon- trollen gibt es schon seit vielen Jah- ren. Sie fanden in allen Kassenärztli- chen Vereinigungen im Bereich der technischen Nachprüfbarkeit von Meßwerten und der daraus abgelei- teten diagnostischen Aussage breite Anwendung. Die durchgeführten Verfahren betrafen vorwiegend die Bereiche Langzeit-EKG, Sonogra- phie, Radiologie, Labor, das heißt Bereiche mit reproduzierbaren Er- gebnissen. Es ist unstrittig, daß durch diese Maßnahmen eine Verbesse- rung in der Prozeßqualität erreicht werden konnte.

Als gesetzliche Auflagen sind in den letzten Jahren Eichordnung, Me- dizingeräteverordnung und Röntgen- verordnung in Kraft gesetzt worden.

Besonders letztere hat nicht nur zu großen Akzeptanzproblemen ge- führt, sondern auch relativ hohe Ko- sten verursacht. Eine Evaluation ist bis heute noch nicht erfolgt.

Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind jedoch die Kosten der Qualitätssicherung, sofern man darunter eine „Qualitätskontrolle technischer Leistungen" versteht.

Diese Ausgaben gingen bisher aus- schließlich zu Lasten der Betreiber der Einrichtungen und wurden we- der als Pauschale noch mit den jewei- ligen Leistungen vergütet. Unstrittig ist, daß eine breit angelegte Quali- tätskontrolle Teil des Honorars zu sein hat. Eine sinnvolle Qualitätssi- cherung innerhalb technischer Stan- dards sollte zur Selbstverständlich- keit werden, nicht als Qualitätssiche- rung an sich, sondern weil diese Me-

KURZBERICHTE

thoden letztlich zu weitgreifenden Entscheidungen führen.

Sowohl Bundesärztekammer als auch Kassenärztliche Bundesvereini- gung (KBV) versuchen, Aus-, Wei- ter- und Fortbildung unter Qualitäts- gesichtspunkten zu strukturieren. Ei- ne unerläßliche, klar formulierte Qualität der Zugangsstrukturen für den medizinischen Beruf ist notwen- dige Voraussetzung für eine gleich- bleibende Qualität. Daran anschlie- ßen müssen sich weiterführende Maßnahmen, die man in sogenann- ten Qualitätszirkeln erarbeiten könn- te, wie sie auch der KBV-Vorstand schon beschlossen hat.

Richtlinien und Standards

Die technischen Qualifikationen werden ebenfalls in Richtlinien fest- gelegt. Damit werden Standards für möglichst gleichmäßige beziehungs- weise sich ständig verbessernde In- termediärergebnisse, kontrolliert durch eigene Kommissionen, ge- schaffen. Qualitätskontrolle kann nicht bedeuten, eine gefundene Qua- lität einfach festzuschreiben, das heißt diese Qualität auf ihrem Ein- gangsstandard zu halten, sondern das Ziel muß sein, jede Einheit auf einen definierten Standard anzuheben und diesen insgesamt laufend zu verbes- sern. Qualitätssicherung ist demnach ein dynamischer Prozeß, der nicht vom letzten Glied in der Kette be- stimmt werden kann. Die Definition der Ergebnisqualität ist wohl das schwierigste, was man im gesamten

Qualitätssicherungsrahmen sowohl definieren wie auch erreichen kann.

Gelingt es noch, für klar abgrenzbare Leistungen einen gewissen Standard zu schaffen (zum Beispiel operative Verfahren), so wenig wird man sol- che Maßnahmen in der Psychiatrie beziehungsweise Geriatrie durchfüh- ren können. Je mechanistischer die Diagnose, um so eher ist Ergebnis- qualität definierbar.

Qualitätssicherung ist beim Be- treiber (Arzt) ein mentaler Prozeß:

er muß ihre Notwendigkeit einsehen, die Umsetzung fachgerecht durch- führen und die Folgerungen beach- ten. Letztlich heißt Qualität sichern, danach trachten, den bestehenden Zustand anzuheben, um ein noch besseres Ergebnis zu erreichen.

