• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Die juristische Dimension des Arzt-Patienten-Verhältnisses: Verhaltenspflichten Rechte von Arzt und Patient" (08.06.1989)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Die juristische Dimension des Arzt-Patienten-Verhältnisses: Verhaltenspflichten Rechte von Arzt und Patient" (08.06.1989)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

THEMEN DER ZEIT

Haftungsrechtliche Auseinan- dersetzungen bei vermeintlichem, behauptetem oder tatsächlichem Be- handlungsfehler verleiten oft dazu, eher von einer Gegnerschaft zwi- schen Arzt und Patienten als von ei- ner Partnerschaft zu sprechen. Dies wäre aber eine verkürzte, unzulässi- ge Sicht der rechtlichen Dimension, die das Arzt-Patienten-Verhältnis überlagert. Tatsächlich geht die Rechtsordnung von einer von beiden Seiten getragenen Partnerschaft zwi- schen Arzt und Patient aus.

Wie vielschichtig die Verhal- tenspflichten von Arzt und Patient sind, welche Konflikte und juristi- sche „Nachgefechte" die ärztliche Behandlung auslösen und begleiten können, lotete Prof. Dr. jur. Peter Hanau, Direktor des Forschungsin- stituts für Sozialrecht der Universität zu Köln, in einem Referat zum Auf- takt des 37. Internationalen Fortbil- dungskongresses der Bundesärzte- kammer und der Österreichischen Ärztekammer in Davos aus.

Es wäre eine unzulässige Inter- pretation des Arztrechtes, wenn es auf Arztpflichten und Patientenrechte reduziert würde. Tatsächlich gehen das Recht und die ständige Recht- sprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) von einem Arzt-Patienten- Verhältnis aus, das auf gegenseiti- gem Vertrauen und Kooperation aufbaut. Zwar läuft die ärztliche Be- handlung auf dem Hintergrund fest- gefügter rechtlicher Rahmenbedin- gungen und nach rechtlich sanktio- nierten Spielregeln ab, jedoch muß jede Seite dazu beitragen, daß eine Gegnerschaft, eine Kumpanei ver- mieden, die Partnerschaft nachhaltig gefördert wird. Hanau: A prima vista überrasche es, daß nicht nur der Arzt zur Verschwiegenheit verpflich- tet sei, sondern der Patient im Ver- hältnis zum behandelnden Arzt ebenfalls zur Verschwiegenheit ge-

genüber Dritten angehalten ist. Ent- sprechendes gilt für die Aufklärung vor der ärztlichen Behandlung. Nicht nur der Arzt ist dazu verpflichtet, auch der Patient muß dabei mitwir- ken und sich dem Arzt gegenüber in gewissem Umfang offenbaren.

Prinzip der Offenheit gilt für beide

Aus den rechtlichen Rahmenbe- dingungen resultieren für Arzt und Patient bestimmte Mindestverhal- tenspflichten vor und während der Behandlung. Prof. Hanau betonte, daß dem Arzt als medizinischem Sachverständigen schon vor der Be- handlung die Pflicht obliege, den Pa- tienten über Behandlungsrisiken und Behandlungskonsequenzen weitge- hend in einer verstehbaren Form aufzuklären und dies schriftlich wahrheitsgetreu zu dokumentieren.

Dem Prinzip der Offenheit ent- spricht die Verpflichtung zur Ver- schwiegenheit gegenüber Dritten.

Die Pflicht zur Verschwiegenheit greift juristisch bereits, ehe es zu ei- nem ersten Arzt-Patienten-Kontakt kommt, nämlich im allgemeinen In- formations- und Aufklärungsverhal- ten des Arztes in der Öffentlichkeit über sein Leistungsspektrum, näm- lich das ärztliche Leistungsangebot im konkreten Fall.

