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Archiv "Krankenkassen im internationalen Wettbewerb: Das Europa-Urteil - und die Folgen" (26.06.1998)

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platz wirkten, sonst wisse man nicht, wo und wie man etwas verändern könne. Er selbst lebe nach dem Mot- to „Ich will Schmerz sofort“. Damit sei gemeint, daß man Veränderungen besser selbst in Angriff nehme, statt auf die Aufforderung von außen zu warten.

Veränderung gehe in der Regel mit der Instabilität einher. Instabilität sei eine notwendige Voraussetzung für Neuordnung, aber nur als Über- gangssituation sinnvoll. Deswegen riet er, in Phasen der Veränderung gleichzeitig formale Stabilität zu wahren: Arbeitsbesprechungen sehr pünktlich einhalten, einen Endpunkt für die anstehenden Maßnahmen an- setzen und ähnliches.

Konkrete Ansätze in den einzelnen Workshops

In den Workshops des Symposi- ums ging es mehr um konkrete Wege, Wandel zu bewältigen. Einer davon war dem Thema „Evolution im Pra- xismanagement“ gewidmet. Als Mo- saiksteine einer beruflichen Vision vieler Ärzte beschrieb der Leiter des Workshops, Dr. med. Bastian Stein- berg, optimale Patientenversorgung, angemessene Honorierung, erträgli- che Arbeitszeiten.

Steinberg ermutigte die Teilneh- mer, sich zu überlegen, was sie ändern wollten und wie ihr Weg dorthin aus- sehe. Als Beispiel dafür, daß es keine Patentmuster gebe, zitierte er aus dem Kinderbuch „Alice im Wunderland“:

An einer Stelle frage Alice, wo der

„richtige Weg“ sei, und bekomme die Antwort: „Das kommt darauf an, was Dein Ziel ist.“ Konkret wurden Wünsche der Teilnehmer und Umset- zungsmöglichkeiten besprochen. In diesem Workshop wie im Verlauf des Symposiums wurde aber auch disku- tiert, ob es dem Arzt beziehungsweise der Ärztin wirklich möglich ist, die ei- genen Arbeitsbedingungen zu verän- dern – oder ob dies im Grunde nur Sy- stemveränderungen in größerem Stil ermöglichen können. Sabine Rieser

A-1663 Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 26, 26. Juni 1998 (31)

T H E M E N D E R Z E I T TAGUNGSBERICHT/AUFSÄTZE

ürger der Europäischen Union können sich auch außerhalb ihres Heimatlandes in einem Mitgliedsstaat zahnärztlich behandeln lassen oder Heil- und Hilfsmittel er- werben. Die Krankenkassen dürfen die Erstattung der dadurch entstande- nen Kosten nicht von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen. Das hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden (Urteile vom 28. April 1998 – C-120/95 und C- 158/96) (vgl. Deutsches Ärzteblatt, Heft 19/1998 „Leitartikel“).

Sonderregelung

Was ist jetzt zu tun? Bundesge- sundheitsminister Horst Seehofer for- dert eine nationale Sonderregelung;

der Präsident der Bundesärztekam- mer, Karsten Vilmar, befürwortet eine Europäische Gesundheitscharta. Die KBV fordert Einschränkungen, wenn das finanzielle Gleichgewicht bedroht sei. Das alles deutet eher auf eine For- derung nach nationalen Alleingängen hin, die Wettbewerbsabschottung er- reichen möchten, was auf Dauer in Europa nicht mehr möglich ist, oder nach europäischen Beschlüssen, bei denen die „Billiganbieter“ dann doch in der Mehrheit sind. Die Bedrohung des finanziellen Gleichgewichtes ab- zuwarten und dann eine solche bewei- sen zu wollen ist ein nur wenig realisti- scher Ausweg.

Seit seiner Gründung und insbe- sondere seit der öffentlich-rechtlichen Stellung der KVen Anfang der 30er Jahre bietet das deutsche Gesund- heitswesen seinen „Kunden“ zweier-

lei „Leistungen“ an. Da ist einmal die Versorgung der Patienten mit medizi- nischen Leistungen der verschieden- sten Arten, also ambulanten und sta- tionären Leistungen, Medikamenten usw. Dies sind Leistungen an den ein- zelnen, dem geholfen werden soll, al- so an den einzelnen Patienten; die Ökonomik spricht hier von „Individu- algütern“. Sie werden honoriert durch Entgelte, die direkt oder über die Kassen fließen, also Honorare, Tages- sätze, Preise usw.

