Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht
154Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Direktoren:
Jürgen Basedow, Klaus J. Hopt und Reinhard Zimmermann
ARTIBUS
Petra Zobel
Schiedsgerichtsbarkeit und Gemeinschaftsrecht
Im Spannungsverhältnis zwischen Integration und Exklusion
Mohr Siebeck
Petra Zobel, geboren 1972; Bankkauffrau; Studium der Rechtswissenschaften in Greifs- wald und Lancaster (GB); wiss. Mitarbeiterin an der Universität in Greifswald; 2005 Promotion; 2003-05 Rechtsreferendarin am Hanseatischen Oberlandesgericht Ham- burg.
ISBN 3-16-148765-6
ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht)
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio- graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© 2005 Mohr Siebeck Tübingen.
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Das Buch wurde von Guide Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck- papier gedruckt und von der Buchbinderei Held in Rottenburg gebunden.
978-3-16-158494-7 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechts- und Staatswissenschaftli- chen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald im Sommer- semester 2004 unter dem Titel „Schiedsgerichtsbarkeit und Gemeinschafts- recht - Integration und Exklusion - Die Nordsee- und die Eco Swiss/
Benetton-Entscheidung im Diskurs" als Dissertation angenommen. Für die Druckfassung konnten Rechtsprechung und Literatur bis August 2005 be- rücksichtigt werden.
Der wesentliche Teil dieser Arbeit entstand in Greifswald während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Rechtsvergleichung und Rechtsharmonisierung im Ostseeraum (Gerd Bucerius-Stiftungsprofessur) bei Herrn Prof. Dr. Helmut Heiss, LL.M. (Chicago). An seinem Lehrstuhl hatte ich den Freiraum und auch das Umfeld, die Dissertation zu erstellen. Zugleich konnte ich einige Mo- nate die Bibliothek des Max-Planck-Instituts für ausländisches und interna- tionales Privatrecht in Hamburg nutzen. Während dieser Zeit hatte ich phantastische Arbeitsbedingungen und auch die besten Gesprächspartner.
Herr Prof. Dr. Helmut Heiss, LL.M. (Chicago) hat als Doktorvater die Ar- beit betreut und gefördert. Herr Prof. Dr. Stefan Habermeier hat im Rah- men des Promotionsverfahrens an der Rechts- und Staatswissenschaftli- chen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald das Zweit- gutachten erstellt. Ihnen und allen anderen, die mir geholfen haben, mein herzlicher Dank. Besonders danke ich Herrn Prof. Dr. Jürgen Basedow, LL.M. (Havard Univ.) für die Aufnahme meiner Arbeit in dieser Schriften- reihe.
Ein besonderer und herzlicher Dank gilt meinen Eltern, Katharina und Peter Zobel, für ihre Gelassenheit und ihr Vertrauen und die mir zu jeder Zeit gewährte Freiheit. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.
Greifswald/Hamburg im August 2005
Inhaltsübersicht
Vorwort V Inhaltsverzeichnis IX
Abkürzungsverzeichnis XV
Einleitung 1 A. Einführung: Begriff der privaten Schiedsgerichtsbarkeit 1
B. Schiedsgerichtsbarkeit - Rechtssicherheit und
Rechtseinheitlichkeit 2 C. Anerkennung der Schiedsgerichtsbarkeit 5
D. Problemaufriss - Integration und Exklusion 6
E. Gang der Untersuchung 8 1. Kapitel: Europäisches Kollisionsrecht
Das EG-Schuldvertragsübereinkommen und die
internationale Schiedsgerichtsbarkeit 11
A. Problemstellung 11 B. Art. 3 ff. EVÜ und Art. 28 UNCITRAL-Modellgesetz -
der Spagat des deutschen Gesetzgebers 14 I. Rechtswahl durch die Parteien 15 II. Objektive Anknüpfung durch das Schiedsgericht 15
III. Billigkeitsentscheidungen 17 IV. Verbraucher- und Arbeitsverträge 18
C. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Bindung des Gesetzgebers
an das EG-Schuldvertragsübereinkommen 20
I. Derzeitiger Meinungsstand 20 II. Kritische Würdigung 27 III. Eigener Ansatz: Auslegung des EG-Schuldvertrags-
übereinkommens 38 IV. Ergebnis und Ausblick 107 D. Ergebnis: Exklusion der Schiedsgerichtsbarkeit 107
2. Kapitel: Einbindung der Schiedsgerichtsbarkeit in die europäische Gemeinschaftsrechtsordnung Die Nordsee-
und die Eco/Swiss-Benetton-Entscheidung 109
VIII Inhaltsübersicht
A. Bindung der Schiedsgerichte an das Europäische
Gemeinschaftsrecht 109 I. Geltung, Vorrang und Unmittelbarkeit des Europäischen
Gemeinschaftsrechts 109 II. Konsequenz für die staatlichen Gerichte 111
III. Konsequenzen für die Schiedsgerichte 112
IV. Ergebnis 116 B. Vorlageberechtigung der Schiedsgerichte nach Art. 234 EGV 120
I. „Gericht eines Mitgliedstaats" - die Ansicht des EuGH 120
II. Verweigerung der Vorlageberechtigung: Kritik 141 III. Die Vorlageberechtigung der Schiedsgerichte:
eigene Ansicht 174 IV. Ausgestaltung der Vorlagemöglichkeit nach Art. 234 EGV 192
V. Lokalisierung: „Gericht eines Mitgliedstaats" 196 VI. Die Reform der europäischen Gerichtsbarkeit und die
Schiedsgerichtsbarkeit 206 C. Ergebnis: Integration und Exklusion der Schiedsgerichtsbarkeit...^ 12
Literaturverzeichnis 215 Anhang I: internationae Rechtsquellen 239
Anhang II: nationale Rechtsquellen 241
Sachverzeichnis 247
Inhaltsverzeichnis
Vorwort V Inhaltsübersicht VII
Abkürzungsverzeichnis XV
Einleitung 1 A. Einführung: Begriff der privaten Schiedsgerichtsbarkeit 1
B. Schiedsgerichtsbarkeit - Rechtssicherheit und
Rechtseinheitlichkeit 2 C. Anerkennung der Schiedsgerichtsbarkeit 5
D. Problemaufriss - Integration und Exklusion 6
E. Gang der Untersuchung 8 1. Kapitel: Europäisches Kollisionsrecht
Das EG-Schuldvertragsübereinkommen und die internationale
Schiedsgerichtsbarkeit 11 A. Problemstellung 11 B. Art. 3 ff. EVÜ und Art. 28 UNCITRAL-Modellgesetz - der Spagat
des deutschen Gesetzgebers 14 I. Rechtswahl durch die Parteien 15 II. Objektive Anknüpfung durch das Schiedsgericht 15
III. Billigkeitsentscheidungen 17 IV. Verbraucher- und Arbeitsverträge 18 C. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Bindung des Gesetzgebers
an das EG-Schuldvertragsübereinkommen 20
I. Derzeitiger Meinungsstand 20 1. Historische Argumentation 21
a. Rückschlüsse aus den Anmerkungen des Giuliano/Lagarde-Berichts ...21
b. Schweigen des Giuliano/Lagarde-Berichts 22 2. Systematische Argumentation: Das EG-Schuldvertragsüberein-
kommen - eine „natürliche Ergänzung" des EuGVÜ 22
3. Systematisch-praktische Erwägungen 23 a. Fehlende lex fori der Schiedsgerichte und Sonderkollisionsrecht 23