Der berufliche Verhaltenskodex der Ärzteschaft — die Berufsordnung

— untersagt prinzipiell eine werberi- sche Anpreisung des Arztes, ver- nachlässigt jedoch eine gezügelte und wohl dosierte Informations- pflicht des Arztes gegenüber der Öf- fentlichkeit über sein „Leistungsan- gebot". Dies diene der Orientierung potentieller Patienten und damit po- tentieller Vertragspartner. Einer of- fenen Gesellschaft entspricht es durchaus, daß im Verhältnis von

Arzt und Patient wahrheitsgemäß in- formiert und aufgeklärt wird nach dem Prinzip: positive Information ja, reklamehafte Anpreisung und plum- pe marktschreierische Werbung nein! In diesem Zusammenhang wies Prof. Hanau auf ein Paradoxon hin:

Die Werbung für höchst umstrittene ärztliche Grenzgebiete, wie etwa die Frischzellentherapie und problema- tische „alternative" Behandlungsver- fahren, sei unbegrenzt zulässig, wo- hingegen anerkannte Behandlungs- möglichkeiten nicht öffentlich her- ausgestellt werden dürften. Hier sei- en die Prinzipien auf den Kopf ge- stellt. Standeskodex und Rechtspre- chung müßten die „verkehrte Welt"

wieder in Ordnung bringen.

Die wichtigste Verhaltenspflicht des Arztes vor der Behandlung ist dessen Aufklärungspflicht, der der Arzt nicht nur aus ärztlich-ethischen, sondern nicht zuletzt auch aus haf- tungsrechtlichen Gründen umfas- send, offen und in rechtlich einwand- freier Art und Weise nachkommen muß. Allerdings hat die Rechtspre- chung die unbegrenzte Aufklärungs- pflicht seit 1984 relativiert und ein- geschränkt, um den Partnerschafts- gedanken zu unterstützen. So wird der Arzt nach einer Grundsatzent- scheidung des Bundesgerichtshofs zwar verpflichtet, über alles, aber nur über das zu unterrichten, was für die ärztlichen Entscheidungen und Handlungen von Interesse ist.

So führt eine unterlassene Auf- klärung nicht automatisch zu einem Schadensersatzanspruch, wenn der Patient die Zustimmung zur Behand- lung auch bei umfassender ärztlicher Aufklärung erteilt hätte. Allerdings hat der Arzt dann diesen Nachweis zu führen, und es sind an ihn strenge Anforderungen zu stellen, damit das Aufklärungsrecht des Patienten nicht unterlaufen wird.

Der BGH hat dem Patienten im Sinne dieses Partnerschaftsgedan- kens gewisse Pflichten auferlegt. So können den Patienten „Substanti- ierungspflichten" treffen, wenn er Ersatzansprüche aus einem Aufklä- rungsversäumnis herleiten will. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Grün- de für die Ablehnung der Behand- lung angesichts der Schwere der Er- krankung und der angewandten The-

Die juristische Dimension des Arzt-Patienten-Verhältnisses

Verhaltenspflichten

Rechte von Arzt und Patient

A-1750 (34) Dt. Ärztebl. 86, Heft 23, 8. Juni 1989

(2)

rapie mit einer günstigen Erfolgspro- gnose und verhältnismäßig geringen Belastungen für den Patienten nicht ohne weiteres erkennbar sind. In diesen Fällen ist es geboten, betonte Prof. Hanau, daß der Patient plausi- bel darlegt, weshalb er die Behand- lung bei Kenntnis der aufklärungsbe- dürftigen Umstände gleichwohl ab- gelehnt haben würde. Zwar muß der Arzt persönliche Gründe des Patien- ten, die zur Ablehnung der Aufklä- rung geführt haben, respektieren.

Der Patient muß aber plausibel er- klären, daß er bei ordnungsgemäßer Aufklärung vor einem "echten Ent- scheidungskonflikt" gestanden habe, aus dem heraus die behauptete Ab- lehnung der Behandlung verständ- lich wird und er nicht das Aufklä- rungsversäumnis nachträglich aus- schließlich zur Begründung einer Schadensersatzklage nutzt.