Mittelzuweisung

Kontrollmaßnahmen mit Sankti- onsdruck verbessern; jedoch wird da- durch die Akzeptanz nicht gesteigert.

Es wird eine große Aufgabe sein, al- len Ärzten zu vermitteln, daß ihre Tätigkeit genauso an Standards, ori- entiert werden kann, wie dies heute schon in der industriellen Produktion üblich ist. Dieser Vergleich kann nicht zutreffen, und dennoch können mühelos gewisse Grundsätze der Qualitätssicherung von dort auch in das Gesundheitswesen übertragen werden.

Von besonderer Bedeutung ist im Rahmen der gesamten Qualitäts- sicherungsdiskussion die Mittelzu- weisung. Unstrittig, daß Qualitätssi- cherung Geld kostet. Je weniger

„Ausschuß" man produzieren will, um so höher sind die Kosten. Man kann dieses nach dem „Pareto-Prin- zip" bis zur Unfinanzierbarkeit fort- setzen. Eine vernünftige Kosten-Nut- zen-Relation ist daher eine sinnvolle Voraussetzung. Geht man davon aus, daß der Gesetzgeber für budgetierte Mittel eine bestmögliche Verwen- dung garantiert haben will, so ergibt sich zwangsläufig daraus, daß der mit Mitteln versehene Bereich nachwei- sen muß, ob damit das erwartete

„Maß an Gesundheit" erreicht wurde oder nicht. Es geht nicht so sehr um die Frage: „Was können wir uns an Gesundheit leisten?", sondern es

Qualitätssicherung in der ambulanten Versorgung:

Eine Pflichtaufgabe

Seitdem die WHO die Qualitätssicherung medizinischer Tätigkeit in ihrem Programm „Ge- sundheit für alle bis zum Jahr 2000" verankert hat, stoßen wir auf diesen Begriff — sowohl im Jahresgutachten des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheits- wesen und als gesetzliche Verpflichtung zur Qualitätssicherung im Sozialgesetzbuch V.

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 18, 7. Mai 1993 (19) A1-1319

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POLITIK

geht um die Frage: „Können wir es uns leisten, mit einer gewissen Sum- me Geld weniger zu erreichen, als man hätte damit erreichen können?".

Die „Königsformel" in der Mit- telallokation hat noch niemand ge- funden. Wenn der eine glaubt, daß man der Prävention mehr Mittel zu- kommen lassen müsse, plädieren an- dere mit sicher gleich guten Gründen für kurative Maßnahmen. Sicher ist, daß politisch Schwerpunkte zu setzen sind, und sicher ist auch, daß diese Schwerpunkte letztlich sich an Quali- tätssicherung bzw. an Qualitätsnach- weisen orientieren werden.

Die Diskussion über Qualitätssi- cherung wird voraussichtlich noch lange anhalten. Sie wird innerhalb

In den letzten Wochen beobach- teten alle Ärzte, die in der Versor- gung von HIV-Infizierten eingebun- den sind, eine starke Verunsicherung ihrer Patienten bezüglich der Thera- pie mit dem antiviralen Wirkstoff Azidothymidin (AZT). Diese ist auf eine Schlagzeilen-focusierte Bericht- erstattung der Presse zurückzufüh- ren, deren Basis die Concorde-Studie ist, eine Zusammenarbeit zwischen dem British Medical Research Coun- cil und der französischen Nationalen AIDS-Forschung. Hierbei wurden zwei Gruppen HIV-Infizierter vergli- chen: Eine Placebogruppe und eine Gruppe HIV-infizierter Personen, denen sofort nach der Diagnose der Infektion Retrovir® verabreicht wurde.

Die sehr subtil zu bewertenden Ergebnisse wurden von der Publi- kumspresse auf einen unkritischen Nenner gebracht: „AIDS: Eine zer- störte Hoffnung — Medikament AZT verzögert den Ausbruch der Krankheit nicht", so ein Beispiel der

KURZBERICHTE

der Ärzteschaft sehr kontrovers dis- kutiert. Die Ärzteschaft darf sich den Maßnahmen zur Qualitätssicherung nicht mehr verschließen. Qualitäts- verbesserung in der Medizin ist eine der großen Aufgaben, die wir in den kommenden Jahren zu leisten haben.