b. Zweckverfehlung 24 c. Fehlende Überprüfung und Sanktionierung derSchiedsentscheidung....24
d. Schiedsgerichtsbarkeit - staatlich erlaubt, aber nicht staatlich
verantwortet 25 e. Bedeutung der Billigkeitsentscheidungen für die
Schiedsgerichtsbarkeit 26
X Inhaltsverzeichnis
f. Enger Zusammenhang des Art. 28 Abs. 3 UNCITRAL-Modellgesetz
zum schiedsrichterlichen Verfahren 26
4. Staatenpraxis 27 II. Kritische Würdigung 27
1. Wortlaut des Art. 1 EVÜ 28 2. Historische Interpretation 28
a. Ausdrückliche Aussagen im Giuliano/Lagarde-Bericht 28
b. Schweigen des Giuliano/Lagarde-Berichts 31 3. Systematische Interpretation: Das EG-Schuldvertragsüberein-
kommen - eine natürliche Ergänzung des EuGVÜ/der EuGVVO 31
4. Systematisch-praktische Erwägungen 32 a. Fehlende lex fori der Schiedsgerichte und Sonderkollisionsrecht 32
b. Zweckverfehlung 32 c. Billigkeitsentscheidungen und Bindung an das materielle Recht 33
d. Billigkeitsentscheidungen und Art. 1 Abs. 2 lit. d EVÜ 33 e. Schiedsgerichtsbarkeit - staatlich erlaubt, aber nicht staatlich
verantwortet 34 f. Fehlende Überprüfung und Sanktionierung eines Streitentscheides 35
5. Staatenpraxis 37 III. Eigener Ansatz: Auslegung des EG-Schuldvertrags-
übereinkommens 38 1. Autonome Auslegung 38 2. Einheitliche Auslegung 39 3. Der Auslegungskanon zum EG-Schuldvertragsübereinkommen -
eine Gemengelage 40 a. Auslegung nach der Wiener Vertragsrechtskonvention 40
aa Der Interpretationskanon nach der Wiener
Vertragsrechtskonvention 40 bb. Art. 4 WVK - Prinzip der Nichtrückwirkung 41
cc. Vertragspartner der Wiener Vertragsrechtskonvention
und des EG-Schuldvertragsübereinkommens 43 dd. EG-Schuldvertragsübereinkommen als traité loi 43
b. Europäische Auslegung 45 c. Rechtsvergleichende Auslegung 48 4. Im Besonderen: Die Auslegungsfrage zu Art. 1 Abs. 1 lit. d EVÜ 48
a. Grammatikalische Auslegung 49 b. Systematische Auslegung 50
aa. Die Regel-Ausnahme Konstruktion des Art. 1 EVÜ 51 bb. Der Anwendungsbereich des EG-Schuldvertragsüberein-
kommens im Kontext zur EuGVVO 52 cc. Die lex fori der Schiedsgerichte 54 dd. Das EG-Schuldvertragsübereinkommen und das Europäische
Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsge-
richtsbarkeit von 1961 55 c. Teleologische Auslegung 57 d. Historische Auslegung 58
aa. Der Giuliano/Lagarde-Bericht als unechte travaux préparatoires..58
bb. Aussagen des Giuliano/Lagarde-Berichtes 59 (a) Schiedsgerichtsbarkeit als Argumentationshilfe 59
Inhaltsverzeichnis XI
(b) Ausschluss der Schiedsvereinbarung - Die Begründung
nach dem Giuliano/Lagarde-Bericht 60 (c) Teleologische Aspekte aus dem Giuliano/Lagarde-Bericht...62
e. Ein vorausschauender Blick: Das Grünbuch über die Umwandlung des EG-Schuldvertragsübereinkommens in ein Gemeinschafts-
instrument 64 f. Art. 1 EVÜ aus rechtsvergleichender Sicht 64
g. Die „spätere Praxis" und das EG-Schuldvertragsübereinkommen 66
aa. Allgemein: Die „spätere Praxis" 67 bb. Die „spätere Praxis" als Auslegungsmethode im Völkerrecht 68
cc. Die „spätere Praxis" als Auslegungsmethode im Europäischen
Gemeinschaftsrecht 68 dd. Die „spätere Praxis" als Auslegungsmethode für
internationales Einheitsrecht 71
ee. Zwischenergebnis 72 ff. Die Konzeption der „späteren Praxis" 73
(a) Die Konzeption der „späteren Praxis" nach der Wiener
Vertragsrechtskonvention 74 (b) Die Konzeption der „späteren Praxis" für das
EG-Schuldvertragsübereinkommen 76 (1) Subjektive Konzeption 76 (2) Objektive Konzeption 76 (3) Dynamische Konzeption 77 (c) Übereinstimmung der „späteren Praxis" 78
(d) Die rechtswidrige „spätere Praxis" 79 h. Insbesondere: Die „spätere Praxis" der Vertragsstaaten zum
EG-Schuldvertragsübereinkommen 80 aa. Rechtswidrige „spätere Praxis" 81 bb. Die „spätere Praxis" zum EG-Schuldvertragsübereinkommen
in subjektiver Konzeption 81 (a) (Sonder-)Kollisionsnormen in den nationalen
Schiedsverfahrensvorschriften 81 (b) Die Reichweite der Parteiautonomie: Rechtswahl
durch die Parteien 82 (c) Die Bestimmung der lex causae durch das Schiedsgericht....82
(d) Der Weg in Schweden und Österreich 84 (e) Novellierungen nationaler Schiedsverfahrensvor-
schriften und das EG-Schuldvertragsübereinkommen 86
(f) Zwischenergebnis 88 (g) Exkurs: (Sonder-)Kollisionsnormen in den
Schiedsgesetzen der neuen EU-Mitgliedstaaten 88 cc. Die „spätere Praxis" zum EG-Schuldvertragsüberein-
kommen in objektiver Konzeption 89 (a) Die Rechtsprechung der Schiedsgerichte 89
(b) Die Rechtsprechung der staatlichen Gerichte 96
(c) Die Ansichten von Organen 98 (d) Die Ansichten im Schrifttum 99 (e) Die „spätere Praxis" als Zeichen der Vertrags-
wirklichkeit 100 (f) Zwischenergebnis 101
XII Inhaltsverzeichnis
dd. Die Präzedenzwirkung der „späteren Praxis" 101 ee. Übereinstimmung der Praxiserzeuger in der „späteren Praxis"... 102
ff. Ergebnis 102 i. Tradition und Fortschritt - Ein Versuch zur Konformität zwischen
dem EG-Schuldvertragsübereinkommen und der „späteren Praxis"
sowie der neuen Lehre 103 aa. Beachtung der neuen Lehre und geänderten Praxis - das
Sonderkollisionsrecht für die Schiedsgerichte 103
bb. Teleologische Reduktion 105 cc. Der Ermessensspielraum der Schiedsgerichte und
Art. 38 Abs. 1 c IGH-Statut 106
IV. Ergebnis und A u s b l i c k 107 D. Ergebnis: E x k l u s i o n der Schiedsgerichtsbarkeit 107
2. Kapitel: Einbindung der Schiedsgerichtsbarkeit in die europäische Gemeinschaftsrechtsordnung
D i e N o r d s e e - und die E c o S w i s s / B e n e t t o n - E n t s c h e i d u n g 109
A . B i n d u n g der Schiedsgerichte an das Europäische
Gemeinschaftsrecht 109 I. Geltung, Vorrang und Unmittelbarkeit des Europäischen
G e m e i n s c h a f t s r e c h t s 109 II. K o n s e q u e n z für die staatlichen Gerichte 111
III. K o n s e q u e n z e n für die Schiedsgerichte 112
1. Art. 10EGV 112 2. Schiedsgerichte und das materielle Recht 113
3. Entscheidung nach der lex causae eines EU-Mitgliedstaates 114
4. Entscheidung nach Billigkeitserwägungen 115 5. Entscheidung nach der lex causae eines Drittstaates 116
IV. Ergebnis 119 B. V o r l a g e b e r e c h t i g u n g der Schiedsgerichte nach Art. 2 3 4 E G V 120
I. „Gericht eines Mitgliedstaats" - die Ansicht des E u G H 120 1. Eine Gesamtschau bisher ergangener EuGH-Entscheidungen 120
2. Der Kriterienkatalog des EuGH 125 3. Private Schiedsgerichte 126
