• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Arzneimittel: Klinische Prüfung in der Arztpraxis" (15.07.1996)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Arzneimittel: Klinische Prüfung in der Arztpraxis" (15.07.1996)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

er vom Schiedsamt gegen die KV Berlin durchgesetzte Schiedsspruch kann sowohl für die Kassenärzte als auch für die Versicherten in Berlin nur als furchterregend bezeichnet werden.

Auf der Basis der gesetzlichen Bud- getfestlegung für das Jahr 1993 wurde für die beiden Jahre 1994 und 1995 ge- rade einmal ein Zuschlag von 2,5 Prozent gewährt. Dabei waren in die- sem Zeitraum allein die Arzneimittel- kosten um mehr als das Fünffache des zugestandenen Betrags gestiegen, vom exorbitanten Zuwachs der Heil- mittelausgaben ganz zu schweigen.

Was dies für die Vertragsärzte in Berlin bedeutet, ist klar: Legt man das nunmehr für Berlin festgelegte Bud- get zugrunde, so hat das Schiedsamt mit der Stimme des unparteiischen Vorsitzenden eine rückwirkende Bud- getüberschreitung von rund 60 Millio- nen DM festgelegt, was einem Re- greßbetrag von mehr als 10 000 DM je Berliner Kassenarzt entspricht.

Bemerkenswert war die Begrün- dung des Vorsitzenden für seine Ent- scheidung: Er gehe davon aus, daß es aufgrund der verspäteten Datenliefe- rung für 1995 nicht zu Regressen kom- men werde. Das Bundesgesundheits- ministerium ist in diesem Punkt je- doch anderer Auffassung. Dort sieht man auch dann eine Rückzahlungs- verpflichtung der Kassenärzte, wenn keine aktuellen Daten von den Kas- sen zur Verfügung gestellt werden.

Mit dem Schiedsamtsspruch ist für die Berliner Kassenärzte überdies ein existenzbedrohender Sprengsatz für die nächsten Jahre gelegt worden.

Sie gehen nämlich in die Budgetjahre 1996 und 1997 mit einem deutlich zu knapp bemessenen Budget. Da auch diese Budgets durch dasselbe Schieds- amt festgelegt werden, ist abzusehen, daß der für diese Jahre zugestandene Zuwachs ebenfalls am tatsächlichen Bedarf vorbeigehen wird. Somit sind in Berlin existenzbedrohende Regres- se nur durch eine radikale Beschnei- dung der verordneten Leistungen ab- wendbar. Die Krankenkassen, die der- artige Leistungsbeschränkungen nach wie vor als „Wirtschaftlichkeitsreser- ven“ titulieren, haben mit ihrer starren Haltung ihren Versicherten einen Bärendienst erwiesen.

Versorgungsaspekte spielten keine Rolle

Der Spruch des Berliner Schieds- amtes ist noch aus einem anderen Grunde bemerkenswert. Der Vorsit- zende hat sich nämlich auf den Hin- weis der Krankenkassen eingelassen, daß unabhängig von den tatsächlichen Versorgungsnotwendigkeiten einfach nicht mehr Geld bei den Berliner Krankenkassen zur Verfügung stünde.

Damit wurde zum einen die sachliche Basis der Budget-Anpassungskriteri- en nach § 84 Abs. 1 SGB V verlas- sen. Zum anderen – und dies ist noch gravierender – hat der gesetzliche Auftrag zur Sicherstellung einer be- darfsgerechten Versorgung in diesem Schiedsamtsverfahren praktisch keine Rolle mehr gespielt.

Paragraph 70 Abs. 1 SGB V lautet: „Die Krankenkassen und die

Leistungserbringer haben eine be- darfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der me- dizinischen Erkenntnisse entspre- chende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten.“ In Berlin war hier- von keine Rede mehr. Wie wenig sachliche Erwägungen in diesem Schiedsamtsverfahren eine Rolle ge- spielt haben, läßt sich auch an folgen- den Detaildiskussionen aufzeigen, die im übrigen – da sie ja fachlicher Art waren – jedesmal rasch unterbunden wurden:

l Ein medizinischer Nachhol- bedarf wurde grundsätzlich nicht als budgetsteigernder Faktor anerkannt.

