Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen Nebentätigkeiten
Seinen "Bemerkungen" hat der Bundesgerichtshof einige Rechen- beispiele beigefügt:
~ Bei Chefärzten in Krankenhäu- sern komme es vor, daß die jährli- chen Bruttoeinnahmen aus Neben- tätigkeiten eine Million DM über- schritten, bei Röntgenfachärzten und Chirurgen, die auf den Einsatz medizintechnischer Geräte ange- wiesen sind, werde bisweilen die 1 ,5-Millionen-Marke erreicht.
~ Nach einem Bericht des Instituts für Wehrmedizinalstatistik für das Jahr 1979 seien von 770 000 ambu- lant behandelten Soldaten nur 220 600 von Sanitätsoffizieren, der Rest von zivilen Fachärzten versorgt worden. Bei den zivilen Ärzten habe dies Ausgaben von rund 40,4 Millio- nen DM verursacht.
~ Insgesamt hätten von 160 Sani- tätsoffizieren, die in ihren Diensträu- men Zivilpatienten im Jahr 1979 be- handelten, 23 zusätzliche Einnah- men von über 100 000 DM eingestri- chen, vier davon sogar mP"' 400 000 DM
Hat aber der Bundesrechnungshof in seinen Angaben über die Brutto- Nebeneinnahmen der Ärzte und Sa- nitätsoffiziere berücksichtigt, .
~ wieviel Nutzungsentgelt davon je- weils an den Dienstherrn abfloß,
~ welche Nebenkosten dem Arzt au- ßerdem entstanden,
~ daß ein Gutachten oft nicht von einem allein erstellt wird, sondern daß Mitarbeiter mit Teilaufgaben be- traut werden, die mit Recht ebenfalls eine Vergütung verlangen?
Die Berufsalternativen außerhalb des staatlichen Gesundheitsberei- ches machen dem Staat zu schaffen: So sollen etwa 30 Prozent aller Plan- stellen bei Rentenversicherungsträ- gern, Sozialgerichten und ähnlichen Institutionen unbesetzt sein. Die Stadt Berlin hat sich unlängst da- durch ausgeholfen, daß sie nieder- gelassene Ärzte zusätzlich als Gut-
achter heranzog. ck
THEMEN DER ZEIT
Vorerst friedliche Stimmung bei den Ortskrankenkassen
Wenn auch weiterhin die Ausgaben der Krankenkassen für Kranken- hausbehandlung nicht der Grund- lohnentwicklung folgen und die an- gestrebte, dem ambulanten Bereich entsprechende, Einbindung in die Empfehlungen der Konzertierten Ak- tion scheitert, dann werden "selbst Kostendämpfungsbemühungen in jenen Bereichen, in denen unmittel- bare vertragliche Beziehungen zwi- schen Krankenkassen und Lei- stungserbringern bestehen, sich nicht durchsetzen lassen". Dfese Befürchtung äußerte der Vorstands- vorsitzende des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen (BdO), Dr.
Detlef Balzer, in einem Pressege- spräch. Er appellierte, mit Blick auf das "Krankenhauskostendämp- fungsgesetz" und den Bundesrat,
"diesen Eckpfeiler für die Erhaltung
von Beitragsstabilität · nicht ins Schwanken zu bringen". Baizer sprach damit eine auch für seinen Verband heikle Frage an: Wie lange läßt sich die bisher gemeinsam von den Selbstverwaltungen der Kassen und der Kassenärzte verfolgte Poli- tik der Kostendämpfung auf vertrag- licher Basis fortsetzen, wenn Opfer immer wieder nur für den ambulan- ten Bereich verlangt werden, der
stationäre Bereich aber ausgeklam-
mert bleibt?
Der Bundesverband der Ortskran- kenkassen setzt derzeit betont auf eine friedliche, vertraglich fixierte Strategie. Das zeigte sich zuletzt noch bei Verhandlungen über ein Stillhalten bei den Honoraren bis Ende 1982. Mit den Ärzten wurde vertraglich eine Bundesempfehlung vereinbart. Bei den Zahnärzten kam es zu einer Pressemitteilung, daß die geltenden Verträge bis Ende des Jahres 1982 weiterlaufen, nicht aber zu dem vom BdO angestrebten förmlichen Stillhalteabkommen (bis Mitte 1983!).
