und Mortalität depressiver Patienten haben, wird derzeit in weiteren Stu- dien untersucht. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Langzeit- behandlung mit Lithium bei Patienten mit affektiven Erkrankungen bekann- termaßen nicht nur das Suizidrisiko, sondern auch das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko reduziert. Die diesen Effekten zugrunde liegenden Mecha- nismen sind bis heute nicht definitiv ge- klärt; unter anderen wurde ein sero- tonerger Wirkeffekt von Lithium diskutiert. Zusammenfassend sollten diese Befunde Anlass zur Durch- führung weiterer Studien sein, um den möglichen Zusammenhang zwischen serotonerger Neurotransmission, auto- nom neurokardialer Regulation und kardiovaskulärer Mortalität bei Pati- enten mit affektiven Erkrankungen zu erhellen.
Literatur
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5. Ben-David J, Zipes DP: Autonomic neutral modulation of cardiac rhythm: Part 1. Basic concepts. Modern Concepts of Cardiovascular Disease 1988; 57: 41–46.
Dr. med. Marcus W. Agelink Klinikum für Psychiatrie, Psychotherapie & Psychosomatik Evangelische Kliniken Gelsenkirchen Munckelstraße 28
45879 Gelsenkirchen
Wirksame Präventions- strategien nötig
Der Artikel greift ein bedeutsames Thema auf, das für die künftige medizi- nische Diskussion von großer Bedeu- tung sein wird. Zeigt sich doch, dass Personen mit depressiven Syndromen und Risikofaktoren für Herz-Kreis-
lauf-Erkrankungen mit einschlägigen Organschäden am Herzen, den Nieren und am Zentralnervensystem eine be- trächtliche Komorbidität aufweisen.
Aus eigener Beobachtung ist zu ergän- zen, dass Patienten mit dieser Komor- bidität zudem multiple degenerative Erkrankungen des Stütz- und Bewe- gungsapparates aufweisen mit Band- scheibenschäden, vorwiegend der Halswirbelsäule und Lendenwirbel- säule und degenerativen Polyarthro- sen der großen Gelenke mit lasttragen- der Funktion. Daneben finden sich Weichteilerkrankungen im Sinne von Fibroostosen, Dupuytrenscher Kon- traktur, Karpaltunnelsyndrom, Epi- condylitis ebenfalls gehäuft bei diesen Patienten.
Zur Pathogenese werden in dem Ar- tikel bedeutsame Hinweise gegeben, die pathophysiologischen Vorstellun- gen gehen in Richtung auf systemische Gefäßschäden. Zu Recht wird von den Autoren in der Grafik zum pathophy- siologischen Modell auf das metaboli- sche Syndrom hingewiesen, hier liegt nach der Überzeugung des Verfassers der wesentliche Keim und das Bin- deglied für die praktisch alle Organsy- steme erfassende Gewebsdegeneration.
Das Verständnis der Pathologie hat sich dabei bisher zu stark auf die offensicht- lichen Gefäßläsionen (Makroangiopa- thie) konzentriert und die nachfolgen- den Organschäden beschrieben, dage- gen wurde der vermittels der Mikroan- giopathie entstehende Systemschaden an praktisch allen Organen bislang zu wenig beachtet. Die chronische Min- derversorgung der Körperzellen mit Substraten geht über chronisch hypoxi- sche Schäden der Zellen mit Zell- und Gewebsazidose einher und schädigt die regelrechte Enzymfunktion der Organe nachhaltig. Depressive Störungen sind dabei nur eine Facette des umfassenden Prozesses der systemischen Gewebede- generation.