a. Die Nordsee-Entscheidung 126 aa. Die Argumentation des EuGH 128 bb. Zweifel an der „goldenen Brücke" 130 aa. Die Schlussanträge des Generalanwalts zum
Nordsee-Verfahren 132 (aa) Wortlaut des Art. 177 EGV a.F. und historische
Gesichtspunkte 132 (bb) Sinn und Zweck des Art. 177 EGV a.F 133
b. Die Eco Swiss/Benetton-Entscheidung 134 aa. Die Begründung des EuGH 135
(aa) Überprüfung des Schiedsspruchs 135
Inhaltsverzeichnis XIII
(bb) Die „goldene Brücke" in der Eco Swiss/Benetton-
Entscheidung 136 (cc) Effizienz des Schiedsgerichtsverfahrens 139
bb. Schlussanträge des Generalanwalts im Eco Swiss/Benetton-
Verfahren 139 c. Die Denuit, Cordenier/Transorient-Entscheidung 141
II. Verweigerung der Vorlageberechtigung: Kritik 141
1. Der Kriterienkatalog des EuGH 142 2. Einige Kriterien im Einzelnen 143 3. Der Wortlaut des Art. 234 Abs. 2 EGV 146 4. Die „richterliche Hilfe" - eine „goldene Brücke"? 147
a. Konsequenzen der „goldenen Brücke" 148 aa. Konsequenzen für die Schiedsgerichte 148
(a) Skepsis gegenüber den Schiedsgerichten - eine
Einschränkung ihrer Eigenständigkeit 148
(b) Verfahrensmodalitäten 150 (c) Konsequenzen für die Schiedsgerichte - die Not-
wendigkeit der „goldenen Brücke" 150 (1) Wettbewerbsrechtliche Kontrolle von
Schiedssprüchen 150 (2) Passivität des Gerichts - ex officio Überprüfung
im Schiedsgerichtsverfahren 152 (d) Das Ergebnis - ein circulus vitiosus 154
(1) Schiedsgerichte und EG-Wettbewerbsrecht 155 (2) Effizienz - ex officio - ordre public 158 (3) EG-Wettbewerbsrecht und nationales Kartellrecht 159
bb. Konsequenzen für die Parteien 160 cc. Konsequenzen für die europäische und staatliche
Gerichtsbarkeit 161 b. Reichweite der „goldenen Brücke" 162
aa. Die „goldene Brücke" als unmittelbar geltendes Recht 162
(a) Legitimation für die „goldene Brücke"? 162 (b) Umsetzungsmodalitäten für die „goldene Brücke" 164
(c) Wille des Gerichtshofs zur Normierung der
„richterlichen Hilfe"? 165 (d) Zwischenergebnis 165 bb. Die „goldene Brücke" als Verweis auf das autonome Recht 165
(a) Verweis auf das deutsche Recht 166 (b) Regelungen in anderen EU-Mitgliedstaaten 167
(1) Übernahme des UNCITRAL-Modellgesetzes:
Griechenland, Irland und Schottland 167 (2) Anlehnung an das UNCITRAL-Modellgesetz 167 (3) Regelungen in den neuen EU-Mitgliedstaaten 170
(c) Zwischenergebnis 171 (d) Kontrollfunktion durch die staatlichen Gerichte 172
c. Ergebnis 173 5. Gerichtliche Kontrolle des Schiedsspruchs 173
III. Die Vorlageberechtigung der Schiedsgerichte:
eigene Ansicht 174
XIV Inhaltsverzeichnis
1. Wortlaut des Art. 234 EGV 174 a. Wortbedeutung „Gericht" 174 b. „Einzelstaatliches Gericht" 175 c. Begrifflichkeit nach dem EuGH 175
d. Zwischenergebnis 178 2. Sinn und Zweck des Art. 234 EGV 178
a. Wahrung der Rechtseinheit 178 b. Wahrung der Rechteinheit und die Schiedsgerichtsbarkeit 180
c. Wahrung der Rechtseinheit durch Zusammenarbeit und
Kooperation 182 d. Praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts 183
e. Privatautonomie und Individualrechtsschutz 184 3. Praktische Erwägungen - Überlastung des EuGH 186 4. Kennzeichen der Schiedsgerichtsbarkeit 187
a. Schiedsgerichtsbarkeit als anerkannte Rechtsprechung 187 b. Mangelnde Publizität der Schiedssprüche und NichtÖffentlichkeit
des Schiedsgerichtsverfahrens 190
IV. Ausgestaltung der Vorlagemöglichkeit nach Art. 234 EGV 192
1. Kriterium 1: Vorlageberechtigung und Vorlageverpflichtung 192 2. Kriterium 2: Entscheidungsmaßstab - nationales Recht,
lex mercatoria und Billigkeitserwägungen 193 3. Kriterium 3: Ad hoc und institutionalisierte Schiedsgerichte 195
V. Lokalisierung: „Gericht eines Mitgliedstaats" 196
1. Staatliche Gerichtsbarkeit 196 2. Anknüpfungsmomente für die Schiedsgerichtsbarkeit 197
a. Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit und die Gerichtssprache 197
b. Anknüpfung an den Sitz des Gerichts 199 c. Anknüpfung an den tatsächlichen Schiedsort 200
d. Anknüpfung an die lex causae 201 e. Anknüpfung an die lex arbitri 203 f. Anknüpfung an den ordre public des Vollstreckungsstaates 205
3. Ergebnis 206
VI. Die Reform der europäischen Gerichtsbarkeit und die
Schiedsgerichtsbarkeit 206
1. Der „Vertrag von Nizza" und die europäische Gerichtsbarkeit 207
2. Die Idee eines Filtersystem 208 a. Dezentrale Filterstelle 209 b. Zentrale Filterstelle im europäischen Gerichtssystem 210
c. Reduzierung der anhängigen Rechtssachen und Wahrung der
Rechtseinheit 210 d. Beratungsstellen für Schiedsgerichte 211
3. Ergebnis 212
C. Ergebnis: Integration und Exklusion der Schiedsgerichtsbarkeit 212
Literaturverzeichnis 215 Anhang I: internationae Rechtsquellen 239
Anhang II: nationale Rechtsquellen 241
Sachverzeichnis 247
Abkürzungsverzeichnis
a.F. alte Fassung a.A. andere Auffassung
ABl. EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Abs. Absatz
Abschn. Abschnitt allg. allgemein
Am. Rev. Int'l. Arb. The American Review of International Arbitration Anm. Anmerkung
Arb. Int'l. Arbitration International
Arb. J. Arbitration Journal of the Chartered Institute of Arbitrators Art. Artikel
AWD Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters (1958-1974) BB Der Betriebs-Berater: Zeitschrift für Recht und Wirtschaft Bd. Band
Beil. Beilage BG Bundesgericht (Schweiz) BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BGE Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts BGH Bundesgerichtshof
BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BT-Drucks. Bundestags-Drucksache
Bull. ASA Bulletin de l'association suisse de l'arbitrage BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BYIL British Yearbook of International Law bzw. beziehungsweise CENTRAL Center for Transnational Law, Köln
CEPANI Belgisch Centrum voor Arbitrage en Mediatie
CISG United Nations Convention on Contracts for the Interna- tional Sale of Goods
CLOUT Case Law on UNCITRAL Texts CML Rev. Common Market Law Review Col. J. Eur. L. Columbia Journal of European Law Cornell ILR Cornell International Law Report DB Der Betrieb
Doc./Dok. Document/Dokument DRiG Deutsches Richtergesetz
DRiZ Deutsche Richterzeitung DVB1. Deutsche Verwaltungsblätter
DZWiR Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
XVI A bkürzungsverzeichnis
EAGV EFTA EG EGBGB EGJN
EGKSV EGV EGZGB Einl.
EIPR ELR E.L.Rev.
EMRK endg.
etc.
EU EuG EUGH EuGVÜ
EuGVVO
EuR EuÜ
EUV EuZW EVÜ
EWG EWS f./ff.
FG Fn.