BdO-Geschäftsführer Dr. Franz-Jo- sef Oldiges erklärte dazu vor der
Presse, man hätte die Verhandlun- gen auch spektakulär platzen lassen können; aber dann wäre das Klima zwischen den Verhandlungspart- nern verdorben worden. Das liege nicht im Sinne seines Verbandes. Auch auf dem Arzneimittelsektor strebe man Kostendämpfung auf dem Wege freiwilliger Bemühungen an. Die Industrie sei ernsthaft bereit, erkannte Oldiges an, dabei mitzuma- chen. Würde der BdO gesetzliche Regelungen auch für den Pharma- bereich fordern, würde man die jetzt verhandlungsbereite Industrie nur verschrecken.
Das Kostendämpfungsergänzungs- gesetz (KVEG) wird der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus dem Defizit heraushelfen. Nach einer gro- ben Schätzung des BdO wird das Gesetz zwar 1,28 Milliarden DM an Einsparungen ermöglichen, ande- rerseits aber finanzielle Mehrbela- stungen in Höhe von 550 Millionen DM bringen. Berücksichtige man, daß 1981 voraussichtlich ein Defizit von 1,1 Milliarden DM entstehe, er- gebe sich 1982 für die gesetzliche Krankenversicherung ein Fehlbetrag von rund 400 Millionen DM, rechnet der BdO vor.
Konzentration auf das medizinisch Notwendige
Der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes, Altred Schmidt, vom DGB (er wechselt turnusmäßig mit Balzer, der die Arbeitgeberseite ver- tritt, im Vorsitz ab) äußerte sich bei dem Pressegespräch zu künftigen strukturellen Änderungen in der ge- setzlichen Krankenversicherung.
Nach seiner Auffassung
I> sollte die Selbstverwaltung in die
Lage versetzt werden, die Ausga- benentwicklung so zu steuern, daß sie mit der Einkommensentwicklung im Lot gehalten werden kann;
2406 Heft 50 vom 10. Dezember 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT
Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen Ortskrankenkassen
C> sollten alle Möglichkeiten zur Er-
höhung der Effektivität und Effizienz ausgeschöpft werden. ln einzelnen Leistungsbereichen habe sich die Versorgung auf die jeweils teuerste Versorgungsform konzentriert, er- klärte Schmidt. Dem sei - als Bei- spiel erwähnte er die Prothetik - durch Standards abzuhelfen;
C> muß die Prävention ausgebaut
werden. Dabei seien nicht nur die individuellen Lebensgewohnheiten, sondern auch Einflüsse aus Arbeits- und Freizeitbereich zu beeinflussen;
C> muß in der ambulanten ärztli-
chen Versorgung dem Hausarzt wie- der eine stärkere Position einge- räumt werden; auch die ambulanten Dienste seien auszubauen;
C> muß schließlich schärfer abge-
grenzt werden "zwischen dem, was von der Solidargemeinschaft als Krankheit finanziert wird, und dem, was von dem einzelnen selbst im Rahmen der allgemeinen Lebens- führung bezahlt werden muß. Wir werden uns also stärker auf das me- dizinisch Notwendige konzentrieren müssen".
Den Ortskrankenkassen liegt selbst- verständlich auch weiterhin daran,
"Verwerfungen" zwischen den Kas-
sen und Kassenarten (gemeint ist die Konkurrenz der Ersatzkassen) zu beseitigen. Die skizzierten struktu- rellen Änderungen müßten - ver- steht man Schmidt richtig - nicht unbedingt durch das für 1984 ge- plante Strukturgesetz eingeleitet werden. Auch bereits bestehende In- strumente sollen genutzt werden. So deutete Schmidt an, die hausärztli- che Versorgung könne auch mit Hil- fe der Bedarfsplanung nach dem
, , Kran kenversiche ru ngswe iterent- wicklungsgesetz" gefördert werden.
Schmidts Auffassungen über die Prävention wurden von seinem Vor- standskotlegen Baizer nicht völlig geteilt; Differenzen dürfte es unter anderem darüber geben, ob die pri- märe Prävention (Arbeits- und Um- weltschutz) Sache einer Krankenver- sicherung sein kann. Balzer: Das al- les sei innerhalb des ·Verbandes noch keineswegs ausdiskutiert. NJ
TAGUNGSBERICHTE
Sparopfer - und kein Ende?
