DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
TAGUNGSBERICHT
Erster Kulturkongreß der Freien Berufe in Bonn
Urheberrechtsschutz der Künstler muß verbessert werden
Die Freien Berufe sollten Ent- scheidungen kultureller Art nicht vorwiegend ökonomisch begründen.
Dies war eine der Thesen, die auf dem ersten Kulturkongreß des Bun- desverbandes der Freien Berufe (BFB) in Bann angesprochen wur- den. Mit dem Kulturkongreß unter- strich der BFB sein umfangreiches Kulturprogramm, mit dem er dem vergleichsweise hohen Stellenwert von Kunst und Kultur im Bereich der Freien Berufe Rechnung trägt.
Dem öffentlichen Bewußtsein einzu- prägen, daß die schöpferische Kraft der Freien sowie aller Kulturberufe
"Urquell aller Kultivierung der menschlichen Gemeinwesen und der menschlichen Individualität" ist, sei die Aufgabe dieses Kulturkongres- ses, erklärte BFB-Präsident Prof.
J. F. Valrad Deneke. Mit der Frage:
"Was erwarten Urheber und Künst- ler von der Kulturpolitik?'' befaßten sich Persönlichkeiten aus den Berei- chen der Musik, der Architektur, der Bildenden Kunst, des Designs sowie
der "schreibenden Zunft" zwischen
den Referaten der Parlamentarischen Staatssekretäre Dr. Ludaltvon War- tenberg (Bundeswirtschaftsministe- rium) zur Bedeutung der Kunst für Wirtschaft und Gesellschaft sowie Anton Pfeifer (Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Ge- sundheit) zur Frage der Leistungsfä- higkeit der Kulturpolitik.
Forderungen nach Verbesserun- gen der wirtschaftlichen Rahmenbe- dingungen für die Kulturschaffen- den insbesondere steuerrechtlicher Art standen in Stellungnahmen und Diskussion neben dem Verlangen nach Verbesserung des kulturellen Klimas unter bildungspolitischen Gesichtspunkten. In seinem State- ment zum Bereich der Musik beton- te der Präsident der Internationalen Gesellschaft für Urheberrecht, Prof.
Dr. Erich Schulze, daß darüber hin- aus einer der wichtigsten Aspekte der Kulturpolitik zunächst der urhe- berrechtliche Schutz des Künstlers sei. Hier seien Verbesserungen drin- gend erforderlich. Der Gesetzgeber habe zwar mit der Einführung der Leerkassetten-Vergütung bei gleich- zeitiger Senkung der Geräteabgabe in der Urheberrechtsnovelle von 1985 einen Schritt in die richtige Richtung getan. Der Urheberrechts- schutz müsse aber an die technische Entwicklung augepaßt werden, weil
"Die Leistungsfähigkeit der Kulturpolitik"
beleuchtete Anton Pfeiffer, Parlamentari- scher Staatssekretär des Bundesministeri- ums für Jugend, Familie, Frauen und Ge- sundheit, während des l. Kulturkongres- ses der Freien Berufe in Bonn
die Möglichkeiten der privaten Ver- vielfältigungen wesentlich gesteigert wurden. Ebenso dringend erforder- lich sei es, ein Urhebervertragsrecht zu schaffen, da die Urheber sich in zunehmender Weise den unbilligen Praktiken der Vermarkter ihrer Kunst gegenübersähen.
Prof. Dr. Wilhelm Kücker, Prä- sident des Bundes Deutscher Archi- tekten stellte fest: , ,Die politischen Parteien haben ein tiefes Mißver- hältnis zur Kunst, demgegenüber die Öffentlichkeit sich gleichgültig ver- hält.'' Diese unspirituelle Grundhal- tung sei dadurch entstanden, daß sich die politisch bestimmenden A-2818 (34) Dt. Ärztebl. 85, Heft 41, 13. Oktober 1988
Kräfte lediglich darauf konzentriert hätten, aus der Bundesrepublik eine bedeutende Wirtschaftsmacht zu schaffen; sie hätten dabei vergessen, an dem Prestige als Kulturnation zu arbeiten. Dies habe zu einer bei- spiellosen ästhetischen Verarmung mit der Folge eines Zweckdenkens geführt, das alle Gefühlsregungen unterdrücke. Da nur der meßbare Nutzen zähle, habe die Phantasie keine Daseinsberechtigung, weil sie sich nicht einfach messen lasse.
..,. Statt Wünschen und Vor- schlägen für Einzelmaßnahmen sieht Professor Kücker die Aufgabe der Kulturpolitik darin, ein kulturelles
"Klima" zu schaffen, das der Kunst, dem Künstlerischen, wieder die Chance gibt, dem einzelnen zu ver- mitteln, daß das Künstlerische nicht kultureller Luxus, sondern existen- tielle Notwendigkeit ist.
Die Betonung des sachlich-in- haltlichen Gesichtspunktes war hier deutlich als Warnung gemeint, eine Verbesserung der Rahmenbedin- gungen für die Kunstschaffenden vorwiegend unter ökonomischen Gesichtspunkten zu erörtern. Zwar habe das IFO-Institut für Wirt- schaftsforschung (München) die volkswirtschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur durch die Feststel- lung unterstrichen, von den etwa sechs Milliarden DM Gesamtausga- ben des Staates für Kunst und Kul- tur flössen immerhin acht Milliarden DM in die Staatskasse zurück.
Diese Argumentation sei jedoch auch dazu geeignet, die Förderung von Kultur wie "Unkultur" unter- schiedslos zu begründen. Da gerade die Freien Berufe besonderen Wert auf den Unterschied zwischen öko- nomischer Konkurrenz und der Kompetenz, also der Konkurrenz auf inhaltlich-sachlicher Ebene leg- ten, müßten diese mit vorwiegend wirtschaftlichen Betrachtungsweisen vorsichtig sein, meinte der General- sekretär des Deutschen Kulturrates, Dr. Andreas Wiesand. Die Freien Berufe mahnte er, der ökonomi- schen Argumentation kritisch ge- genüberzustehen. Sie dürfe nicht als Ersatz für Entscheidungen kulturel- ler, künstlerischer und inhaltlicher Art mißgedeutet werden.
Stefan Gräf, Bann