Mit Blick auf die Zivilisationskrank- heiten Hypertonus, Adipositas, Fett- stoffwechselstörungen und Diabetes mellitus spiegeln sich hier Erkrankun- gen unserer Lebenskultur wider mit tiefgreifenden Auswirkungen und Poly- morbidität bereits bei 40- bis 50-Jähri- gen, die eine verhältnismäßig hohe Le- benserwartung aufweisen und chro-
nisch behandlungsbedürftig sind. Rau- cher tragen besondere Risiken für um- fassende Degenerationsprozesse. Inha- latives Rauchen ist eines der potente- sten akut und dosisabhängig wirksa- men Diffusionsgifte für Sauerstoff und Substrate aus dem Kapillarbett und verändert bei chronischer Einwirkung schwerwiegend die Kapillararchitektur und das Gewebemilieu. Die Konse- quenzen für die künftige Kostenent- wicklung im Gesundheitssystem wer- den bisher nicht annähernd erfasst, al- lein am Beispiel des Diabetes mellitus im Erwachsenenalter (Diabetes melli- tus Typ 2) dokumentiert sich eine in der Bevölkerung unaufhaltsam ausbreiten- de, chronische und sehr kostenintensi- ve Erkrankung, die nach aktuellen Schätzungen heute bereits 6 bis 8 Pro- zent der Bevölkerung betrifft und nach Schätzungen bis zum Jahre 2010 einen Anteil von 10 bis 12 Prozent betragen wird.
Die Medizin wird in den kommen- den Jahren an der humanitären und fi- nanziellen Diskussion chronischer Sy- stemerkrankungen beteiligt werden. Ein umfassendes pathophysiologisches Ver- ständnis der Zivilisationskrankheiten ist vordringlich zu entwickeln und da- von wirksame Präventionsstrategien abzuleiten. Der Appell an die Reife und Mündigkeit der Bürger in ihrer Einstel- lung zur Lebensgestaltung und Gesund- erhaltung muss mit Kosten- und Lei- stungsstrategien untermauert werden.
Es wird höchste Zeit, das isolierte Or- ganverständnis der Fachrichtungen in der Medizin integrativ zu überwinden und die Herausforderungen des meta- bolischen Syndroms, das nahezu alle Fachrichtungen spezifisch betrifft, mit wirksamen Präventionsstrategien zu beantworten.
Dr. med. Karlheinz Frank Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft 76123 Karlsruhe
Schlusswort
Die erhaltenen Rückmeldungen be- stätigen, dass der Zusammenhang zwi- schen Depression und körperlichen Folgeerkrankungen zunehmendes In- teresse erfährt. Der Brief von Dr. Hau- M E D I Z I N
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2016. Mai 2003 AA1375
mer verweist auf den Zusammenhang zwischen Hypogonadismus und De- pression bei älteren Männern. Tatsäch- lich gibt es zunehmend Hinweise auf eine gewisse antidepressive Wirkung der Testosteronsubstitution, vor allem bei älteren Patienten mit Hypogonadis- mus (1, 2). Ebenso weist Haumer zu Recht darauf hin, dass ein antidepres- siver Effekt von Sporttherapie als gesi- chert angesehen werden kann und zu- gleich die metabolische Situation ver- bessert (3).