Daneben bietet das deutsche Ge- sundheitswesen aber noch andere Leistungen an: Sicherstellungen. Es stellt durch den sogenannten Sicher- stellungsauftrag an die Anbieter si- cher, daß Gesundheitsleistungen je- derzeit, also rund um die Uhr, rund um den Kalender, überall, also flächendeckend, in ausreichender Zahl, hoher Qualität, dem wissen- schaftlichen Fortschritt entsprechend (Fortbildung) und wirtschaftlich zur Verfügung sind. Das ist ein Angebot an die ganze Bevölkerung, also nicht nur an die gegenwärtigen, sondern auch an die künftigen Patienten – und das sind alle. Die Ökonomik spricht hier von „Kollektivgütern“, die das Kollektiv und nicht nur der einzelne konsumiert. Die Vorhaltung dieser Leistungen verursacht Kosten, meist auch Vorhaltekosten für Überkapa- zitäten, die honoriert werden müssen.

Bisher gab es wenig Anlaß, die Entgelte für Individual- und für Kol- lektivgüter zu trennen und getrennt abzurechnen. Das ist auch in aller Reinheit letztlich nicht aufzudröseln, und so unterblieb diese Aufschlüsse- lung mit Recht. Künftig wird das nicht

Krankenkassen im internationalen Wettbewerb

Das Europa-Urteil – und die Folgen

Das Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs

kann tiefgreifende Folgen auslösen. Die Sicherstellung der Gesundheitsleistungen muß bezahlt werden.

Philipp Herder-Dorneich

B

Zum Symposium erscheint ein Kongreßband

„Angst vor dem Wandel – Die Heilkultur wie- derbeleben“. Bestellungen über: Humanisti- scher Verband Deutschlands, Hobrechtstraße 8, 12043 Berlin, Kosten: rund 15 DM.

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mehr angehen. Denn die ausländi- schen Anbieter nehmen am deutschen Sicherstellungsauftrag nicht teil, son- dern können sich als „Rosinenpicker“

betätigen, und ebenso entziehen sich diejenigen, die sich im Ausland kurie- ren lassen, dem Entgelt für den deut- schen Sicherstellungsauftrag.

Sicherstellung hat ihren Preis

Die Honorar- und Kostenerstat- tungssätze der deutschen Kranken- kassen, so wie sie gegenwärtig vorlie- gen, können nur für die Teilnehmer am deutschen Sicherstellungsauftrag gelten. Für andere Leistungen, also für solche von ausländischen Anbietern, können diese Honorare und Sätze nur mit einem Abschlag gezahlt werden.

Dieser Abschlag für „Nichtteilnahme am deutschen Sicherstellungsauftrag“

kann in etwa berechnet werden, muß aber letztlich fixiert und ausgehandelt werden. Aushandlungspartner sind dabei die Vertreter der Institutionen, die den Sicherstellungsauftrag über- nehmen und geben, also KVen, Kran- kenhausplanung usw. Ein erster An- satz für ein Entgelt in dieser Richtung findet sich übrigens gegenwärtig im

„Sonderopfer Krankenhaus“, das von jedem Kassenmitglied für die Zeit von 1997 bis 1999 gefordert wird und das der Sicherstellung der Krankenhaus- vorhaltekosten dient.

Wie hoch die Sicherstellungsko- sten sind, darüber gibt es noch wenig Hinweise und Berechnungen. Eines jedoch ist sicher: Sie sind höher, als man gemeinhin denken möchte. Neh- men wir also einmal an, die Kosten der Sicherstellung von medizinischer Versorgung, Qualität und Wirtschaft- lichkeit betrügen ein Viertel der Ge- samtleistungen, so wäre also ein Vier- tel von den Kostenerstattungen für ausländische Leistungen abzusetzen.

Im europäischen Wirtschafts- raum und insbesondere in „Euro- land“ kann und soll die Mobilität der Europäer nicht behindert werden. Ei- ne medizinische Behandlung im Aus- land darf nicht diskriminiert werden.

