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sicher ist sicher

Arbeitssicherheit

Fachliche Grundlagen

Von Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Anke Kahl Begründet von

Univ.-Prof. Dr.-Ing. em. Reinald Skiba Fortgesetzt von

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. em. Günter Lehder 2019, XXII, 740 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen und Tabellen, fester Einband, € (D) 69,90 ISBN 978-3-503-17120-0

www.ESV.info/17120 71. Jahrgang

Mai 2020 ISSN 2199-7330 1424

www.SISdigital.de

„Corona“ als Ausnahme - zustand (II) 224

Präsentismus in Zeiten der Pandemie 227

Der richtige Weg zur „Vision Zero“ 247

In Kooperation mit:

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Lizenziert für Frau Sabine Sommer .

Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt.

© Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2020 (http://www.sisdigital.de) - 13.05.2020 13:12 58701305879

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05.20 sicher ist sicher |sicher ist sicher |sicher ist sicher 235 SICHERHEIT, ARBEIT GESUNDHEIT

Die wachsende Vernetzung und Software unter- stützung von Produktions- und Geschäfts prozes- sen eröffnet Möglichkeiten für neue und flexi- blere, d. h. von festen Orten, standardisierten Arbeitszeiten und stabilen Organisationsstruk- turen unabhängige, Arbeitsformen. Beschäftigte arbeiten häufiger mobil, für begrenzte Projekt- laufzeiten in wechselnden oder auch virtuellen Teams. Zeitliche wie örtliche Grenzen zwischen

Beruflichem und Privatem werden durchlässi- ger. Nicht nur die daraus erwachsenden neuen Belastungskonfigurationen stellen den Arbeits- schutz vor anspruchsvolle Aufgaben. Auch die Wirkbedingungen des Arbeitsschutzsystems werden beeinflusst. Dessen Strategien, Struk- turen und Instrumente sind historisch gewach- sen und bisher eher auf eine Arbeitswelt mit fes- ten, begehbaren und bekannten Arbeitsplätzen SABINE SOMMER

Digitalisierung. Flexibilisierung.

Arbeitsschutz. Unsichtbarkeit.

Ergebnisse einer qualitativen Studie

Die Organisation und Gestaltung sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen wird vor dem Hin- tergrund der digitalen Transformation durch eine doppelte bzw. wechselseitige Unsichtbarkeit herausgefordert. Für Betriebe und Beschäftigte sind Strukturen, Prozesse und Maßnahmen von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit nicht flächendeckend präsent. Darauf verweisen reprä- sentative Befragungen von Betrieben und Beschäftigten, Ergebnisse der GDA-Arbeitsprogramme sowie Daten zum Aufsichtshandeln der Länder und Unfallversicherungsträger. Darüber hinaus verlieren in flexibilisierten und digitalisierten Arbeitsformen Belastungen und Gefährdungen aber auch Gestaltungsmöglichkeiten für die Akteure des Arbeitsschutzes ihre Sichtbarkeit.

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| sicher ist sicher 05.20sicher ist sicher 05.20sicher ist sicher 236

Flexibilisierung und Digitalisierung SICHERHEIT, ARBEIT

GESUNDHEIT

sowie beschreibbaren Arbeitssituationen ausge- richtet.

Inwieweit dieses System den Herausforderun- gen einer zunehmend vernetzteren, digitaleren und flexibilisierteren Arbeitswelt gerecht wird, dazu geben die Ergebnisse des BAuA Forschungs- projekts „(Wirkungsvolle) Arbeitsschutzstruk- turen in der digitalen Welt“1 Aufschluss.

Ziel und Vorgehensweise

Ziel der qualitativen empirischen Studie war es, aus den Perspektiven von inner- und überbetrieb- lichen Arbeitsschutzfachleuten, Arbeitgebenden und Beschäftigten den Umgang mit Aspekten der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes im Kontext von Flexibilisierung und Digitalisierung zu analysieren. Im Rahmen der Studie wurden leitfadengestützte Interviews mit Personen aus drei Gruppen von Betrieben geführt und zwar

▶ Betrieben, in denen flexible Arbeitsformen unabhängig von der Digitalisierung Teil des Geschäftsmodells sind,

▶ Betrieben, die durch die Digitalisierung Ar- beits- und Organisationsformen stark flexibi- lisiert haben und

▶ Betrieben, deren Geschäftsmodell durch die Digitalisierung erst möglich wurde und bei denen eine maximale Flexibilität der Arbeits- und Organisationsformen von Anfang an ge- geben war.