FS GA gem.
GG
Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemein- schaft
European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft(en)
Einfuhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch
Einführungsgesetz über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürger- lichen Rechtssachen
Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemein- schaften für Kohle und Stahl
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch (Lettland) Einleitung
European Intellectual Property Review European Law Reporter
European Law Review
Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grund- freiheiten vom 4. November 1950
endgültig et cetera
Europäische Union
Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof
Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen i.d.F. vom 27. September 1968 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezem- ber 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Aner- kennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
Europarecht
Europäisches Übereinkommen über die Handelsschiedsge- richtsbarkeit vom 21. April 1961 (Europäisches Überein- kommen)
Vertrag über die Europäische Union Zeitschrift für Europäisches Wirtschaftsrecht
Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhält- nisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 (EG-Schuld- vertragsübereinkommen)
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende
Freundesgabe Fußnote Festschrift Generalanwalt gemäß Grundgesetz
A bkürzungsverzeichnis XVII
GGB Gerichtsgesetzbuch (Belgien)
GHSG Gesetz der Republik Litauen über die Handelsschiedsge- richtsbarkeit
GVG Gerichtsverfassungsgesetz GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GYIL German Yearbook of International Law h.M. herrschende Meinung
Hb. EU-WirtschaftsR. Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts Hg. Herausgeber hrsg. herausgegeben ICC International Chamber of Commerce
ICCA International Council of Commercial Arbitration ICC-SchO Schiedsordnung der International Chamber of Commerce ICJ Reports International Court of Justice: Reports of judgments, advi-
sory, opinions and orders
I.C.L.Q. The international and comparative law quarterly i.d.F. in der Fassung
IDR Journal of International Journal Resolution i.e.S. im engeren Sinne
IGH Internationaler Gerichtshof
IHSGG Gesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbar- keit (Russische Förderation)
ILR International Law Reports ILT Irish Law Times
Int'l. Arb. International Arbitration
Int'l. Arb. Bulletin ICC International Court of Arbitration Bulletin Int'l. Hb. on Comm. Arb. International Handbook on Commercial Arbitration IPR Internationales Privatrecht
IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRG Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (Öster-
reich/Schweiz) i.S.d. im Sinne des i.V.m. in Verbindung mit
IZPO Zivilprozessordnung (Italien) J. Int'l. Arb. Journal of International Arbitration JB1. Juristische Blätter
JPS Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit Jura Juristische Ausbildung
JuS Juristische Schulung
JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel
K.C.L.J. King's College Law Journal
KG Kammergericht KOM Kommissionsdokument
XVIII A bkürzungsverzeichnis
KTS Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichts- wesen
LA Ley de Arbitraje (Spanien)
Lando Principles Principles of European Contract Law LCIA London Court of International Arbitration lit. littera Loyd's Rep. Loyd's List Law Reports LQR The Law Quarterly Review LSF Lag om skiljeförfarande (Schweden) LTD. Limited
LugÜ Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständig- keit und die Anerkennung und die Vollstreckung gerichtli- cher Entscheidungen in Zivil- Handelssachen vom 16. Sep- tember 1988
LZPO Zivilpozessordnung (Luxemburg/Lettland) m.E. meines Erachtens
MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Mio. Million
MPI Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Mrd. Milliarde MünchKomm Münchener Kommentar
m.w.N. mit weiteren Nachweisen n.F. neue Fassung
NCPC Nouveau Code de Procédure Civil (Frankreich) NJW Neue Juristische Wochenschrift
Nr./No. Nummer
NYU New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958, NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
NZPO Zivilprozessordnung (Niederlande) o.g. oben genannt
OGH Oberster Gerichtshof (Österreich) OLG Oberlandesgericht ÖZPO Zivilprozessordnung (Österreich)
ÖZPO-E Entwurfstext Zivilprozessordnung (Österreich) para. Paragraph
PTCP Principles of Transnational Civil Procedure (Draft) Practioner's Hb. Int'l. Arb. Practioner's Handbook on International Arbitration PZPO Zivilprozessordnung (Polen)
RabelsZ Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht
Randnr. Randnummer RdA Recht der Arbeit
A bkürzungsverzeichnis XIX
Res. Resolution
Rev. Arbitr. Review of Arbitration in Central and Eastern Europe RG Reichsgericht
RGBl. Reichsgesetzblatt RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
RIW Recht der internationalen Wirtschaft, 1954/55 bis 1957, 1975 ff.
Rs. Rechtssache RuP Recht und Politik
RVG Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Rz. Randziffer S. Seite SCC Stockholm Chamber of Commerce SchiedsVfG Schiedsverfahrensgesetz SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedsverfahren
Sect. Section Slg. Sammlung span. ZPO Zivilprozessordnung (Spanien) Stockholm Arb. Rep. Stockholm Arbitration Report Suppl. Supplement SZPO Zivilprozessordnung (Slowenien) TransportR Transportrecht u.a. unter anderem; und andere U.S. United States
UCP Uniform Customs and Practice for Documentary Credits ULR Uniform Law Review
UN United Nations
UNCITRAL United Nations Commission on International Trade Law UNIDROIT International Institute for the Unification of Private Law Urt. Urteil
USA United States of America
USD US-Dollar v. vom, von, versus
VanJTL Vanderbilt Journal of Transnational Law verb. Rs. verbundene Rechtsache
VerfO-EuGH Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Ge- meinschaften
vgl. vergleiche
VJ Vindobona Journal of International Commercial Law and Arbitration
Vor. Vorbemerkung WB1. Wirtschaftsrechtliche Blätter
WiB Wirtschaftsrechtliche Beratung WLR The Weekly Law Reports
XX Abkürzungsverzeichnis
WM Wertpapier-Mitteilungen WVK Wiener Vertragsrechtskonvention über das Recht der Ver-
träge vom 23. Mai 1969
YB SCC Yearbook of the Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce
YCA ICCA Yearbook Commercial Arbitration ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZfRV Zeitschrift für Rechtsvergleichung zit. zitiert ZÖR Zeitschrift für öffentliches Recht
ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik
ZVglRWiss Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft ZZP Zeitschrift für Zivilprozeß
Einleitung
"Courts and arbitrators are in the same business, namely, the administra- tion of justice. The only difference is that the courts are in the public and the arbitrators in the private sector of the industry. Their problems are the same."1
In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Schiedsge- richtsbarkeit in das System der Gemeinschaftsrechtsordnung integriert ist.
Zunächst wird untersucht, ob die Schiedsgerichtsbarkeit vom EG-Schuld- vertragsübereinkommen ausgeschlossen wird; ferner, welche Auswirkung- en die Eco Swiss/Benetton-Entscheidung für die Integration der Schiedsge- richtsbarkeit in die Gemeinschaftsrechtsordnung hat; außerdem, warum die Schiedsgerichtsbarkeit durch die Nordsee-Entscheidung von dem Instru- ment der Zusammenarbeit nach Art. 234 EGV exkludiert wird, und schließlich wird die Frage behandelt, ob eine Integration hinsichtlich der Vorlageberechtigung zwingend erforderlich ist.2
A. Einführung: Begriff der privaten Schiedsgerichtsbarkeit Das Schiedsgerichtsverfahren ist ein private Veranstaltung. Während die- ser wird eine Streitigkeit zwischen mindestens zwei Personen von einem Dritten - dem Schiedsgericht als Privatgericht - entschieden3, welches kraft privatrechtlicher Willenserklärung (Schiedsvereinbarung) an die Stel- le des (eigentlich) zur Entscheidung berufenen staatlichen Gerichts tritt.4
An die Entscheidung des Schiedsgerichts (Schiedsspruch) sind die Parteien wie an eine Entscheidung des staatlichen Gerichts (Urteil) gebunden. Auf dem Weg zur Streitentscheidung sind die Parteien im Vergleich zu einem staatlichen Gerichtsverfahren jedoch viel freier: Die Parteiautonomie steht
1 Donaldson, Queen's Bench Division (High Court), Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik/South India Schipping Corporation LTD, zit. nach Clare Barsby, WLR 1979, 471 (479).