Damit werden Versorgungsmängel auf Dauer festgeschrieben. Dies be- trifft die mangelhafte Schmerzthera- pie ebenso wie die Behandlung Hun- derttausender bislang unerkannter Hochdruckkranker oder die dringend verbesserungsbedürftige ambulante Rehabilitation von Schlaganfallpati- enten etwa durch Ergotherapie und Logopädie.

l Die demographische Kom- ponente, also der Ausgabeneffekt aufgrund der Alterung der Bevölke- rung, des Anstiegs der Lebenserwar- tung und der Zunahme behandlungs- bedürftiger Erkrankungen im höhe- ren Lebensalter, wurde vom Schieds- amtsvorsitzenden mit 0 Prozent be- wertet.

l Der Mengenzuwachs bei Heilmittelverordnungen wurde eben- falls mit 0 Prozent angesetzt. Damit bleibt für die Verbesserung der ambu- lanten Rehabilitation angesichts der Professionalisierung der Pflege nach Einführung der gesetzlichen Pflege- versicherung und des enormen Zu- wachses der ambulanten Operationen praktisch kein Spielraum mehr. Auf den entschiedenen Protest der KV- Vertreter hatte der Schiedsamtsvor- sitzende eine geradezu absurde Er- klärung parat: Die Heilmittelausga- ben spielten gegenüber den Arznei- mittelausgaben nur eine untergeord- nete Rolle, so daß bei der Budgetan- passung eine Berücksichtigung des Versorgungsbedarfs im Heilmittelbe- reich auch unterbleiben könne. Dabei wurde übersehen, daß bereits im Jahr 1995 die Heilmittelbudgets auf Bun- desebene wahrscheinlich um mehr als 700 Millionen DM überschritten wor- A-1872 (16) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 28–29, 15. Juli 1996

P O L I T I K AKTUELL

Arzneimittelversorgung

Die Rationierung hat begonnen!

Ende Mai fällte das Landesschiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung in Berlin eine Ent-

scheidung zum Arzneimittel- und Heilmittelbudget, die für die weitere Diskussion zur Ratio-

nierung von Gesundheitsleistungen in Deutschland von Bedeutung sein dürfte. Vorausgegan-

gen waren Verhandlungen zwischen der KV Berlin und den Krankenkassenverbänden in Ber-

lin zur Höhe des Arzneimittel- und Heilmittelbudgets für 1995. Die Kassen hatten das Schieds-

amt angerufen, nachdem die Budgetverhandlungen von ihnen abgebrochen worden waren.

(2)

den sind. Der anteilige Überschrei- tungsbetrag für Berlin wurde damit von Krankenkassen und Schiedsamts- vorsitzenden auf Dauer zu Lasten der Berliner Kassenärzte festgelegt.

Die KV Berlin wird gegen diesen völlig jenseits des Versorgungsauf- trags liegenden Schiedsspruch beim Sozialgericht Berlin klagen. Aller- dings bleibt es bis zu einer gerichtli- chen Entscheidung bei den vom Schiedsamt festgelegten Werten. Dies ist für die Berliner Kassenärzte be- drückend, da sie etwa ab Mitte des vierten Quartals anstelle der Verord- nung dem Versicherten auch gleich den Geldbetrag für das verordnete Arzneimittel oder Heilmittel mit auf den Weg geben können.

Kassen spielen mit dem Feuer

Das Beispiel Berlin zeigt, wie durch die Kassen auf kaltem Wege die Rationierung von Leistungen einge- führt werden kann. Offenkundig wur- de in diesem Verfahren auch die Doppelbödigkeit der Kassenstrate- gie: Auf politischem Parkett wird Stimmung gegen gesetzliche Lei- stungseinschränkungen gemacht, die den guten Ruf der Krankenkassen als

„Big Spender“ für alle Versicherten- wünsche schädigen könnten. Wo die Kassen selbst Verantwortung tragen (Gesundheitsförderung, Marketing, Kuren), steigen die Ausgaben dem- entsprechend Jahr für Jahr in zwei- stelliger Größenordnung. Wo hinge- gen die Verantwortung für Einschrän- kungen auf die Kassenärzte abge- wälzt werden kann, beschreiten die Kassen inzwischen ohne Rücksicht auf Versorgungsnotwendigkeiten den Weg eben dieser schonungslosen Ra- tionierung.

Die Krankenkassen spielen mit dem Feuer, und nur die Ärzte sollen sich die Finger verbrennen. Dieses Spiel kann so nicht aufgehen. Die Ärz- te werden ihren Patienten sagen müs- sen, wer die sich ankündigende Ratio- nierung von Gesundheitsleistungen tatsächlich zu verantworten hat.

Dr. med. Roderich Nehls 1. Vorsitzender der KV Berlin Bismarckstraße 95/96

10625 Berlin

Die Arzneimittelprüfung am Menschen ist ein zentraler Baustein im Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel und für Indikationser- weiterungen bereits bekannter Wirk- stoffe. Derartige Prüfungen erfolgen bislang in der ganz überwiegenden Zahl in Krankenhäusern, Univer- sitätskliniken und klinischen Prüfein- richtungen. Jedoch gibt es nach Aus- sagen verschiedener pharmazeuti- scher Unternehmen auch einen er- heblichen Bedarf an qualifizierten, niedergelassenen Ärzten, die bereit sind, solche Prüfungen im Rahmen der ambulanten Versorgung durchzu- führen.