Belastungen im Streitfall Das Arzt-Patienten-Verhältnis kann belastet werden, wenn die zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen aus ärztlichen Fehlern (Behand- lungs-, Diagnosefehler, Aufklärungs- pflichtverletzung u. a.) gezogen wer- den sollen. Die Verhaltensanforde- rungen _gegenüber Ärzten werden bei der Uberprüfung von Schuldvor- würfen denn auch immer schärfer.

Dies wird dadurch gefördert, daß das Zivilrecht von einem objektiven Fahrlässigkeitsbegriff ausgeht, der die Verletzung der erforderlichen Sorgfalt voraussetzt, aber nicht an ein subjektives Verschulden des Arz- tes anknüpft. Auf diesem Hinter- grund ist es "verständlich" (Hanau), daß sich die Gerichte immer mehr hinter die Forderunge_~ der Patien- ten stellten und den Arzten gegen- über mit "mitleidsvollen Schuldvor- würfen" reagieren. Dabei sind auch Fälle denkbar, in denen eine Ent- schädigung für Behandlungsfehler auch ohne nachweisbares Arzt- und Krankenhausverschulden einzuräu- men ist, etwa bei einem Versagen der Apparate, bei Anfänger-Opera- tionen, einer Infektion im Kranken- haus oder Schäden, die nicht aus der Sphäre des Arztes oder des Kran- kenhauses resultieren.

Modell Schweden:

Kasko-Versicherung Einen neuen Weg im ärztlichen Schadensersatzrecht ist Schweden ge- gangen, indem es vor nunmehr zehn Jahren eine "Patientenversicherung"

als Kaskoversicherung für Patienten- schäden eingeführt hat. Prof. Hanau beurteilt dieses Experiment positiv, wiewohl es zu Beginn der achtziger Jahre von den meisten deutschen Fachjuristen skeptisch bis ablehnend bewertet wurde. Das Schweden-Ver- sicherungsmodell sieht folgendes vor:

Die Ansprüche und Klagen des Pa- tienten richten sich hier nicht gegen den Arzt, sondern unmittelbar gegen die Versicherung. Die Ansprüche gründen sich nicht auf ein Verschulden desAntes, sondern auf einen durch die Behandlung verursachten Schaden.

Dadurch verbessert sich die Rechts- stellung des Patienten, weil der sonst zwingend erforderliche Verschul- deosnachweis nun entbehrlich ist. Al- lerdings wird auch bei dieser Rechts- konstruktion das ärztliche Verhalten, das Fehlverhalten, rechtlich über- prüft.

Die schwedische Arzt-Haft- pflichtversicherung deckt nur Be- handlungsschäden, nicht aber auch solche Schäden, die auch ohne die Behandlung oder bei jeder Behand- lung unvermeidbar eingetreten wä- ren. Dennoch verbessert sich die Po- sition des kaskoversicherten Arztes gegenüber der derzeitigen Situatiol) in der Bundesrepublik Deutschland.

Im Zuge der "Verrechtlichung der Medizin" konstatierte Schadens- rechtier Prof. Hanau: Heute inter- pretieren die Gerichte die Aufklä- rungspflichten des Arztes nicht mehr so extensiv wie noch vor ein paar Jahren, dagegen ist die Dokumenta- tionspflicht des Arztes juristisch ge- sehen "im Aufwind". Die gesetzli- chen Auflagen gehen heute so weit, daß der Arzt sämtliche wichtigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen umfassend protokollie- ren und dokumentieren muß. Aller- dings genügt in vielen Fällen eine stichwortartige Aufzeichnung, so daß Irrtümer beim nachbehandeln- den Arzt vermieden werden. Nicht jeder Operationsschritt muß schrift- lich und "live" am Operationstisch

per Computer protokolliert werden.

Obgleich die Dokumentationspflich- ten aus dem partnerschaftliehen Prinzip der Offenheit zwischen Arzt und Patient resultieren, gehören die ärztlichen Dokumente zur Privat- sphäre des Arztes.