2 In der gesamten Arbeit ist unter der Schiedsgerichtsbarkeit nur die private Schieds- gerichtsbarkeit gemeint und entsprechend auch nur private Schiedsgerichte.
3 Was ist gleich, was ist anders?, dazu Karrer, in: FS Sandrock, S. 465 (466 ff.).
4 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit Kommentar7, Kap. 1, Rz. 1 ; Schütze/Tscher- ning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens2, Rz. 35.
2 Einleitung
im Zenit5 der Schiedsgerichtsbarkeit, dementsprechend sind die Parteien vor dem Schiedsgericht „Privatpatienten"6.
B. Schiedsgerichtsbarkeit - Rechtssicherheit und Rechtseinheitlichkeit Für internationale Streitigkeiten ist das Schiedsgerichtsverfahren eine üb- liche Form der Konfliktlösung7, was insbesondere für den Bereich des in- ternationalen Wirtschafts- und Handelsverkehrs gilt8. In einigen Branchen sind Verträge fast immer mit Schiedsklauseln versehen.9 Damit sind den staatlichen Gerichten die internationalen Handelsstreitigkeiten weitgehend entzogen. Die Gründe dafür sind in der pragmatischen und effektiven Ver- fahrensform der Schiedsgerichtsbarkeit zu sehen. Zentraler Aspekt ist die Gewährung der von den Teilnehmern im internationalen Handelsverkehr gewünschten und benötigten Rechtssicherheit und Rechtseinheitlichkeit.10
Im internationalen Handelsverkehr suchen die Parteien ein vertrautes, verlässliches und durchsetzbares Streitbeilegungssystem. Das ausländische staatliche Gericht kann für die Parteien aufgrund ihrer Unvertrautheit mit dem ausländischen Gerichtsverfahren, dem anzuwendenden Recht und der Mentalität des Gerichts ein sehr fremdes und auch inakzeptables sein." Im
5 Vgl. Borcher, VanJTL 28 (1995), 421 (439).
6 Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis2, Rz. 110.
7 Vgl. Raeschke-Kessler, EuZW 1990, 145 (145); Karrer, Is Arbitration a Window to the Future, Arb. J. 1999, 170 (171); Stumpf/Steinberger, RIW 1990, 174 (174).
8 ICC Schiedsgerichtshof: 2003 lagen ca. 55% der Streitwerte zwischen 1 Mio. und 1 Mrd. USD und ca. 35% zwischen 1 Mio. und 10 Mio. USD, Streitwerte bis 200.000 USD machten nur einen geringen Teil aus, Int'l. Arb. Bulletin 2004, No. 1, S. 15; zu Zahlen aus vorangegangenen Jahren siehe Int'l. Arb. Bulletin 2002, No. 1, S. 15; Int'l.
Arb. Bulletin 2000, No. 2, S. 11; vgl. auch Bond, Arb. Int'l. 2005, 99 (100 ff.).
9 Hoellering, in: Nicklisch (Hg.), Der komplexe Langzeitvertrag, S. 523 (525, 538);
nach Böckstiegel, DRiZ 1996, 267 (270) enthalten im Maschinen- und Anlagenbau 80%
aller Exportverträge der deutschen Unternehmer Schiedsvereinbarungen, ein ähnliches Bild zeige sich in der Bau- und Elektroindustrie; ebenso Hesse, in: Böckstiegel (Hg.), Schiedsgerichtsbarkeit im Umfeld von Politik und Wirtschaft und Gerichtsbarkeit, S. 27 (27); nach Grimm, RIW 1962 52 (53) soll der Anteil bei 95% liegen, Schlosser, in: Böck- stiegel (Hg.), Recht und Praxis der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S. 9 (9), meint dagegen, dass die Zahlenbehauptungen von 80% aus der Luft gegriffen seien, aber den- noch die Schiedsgerichtsbarkeit eine geschätzte Rechtserscheinung sei.
10 Eine detaillierte Darstellung der Vor- und Nachteile eines Schiedsgerichtsverfah- rens an dieser Stelle würde bedeuten, „Holz in den Wald zu tragen"; vgl. etwa Raeschke- Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens3, Rz. 16 ff.; Schütze/Tscherning/
Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens2, Rz. 1 ff.
11 Vgl. Cohn, I.C.L.Q. 14 (1965), 132 (133) "To speak to a court in a foreign lan- guage, to have to employ foreign advocates, to have one's witness examined through in- terpreters, to see one's correspondence construed under foreign rules of interpretation, to
Einleitung 3 Rahmen eines Schiedsgerichtsverfahrens können die Parteien die Eigen- willigkeiten der staatlichen Gerichtsbarkeit vermeiden und grundlegende Elemente für das Verfahren für beide Parteien akzeptabel vereinbaren, so etwa den Schiedsort, die Schiedsrichter, die Verfahrensregeln und das an- zuwendende materielle Recht.
Zudem kann die Schiedsgerichtsbarkeit den Parteien eine nahezu welt- weite Rechtssicherheit und auch Rechtseinheit bieten, was die staatliche Gerichtsbarkeit derzeit noch nicht ermöglicht. Grundlage für die Rechtssi- cherheit ist das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958, zugleich ist es die erfolgreichste Konvention im Internationalen Privatrecht und die wichtigs- te Rechtsquelle im Völkerrecht für die internationale Schiedsgerichtsbar- keit12. Nach diesem Übereinkommen, das zur Zeit von 135 Staaten (Stand:
August 2005) ratifiziert wurde, sind die Vertragsstaaten verpflichtet, Schiedsgerichtsvereinbarungen13 und Schiedssprüche14 international anzu- erkennen und zu vollstrecken.
Eine vergleichbare flächendeckende Freizügigkeit für (staatliche) ge- richtliche Entscheidungen existiert nicht. Die Brüssel-I-Instrumente15 und das Lugano Übereinkommen16 beschränken sich auf die Europäische Uni- on und die Europäische Freihandelszone17 und geben daher territorial nur sehr partiell Klarheit über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstre- ckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Hin- zu kommen zwar Staatsverträge18, welche die gegenseitige Anerkennung
be involved in a foreign, unknown and (to one's own eyes) strange form of court pro- ceedings - all these are frightening prospects to any reasonable business man."
12 Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981, S. 1; Redfern/
Hunter, Law and Practice of Internationals Commercial Arbitration4, Rz. 1-147.
13 Art. II Abs. 1 NYÜ.
14 Art. III NYÜ.
15 Abkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Fassung vom 27. September 1968, ABl. EG 1972 Nr. L 299, S. 32; konsolidierte Fassung unter Berücksichtigung der Ände- rungen zum 3. Beitrittsübereinkommen BGBl. 1994 II, S. 519; konsolidierte Fassung un- ter Berücksichtigung der Änderungen zum 4. Beitrittsübereinkommen ABl. EG 1998 Nr.
C 27, S. 1; Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die ge- richtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG 2001 Nr. L 12, S. 1.
16 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstre- ckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- Handelssachen vom 16.9.1988, ABl. EG
1988, Nr. L 319, S. 9.
17 Das Fürstentum Liechtenstein ist zwar EFTA-Mitglied, aber nicht Vertragsstaat des Lugano Übereinkommens.
18 Etwa der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in
4 Einleitung
und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen absichern; allerdings brin- gen diese aus dem partiellen Gefiige noch kein lückenloses Gesamtgebilde hervor. Ein solches soll mit der „Haager Konvention über die gerichtliche Zuständigkeit und ausländische Entscheidungen in Zivil- und Handels- sachen"19 erarbeitet werden, wodurch ein immenser Zugewinn an Rechtssi- cherheit erlangt werden würde.20 Noch ist die Konvention eine recht leise Zukunftsmusik. Für einen Erfolg muss die Konvention weltweite Akzep- tanz finden und auch dementsprechend weltweit ratifiziert werden, um nicht als „Totgeburt"21 oder „Haager Blütenträume"22 begraben werden zu müssen.
Die Grundlage für die Rechtseinheitlichkeit in der internationalen Han- delsschiedsgerichtsbarkeit bietet das UNCITRAL-Modellgesetz. Mit die- sem Modellgesetz wird den nationalen Gesetzgebern ein geschlossenes Re- gelwerk an die Hand gegeben, welches unproblematisch in nationales Recht übernommen werden kann.23 Derzeit haben bereits 45 Staaten und 5 US-Bundesstaaten dieses Mustergesetz übernommen (Stand: August 2005), und viele andere Staaten nutzen das UNCITRAL-Modellgesetz als Inspirationsquelle. Die Vereinheitlichung der Schiedsverfahrensvorschrif- ten dient letztendlich auch der Rechtssicherheit. Die Parteien eines Schiedsgerichtsverfahrens, welches auf Grundlage eines modellgleichen oder modellähnlichen Schiedsgesetzes durchgeführt wird, müssen nicht mit fremden und eigenwilligen Vorschriften rechnen.
Neben den vereinheitlichten Verfahrensregeln bietet die Schiedsge- richtsbarkeit den Parteien die Möglichkeit, im Rahmen des anwendbaren materiellen Rechts auf die lex mercatoria bzw. transnationales Recht zu- rückzugreifen. Dafür stehen u.a. die UNIDROIT und Lando Principles zur Verfügung, welche in der Schiedsgerichtspraxis breite Anerkennung ge- funden haben. Die Kritik an der lex mercatoria als „bloße soziologische
Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1980 II, S. 926, in Kraft seit dem 1. Januar 1981, BGBl. 1980 I, S. 3254; der deutsch-tunesische Vertrag über Rechtsschutz und Rechts- hilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit v. 19. Juli 1966, BGBl.
1969 II, S. 889.
19 Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters.
2 0 Textentwürfe und weitere Informationen unter <http://www.hcch.net>.
2 1 In Bezug auf den Regelungsgehalt der Konvention Schack, Entscheidungszustän- digkeiten in einem weltweiten Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, ZEuP 1998, 931 (932, 955 f.).
22 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht3, Rz. 111b.
2 3 UN Doc. A/CN 9/207, para. 23.
Einleitung 5
Erscheinung"24, „Phantasie ihrer Erfinder"25, „juristische Utopie"26 und als
„funkelnde Sternschnuppe, die hoffentlich bald verglüht"27, scheint für die Schiedsgerichtsbarkeit widerlegt zu sein.
C. Anerkennung der Schiedsgerichtsbarkeit
Die Frage der Anerkennung der Schiedsgerichtsbarkeit stellt sich auf zwei Ebenen: aus Sicht der Parteien und aus Sicht der Rechtsordnung.
Aus Sicht der Parteien gewährt die Schiedsgerichtsbarkeit einen gleich- wertigen Rechtsschutz und bietet zudem Rechtssicherheit und Rechtsein- heit in einem weitaus höheren Maße an als dies derzeit die staatliche Ge- richtsbarkeit kann. Die hohe Akzeptanz und Beliebtheit der Schiedsge- richtsbarkeit zeigt, dass die Parteien die Schiedsgerichtsbarkeit als einen gleichwertigen Rechtsschutz ansehen.
Aus Sicht der nationalen Rechtsordnung ist die Wertigkeit und die Funktion der Schiedsgerichtsbarkeit in den letzten Jahren weitgehend den staatlichen Gerichten angenähert worden. Die deutsche Bundesregierung spricht in ihrem Gesetzesentwurf zur Neuregelung des Schiedsverfahrens- rechts vom 12. Juli 1996 von der „heute unbestrittenen Anerkennung der Schiedsgerichtsbarkeit als eine der staatlichen Gerichtsbarkeit äquivalente Rechtsschutzmöglichkeit"28.
Die Rechtsprechung ist zwar grundsätzlich eine Aufgabe des Staates29, allerdings hat der Staat kein Rechtsprechungsmonopol inne30, da die Schiedsgerichte wie die staatlichen Gerichte Rechtsprechung ausüben, und die Schiedsgerichtsbarkeit nicht nur geduldet, sondern von den Rechtsord- nungen als eine eigenständige Institution der Rechtsschutzgewährung aner- kannt wird. Zwar beruht die Existenz eines Schiedsgerichts auf einer Par- teivereinbarung und nicht auf der Einrichtung eines Spruchkörpers durch den Staat: Die Anerkennung der Schiedsgerichtsbarkeit zeigt sich jedoch darin, dass in fast jedem Staat ein Gesetz zur Regelung des Schiedsge- richtsverfahrens bzw. zur Einrichtung eines Schiedsgerichts erlassen wur- de. Die Anerkennung manifestiert sich weiter in der Ausdehnung der ob-
2 4 So Kegel, Internationales Privatrecht6, S. 86 noch in der 6. Auflage, weiterhin kri- tisch Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, S. 127 f.
25 Von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, § 2, Rz. 85.
26 Schödermeier, Sonderprivatrecht fiir Internationale Wirtschaftsverträge, S. 142.
27 Von Breitenstein, in: FS Sandrock, S. 111 (135).
28 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 13/5274, S. 36.
29 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zvilprozessrecht16, § 3, Rz. 1.
3 0 Vgl. Aden, RIW 1997, 723 (727); Dasser, Internationale Schiedsgerichte und lex mercatoria S. 268, Sonnauer, Kontrolle der Schiedsgerichte, S. 21 f.
6 Einleitung
jektiven Schiedsfähigkeit31 und der Zurücknahme von gerichtlichen Kon- troll- und Eingriffskompetenzen32.
Allein die Anerkennung der Schiedsgerichtsbarkeit als eine eigenständi- ge Institution der Rechtsschutzgewährung und Rechtsprechung sagt aber noch nichts darüber aus, ob und inwieweit die Schiedsgerichtsbarkeit in das System der europäischen Gemeinschaftsrechtsordnung integriert ist (oder eben nicht).
D. Problemaufriss - Integration und Exklusion
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Feststellung, dass die Schiedsgerichts- barkeit als Rechtsprechung und als ein Institut der Rechtsschutzgewährung anerkannt ist. Aus dieser Anerkennung kann allerdings die ausnahmslose Integration in das System der europäischen Gemeinschaftsrechtsordnung ebenso wenig gefolgert werden wie aus den Besonderheiten der Schiedsge- richtsbarkeit die ausnahmslose Exklusion. Gerade die Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit, wie die fehlende lex fori der Schiedsgerichte und die den Parteien eingeräumte, weite Autonomie im Schiedsgerichtsverfah- ren, verbieten eine Gleichmachung mit der staatlichen Gerichtsbarkeit. Da- ran schließt sich die Frage an, in welchen Bereichen die Schiedsgerichts- barkeit sinnvoll zu integrieren und sinnvoll zu exkludieren ist. Beispielhaft werden die Kollisionsnormen für die Bestimmung der lex causae, die An- wendungspflicht von Gemeinschaftsrecht durch die Schiedsgerichte und das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV auf Grundlage des EG-Schuldvertragsübereinkommens und der Nordsee- und der Eco Swiss/
Benetton-Entscheidung aufgegriffen.
Die in den einzelnen Schiedsgesetzen enthaltenen (Sonder-)Kollisions- vorschriften zur Bestimmung des Vertragsstatuts räumen den Parteien und
3 1 So sind heute Kartellrechtsstreitigkeiten grundsätzlich objektiv schiedsfahig; vgl.
Mitsubishi Motors Corp./Soler Chrysler-Plymouth, Inc., 473 US 614, 630 (1985); in Deutschland wurde § 91 G W B gestrichen; im schwedischen Schiedsgesetz wurde in § 1 Abs. 3 LSF ausdrücklich die Befugnis des Schiedsgerichts aufgenommen, nach der die zivilrechtlichen Wirkungen des Wettbewerbsrechts geprüft werden können, vgl. Kvart/
Olsson, Tvistlösning genom skiljeförfarande, S. 40 ff; Möller, in: FS Schlosser, S. 599 (601 f.).