Für jede Gruppe wurden kleine, mittlere und große Betriebe rekrutiert. Es wurden nur Per- sonen befragt, die das Vorkommen von räum- lich und zeitlich flexibilisierten Arbeitsformen in ihrem Betrieb oder den von ihnen betreuten Betrieben bejahten.

Interviewpartner waren Arbeitgebende und Beschäftige bzw. deren Vertretungen sowie in größeren Betrieben innerbetriebliche Arbeits- schutzakteure. Darüber hinaus wurden Arbeits- schutzakteure der Länder und Unfallversiche- rungsträger, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit aus überbetrieblichen Diensten sowie Vertretungen von Krankenkassen und Ver- bänden befragt. Insgesamt wurden 36 Einzel- und Gruppeninterviews mit 52 Personen geführt. Die Interviewleitfäden umfassten eine Reihe von As- pekten, u. a. Flexibilisierungsformen, Gefährdun- gen und Belastungen, Aspekte der Kooperation, Kommunikation und Kultur sowie Regelungen und Ressourcen zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Die Themenblöcke sollten eine Reflexion zu günstigen und ungünstigen Bedin- gungen des Arbeitsschutzes in flexiblen / digita- lisierten Arbeitsstrukturen anregen.

1 BAuA Forschungsprojekt F 2411 „(Wirkungsvolle) Arbeitsschutz- strukturen in der digitalen Welt. Ist-Soll-Bestimmung.“; Durch- führung und Auswertung der Interviews: Dortmunder Forschungs- büro für Arbeit, Prävention und Politik (DoFAPP)

Ergebnisse

Die Auswertung des Datenmaterials erfolgte mit der Grounded Theory-Methodologie. Die Grounded-Theory-Methodologie ermöglicht die Erfassung und Analyse von hinter den Daten liegenden Konzepten und geht über die reine Deskription hinaus. Auf diese Weise wurden sys- tematisch konkrete Problemfelder des Arbeits- schutzes in einer flexibilisierten und digitalisier- ten Arbeitswelt herausgearbeitet. Als ein all die beschriebenen Phänomene durchziehender roter Faden wurde eine „Unsichtbarkeit“ ausgemacht.

Unsichtbar werden:

▶ für die Arbeitsschützer: Arbeitssituationen, Beschäftigtengruppen, individuelle Belastun- gen und psychische Belastungen, gewinnbrin- gende Kooperationspartner, alternative Hand- lungsperspektiven

▶ für die Betriebe: Arbeitsschutzvorschriften, -logiken und -maßnahmen

▶ für die Beschäftigten: Führungskräfte, Arbeits- schützer und Gestaltungsmöglichkeiten.

Als ursächlich für diese Unsichtbarkeit haben sich bei der Auswertung des Interviewmaterials die fehlenden Zugänge zu den Betrieben erwie- sen. Schon ohne Flexibilisierung und Digitalisie- rung erreicht der institutionelle Arbeitsschutz viele Betriebe nicht. Festmachen lässt sich dies u. a. an der Quote von Betriebsbesichtigun- gen. Darüber hinaus sehen Betriebe Regelun- gen und Maßnahmen des Arbeitsschutzes als nicht passend für ihre Ziele und Problemlagen.

In den Interviews zeigte sich, dass vielfach in jungen Kleinunternehmen („Start-ups“) das Be- wusstsein für Arbeitsschutz fehlt und damit die Voraus setzung für die Umsetzung der gesetz- lichen Grundlagen.

Die institutionellen Akteure stehen vor der Herausforderung, sich Zugang zu den Betrieben zu verschaffen und die Umsetzung von Anforde- rungen an die sichere und gesunde Gestaltung von Arbeit zu überprüfen und sicherzustellen.

Die Aufgabe der Arbeitsschutzakteure wird weiter erschwert, wenn Beschäftigte flexibel und mobil arbeiten − sich also somit auch quasi phy- sisch ihrem Zugriff entziehen.

