A 646 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 13|
30. März 2012STUDIEN IM FOKUS
Circa jede fünfte transplantierte Niere in Deutschland stammt von einem Lebendspender, Tendenz:
steigend. Schätzungen zufolge gibt es weltweit jährlich etwa 27 000 Nierenlebendspender. Es ist bekannt, dass sie häufiger eine Mi- kroalbuminurie entwickeln als die altersentsprechende Normalbevöl- kerung. Zudem haben in der Deka- de nach Organentnahme früheren Untersuchungen gemäß circa 40 % der Spender eine glomeruläre Fil- trationsrate (GFR) von 60 bis 80 ml/min/1,73 m2, bei 10 % liegt sie sogar zwischen 30 und 59 ml/
min/1,73 m2 (1). Dies wird als Fol- ge einer Reduktion der Nierenmas- se, nicht eines pathologischen Pro- zesses gesehen. Dennoch: Da eine Erniedrigung der GFR im Allge- meinen mit einem erhöhten Risiko
für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert ist, haben kanadische Forscher untersucht, ob diese Asso- ziation auf Nierenlebendspender zutrifft. Es handelt sich um eine Fall-Kohortenstudie mit 2 028 Nie- renspendern und 20 280 in Alter und Geschlecht gematchten Nicht- spendern der Provinz Ontario. Die Spender waren bei der Nephrektomie im Mittel 43 Jahre (34 bis 50 Jahre).
Die Nierenspender hatten ein ge- ringeres Risiko für kardiovaskuläre Mortalität und schwere kardiovas- kuläre Ereignisse als die gematchte Kontrollgruppe (2,8 versus 4,1 Er- eignisse/1 000 Personenjahre; Ha- zard Ratio 0,66). Höheres Lebens- alter und geringes Einkommen wa- ren in beiden Gruppen mit höheren Raten kardiovaskulärer Ereignisse assoziiert.
Fazit: Das Risiko für kardiovasku- läre Ereignisse ist in der ersten De- kade nach Entnahme einer Niere von präoperativ gesunden Spen- dern im Vergleich zur Normalbe- völkerung nicht erhöht, sondern – im Gegenteil – erniedrigt. Die Le- bendspender hätten vor der Opera- tion zum gesündesten Teil der Be- völkerung gehört, erklären die Au- toren das Ergebnis. Dieses lasse sich nicht auf ältere Spender oder solche mit erhöhten Risiken durch Hypertonie oder Adipositas über- tragen, wie sie in vielen Ländern, auch Deutschland, zunehmend ak- zeptiert werden.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze 1. Garg AX, Muirhead N, Knoll G, et al.:
Proteinuria and reduced kidney function in l iving kidney donors: a systematic review, meta-analysis, and meta-regression. Kid- ney 2006; 70: 1801–10
2. Garg AX, Meirambayeva A, Huang A, et al.:
Cardiovascular disease in kidney donors:
matched cohort study. BMJ 2012; 344:
e1203; doi: 10.1136bmj/e1203 NIERENLEBENDSPENDE
Kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko nach Spende
Beide Herpes-simplex-Viren – Typ 1 (HSV-1) und 2 (HSV-2) – verur- sachen genitale Infektionen, Haupt- ursache ist HSV-2. In zwei früheren Untersuchungen mit diskordanten Paaren (ein Partner mit wiederkeh- renden Herpes-genitalis-Infektio- nen, der andere HSV-seronegativ) hatte eine HSV-Vakzine, bestehend aus einer Untereinheit des HSV- 2-Glykoproteins D, seronegative Frauen zu 73 beziehungsweise 74 Prozent vor der Erkrankung ge- schützt. Nun wurde die Vakzine in einer randomisierten, doppelblin- den Studie mit 8 323 HSV-1- und HSV-2-seronegativen Frauen unter- sucht (Herpevac Trial for Women).
Die Partner der zwischen 18 und 30 Jahre alten Frauen mussten nicht seropositiv sein. Impfungen erfolg- ten zum Zeitpunkt 0, nach 1 und 6 Monaten. Die Frauen in der Kon-
trollgruppe erhielten jeweils eine inaktivierte Hepatitis-A-Vakzine.
Primärer Endpunkt war der Schutz vor einer genitalen Herpeserkran- kung nach zwei Impfungen.
Der primäre Endpunkt wurde nur bei 20 % der Geimpften erreicht und lag damit unterhalb des Signifi- kanzniveaus. Die Wirksamkeit be- ruhte auf der Schutzwirkung gegen eine HSV-1-Erkrankung (58 %), gegen eine HSV-2-Erkrankung war die Vakzine nicht wirksam. In der Kontrollgruppe war eine genitale Herpeserkrankung häufiger durch HSV-1 als durch HSV-2 verursacht (21 versus 14 Fälle). Nach 3 Imp- fungen stieg die Wirksamkeit gegen HSV-1 auf 77 %, gegen HSV-2 war sie weiterhin unwirksam.
Fazit: In einer großen, randomi- sierten, doppelblinden Studie wur-
de mit einer von GlaxoSmithKline entwickelten HSV-2-Vakzine kei- ne statistisch signifikante Schutz- wirkung gegen eine genitale HSV- 2-Erkrankung erzielt. Die Autoren führen dieses überraschende Er- gebnis auf die im Vergleich mit den früheren Studien unterschied- lichen Teilnehmerpopulationen zu- rück: In der aktuellen Studie war das Infektionsrisiko geringer, da ein seropositiver Partner kein Ein- schlusskriterium war. Für einen gewissen Schutz vor einer genita- len HSV-1-Erkrankung könnten eine niedrige Viruslast, oral-geni- tale Transmission und ungünstige Bedingungen für die Virusvermeh- rung nach Vakzinierung Gründe sein. Warum kein Schutz gegen HSV-2 besteht, ist unklar. Der Hersteller hat die weitere Entwick- lung der HSV-Vakzine eingestellt.
Andrea Warpakowski Belshe RB, et al.: Efficacy results of a trial of a herpes simplex vaccine. NEJM 2012; 366:
34–43.
GENITALE HERPES-SIMPLEX-ERKRANKUNG