3 2 Ausdruck staatlicher Kontrolle ist noch die Notwendigkeit einer Vollstreckbarkeits- erklärung, vgl. etwa UNCITRAL-Modellgesetz: Art. 35f; Deutschland: §§ 1060 f. ZPO;
Finnland: Sect. 43, 54 Gesetz 1992/967; Griechenland: Art. 35 Gesetz 2735/1999; Polen:
Art. 711 ZPO; Schweden: § 56 LSF; und die Möglichkeit einer Aufhebungs- oder Nich- tigkeitskontrolle, vgl. UNCITRAL-Modellgesetz: Art. 34; Deutschland: § 1059 ZPO;
Estland: § 7 Schiedsgesetz 1991; Finnland: Sect. 40, 41 Gesetz 1992/967; Frankreich:
Art. 1484, 1504 NCPC; Griechenland: Art. 34 Gesetz 2735/1999; Niederlande: Art. 1064 NZPO; Schweden: §§ 33 f. LSF.
Einleitung 1
den Schiedsgerichten einen größeren Freiraum ein als dies die Regelungen des EG-Schuldvertragsübereinkommens vorsehen. So folgt die Frage der Integration und Exklusion bereits aus der (Auslegungs-)Frage, ob die Ver- tragsstaaten des EG-Schuldvertragsübereinkommens völkerrechtlich ver- pflichtet sind, die Vorgaben der Art. 3 ff. EVÜ auch den Schiedsgerichten aufzuerlegen. Wird dem Primat der Parteiautonomie in der Schiedsge- richtsbarkeit Rechnung getragen, ist die Schiedsgerichtsbarkeit vom EG- Schuldvertragsübereinkommen zu exkludieren. Wird hingegen die durch das EG-Schuldvertragsübereinkommen angestrebte Rechtsvereinheitli- chung der Kollisionsnormen als erstrangig angesehen, ist die Schiedsge- richtsbarkeit in das Übereinkommen und damit auch in die Gemeinschafts- rechtsordnung zu integrieren. In diesem Fall würden die Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit - die Möglichkeit der Entscheidung nach lex mercatoria bzw. transnationalem Recht sowie nach Billigkeitserwägun- gen - zunichte gemacht werden. Dies zeigt, dass eine Integration der Schiedsgerichtsbarkeit nicht immer wünschenswert ist.
Nach der Eco Swiss/Benetton-Entscheidung haben Schiedsgerichte zwingende Vorschriften des Gemeinschaftsrechts (Art. 81 EGV) anzuwen- den. Die darin statuierte Integration der Schiedsgerichtsbarkeit in das Sys- tem der Gemeinschaftsrechtsordnung ist für sich allein positiv zu bewer- ten. Die Integration wird aber gestört, indem die Schiedsgerichte - anders als die staatlichen Gerichte - einen Verstoß gegen Gemeinschaftsvorschrif- ten (Art. 81 EGV) ex officio aufzugreifen haben.33 Der Zustand „Integrati- on" wandelt sich zu einem Zustand der Disharmonie von Integration und Exklusion, indem nach der Nordsee-Entscheidung den Schiedsgerichten die Vorlagemöglichkeit nach Art. 234 EGV versagt wird. Das Dilemma der Schiedsgerichte liegt in der Disharmonie von Integration und Exklusi- on.
Auf dieser Grundlage wird überprüft, ob der einzige Unterschied zwi- schen der staatlichen Gerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeit tat- sächlich nur in der Abgrenzung zwischen staatlicher und privater Recht-
3 3 Auch die staatlichen Gerichte haben die rechtlichen Gesichtspunkte, die sich aus einer von den Parteien nicht geltend gemachten Gemeinschaftsvorschrift zwingenden Charakters ergeben, von Amts wegen zu prüfen. Diesen Grundsatz schränkt der EuGH für die staatlichen Gerichte im Urt. v. 14.12.1995, verb. Rs. C-430/93 und C-431/93 (Van Schijndel/Van Veen), Slg. 1995, 1-4705 wieder ein. Danach gebietet das Gemeinschafts- recht es den staatlichen Gerichten nicht, „von Amts wegen die Frage eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsvorschriften aufzugreifen, wenn sie durch die Prüfung dieser Frage die ihnen grundsätzlich gebotene Passivität aufgeben müssten, indem sie die Grenzen des Rechtsstreits zwischen den Parteien überschreiten und sich auf andere Tatsachen und Umstände stützen, als sie die Prozesspartei, die ein Interesse an der Anwendung hat, ihrem Begehren zugrunde gelegt hat"; vgl. dazu S. 152 ff.
8 Einleitung
sprechung liegt34 oder ob aus diesem Unterschied weitere Abgrenzungen, insbesondere daraus folgende Integrationen und Exklusionen, vorgenom- men werden (müssen). Dem modernen Rechtsdenken würde es jedenfalls dann entsprechen, wenn die Schiedsgerichtsbarkeit als ein integraler Teil der europäischen Gemeinschaftsrechtsordnung angesehen wird und dabei integrierende und exkludierende Elemente harmonieren.
E. Gang der Untersuchung
Die Integration und Exklusion der Schiedsgerichtsbarkeit in die Gemein- schaftsrechtsordnung wird von drei Seiten beleuchtet. Zunächst wird der Frage nachgegangen, ob das EG-Schuldvertragsübereinkommen eine Inte- gration der Schiedsgerichtsbarkeit verlangt oder ob aufgrund von Beson- derheitern der Schiedsgerichtsbarkeit eine Exklusion der Schiedsgerichts- barkeit erforderlich ist. Am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, die weitgehend auf der Grundlage des UNCITRAL-Modellgesetzes novellierte Schiedsverfahrensvorschriften zum 1. Januar 1998 in Kraft gesetzt hat, wird das Verständnis des Anwendungsbereiches des EG-Schuldvertrags- übereinkommens und damit des Art. 1 Abs. 2 lit. d EVÜ dargestellt. Hier- bei wird sowohl die Sicht der deutschen Bundesregierung als auch die der Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts und der Wissen- schaft kritisch beleuchtet. Da die Bundesrepublik Deutschland auch Ver- tragsstaat des EG-Schuldvertragsübereinkommens ist, wird der Interessen- konflikt des deutschen Gesetzgebers zwischen dem EG-Schuldvertrags- übereinkommen und dem UNCITRAL-Modellgesetz sehr deutlich.
Im Weiteren wird der Anwendungsbereich des EG-Schuldvertragsüber- einkommens im Hinblick auf Art. 1 Abs. 2 lit. d EVÜ anhand der für das Übereinkommen maßgeblichen Auslegungsmethoden bestimmt. Ein beson- derer Stellenwert wird der „späteren Praxis" eingeräumt, welche u.a. in den jeweiligen Auffassungen der Vertragsstaaten zum Übereinkommen, in der Vertragsrealität und in der Rechtsprechung zum Ausdruck kommt.
Gleichfalls wird der Blick auf die neuen EU-Mitgliedstaaten gerichtet und deren Vorschriften zur Bestimmung der lex causae in einem Schiedsge- richtsverfahren werden herangezogen. Im Anschluss wird der Versuch un- ternommen, die einzelnen Auslegungsergebnisse nach den klassischen Auslegungsmethoden und der „späteren Praxis" in Einklang zu bringen.