.... Die Dokumente können nur auf Verlangen des Patienten und in be- grenztem Umfang offengelegt wer- den.

So sehr der Arzt auf Verschwie- genheit, Diskretion, Aufklärung und Kooperation angewiesen ist, so sehr darf er auf Compliance und Mitwir- kung seitens des Patienten rechnen.

Der Arzt sei im Verhältnis zum Pa- tienten nicht weniger auf Diskretion angewiesen wie etwa der Arbeitge- ber im Berufsleben im Verhältnis zum Arbeitnehmer. Der Arzt könne nur dann seine Möglichkeiten der

"ärztlichen Kunst" und Handlungs- spielräume im Interesse des Patien- ten ausschöpfen, wenn er nicht Ge- fahr laufen will, daß das Behand- lungsprotokoll publik gemacht wird.

Die fünf "Fixpunkte" Prof. Hanaus:

...,.. Im Interesse der Gesundheit des Patienten sind sämtliche Maß- nahmen zu ergreifen oder ärztlicher- seits zu veranlassen, die der Heilung und Linderung dienen - ohne Rück- sicht auf die Gefahr einer Selbst- oder Fremdbezichtigung.

...,.. Die ärztliche Dokumenta- tion über die gesundheitliche Situa- tion des Patienten und das Vorgehen des Arztes sollten ebenfalls ohne Rücksicht auf die Gefahren einer Selbst- oder Fremdbezichtigung vor- genommen werden.

...,.. Der Arzt muß dem Patienten auf Verlangen stets Auskunft über Vorgänge und Situationen erteilen, die unmittelbar mit der Behandlung zusammenhängen.

...,.. Der Arzt ist nicht verpflich- tet, sich durch eine pflichtgemäße

"Sicherungsaufklärung" - etwa im

Zuge einer erforderlichen Nachbe- handlung durch Konsiliarärzte - vor staatsanwaltschaftliehen Ermitt- lungsbehörden selbst zu bezichtigen.

...,.. Ärztliche Informationen soll- ten einem strafrechtlichen Verwer- tungsverbot unterworfen werden.

Das heißt: Sie sollten nicht Grundla- ge von Anklage und Verurteilung werden dürfen. Dr. Harald Clade Dt. Ärztebl. 86, Heft 23, 8. Juni 1989 (37) A-1751

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ob Kant Sittlichkeit sagt oder ideale Menschheit oder Auto- nomie oder Gewissen, immer spricht er von dem geistigen Men- schen, welcher sich im natürlichen Menschen durch

Internist seit 17 Jahren tätig — Fragen zur freien Niederlassung 21 Berufsjahre als FA — Fragen zur Niederlassung Wunsch: Praxisgründung — Kontakt zu

Autogenes Training, anrechenbar für den Fachkunde- Balint-Gruppe und nachweis „Psychosomatische Gesprächsführung Grundversorgung" und für die Zu-

Es verging ein Jahr und der Unter- bauch meldete sich wieder und weil es so gut geholfen hatte: keine Bett- ruhe und keine Diät, aber Antibio- tika! Dann rief Bumm bei

Wir möchten, daß er un- fehlbar sei und auf der Höhe der Kunst stehe, entschieden und fein- fühlig, ein Optimist, peinlich gewis- senhaft, aufopfernd bis zur Er- schöpfung und

Auf die episodisch-unbere- chenbar auftretenden, dann aber während eines Schubes in relativ regelmäßigen Zeit- abschnitten ablaufenden af- fektiven Psychosen wie überhaupt auf

Wie wir den Begriff der Rehabilitation heute nicht allein auf ärztliche Ak- tivitäten zurückführen, sondern auf eine Leistung der Gemeinde ansehen, muß auch die Betreuung

Ich zi- tiere: „Selbsterfüllung oder Le- benserfüllung wird nicht von der Hingabe an außerhalb des Indivi- duums liegende Ziele erhofft, son- dern von der Realisierung unmit-