Verband der niedergelassenen Ärzte:
Lasten in Staat und Krankenversicherung gerechter verteilen
Die im Verband der niedergelasse- nen Ärzte Deutschlands (NAV) orga- nisierten Kassenärzte sind es leid, erneut für Versäumnisse und Sün- den anderer als die "Hauptgeschun- denen" büßen zu sollen. Vor dem Hintergrund der Schlußberatungen der von allen ärztlichen Körper- schaften und Organisationen einhel- lig kritisierten Kostendämpfungsge- setze (KVEG und KKG) bot die NAV- Bundeshauptversammlung 1981 (vom 13. bis zum 15. November in Köln) Gelegenheit, mit dem Bonner Gesetzgeber eine "Generalabrech- nung" vorzunehmen.
Sowohl der Bericht des NAV-Bun- desvorsitzenden Dr. med. Kaspar Roos (Köln) als auch die zahlreichen engagierten Diskussionsbeiträge der 60 Delegierten und die öffentli- che Diskussionsveranstaltung zum Auftakt der NA V-Tagung waren nicht gerade arm an Unmutsbekundun- gen und Protestresolutionen. Den Delegierten gab Dr. Roos in seinem Lagebericht die Marschzahl mit auf den Weg: An vielen Indikatoren ver- deutlichte der Verbandschef, wie der Staat mit vielen dirigistischen
"Paragraphenschauern" und mit fa-
denscheinigen Begründungen ver- suche, sich aus dem selbstverschul- deten "finanz- und sozialpolitischen
Tief" mit Hilfe anderer herauszuzie-
hen. Noch gravierender als die mate- rielle Tragweite der beiden Kasten- dämpfungsnovellen sei der folgen- trächtige politische Aspekt zu wer- ten: Ganz deutlich werde der Trend zur Vereinheitlichung und Nivellie- rung des Gesundheitswesens ver- stärkt. Es sei fadenscheinig, die Ver- sicherungsbeiträge mittelfristig sta- bil halten zu wollen, wenn gleichzei- tig in die Zuständigkeit der Selbst- verwaltung von Krankenkassen und Ärzteschaft eingegriffen und der oh- nehin große Einfluß der Ministerial- bürokratie auf das Krankenversiche-
rungs- und Krankenhauswesen wei- ter verstärkt werden solle. Viele Ge- setzesinitiativen, nicht nur die K-Ge- setzgebung, sondern auch der Ent- wurf einer zu novellierenden Gebüh- renordnung für Ärzte (GOÄ) deute- ten darauf hin, daß die Rechtsangtei- chung beziehungsweise Gleich- schaltung von RVO- und Ersatzkas- sen und neuerdings auch der priva- ten Krankenversicherung zum Prin- zip erhoben werde - mit der Folge, daß von der gegliederten Kranken- versicherung bald nur noch die Fas- sade bestehen bleibt.
~ Statt einseitig Opfer zur Behe- bung der Finanzkrisen des Staates und der desolaten Sozialkassen zu verlangen, sollten die Solidaritäts- opfer künftig vielmehr gleichmäßi- ger auf alle Schultern der Bürger und Gruppen verteilt werden, lautete das einmütige Votum der Dele- gierten.
"Notopfer" der Kassenärzte Die NAV-Hauptversammlung stellte fest, daß sich die in eigener Praxis tätigen Kassenärztetrotz weiter stei- gender Praxiskosten zu einem spür- baren Honorarverzicht von weit mehr als einer halben Milliarde DM bis Ende 1982 nur deshalb bereitge- funden hätten, weil sie sich ver- pflichtet fühlten, einen Solidaritäts- beitrag zur Sanierung der gesetzli- chen Krankenversicherung zu lei- sten.
Wenn der Gesetzgeber allerdings diese erhebliche Entlastung der
"kranken" Krankenkassen infolge
des Honorarverzichts dazu mißbrau- chen sollte, andere Finanzlöcher im Haushalt zu stopfen, so empfänden die Kassenärzte dies als einen "fla- granten Verstoß gegen Treu und
Glauben".
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2408 Heft 50 vom 10. Dezember 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT