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Archiv "Krankenkassen-Wettbewerb: Werbemaßnahmen auf Kosten der Vertragsärzte?" (09.06.2000)

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er Kassenärztlichen Vereini- gung Nordrhein (KVNo) ist ein Fall bekannt geworden, in dem eine Ersatzkrankenkasse einen abwanderungswilligen Versicherten mit der Zusage an sich gebunden hat, ihn von der Zuzahlungspflicht bei Arzneimitteln zu befreien. „Der Vor- gang ist sauberst dokumentiert“, sagte Dr. med. Leonhard Hansen, Vorsit- zender der KVNo, dem Deutschen Ärzteblatt. Zwei Wochen nachdem ein Versicherter fristgerecht seine Mitgliedschaft gekündigt hatte, fragte ihn seine Krankenkasse, ob er seine Entscheidung nicht revidieren wolle.

Im Gegenzug bräuchten er und seine Frau künftig keine Zuzahlungen mehr auf Medikamente zu leisten. Der Ver- sicherte ging den Deal ein und berich- tete seinem Hausarzt davon. Dieser wiederum meldete den Vorgang der KV, die einen Bericht verfasste, der nun dem Bundesversicherungsamt (noch in Berlin) zur Prüfung vorliegt.

Zuzahlungsbefreiungen für Arz- neimittel sind per Gesetz nur für „Här- tefälle“ vorgesehen: Zum einen gibt es eine Sozialklausel, wonach Versicherte bis zu einer bestimmten Einkommens- grenze von der Zuzahlungspflicht be- freit sind. Zum anderen gilt die Über- forderungsklausel, die festlegt, dass der Versicherte nicht mehr als zwei Prozent seines Einkommens für Zu- zahlungen auf Arznei-, Verband- und Heilmittel auszugeben braucht. Zu- dem sind chronisch Kranke, die wegen derselben Krankheit in Dauerbehand- lung sind und ein Jahr lang Zuzahlun- gen von mindestens einem Prozent ihrer Jahreseinnahmen aufgebracht haben, für die weitere Dauer dieser Behandlung von Zuzahlungen befreit

(Chroniker-Regelung). Die Zuzahlun- gen auf Arzneimittel sind Selbstbeteili- gungen der Versicherten und entlasten somit die Gesetzliche Krankenversi- cherung. Gewährt eine Krankenkasse eine Zuzahlungsbefreiung, so geht dies zunächst einmal auf ihre Kosten, bela- stet jedoch letztendlich das

Arznei- und Heilmittel- budget der Vertragsärz- te. Denn: Je mehr Ver- sicherte von der Zu- zahlungspflicht befreit sind, desto schneller ist das Budget erschöpft.

Für die Einhaltung der Ausgaben- obergrenzen für Arznei- und Heilmittel haften die Ver- tragsärzte. Sie sind per Ge- setz dazu ver- pflichtet, Bud- getüberschrei-

tungen auszugleichen. Gefährlich wird es, wenn die Ärzte aus Angst vor Regressforderungen weniger Medika- mente verschreiben als medizinisch notwendig. Dann sind die Patienten die Leidtragenden.

Stellt sich die Frage, ob die in der KVNo aufgedeckte „Werbemaßnah- me auf Kosten der Vertragsärzte“

(Hansen) ein Einzelfall ist oder ob die Ersatzkassen eine perfide Strategie verfolgen. Diese Möglichkeit schließt der KVNo-Vorsitzende nicht aus:

„Die betreiben damit Marketing“, vermutet Hansen. Ihm seien bereits mehrere vergleichbare Fälle zu Ohren gekommen, wenn auch nicht so detail- liert dokumentiert und nachrecher-

chiert. Herbert Rebscher, Vorstands- chef des Verbands der Angestellten- Krankenkassen, bestreitet dies: „Ich höre das jetzt zum ersten Mal und kann mir das überhaupt nicht vorstel- len. Mir ist kein einziger Fall be- kannt“, reagierte Rebscher gegen- über dem Deutschen Ärzteblatt auf den Vorfall. „Wir werden der Sache nachgehen.“ Von einer Strategie der Ersatzkassen könne jedenfalls keine Rede sein.

Gegen die Einzelfall-Theorie spricht die Tatsache, dass der Anteil der zuzahlungsbefreiten Arzneimit- telrezepte in der KV Nordrhein im letzten Jahr regelrecht in die Höhe ge- schossen ist: Waren Ende 1998 nur 24 Prozent der Rezepte zuzahlungsbe- freit, betrug ihr Anteil Ende 1999 schon 48 Prozent und zum 31. März 2000 unglaubliche 54 Prozent. „Das kann nicht mit rechten Dingen zuge- hen“, meint Hansen, der aber auch darauf verweist, dass die Über- forderungsklausel für chro- nisch Kranke erst von der rot- grünen Bundesregierung ein- geführt wurde und deshalb mitverantwortlich für den Anstieg ist. Die neue Chroni- ker-Regelung rechtfer- tige aber bei weitem nicht den enormen Zuwachs der Zuzah- lungsbefreiten. Han- sen bezifferte die zu- sätzliche Belastung des KVNo-Arzneimit- telbudgets infolge des gestiegenen „Härte- fall“-Anteils mit mehr als zehn Millionen DM im laufenden Jahr.

„Wir verwahren uns gegen Wer- bemaßnahmen der Kassen, die die Vertragsärzte aus der eigenen Tasche bezahlen. Sollten sich diese Nachrich- ten bewahrheiten, wird die KBV sich gegen solche Marketingmaßnahmen zulasten der Vertragsärzte mit allen gebotenen Mitteln zur Wehr setzen“, sagte Dr. med. Manfred Richter- Reichhelm, Vorsitzender der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung. Be- reits Anfang Mai waren erste Spe- kulationen aufgekommen, dass die Krankenkassen den Wettbewerb auf dem Rücken der Ärzteschaft aus-

tragen. Jens Flintrop

A-1572 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 23, 9. Juni 2000

P O L I T I K AKTUELL

Krankenkassen-Wettbewerb

Werbemaßnahmen auf

Kosten der Vertragsärzte?

Es gibt Anzeichen dafür, dass Krankenkassen Versicherten gezielt Zuzahlungsbefreiungen bei Arzneimitteln gewähren, um den Wechsel zu einer billigeren Kasse zu verhindern – gegen das Gesetz und zulasten des Arzneimittelbudgets.

D

Skeptisch: Dr. med. Leonhard Hansen Foto: Bernhard Eifrig

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