Versuche, Multicenterstudien in ambulanten Praxen zu forcieren, sind bislang häufig an Abgrenzungspro- blemen zwischen vertragsärztlicher Tätigkeit und Studie, aber auch an der mangelnden Qualifikation der teil- nahmewilligen Ärzte gescheitert. So sind unter anderem folgende Dinge im Zusammenhang mit der Arznei- mittelprüfung zu beachten:

1 Die Beachtung der erweiter- ten Aufklärungsverpflichtung ge- genüber dem Patienten verhindert spätere haftungsrechtliche Probleme.

1 Patientenauswahl, Datener- hebung und Dokumentation sind ex- akt nach Vorgaben des Prüfplans nachzuvollziehen, um eine Zusam- menführung mit den Ergebnissen an- derer Prüfzentren zu ermöglichen.

1 Konflikte mit den Kranken- kassen sind programmiert, wenn aus Unkenntnis des gesetzlichen Lei- stungsumfangs Fehlabrechnungen re- sultieren.

Neben der wissenschaftlichen Arbeit kann aber auch die wirtschaft- liche Komponente für den niederge- lassenen Arzt von Interesse sein. Für seine Arbeit als Prüfarzt erhält der Arzt nämlich ein Honorar. Kosten, die im unmittelbaren Zusammen- hang mit der klinischen Prüfung ent- stehen, werden vom Auftraggeber

der jeweiligen Studie getragen. Zu- gleich ist damit eine Entlastung des Labor- und Arzneimittelbudgets ver- bunden.

Einige pharmazeutische Unter- nehmen haben signalisiert, daß sie aus Gründen der Qualitätssicherung zu- künftig gezielt auf solche niedergelas- senen Ärzte zugehen werden, die eine entsprechende Qualifikation im Rah- men einer Fortbildung der Bundes- ärztekammer erworben haben.

Fortbildung durch die Bundesärztekammer

Ein solches Fortbildungsange- bot zur klinischen Arzneimittelprü- fung unterbreitet die Bundesärzte- kammer vom 23. bis 27. September 1996 auf ihrem dritten Fortbildungs- seminar in Würzburg (siehe dazu auch „Bekanntgaben“ in diesem Heft). In Zusammenarbeit mit der Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft, der Österreichi- schen Ärztekammer und der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung vermittelt die Bundesärztekammer den Kursteilnehmern die gesetzli- chen, administrativen, ethischen und wissenschaftlichen Grundlagen zur Durchführung klinischer Arzneimit- telprüfungen.

Die Teilnehmer an dem Fortbil- dungsangebot (Zielgruppe sind nie- dergelassene Ärztinnen und Ärzte mit Interesse an der Arzneimittelprü- fung) erhalten von der Bundesärzte- kammer eine Bescheinigung über die Teilnahme – beziehungsweise ein Zertifikat für die regelmäßige und er- folgreiche Teilnahme an der Kursfort- bildung.

Das Programm des nächsten Würzburger Fortbildungsseminars kann angefordert werden bei: Bun- desärztekammer, Dezernat Fortbil- dung und Gesundheitsförderung, Postfach 41 02 20, 50862 Köln. MR A-1873

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 28–29, 15. Juli 1996 (17)

Arzneimittel

Klinische Prüfung

in der Arztpraxis

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Hammans ist im übrigen nicht zuzu- stimmen, wenn er feststellt (11), es sei sachgemäß, wenn über ausste- hende Neuzulassungen in den ver- schiedenen wissenschaftlich-ärztli-

Er schreibt zwar darüber keine Arbeiten und macht keine Statisti- ken, aber er weiß, wie unzuverlässig manche Patienten sind, wie sehr das Einnahmeverhalten von der Art der

So sei davon auszu- gehen, dass die regionalen Abwei- chungen von den bundesweiten Ori- entierungspunktwerten nicht allzu groß ausfallen werden, denn: „Bay- ern ist mehr als

Nicht zuletzt deshalb würden wohl auch zwei Prozent der deutschen Ärzte ange- ben, bereits aktive Euthanasie durchge- führt zu haben.. Fast allen Patienten könne allerdings mithilfe

Januar und die Bot- schaft ist klar: Nichtverschreibungs- pflichtige Arzneimittel sind nur noch bei schwerwiegenden Erkrankungen verordnungsfähig, wenn sie zum Thera-

Das Projektteam hat daher zwei FaBA-Versionen entworfen, die sich an Patienten mit wenig oder mehr Bewegungserfahrung respektive Bewegungsmotivation wenden: Für

Für den Vergleich der Nutzen-Risiko-Bilanz eines neuen gegenüber eines etablierten Arzneimittels, muss zudem in Betracht gezogen werden, dass Risi- ken, die gegebenenfalls erst

Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Kooperation von BfArM und anderen Institutionen im Bereich der Pharmakotherapie in Zukunft entwickeln wird und inwieweit auch die