Deshalb ist den ausländischen Anbie- tern vom deutschen Gesundheitswe- sen aus anzubieten, ihrerseits am deutschen Sicherstellungsauftrag teil-

zunehmen und gegen entsprechende Auflagen, Garantien und Gebühr ei- ne Lizenz als „Mitglied des deutschen Gesundheitswesens zur Sicherstel- lung der medizinischen Versorgung“

zu erwerben. Für die ausländischen Anbieter wäre der Erwerb einer sol- chen Lizenz ein beträchtliches Werbe- potential, weil es den Deutschen im Ausland, aber auch allen anderen dort zeigt, daß hier die Bemühung um Qualität, Fortbildung und wissen- schaftliches Niveau der Versorgung und um Betreuung in deutscher Spra- che und Kundenservice garantiert und kontrolliert wird wie zu Hause in Deutschland. Das können sich die Anbieter mit einer Lizenzgebühr et- was kosten lassen. Für die Patienten bedeutet es eine Beruhigung, sich in die Behandlung eines zuverlässigen Partners begeben zu können, was eine Zusicherung ist, die im Ausland nicht vorausgesetzt werden kann.

Ein Lizenzerwerb auf Dauer setzt voraus, daß der Anbieter einen gewis- sen Mindestanteil an deutschen Pati- enten pro Jahr versorgt. Er wird also im Effekt nur dort möglich sein, wo es eine „Deutsche Kolonie“ gibt, also in Großstädten und typischen Ferienge- bieten.

Fairer Wettbewerb

Der Wettbewerb der ausländi- schen Anbieter mit dem deutschen Gesundheitswesen wird beide Teile anspornen. Er wird zunächst einmal zu einer Diskussion führen, was nun eigentlich „Sicherstellung“ bedeute, wie sie herbeigeführt und garantiert werden könne, was sie koste und ko- sten dürfe. Eine solche Diskussion wird vielen Partnern im Ausland zei- gen, wo ihre Schwächen im Vergleich zum deutschen Angebot liegen; sie kommt aber auch dem deutschen Ge- sundheitswesen zugute, weil ja auch hier nicht alles befriedigend geordnet ist, so vor allem die Qualitätssiche- rung. Wie also ist gleichbleibend ho- hes, flächendeckendes Niveau durch Lizensierung sicherzustellen?

Wettbewerb ist der Antrieb und der Garant des Wohlstandes. Durch Globalisierung und insbesondere durch Integration in „Euroland“ wird der Wettbewerb angespornt – auch im

Gesundheitswesen. Er kann aber sei- ne segensreiche Wirkung nur entfal- ten, wenn er „fair“ ist, das heißt, wenn er chancengleich geordnet wird. Wett- bewerbsentfaltung setzt Wettbewerbs- ordnung voraus. Wer Kosten für die Leistung „Sicherstellung“ zu tragen hat, vermag nicht effizient mit solchen zu konkurrieren, die sich dem entzie- hen können. Deshalb ist diese Kosten- differenz auszugleichen. Nicht Ab- schottung vor dem Wettbewerb, son- dern Organisation eines fairen Wett- bewerbs muß also die Forderung sein.

Die Vorstellung, daß „Leistungen“

und „Sicherstellung“ zwei verschiede- ne Angebote sind, die je für sich zu honorieren sind, ist sehr einfach.

Da ist zunächst einmal die Unter- scheidung zwischen „Individualgü- tern“ und „Kollektivgütern“. Der Be- griff der „Vorhaltekosten“ bringt sie nicht genügend zum Ausdruck.

Hierüber informiert die „Neue Politi- sche Ökonomie“, für deren Grundle- gung sich der Verfasser eingesetzt hat.

In Hinblick auf Wettbewerb, ins- besondere den Wettbewerb um Kollektivgüter, sollte man zwischen der (alt)liberalen Wettbewerbstheo- rie à la Friedrich August von Hayek, die gegenwärtig weithin vorherr- schend ist, und der neoliberalen à la Walter Eucken unterscheiden. Hayek fordert schlicht Öffnung aller Gren- zen (Abschottungen) und nimmt an, daß sich dann Wettbewerb von selbst („spontan“) ergebe. Eucken fordert demgegenüber sorgfältige Ordnung eines chancengleichen Wettbewerbs durch „Ordnungspolitik“. Ihm schließt sich der Verfasser an. Das Instrument der Lizensierung findet sich im Neoli- beralismus nicht. Es beruht auf der

„Theorie der Scheine“, die zusammen mit der „Theorie der sich selbst steu- ernden Regelkreise“ Bestandteil der

„Ökonomischen Systemtheorie“ ist.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-1663–1664 [Heft 26]

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. rer. pol.

Philipp Herder-Dorneich em. Ordinarius für Sozialpolitik an der Universität zu Köln Bernhardstraße 31 a 76530 Baden-Baden A-1664 (32) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 26, 26. Juni 1998

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Referenzen

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