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«Was hab’ ich?» Damit Arzt und Patient sich auf Augenhöhe begegnen

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Academic year: 2022

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2011 aus einer spontanen Idee dreier engagierter junger Köpfe entstanden, erfüllt «Was hab’ ich?» seither ein wach- sendes Bedürfnis. Nutzer senden alle Arten von Arztberich- ten und Befunden ein – anonym und kostenlos. Medizinstu- denten ab dem 8. Semester und Ärzte bereiten die Befunde patientengerecht auf und übersetzen sie in eine leicht ver- ständliche Sprache, und das mit Erfolg: In den letzten sieben Jahren wurden mehr als 37 000 Befunde übersetzt und über 1800 Mediziner für patientengerechte Kommunikation sen- sibilisiert. Seit 2017 Zeit bietet «Was hab’ ich?» seine Dienst- leistungen auch in der Schweiz an.

Mehr Verständnis für die Patienten

Immer mehr Patienten bekommen von ihrem Arzt einen Bericht mit – teils auf eigenen Wunsch, teils nur zum Über- bringen des Briefs an den nachbehandelnden Hausarzt. Die Berichte richten sich in den wenigsten Fällen an die Patienten, sie sind folglich in unserer für Laien oft unverständlichen oder gar angsteinflössenden Fachsprache verfasst. Der Inhalt der Arztbriefe ist natürlich trotzdem relevant für die Patien- ten, betrifft er doch ihre Erkrankung und damit etwas sehr Persönliches. Das Verständnis der eigenen Erkrankung ist eine wichtige Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient. Nur wer seine Krankheit versteht, kann gezielt nachfragen, Informationen einholen, mitbestimmen.

Es ist also nur zu begrüssen, wenn Patienten ihre Arztbriefe lesen und verstehen möchten.

Die Ziele von «Was hab’ ich?» sind entsprechend formuliert.

Patienten sollen einen Kontext rund um die Fachbegriffe er- halten, ihre Arztberichte besser verstehen, Entscheidungen treffen können. Dabei wollen wir keineswegs das direkte Ge- spräch mit dem Patienten ersetzen! Wir wollen aber dort wei- terhelfen, wo Zeit oder Erklärungsansätze fehlen. Unsere Übersetzungen schaffen den Ausgangspunkt für ein Ge- spräch mit dem behandelnden Arzt oder Hausarzt. So verste- hen auch die Nutzer unser Angebot (Abbildung 1und 2).

Das Angebot von «Was hab’ ich?» richtet sich insbesondere auch an Personen mit geringem Einkommen. Durch den kos- tenlosen Service können alle – unabhängig von ihren finanziellen Mitteln – zu aktiven Mitarbeitern bei der eigenen Gesundheit werden. «Was hab’ ich?» arbeitet nicht gewinnorientiert. Das Projekt finanziert sich kostendeckend durch die Unterstützung von Partnern und Förderern sowie durch Spenden.

Ausbildung

Wenn auch der Patient im Mittelpunkt steht, sind bei «Was hab’ ich?» genauso die Studierenden wichtige Partner. Sie sol- len möglichst früh für patientenfreundliche Kommunikation sensibilisiert werden. So bietet «Was hab’ ich?» neben der in- dividuellen Einarbeitung und Schulung der neuen Freiwilli- gen auch eigens entwickelte universitäre Lehrgänge in Kom- munikation an. Diese stossen bei den Universitäten und bei den Studierenden auf grossen Anklang. Oftmals geht aus der Teilnahme an einem Unikurs auch eine aktive Übersetzerkar- riere bei «Was hab’ ich?» hervor.

Die Einarbeitungsphase für neue Übersetzer umfasst einen Onlinelehrgang (E-Learning) sowie fünf kürzere Übersetzun- gen unter Supervision. Diese ersten Übungsübersetzungen werden telefonisch mit einem speziell ausgebildeten Super - visor genauestens durchbesprochen. Erst die überarbeitete Fassung wird dann dem Nutzer zugestellt. Die weiteren Be- funde können aus einem Pool von etwa 30 aktuellen Befun- den selbst ausgewählt werden – so kann entweder das Wissen in einem vertrauten Fachgebiet vertieft oder aber ganz neues Wissen erarbeitet werden.

Auch nach der Ausbildungsphase stehen die Supervisoren sowie mehrere Konsiliarärzte jederzeit bei fachlichen oder

FORTBILDUNG

ARS MEDICI 21 | 2018

857

«Was hab’ ich?»

Damit Arzt und Patient sich auf Augenhöhe begegnen

Auch ehrenamtliches Engagement findet in E-Health seinen Platz. Für «Was hab’ ich?» übersetzen derzeit rund 170 Medizinstudierende und Ärzte verschiedenste Arztberichte in eine für Patienten leicht verständ- liche Sprache. Davon profitieren nicht nur die Patienten, sondern auch die freiwilligen Übersetzer.

