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Archiv "Rezeptfreie Arzneimittel: Scheinheilige Diskussion" (05.03.2004)

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elle Präferenzen der Versicherten mehr zum Tragen kämen. Zuvor müsse aber den Patienten „offen und ehrlich“ gesagt werden, welche Auswirkungen die Aus- grenzungen für sie hätten. Dafür sei unabdingbar, dass Transparenz auf dem Krankenversicherungsmarkt geschaffen werde. Folgekosten für die gesetzlichen Krankenkassen bei Nichtinanspruch- nahme von Gesundheitsleistungen müss- ten vermieden werden.

Hat die Politik mit dem GKV-Moder- nisierungsgesetz (GMG) ganze Kosten- blöcke aus der GKV-Erstattung gestri- chen, kommt bei der Überprüfung ein- zelner Leistungen dem neu gegründeten Gemeinsamen Bundesausschuss (wie auch seinen Vorgängergremien) eine zentrale Rolle zu. Seit dem 2. GKV- Neuordnungsgesetz von 1997 obliegt den Selbstverwaltungspartnern die Aufgabe, die vertragsärztlichen Leistungen auf ihren therapeutischen und diagnosti- schen Nutzen, ihre medizinische Not- wendigkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Negativ bewertete Leistungen dürfen nicht mehr zulasten der GKV verordnet werden. Für den stationären Bereich gilt dies seit dem 1. Januar 2000.

Kritik an Selbstverwaltung

Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Wasem, Lehr- stuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen, hat für die Hans-Böckler-Stiftung in einem zweiten Forschungsprojekt die Verfahren und Kriterien zur Bestimmung des GKV- Leistungskataloges untersucht. Sein Fa- zit: Im internationalen Vergleich sei be- sonders augenfällig, dass in Deutschland bei der Entscheidungsfindung zwischen ambulant und stationär getrennt werde.

Krankenhäuser könnten Innovationen problemlos einführen.Vertragsärzte hin- gegen bekämen Neuerungen nur be- zahlt, wenn diese vom Ausschuss positiv bewertet wurden. Diese Ungleichbe- handlung sei insbesondere mit Blick auf die Integrierte Versorgung kontrapro- duktiv. Positiv findet Wasem, dass mit dem GMG auch Patientenvertreter im Ausschuss sitzen. Trotzdem sei auch künftig mehr Transparenz bei den Ent- scheidungen nötig und eine verständli- che Übersetzung der Beschlüsse für die Patienten wünschenswert. Samir Rabbata

P O L I T I K

A

A614 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 105. März 2004

KOMMENTAR

W

ie man’s macht, macht man’s verkehrt“, dürfte sich so man- cher Vertragsarzt in den ver- gangenen Wochen gedacht haben.

Noch vor zwei Jahren heftig dafür ge- scholten, zu viele so genannte umstrit- tene Arzneimittel zu verordnen und da- mit die Arzneimittelausgaben der ge- setzlichen Krankenkassen unnötig in die Höhe zu treiben, heißt es jetzt um- gekehrt, die Ärzte verordneten nicht- verschreibungspflichtige Arzneimittel – darunter viele umstrittene – viel zu re- striktiv.

In der Tat sind die Verordnungen rezeptfreier Medikamente zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Januar gegenüber dem Vor- jahresmonat um rund 70 Prozent zurückgegangen. Denn seit dem 1. Ja- nuar werden diese Präparate grund- sätzlich nicht mehr

von der GKV be- zahlt. Ausnahmen gelten für Verord- nungen bei Kindern bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, bei Jugendlichen mit Entwicklungsstörun-

gen bis zum 18. Lebensjahr und für diejenigen rezeptfreien Präparate, die bei der Behandlung schwerwiegen- der Erkrankungen als Therapiestan- dard gelten. Welche Arzneimittel dar- unter fallen, legt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. März fest. So will es das GKV-Modernisie- rungsgesetz.

In der Übergangszeit, bis die ver- bindliche Ausnahmeliste mit Indikatio- nen und Wirkstoffen vorliegt, müssen die Ärzte selbst entscheiden – und do- kumentieren, welches rezeptfreie Arz- neimittel sie warum ausnahmsweise auf Kassenkosten verordnen. Dazu Dr.

med. Leonard Hansen, im Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zuständig für Arzneimittelfragen: „Das Gesetz gilt seit 1. Januar und die Bot- schaft ist klar: Nichtverschreibungs- pflichtige Arzneimittel sind nur noch bei schwerwiegenden Erkrankungen verordnungsfähig, wenn sie zum Thera- piestandard gehören.“ Angesichts dro- hender Wirtschaftlichkeitsprüfungen und möglicher Regresse tun die Ärzte gut daran, den gegebenen Spielraum nicht zu überschreiten – einen Spiel-

raum, für den weder der Gemeinsame Bundesausschuss noch „Panik schüren- de“ Kassenärztliche Vereinigungen, sondern allein die Politik verantwort- lich ist. Diese ist aber offenbar nicht ge- willt, in der Öffentlichkeit für die Fol- gen ihrer Entscheidungen – höhere fi- nanzielle Belastungen der Kranken – einzustehen. Aufgeschreckt durch die Entrüstung der im Rahmen der Ge- sundheitsreform vielfach geschröpften Patienten, reicht die Politik den Schwarzen Peter weiter. So fordert die Patientenbeauftragte Helga Kühn- Mengel von den Ärzten ein großzügi- geres Verschreibungsverhalten. Der- weil übt Grünen-Politikerin Antje Voll- mer massive Kritik an den Entschei- dungen des Bundesausschusses zur Ausnahmeliste. In einem Kommentar in der Zeitung „Tagesspiegel“ bezeich- net sie es als „hoch bedenklich“, dass ein Großteil der Natur- heilmittel auf dieser Liste wohl keinen Platz finden wird.

Pflanzliche, homöo- pathische und antro- posophische Arznei- mittel müssten auch weiterhin zulasten der GKV verordnet werden können, fordert sie. Dabei hat nicht der Bundes- ausschuss, sondern der Gesetzgeber den Standard gesetzt. Und wenn Natur- heilmittel, die bei schwerwiegenden Erkrankungen nicht zum Therapie- standard gehören, partout auf die Li- ste sollen, muss man das ehrlicherweise auf die eigene politisch-ideologische Kappe nehmen.

Die Krankenkassen stoßen ins selbe Horn. Angesichts massiver Versicher- tenproteste kritisieren auch sie das restriktive Verordnungsverhalten der Ärzte. Offenbar will man die Kund- schaft nicht an die Konkurrenz verlie- ren. Unglaubwürdig wird die Position allerdings dann, wenn man gleichzeitig mit ungeschmälerten Einsparungen kal- kuliert und diese auch in den regionalen Verhandlungen über die Arzneimittel- ausgabenvolumina mit den KVen an- setzt. Wird jetzt aus purem Populismus die Ausnahme zur Regel, bleibt von den anvisierten Einsparungen nicht viel übrig. Laufen die Ausgaben dann wieder aus dem Ruder, dürfte der Schuldige bereits feststehen. Heike Korzilius

Rezeptfreie Arzneimittel

Scheinheilige

Diskussion

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