Dr. med. Wolfgang Mohr, Internist Vorsitzender des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Nord- Württemberg,

Vorstandsmitglied der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung (KBV) Postfach 80 06 08

W-7000 Stuttgart 80

Der Verfasser ist innerhalb der KBV für Fra- gen der Qualitätssicherung zuständig.

Pressemeldungen. Direkt nach Er- scheinen der entsprechenden Artikel kam es in den Praxen niedergelasse- ner Ärzte auch bei Patienten, bei de- nen der Einsatz von AZT indiziert war, zu erheblicher Unruhe. Die DAGNÄ (Deutsche Arbeitsgemein- schaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter e.V.), deren Mitglieder über 10 000 HIV- Infizierte betreuen, kritisiert aufs schärfste diese undifferenzierte, ver- antwortungslose Darstellung.

AZT ist weder ein Wundermittel noch ein völlig problemlos anzuwen- dendes Medikament (Nebenwirkung, Wirkungsverlust, Resistenzproble- me, Unverträglichkeit). Es ist aller- dings das am umfangreichsten, in vie- len Studien auf seine Wirksamkeit hin überprüfte Medikament, welches vor allem den Zeitpunkt der AIDS-defi- nierenden Erkrankung verschiebt.

Auch wenn eine Verlängerung der Gesamtlebenszeit durch AZT-Gabe noch nicht zweifelsfrei belegt ist, so ist der Gewinn an Lebensqualität

durch das Verschieben des Vollbil- des AIDS sehr beträchtlich.

Das Spektrum der Kritik richtet sich auch gegen die Veröffentlichung von vorläufigen Studienergebnissen.

Inhaltlich kann wenig zur Validität und Exaktheit der Studie gesagt wer- den. Es liegen neben den von der Studiengruppe auf einer Pressekon- ferenz dargestellten und in einem

„Letter to the Editor" (Lancet, 3.4.1993) skizzierten „preliminary findings" noch keine differenzierten Einzelergebnisse vor, der Wert der Resultate ist noch nicht durch die wissenschaftliche Diskussion kom- mentiert worden.

Die Autoren selbst konstatieren, daß es zu einem Studiendesignwech- sel gekommen ist: Auch den Patien- ten der Placebo-Gruppe wurde im zweiten Jahr (1989) die AZT-Thera- pie bei CD4-Zellzahlen unter 500 Zellen/Mikroliter zur Verfügung ge- stellt. Darüber hinaus kritisieren HIV-erfahrene Ärzte und AIDS-Ex- perten Aspekte der Methodik und der Fragestellung, die Dosiergrößen, den Monotherapieansatz und die Probleme der Durchführbarkeit ei- ner Doppelblind-Studie.

Wichtiger als eine noch nicht zu leistende inhaltliche Diskussion der Concorde-Studie erscheint folgen- des: In der Art und Weise, wie diese

„ersten Ergebnissen" von der Presse verbreitet worden sind, zeigt sich ein nicht sehr hoher verantwortlicher Umgang mit solchen vorläufigen Re- sultaten. Die Artikel suggerieren die völlige Wirkungslosigkeit von AZT, obwohl die Zielgruppe der Concor- de-Studie gar nicht die symptomati- schen Patienten gewesen sind, son- dern auf die extreme Frühtherapie ausgelegt war. Und auch hier ist erst einmal eine genauere Analyse der Studie vonnöten. Gerade solch wich- tige Studien müssen unter strengen Kriterien diskutiert und interpretiert werden, und hier hat auch die Presse eine gewisse Verantwortung zu tra- gen. Die berechtigte Hoffnung vieler symptomatischer Patienten, die sich Milderung und Aufschiebung des Vollbildes AIDS versprechen, sind durch die Art der Berichterstattung und die journalistische Verarbeitung auf das empfindlichste gestört.

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

Nun heißt es:

Zerbrochenes Porzellan kitten!

Undifferenzierte Berichterstattung über AZT bei HIV-Infizierten

A1 -1320 (20) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 18, 7. Mai 1993

Referenzen

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