Daphne Schönegg

S e r i e : E - H e a l t h – D i g i t a l i s i e r u n g i m G e s u n d h e i t s w e s e n

Abbildung 1: Feedback eines Nutzers

Abbildung 2: Feedback einer Nutzerin

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sprachlich-stilistischen Problemen zur Verfügung. Chat und Forum klären auftauchende Fragen in Echtzeit. Braucht man an einer kniffligen Stelle eine Inspiration für seine eigene Übersetzung, hilft der Blick in die Ressourcendatenbank:

Über die Jahre ist zu diversen Begriffen eine Übersetzungsvor- lage entstanden, die übernommen und bei Bedarf angepasst werden kann. Auch ein Laborwertelexikon mit Normwerten und einer laiengerechten Erklärung der Parameter steht den Übersetzern zur Verfügung. Die fertigen Übersetzungen blei- ben ausserdem in einer anonymisierten Form (ohne Original- befund) für alle Übersetzer einsehbar. Der Vergleich mit anderen, ähnlichen Übersetzungen ist besonders wertvoll. Er zeigt beispielsweise, wo man sich noch genauer ausdrücken könnte, an welcher Stelle man sich in Details verliert, wo man vielleicht einen ganz anderen Schwerpunkt gesetzt hat als die Kollegin.

Mit jeder Übersetzung eine Fortbildung

Was lernt man nun als Student durch die ehrenamtliche Über- setzertätigkeit? In erster Linie natürlich die patientengerechte Kommunikation, das Herausfiltern schwieriger Textstellen, die Differenzierung zwischen Übersetzung und Interpreta- tion und die einfache Darstellung komplexer Sachverhalte in einer leicht verständlichen Sprache. Auch nach mehr als zwei Jahren Übersetzertätigkeit bin ich immer noch bei jedem Befund aufs Neue überrascht, wie viele schwierige Punkte sich aus einem einzigen Begriff ergeben können. An manchen Ausdrücken kann man auch regelrecht verzweifeln. Ein Bei- spiel aus einem aktuellen übersetzten Befund: Netzhaut - foramen. Klar, ein Loch in der Netzhaut. Aber was ist die Netzhaut überhaupt? Wo im Auge befindet sie sich? Warum sollte da kein Loch sein? Wie entsteht das Loch? Lassen Sie mich etwas ausholen ...

Lohn der ehrenamtlichen Arbeit ist die Anwendung des Wis- sens im Alltag. Was man schon mal in einfachen Worten auf- geschrieben hat, kann man dem Patienten auch im Gespräch einfach erklären. In den klinischen Kursen gelingt mir der Wechsel zwischen Fachlatein mit dem Dozenten und norma- lem Deutsch mit dem Patienten immer besser. Die Fort- schritte in der Kommunikation werden so jeden Tag sichtbar.

Auch ist es sehr interessant, die Veränderung des eigenen Stils über die Jahre zu beobachten. Einzelne Sätze, mit denen ich eben noch zufrieden war, würde ich jetzt schon wieder ganz anders formulieren – «lifelong learning» gilt eben auch in der Telemedizin.

Ein zusätzlicher Lohn sind die Feedbacks der Nutzer, aus denen immer eine grosse Dankbarkeit spricht (Abbildung 3 und 4). Die Nutzer bewerten Verständlichkeit, Ausführlich- keit und Nutzen der Übersetzung durch Vergabe von bis zu fünf Sternen oder Herzchen. Zusätzlich können sie ihrem Übersetzer ein kurzes schriftliches Feedback geben.

Der Zusammenhalt im Team von «Was hab’ ich?» ist enorm und eine grosse Bereicherung. Hilfe wird jederzeit auch aus- serhalb der Übersetzungen angeboten, sei es bei fachlichen Fragen zu Lernstoff oder bei Tipps für Bewerbungsgesprä- che. Aktiven Übersetzern wird ein Zugang zu «e.Med»

(Springer Medizin) und zum «Pschyrembel» offeriert.

Zudem können Webinare gebucht werden, beispielsweise zu

«Transfersichernder Kommunikation» oder Sonographie.

Jedes Jahr findet als Höhepunkt eine grosse digitale Weih-

nachtsfeier für alle Mitglieder statt. Auf diese Weise wird das Engagement der Übersetzer spürbar wertgeschätzt.

Ein Blick in die Zukunft

Aus der ursprünglichen Idee hervorgegangen sind zwei wei- tere Projekte, deren übergeordnetes Ziel die Bereitstellung von jederzeit verfügbaren, leicht verständlichen und mög- lichst personalisierten Gesundheitsinformationen ist.

Der «Befunddolmetscher» erklärt in Form eines Lexikons über 10 000 oft in Arztbriefen vorkommende Fachbegriffe.

Zu vielen Themen finden sich ausführliche Erklärungen in einfacher Sprache. Nutzer können einzelne unklare Begriffe aus ihren Arztberichten selbst nachschlagen und Hinter- grundinformationen zu Untersuchungen erhalten.

Das Projekt «Patientenbrief» will allen Patienten bei Spital- austritt einen einfach verständlichen Befund zusätzlich zum Austrittsbericht zur Verfügung stellen. Dafür arbeitet «Was hab’ ich?» im Rahmen eines vom Innovationsfonds der Bun- desregierung (Deutschland) geförderten Forschungsprojekts an einer Software, die den «Patientenbrief» automatisch auf Basis strukturierter Daten erstellen soll. Der «Patientenbrief»

will als Bindeglied zwischen Spital und nachbetreuendem Arzt wirken.

Unsere Vision ist, dass Arzt und Patient auf Augenhöhe mit- einander sprechen können. Unterstützen Sie uns, wenn Sie diese Vision teilen – sei es durch Bekanntmachen des Projekts oder durch aktive Mitarbeit. cand. med. Daphne Schönegg

Übersetzerteam «Was hab’ ich?»

Campus Team Universität Zürich E-Mail: daphne.schoenegg@uzh.ch Internet: washabich.ch

FORTBILDUNG

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ARS MEDICI 21 | 2018

Abbildung 3: Feedback einer Nutzerin

Abbildung 4: Feedback eines Nutzers

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