Sodann wird die Frage nach der Integration der Schiedsgerichtsbarkeit in die Gemeinschaftsrechtsordnung dahingehend behandelt, inwieweit eine Anwendungsverpflichtung von Gemeinschaftsrecht für Schiedsgerichte be- steht. Dabei wird vor allem die vom Europäischen Gerichtshof in der Eco
3 4 Vgl. dazu die Aussage von Donaldson, Fn. 1
Einleitung 9
Swiss/Benetton-Entscheidung verlangte ex officio Prüfung eines Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen (Art. 81 f. EGV) kritisch untersucht. Dies eröffnet zugleich das Blickfeld für den dritten großen As- pekt der Untersuchung, nämlich die Frage nach einer Vorlagemöglichkeit für Schiedsgerichte. Dafür wird auf Grundlage der Nordsee- und Eco Swiss/Benetton-Entscheidung die Exklusion der Schiedsgerichte vom Vor- abentscheidungsverfahren hinterfragt. Dabei wird die vom EuGH vorge- brachte Möglichkeit der „goldenen Brücke", nach der die Schiedsgerichte im Rahmen der richterlichen Hilfe ihre Vorlagefragen über ein staatliches Gericht an den EuGH vorlegen können, hinterfragt, wie diese zu verstehen und ob sie als mittelbare Vorlagemöglichkeit notwendig sowie in der Sa- che überzeugend ist. In diesem Zusammenhang wird sowohl auf die Pro- bleme eingegangen, die sich aus der Versagung der Vorlageberechtigung für die Schiedsgerichte ergeben, als auch auf mögliche Schwierigkeiten des Gerichtshofs, wenn er die Tür zum Vorabentscheidungsverfahren für Schiedsgerichte öffnen würde. U.a. wird der Konflikt der Schiedsgerichte dargestellt, der sich aus der Nordsee- und Eco Swiss/Benetton-Entschei- dung und der am 1. Mai 2004 in Kraft getretenen Verordnung (EG) 1/2003 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln ergibt. Im Anschluss werden Kriterien entwickelt, um bestimmen zu können, welches Schiedsgericht als ein „Gericht eines Mit- gliedstaats" angesehen werden kann. Dabei wird das Augenmerk sowohl auf die Bedeutung „Gericht" als auch auf die Bedeutung „Mitgliedstaat"
gerichtet.
Mit Blick auf den Vertrag von Nizza wird untersucht, ob die Reform des Rechtsprechungssystems der Europäischen Union auch gegen die be- fürchtete Vorlageflut von Vorabentscheidungsersuchen von Schiedsgerich- ten etwas bewirken kann. Um einer möglichen erhöhten Arbeitsbelastung des EuGH entgegentreten zu können, werden Vorschläge entwickelt und diskutiert.
Für die Untersuchung werden die Schiedsverfahrensvorschriften der EU-Mitgliedstaaten - sowohl die der Altmitgliedstaaten als auch die der Neumitgliedstaaten35 - rechtsvergleichend herangezogen.36 Dafür wird auf Grundlage des UNCITRAL-Modellgesetzes eine Zweiteilung vorgenom- men: Auf der einen Seite stehen die Schiedsverfahrensvorschriften, welche das UNCITRAL-Modellgesetz übernommen haben bzw. sich stark an das Modellgesetz angelehnt haben. Zu denen gehören die Schiedsgesetze der Bundesrepublik Deutschland sowie der Staaten Griechenland, Irland, Li-
3 5 Das slowakische Schiedsgesetz Nr. 218/1990 über das Schiedsgerichtsverfahren rauss hier unberücksichtigt bleiben.
3 6 Siehe Anhang II.
10 Einleitung
tauen, Malta, Spanien, Schottland37, Ungarn und Zypern. Auf der anderen Seite stehen die Schiedsgesetze, die auf nationalen Erfahrungen in Recht und Praxis beruhen und für die das UNCITRAL-Modellgesetz nur teil- weise oder gar nicht berücksichtigt wurde. Hierzu zählen die Schiedsge- setze der Staaten Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Ita- lien, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Österreich38, Polen, Portugal, Schweden, Slowenien, Tschechischen Republik sowie das Schiedsgesetz für England, Wales und Nordirland.
3 7 Für Schottland wurde nur das Gesetz für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit berücksichtigt. Das Schiedsrecht für die inländische Schiedsgerichtsbarkeit setzt sich vor allem aus case law und piecement Statute zusammen. Für ein neues Schiedsgesetz liegt ein Arbitration Bill 2002 bereits vor; Dervaird/Campbell/Walker/Dundas, Arbitration 2004, 115 (122 ff.).
3 8 Für Österreich wurde auch der Entwurfstext zu einem neuen Schiedsverfahrens- recht berücksichtigt. Dieser Entwurf lehnt sich stark an das UNCITRAL-Modellgesetz an.
Sachverzeichnis
amiable composition siehe Billigkeits- entscheidung
Anerkennung siehe Schiedsspruch Anknüpfung
-objektive 15, 18 f.
- subjektive siehe Rechtswahl siehe auch engste Verbindung Aufhebungsklage 129, 136 f., 204 Auslegung
- autonome 38
-einheitliche 39 f., 111, 148, 153, 158, 163, 173 ff., 178 ff., 190 f.
- europäiche 45 ff.
- grammatikalische 40 f., 44 f.,49 f., 66, 103
- historische 21, 28, 40 f., 44, 46, 58 f., 69, 7 3 , 7 5 , 103, 105, 132 f.
- rechtsvergleichende 40, 48, 64, 66
- Staatenpraxis 27, 37
- systematische 22, 31, 40 f., 45, 50 f., 69, 103
- systematische-praktische Erwä- gungen 23, 32
- teleologische 40 f., 45 ff, 57, 62, 103, 105, 107, 202
- Wortlaut 25, 28, 46 ff, 50, 53 f., 75, 104 f., 107, 130, 132 ff., 141,
146 f., 156, 163 f., 174 f., 178 siehe auch „spätere Praxis"
siehe auch teleologische Reduk- tion
Auswirkungsprinzip 114,119 autonome Auslegung siehe Auslegung autonomy of the arbitration clause
siehe doctrine of separability Belgien 10 f., 23, 27, 37, 39, 42, 49,
61, 65 f., 77, 81 f., 84, 87, 116, 144 f., 167, 188, 198, 204
Beratungsstellen siehe Schiedsgerichte Billigkeitsentscheidung 17, 26 f., 33 f.,
54, 56 f., 65 f., 82, 85 ff., 94, 97, 99, 113, 115 f., 119, 125, 193 f.
Billigkeitserwägungen siehe Billig- keitsentscheidung
Dänemark 10, 27, 36 f., 50, 61, 65, 77, 81, 87, 133, 144 f., 167, 188 Denuit Cordenier/Transorient-Entschei-
dung 126, 141, 143, 183, 213 Deutschland 6, 8 f., 11, 26, 35, 42,
65 f., 77, 81 f., 84, 87, 128, 138, 144 f., 160 f., 171, 183, 188 ff., 197 ff, 203
doctrine of separability 1 8 8 , 4 9 , 6 6 Eco Swiss/Benetton-Entscheidung 1, 7,
9, 109, 126, 132, 134 ff., 150 ff., 159, 165, 172, 181, 193 f., 213 effet utile siehe Gemeinschaftsrecht EG-Schuldvertragsübereinkommen 1,
6 ff., 11 ff., 20 ff., 26 ff., 98, 202 Eingriffsnormen 117
einheitliche Auslegung siehe Auslegung Einheitsrecht 38, 48 f., 71 f.
England 10, 50, 61, 81 f., 145, 168, 183 f., 188 f., 203
siehe auch Vereinigtes Königreich siehe auch Wale und Nordirland engste Verbindung 13, 16, 60, 82, 84 f.,
93 f.
Estland 6, 10, 56, 88 f., 138, 145, 170 f., 188
EuGH
- Filtersystem 182, 208 f., 211 - Überlastung 186
-Vorlageflut 9, 147, 186, 195, 2 0 7 , 2 1 2
EuG 162, 178, 202, 207 f., 210 f.
EuGVÜ/EuGVVO 22, 31 f., 36 f., 45, 48, 52 ff., 63
europäische Auslegung siehe Ausle- gung
EuÜ 32, 52 55 ff.
ex aequo et bono siehe Billigkeitsent- scheidung
ex officio Prüfung 7, 9, 136, 152 ff., 158 f., 194