Der Beitrag von Dr. Frank erweitert unsere Darstellung des kardiovas- kulären Risikos um den korrekten Hinweis auf eine Assoziation von De- pression mit Erkrankungen des Bewe- gungsapparates (4). Dabei darf man al- lerdings nicht von einer Assoziation auf einen kausalen Zusammenhang schließen. Hinsichtlich des erhöhten kardiovaskulären Risikos depressiver Patienten legen zumindest mehrere prospektive Studien durch die zeitliche Reihenfolge des Auftretens der affek- tiven und kardialen Erkrankung einen Kausalzusammenhang nahe. Den Hin- weisen von Frank auf die Bedeutung der Prävention kardialer Risikofakto- ren und seinem Appell zur interdiszi- plinären Überbrückung der Fachrich- tungen können wir uns selbstverständ- lich anschließen. Besonders möchten wir Kollegen Agelink für den wichti- gen Hinweis danken, dass gemeinsame Hintergrundvariablen gleichermaßen zu Depression und Herzerkrankung prädisponieren könnten. Auf der ge- netischen Ebene kommt neben dem erwähnten Polymorphismus sicherlich auch der Serotonin-Transporter als Kandidat in Betracht, dessen Polymor- phismen gleichermaßen mit Herzer- krankung (5) und Depression (6) asso- ziiert sind. Den Ausführungen zur Re- gulation der Herzfrequenz durch das autonome Nervensystem ist nichts hin- zuzufügen. Der Hinweis auf den gün- stigen Einfluss einer Lithiumprophyla- xe auf das kardiovaskuläre Risiko stützt unsere Einschätzung, dass sero- tonerge Substanzen, insbesondere SSRI, geeignete Substanzen sind, um Depressivität einerseits und Ausprä- gung einzelner kardiovaskulärer Risi- kovariablen andererseits günstig zu beeinflussen.
Literatur
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Priv.-Doz. Dr. med. Michael Deuschle Zentralinstitut für Seelische Gesundheit J5 68159 Mannheim
Einseitige Darstellung
Die Arbeit von Marincek habe ich mit einigem Befremden gelesen – spiegelt sie doch die aktuelle Hightech-Überbe- wertung in der Bildgebung in klassi- scher Weise wider. Abgesehen von überflüssigen epidemiologischen Be- merkungen („die akute Cholezystitis ist häufig“) und pathogenetischen Hinwei- sen („die akute Cholezystitis entsteht meistens durch Steineinklemmung im Ductus cysticus“) wird der diagnosti- sche Einsatz der Computertomogra- phie (CT) bei nahezu allen aufgeführ-
ten Indikationsbereichen des akuten Abdomens erheblich überbewertet – sowohl im Bildmaterial als auch in den Formulierungen des Textes. Die Abdo- minal-Sonographie dagegen – die ins- besondere in der Notfallsituation ad hoc verfügbar und reproduzierbar ist – wird geradezu stiefmütterlich kurz oder überhaupt nicht differenziert darge- stellt und gewürdigt. Dies fällt beispiels- weise bei den aufgeführten Indikations- bereichen der Intestino-Sonographie und der vaskulären Notfallsituation (zum Beispiel rupturiertes Aorten- aneurysma) auf.
Falsch ist es weiterhin, implizit die CT-Untersuchung als (weitestgehend) unabhängig vom Untersucher darzu- stellen – das Gegenteil ist der Fall. Jed- wede Bildgebung einschließlich der Abdominal-Sonographie bedarf der in- tensiven Anwenderbemühung. Dass hierzu auch eine vom Arzt selbst erho- bene Anamnese sowie eine selbst durchgeführte klinische Untersuchung unabdingbar ist – für jeden sonogra- phierenden Arzt eine Selbstverständ- lichkeit – sei ebenfalls erwähnt. Diese
„alten klinischen Tugenden“ sind in manch einem Radiologen-Praxisalltag weitestgehend abhanden gekommen.
Kostenaspekte spielen für den Autor offensichtlich ebenso wenig eine Rolle (wohl weil sie zu Gunsten der Abdomi- nal-Sonographie angestellt werden müssten) wie Überlegungen der Prak- tibilität (dito). Auch die Möglichkeiten der diagnostischen und der therapeuti- schen ultraschallgesteuerten Punktio- nen finden keine ausreichende Würdi- gung.
Prof. Dr. med. Lucas Greiner Medizinische Klinik 2
Helios Klinikum Wuppertal GmbH Heusnerstraße 40
42283 Wuppertal
Der Verfasser hat auf ein Schlusswort verzichtet.
M E D I Z I N
A
A1376 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2016. Mai 2003
zu dem Beitrag
Akutes Abdomen:
Bildgebung heute
von
Prof. Dr. med. Borut Marincek in Heft 45/2002