In flexiblen Strukturen sind nicht nur die Ar- beitssituationen, sondern auch die Belastungen und Gesundheitsprobleme der Beschäftigten we- niger sichtbar. Problematisch erweist sich in die- sem Zusammenhang eine noch immer beobacht- bare Ausrichtung von Arbeitsschutzhandeln auf klar erfassbare, begehbare Arbeitsplätze, einfach messbare Gefährdungen und feste Belegschaf- ten. Hinzu kommt, dass eine interdisziplinäre Ko- operation der innerbetrieblichen Akteure und ein aktiver Einbezug der Beschäftigten in die Orga- nisation und Gestaltung von Arbeit und Tätigkei- ten nicht die Regel ist. Kooperationen verlaufen Sabine Sommer

Leiterin Fachgruppe 1.4

„Strukturen und Strategien

„Strukturen und Strategien des Arbeitsschutzes;

NAK-Geschäftsstelle“

Bundesanstalt für Arbeits- schutz und Arbeitsmedizin, Nöldnerstr. 40 − 42, 10317 Berlin

E-Mail: sommer.sabine@

baua.bund.de; Internet:

www.baua.bund.de DIE AUTORIN

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für die Belange von Sicherheit und Gesundheit nicht immer erfolgreich. Teilweise findet dies seine Ursache in unterschiedlichen Prioritätensetzungen von Unter- nehmensleitung und Arbeitsschutz-Akteuren sowie Interessenvertretungen, Führungskräften und Be- schäftigten.

Die Auswertung der Interviews verweist auch dar- auf, dass Handlungsunsicherheiten bei den Arbeits- schutz expertinnen und  -experten im Umgang mit Gestaltungsanforderungen von flexibler Arbeit auch zu einer Verantwortungsverlagerung führen − bis hin, dass am Ende die Beschäftigten selbst als Zuständi- ge für ihren Arbeitsschutz übrigbleiben − anstatt die innerbetriebliche Zusammenarbeit zu suchen und Partizipation mit den Beschäftigten zu stärken. In flexibilisierten Arbeitsformen steigt für die Beschäf- tigten die Notwendigkeit, mehr Verantwortung für die Zielerreichung und für eine sichere und gesunde Organisation ihrer Arbeit zu übernehmen. Für dieses Selbst management benötigen sie aber nicht nur die erforder lichen Ressourcen und Kompetenzen, son- dern vor allem auch die Handlungsmöglichkeiten, Gefährdungen und Fehlbelastungen zu vermeiden.

Fazit

In einer zunehmend vernetzteren, digitaleren und fle- xibilisierteren Arbeitswelt werden die Akteure des Ar- beitsschutzes nicht mehr auf den etablierten Wegen einen Zugang zu ihrem Gegenstand finden.

Die Wirksamkeit der Arbeitsschutzstrukturen trotz der wachsenden Unsichtbarkeit digitalisierter und fle- xibler Arbeit zu gewährleisten, wird nicht allein über singuläre Maßnahmen, wie z. B. Anpassung / Auswei- tung der Anwendungsbereiche von Vorschriften und Regeln zu erreichen sein. Vielmehr sind die oben skiz- zierten Problembereiche von Zugang, Zugriff, Hand- lungsstrategien, Kooperation und Verantwortung zu Sicherheit und Gesundheit in einen Gesamtkontext zu stellen.

Um das Grundanliegen des Arbeitsschutzes für Betriebe und Beschäftigte sichtbar zu machen und dieses mit der Dynamik der Arbeitswelt zu synchro- nisieren, sind Themen, Kommunikationswege und -zuschnitte sowie Rollenverständnisse und Aufgaben- zuschnitte der Akteure im Feld von Sicherheit und Ge- sundheit weiter zu entwickeln.

LITERATUR

V. Janda, K. Guhlemann: Sichtbarkeit und Umsetzung - die Digitali- sierung verstärkt bekannte und erzeugt neue Herausforderungen für den Arbeitsschutz. ; 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. 2019; DOI: 10.21934/baua:fokus 20190507

S. Sommer: (Wirkungsvolle) Arbeitsschutz-Strukturen in der digitalen Welt: Ist- und Sollbestimmung. ; in: Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit. Voneinander lernen und miteinander die Zukunft gestalten! 20. Workshop 2018 / R. Trimpop, J. Kampe, M. Bald, I. Stei- ger, G. Effenberger (Hrsg.) Kröning: Asanger Verlag 2018. ; ISBN: 978- 3-89334-633-2,

Seiten 387-390

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